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Die Heimerziehung

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Die Heimerziehung Empty Die Heimerziehung

Beitrag  Andy Mo Sep 15, 2014 7:34 pm

Unter Heimerziehung wird die Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung verstanden, in der Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht pädagogisch betreut werden, um sie durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung zu fördern. Der Ursprung der heutigen Heimerziehung liegt in dem klassischen Kinderheim, sie hat sich aber wesentlich weiter entwickelt. Der reine Fürsorgegedanke wurde durch das Partizipationsprinzip abgelöst. Für einen Großteil der Bevölkerung stellt das Kinderheim noch immer die klassische Jugendhilfeleistung dar. Erst in letzter Zeit hat sich die Assoziationskette Jugendamt- bzw. Jugendfürsorge-Heim gelockert.

UN-Kinderrechtskonvention und Heimerziehung

Um die in der UN-Kinderrechtskonvention festgehaltenen Rechte umzusetzen haben sich FICE International, IFCO und SOS - Kinderdorf zusammengeschlossen und unter der Beteiligung von 32 europäischen Ländern (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Nordzypern, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei und Ungarn) einen Kriterienkatolog für Qualitätsstandard (Quality4Children) in der Fremderziehung bzw. außerfamiliären Erziehung zu errichten. Dieser Katalog wurde am 13. Juli 2007 im Europaparlament präsentiert. Seither konnten in Ländern Fortschritte im Bereich der Heimerziehung erreicht werden. Wesentlicher Motor dieser Entwicklung ist FICE International. Ausgehend von der Datenanalyse der Geschichten entwickelten die nationalen Koordinatoren Qualitätsstandards für vier Phasen der Fremdunterbringung von Kindern: Entscheidungsfindung, Aufnahme, Betreuung und Betreuungsabschluss.

Am 20. September 2009 wurden im Rahmen der 20. Sitzung des UNCRC, nach 5 Jahren Arbeit, die Guidelines for the Alternative Care of Children verabschiedet, welche im Wesentlichen den Empfehlungen der Quality4Children Kriterien folgt:
Quality4Children

Das fertige UNCR-Dokument umfasst 18 Qualitätsstandards, die die unterschiedlichen Phasen der Fremdunterbringung behandeln: Den Entscheidungs- und Aufnahmeprozess (6 Standards), den Betreuungsprozess (14 Standards) und den Verselbständigungsprozess (4 Standards). Jeder Standard wurde mit Zitaten von Menschen ergänzt, deren Stimme stellvertretend für jene steht, die im Bereich der Fremdunterbringung tätig sind; diese Zitate wurden persönlichen Gesprächen der betroffenen Personen mit Quality4Children-Teammitgliedern entnommen. Ausgehend von der Datenanalyse der Geschichten entwickelten die nationalen Koordinatoren Qualitätsstandards für vier Phasen der Fremdunterbringung von Kindern: Entscheidungsfindung, Aufnahme, Betreuung und Betreuungsabschluss.[1]

Geschichte

Mit der Fürsorge für Waisenkinder beschäftigte sich bereits im 3. Jahrhundert v. Ch. der Philosoph Platon. So ist in seinen Athener Gesetzen (Nomoi, Elftes Buch, 927) formuliert, das Waisenkinder Schutz und Obhut zu gewähren ist. Ähnliche Ansätze finden sich auch in der Halacha, der jüdischen Gesetzgebung. Eine erste gemeinschaftliche Fürsorge für Waisenkinder leisteten die christlichen Kirchen.
Kritik

Heimerziehung stand und steht immer wieder in der Kritik.

Einer der Kritikpunkte ist, dass das Verhalten des Kindes oder des Jugendlichen sich nicht nachhaltig gegenüber seinem ursprünglichen Umfeld ändert. Der junge Mensch werde eher „heimangepasst“, lerne also, sich in dem pädagogischen Umfeld zu behaupten, da starke Strukturen und konsequente Umsetzung von Erziehungsgrundsätzen dazu zwingen, so die Kritik. Wieder im familiären Kontext, in dem diese Strukturen oftmals nicht bestehen, gebe es keinen Grund mehr, das Erlernte umzusetzen – bzw. gute Gründe gerade dies nicht zu tun.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das Problem nur beim Kind oder den Jugendlichen gesehen wird. Es wird zum „Symptomträger“ gemacht, wie es z. B. Familientherapeuten nennen. Statt dass die ganze Familie betrachtet wird, in der die Probleme entstehen, oder die Eignung der Betreuer in einer sozialen Einrichtung, werde der betroffene junge Mensch zu einer Art „Sündenbock“, zum „Schuldigen“.

Zwar wird bei der Heimerziehung immer mehr auf Qualitätsmanagement gesetzt, bzw. gelten Pflegestandards, die unter staatlicher Kontrolle stehen, jedoch stehen im Erziehungsalltag nach wie vor durchschnittlich zwei oder drei Erzieher durchschnittlich acht Kindern / Jugendlichen bei.

Im Zuge finanzpolitischer Reformen bzw. der Geldknappheit der öffentlichen Hand tritt Heimunterbringung gegenüber anderen Hilfeformen der Hilfen zur Erziehung teilweise zurück. Manche Kinder haben bereits die ganze Bandbreite der Jugendhilfe hinter sich, bevor die von Anfang an in Betracht gezogene Heimunterbringung erfolgt.

Ein System-Problem der Gewaltanwendung (unter Aufsicht des Jugendamtes) berichtet die Fachhochschule Dortmund aus Mai 2008 durch Forschungen des Dekans, Richard Günder[2].
Deutschland
Stand der Heimerziehung in Deutschland
Hintergrund

Heimerziehung soll das „letzte Mittel“ sein, wenn Probleme in der Familie auftauchen. War es früher üblicher, Kinder relativ schnell in ein Heim zu geben, gehen viele Jugendämter heute dazu über, ambulante Hilfen oder auch teilstationäre Hilfen zu empfehlen, um dem Kind oder Jugendlichen weiterhin einen regelmäßigeren Kontakt zur Familie und seiner vertrauten Umgebung zu ermöglichen. Für die Frage, welche Maßnahme durchgeführt wird, sollen das Kindeswohl, nicht finanzielle Gründe maßgeblich sein.

In Deutschland lebten Ende 2011 rund 65.000 junge Menschen in einer betreuten Wohnform. Die Zahl stieg damit seit 2008 um 11 %.[3]
Rechtsgrundlage

Die Heimerziehung ist nach § 34 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) eine Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht. Zwar hat jeder Personensorgeberechtigte einen Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Vor der Fremdunterbringung ist ein ordentliches Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII durchzuführen.

Im Rahmen des § 1666 BGB (Kindeswohlgefährdung) kann ein Familiengericht auf Initiative des Jugendamtes die Unterbringung in einem Heim oder eine andere Hilfe gegen den Willen der Sorgeberechtigten (Eltern) anordnen. Dies geschieht bei Kindeswohlgefährdung und wenn die Sorgeberechtigten nicht in der Lage oder gewillt sind, die Gefahr abzuwenden.
Kosten

Die Kosten der Heimerziehung können sich je nach Art der gewählten Jugendhilfeeinrichtung auf bis zu 10.000 € im Monat belaufen. Im Rahmen der Angemessenheit und Leistungsfähigkeiten werden dazu zuerst das Kind selbst, dann sein Ehepartner/Lebenspartner und dann seine Eltern herangezogen. Bei vollstationärer Unterbringung hat jedes Elternteil im Allgemeinen mindestens das an dieses Elternteil ausgezahlte Kindergeld zu leisten.[4] Die zu zahlenden Beiträge sind der seit 2005 geltenden Kostenbeitragsverordnung zu entnehmen.[5] Vom tatsächlichen Einkommen dürfen viele Kosten abgesetzt werden, mindestens 25 %, dann ergibt sich das maßgebliche Einkommen. Liegt dies unter 750 €, so sind keine Beiträge zu zahlen. Bei einem maßgeblichen Einkommen oberhalb von 750 € sind etwa folgende Anteile des maßgeblichen Einkommens zu zahlen: Für die erste Person in vollstationärer Unterbringung 25 %, für die zweite 15 %, für die dritte 10 %, für die weiteren 0 %, für Personen in teilstationärer Pflege 5 %, wenn diese mehr als 5 Stunden pro Tag umfasst, und 3 % wenn sie einen geringeren Zeitumfang hat.[6] Insgesamt ist maximal die Hälfte des maßgeblichen Einkommens zu zahlen.[7] Für einen jungen Volljährigen in vollstationärer Einrichtung sind maximal 710 € von jedem Elternteil zu zahlen.[8]
Einrichtungen und Konzepte der Kinder- und Jugenderziehung

Von dem Heim kann heute nicht mehr gesprochen werden. Es gibt heute unterschiedliche Formen vollstationärer Angebote. Die einzelnen Unterbringungsformen unterscheiden sich stark in Angebot, Zielgruppe, Betreuungsschlüssel, Lage und nicht zuletzt auch durch die Größe. Eine Liste mit allen Formen, Mischformen und Varianten würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Die Häuser werden zum größten Teil von Stiftungen, kirchlichen und freien Trägern betrieben. Die Einrichtungen sind stark abhängig von der Belegungspolitik der Jugendämter und diese wiederum von der Finanzierungspolitik der Kommunen.

Folgende Unterbringungskonzepte können herausgestellt werden:
Jugendwohngruppen

Diese „klassische“ Form ist meist eine Wohnung in einem größeren Haus, in dem ca. 8 Kinder und/ oder Jugendliche leben. Zur Seite stehen ihnen Erzieher und Sozialpädagogen, die dort im Schichtdienst arbeiten und eine Versorgung und Betreuung rund um die Uhr gewährleisten. Realisiert sind auch Heime, die aus mehreren Häusern bestehen, in denen jeweils eine Gruppe lebt. Gesondert kann auch ein zentraler Speisesaal, zentrale Wäscherei oder Küche Bestandteil sein. Die früher häufiger anzutreffenden Großgruppen existieren heutzutage nicht mehr. Es ist eher der Trend zu beobachten, die Gruppengröße als auch die Alters- und Geschlechterstruktur noch familienähnlicher zu gestalten. Andere Heime wiederum konzentrieren sich auf bestimmte Altersgruppen wie Kleinkinder und Jugendliche oder auf Probleme wie Drogenkonsum oder Sexueller Missbrauch und richten ihr fachliches Profil entsprechend aus.

Wenn die Betreuung von Erziehern und Erzieherinnen (öfter auch Paare) gewährleistet wird, die selbst fest in ihrer Gruppe leben, spricht man von einer Wohngruppe mit innenwohnendem Erzieher, Kleinsteinrichtung oder einer familienähnlichen Wohngruppe. Eine solche Betreuungsform stellen die Kinderdörfer dar.
Erziehungsstellen

Eine Erziehungsstelle ist ein individuelles Betreuungs- und Unterbringungsangebot nach §27 in Verbindung mit §34 und/oder 35a, §41 SGB VIII[9], bei dem eine sozialpädagogische Fachkraft in einem Arbeitsrechtsverhältnis mit einem Freien Träger der Jugendhilfe ein bis zwei Kinder in eigenen Haushalt betreut.
Siehe auch: Erziehungsstelle
Betreutes Wohnen

Beim so genannten Betreuten Jugendwohnen wird in der Regel ebenfalls eine Rund-um-die-Uhr Betreuung durch Erzieher und Sozialpädagogen gewährleistet. Zielgruppen sind eher etwas ältere Jugendliche, die z. B. in Verselbständigungsgruppen leben. Das Ziel ist, die jungen Menschen an ein selbstständiges Leben heranzuführen. Jugendliche, die in einer Wohnung oder in einem Haus leben und nur noch stundenweise von Erziehern oder Sozialpädagogen aufgesucht werden, nennt man Jugendwohngemeinschaften. Es ist auch möglich, dass ein Jugendlicher alleine in einer Wohnung lebt. In diesem Fall wird von betreutem oder mobilem Einzelwohnen gesprochen.
Mutter-Kind-Betreuung

Bei dieser Wohnform leben die Mütter zusammen mit ihren Kindern in einer Einrichtung; dabei kann es sich um ein betreutes Einzelwohnen der jungen Mutter oder auch um eine Wohngemeinschaft/Gruppe aus mehreren Müttern mit ihren Kindern handeln. Verschiedene Kommunen haben spezielle Projekte ins Leben gerufen, um z. B. minderjährigen Müttern ein betreutes Aufziehen ihrer Kinder zu ermöglichen und den Müttern selbst auch Betreuung zu gewährleisten. Auch viele freie Träger haben inzwischen Betreuungsmöglichkeiten für minderjährige Mütter und ihre Kinder in ihrem Angebot. In diese Form der Heimunterbringung fallen auch die Familienaktivierenden Gruppen, die zum Teil aber auch von anderen Heimen als zusätzliches Angebot durchgeführt werden.

Geschlossene Unterbringung

Im wesentlichen Unterschied zu den oben genannten Gruppen kann ein Kind oder Jugendlicher nur mit richterlicher Genehmigung (auf Antrag des Sorgeberechtigten = Eltern, -teil oder Vormund) in einem geschlossenen Heim untergebracht werden. Es handelt sich um eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung nach § 1631b BGB. Hintergrund für die geschlossene Unterbringung ist oft Jugenddelinquenz, aber auch Selbst- und Fremdgefährdungssituationen, die jedoch keine psychiatrische Unterbringung erfordern. Unter besonderen Umständen kann auch häufiges Entweichen und mangelnde Erreichbarkeit mit anderen Betreuungsformen der Anlass sein.

Die geschlossene Unterbringung als Form der sozialpädagogischen Betreuung wird stark kritisiert.
Kurzzeitunterbringung, Clearing

Mitunter dient eine Heimunterbringung lediglich der räumlichen Trennung von Personensorgeberechtigten und Kind für eine gewisse Zeit, um eine verfahrene Situation zu entspannen. Eine Kurzzeitunterbringung erfolgt auch mit dem Ziel, den Hilfebedarf abzuklären und mögliche Lösungen zu finden. Für solche Fälle stehen in einigen Bundesländern Clearingstellen zur Verfügung, die konzeptionell auf stark fluktuierenden Gruppen eingerichtet sind. Ein typischer Fall von Kurzzeitunterbringung ist die Inobhutnahme durch das Jugendamt. Die Dauer der Kurzzeitunterbringung beträgt ein paar Tagen bis zu mehreren Wochen.
Mischformen/ Varianten

Die Unterschiede in der Ausgestaltung der Grundkonzepte der Heime sind vielfältig, denn § 34 SGB VIII eröffnet wie Kommentator Münder herausstreicht kreative Möglichkeiten für Anbieter. Neben der klassischen Form gibt es z. B. Wohngemeinschaften mit erhöhtem Betreuungsbedarf, in denen ein sehr hoher Betreuungsschlüssel gilt. Beim Sozialtherapeutischen Wohnen kommt konzeptionell noch ein therapeutischer Ansatz hinzu. Dies kann auch auf die klassischen Heimformen übertragen werden. Wesentlich zur Vielfalt der Konzepte trägt die Bandbreite der vielen pädagogischen Richtungen und Ausbildungen bei.
Geschichte der Heimerziehung in Deutschland

Mittelalter und Neuzeit

Die Heimerziehung 220px-Rauhes_Haus_Betsaal_1846
Betsaal im Rauhen Haus (ca. 1845)

Die Heimerziehung in Deutschland entstand aus der Armenfürsorge im Mittelalter. Neben Kindern und Jugendlichen wurden in Armenhäusern Alte, Kranke und geistig Verwirrte versorgt. Armenhäuser waren z. T. geschlossene Anstalten. In der Neuzeit wurden zunehmend Waisenhäuser gegründet, die neben der reinen Versorgung auf die Erziehung verwaister und verwahrloster Kinder und Jugendlichen abzielten bspw. das „Rauhe Haus“ in Hamburg von Wichern.

Diese beiden Entwicklungslinien der Heimerziehung sind in der alten Bundesrepublik bis in die 1970er Jahre erkennbar: Aus der Armenfürsorge entwickelten sich Fürsorgeerziehungsheime, in denen bis zu mehrere hundert Zöglinge unter strafvollzugsähnlichen Bedingungen getrennt nach Geschlechtern lebten. Hier wurden straffällige, sozial auffällige, geistig oder körperlich behinderte oder psychisch kranke Kinder und Jugendliche diszipliniert und aus dem öffentlichen Leben verbannt. In den Waisenhäusern entwickelten sich z. T. ambitionierte Konzepte zur Erziehung alleinstehender Kinder und Jugendlicher in alters- und geschlechtsgemischten familienähnlichen Gruppen. Die Zweiteilung fand schließlich in den 1920er Jahren ihren Niederschlag im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (vgl. Jugendwohlfahrtsgesetz), wo zwischen Fürsorgeerziehung und Hilfe zur Erziehung unterschieden wurde.
Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Fürsorgeerziehungsanstalten zur Disziplinierung unliebsamer Elemente eingesetzt. Mangelnde Konformität wurde als Verwahrlosung interpretiert und mit Maßnahmen der Fürsorgeerziehung beantwortet/bestraft. Dies entwickelte sich zu einem System von Bewährung und Selektion, in dem die „Schwererziehbaren“, „Unerziehbaren“ oder sonstwie Marginalisierten übrigblieben und als Unbrauchbare definiert und behandelt wurden. Z. T. führten Einrichtungen der Fürsorgeerziehung selbst Selektionen von geistig und körperlich Behinderten durch. Dermaßen selektierte Kinder und Jugendliche konnten dann als „lebensunwert“ sterilisiert oder ermordet werden (vgl. Opfer der Rassenhygiene).

Nachkriegszeit
Bundesrepublik Deutschland

Die Heimerziehung Bundesarchiv_B_145_Bild-F004900-0002%2C_Frankfurt-Main%2C_Kinder-_und_Jugendheim
Ein evangelisches Kinderheim 1957 in Frankfurt

In der Zeit nach dem Krieg beschäftigten die ca. 3000 Heime und Anstalten häufig noch dasselbe Personal, das bereits während der Zeit des Nationalsozialismus dessen Erziehungskonzepte umgesetzt hatte. Immer wieder kam es zu willkürlichen und entwürdigenden Bestrafungen oder die Fürsorgezöglinge wurden eingesperrt. Oft mussten sie gewerbliche Tätigkeiten ausüben, ohne dafür vergütet zu werden und ohne rentenversichert zu sein. Viele Jugendliche wurden auch an Bauern verliehen, um dort zu arbeiten. Den Bauern wurde dabei oft die Pflegschaft über die Kinder und Jugendlichen übertragen. Die Behandlung war oft menschenunwürdig. Die Jugendlichen wurden als billige Arbeitskraft gebraucht, da ein Pflegschaftsverhältnis kein Arbeitsverhältnis sein kann, weil es sich gegenseitig ausschließt. Eine berufliche Bildung kam ihnen dabei nicht zu Teil.[10] Viele der Missstände wurden dadurch möglich, dass die Heimaufsicht in dieser Zeit praktisch auf ganzer Linie versagte. Dies hatte strukturelle Gründe, denn Leistungserbringung und die Aufsicht darüber lagen in einer Hand bei ein und derselben Behörde.

1953 wurde das RJWG durch das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) abgelöst und 1961 novelliert. Die Zuständigkeit für die Heimaufsicht wechselte vom Bund auf die Länder. Obwohl verbesserte rechtliche Bedingungen geschaffen wurden, änderte sich die Lage der Kinder und Jugendlichen in der Fürsorge zunächst kaum. Das neue Recht verpflichtete Fürsorgeeinrichtungen und Pflegestellen auf das Kindeswohl. Pflegekinder durften nur noch zu häuslichen und familiären Arbeiten herangezogen werden, die ihren Kräften entsprachen und ihre körperliche, geistige und sittliche Entwicklung nicht beeinträchtigten.

Die Kritik an den ungeeigneten, herabwürdigenden und willkürlichen Erziehungsmethoden (vgl. Schwarze Pädagogik) wurde immer stärker. Durch Skandale, wie z. B. den sexuellen Missbrauch durch Erziehungspersonen, wurden die Missstände immer bekannter. Einer größeren Öffentlichkeit wurden die skandalösen Zustände in der Heimerziehung durch die „Heimkampagne“ der Studentenbewegung der 1960er-Jahre zugänglich gemacht. Hier engagierten sich auch Andreas Baader und Ulrike Meinhof, die das Drehbuch für den Film Bambule schrieb, in dem die Missstände in den Heimen thematisiert wurden. In der so genannten „Heimrevolte“ flohen viele Jugendliche aus den Heimen und wurden von Studenten-Wohngemeinschaften aufgenommen oder sie wurden Trebegänger. Die Revolte führte zur Veränderung der Konzepte in der Heimerziehung und zur Entwicklung eines erweiterten Kanons der Hilfen zur Erziehung. Entsprechend benannte sich die „Internationale Gesellschaft für Heimerziehung“ in „Internationale Gesellschaft für Erzieherische Hilfen“ um[11]
Deutsche Demokratische Republik

Für die Einrichtung der Heime bildeten die Befehle der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) die gesetzlichen Grundlagen.[12][13][14] Seit 1951 wurde zwischen den Grundtypen Normal- und Spezialkinderheim unterschieden. Mit der Jugendhilfereform wurden ab April 1965 auch die Jugendwerkhöfe in das bereits seit 1951 bestehende System der Spezialheime eingegliedert.[15] Sie unterstanden dem Ministerium für Volksbildung und seinen nachgeordneten Organen.

Normalheime dienten der Erziehung elternloser und entwicklungsgefährdeter Kinder. Dazu gehörten:

Vorschulheime
Kinderheime
Hilfsschulheime
Jugendwohnheime und
Jugendwohnheime für Hilfsschulabgänger

Die Heimerziehung Bundesarchiv_Bild_183-19489-0001%2C_Cottbus%2C_S%C3%A4uglingsheim
Bundesarchiv Bild 183-19489-0001, Cottbus, Säuglingsheim 18.März 1955 Foto: Schutt, Erich

Eine Sonderstellung unter den Normalheimen nahmen die Dauerheime für Säuglinge und Kleinstkinder in der DDR ein. Neben elternlosen Kindern wurden auch gesunde Säuglinge und Kleinstkinder im Alter von wenigen Wochen bis zum 3. Lebensjahr aufgenommen und ständig untergebracht, deren Mütter alleinerziehend waren oder deren Eltern in Schichtsystemen arbeiteten. Diese Einrichtungen wurden ärztlich überwacht und oblagen ab 1951 der Aufsicht der zuständigen Abteilung Gesundheitswesen des Rates des Land- oder Stadtkreises. Der Ausbau der Dauerheime wurde bis in die späten 50er Jahre forciert.[16][17][18][19]

Elternlose Kinder oder Sozialwaisen denen sich keine Adoptionsmöglichkeiten eröffneten, wurden nach Vollendung des 3. Lebensjahres in weiterführende Heime verlegt. In den Jahren 1959 - 1961 erreichte die Anzahl der Dauerheimplätze mit ca. 11.000 ihren Höchststand.[20] Diese Entwicklung blieb nicht ungetrübt. Ende der 1950er Jahre wurden starke Vorbehalte von Pädiatern über diese Form der Kleinstkindbetreuung laut und durch vergleichende Studien untermauert.[21] In der Folgezeit sank bis 1980 die Zahl der Heimkinder kontinuierlich und nahm Ende der 1980er Jahre auf über 4.000 gemeldeten Kindern wieder zu.[22] Die Dauerheime für Säuglinge und Kleinstkinder wurden im Zuge der deutschen Wiedervereinigung aufgelöst oder in Kinderheime sowie andere soziale Einrichtungen umgewandelt.[23]

Zum System der Spezialheime gehörten:[24]

Durchgangsheime und -stationen zur kurzzeitigen Unterbringung von Kindern und Jugendlichen, vorwiegend zur Überweisung in Spezialheime
Spezialheime
Spezialkinderheime Oberschule zur Umerziehung schwererziehbarer Schüler der Klassenstufen 1–10 der POS
Spezialkinderheime Hilfsschule zur Umerziehung schwererziehbarer Hilfsschüler
Jugendwerkhöfe für Abgänger der POS zur Umerziehung schwererziehbarer Jugendlicher
Jugendwerkhöfe für Abgänger der Hilfsschule zur Umerziehung schwererziehbarer Jugendlicher
Sonderheime
Kombinat der Sonderheime für Psychodiagnostik und pädagogisch-psychologische Therapie zur Umerziehung stark verhaltensgestörter Kinder und Jugendlicher.
Disziplinareinrichtung
Der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau

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Die Heimerziehung Empty Teil 2

Beitrag  Andy Mo Sep 15, 2014 7:37 pm

Aufarbeitung
Westliches Nachkriegsdeutschland
Runder Tisch

Die Heimerziehung 800px-Ehemalige_Heimkinder_Demo
Ehemalige Heimkinder Demo April 2010

Die Heimerziehung 800px-Ehemalige_Heimkinder_Demo_2
Ehemalige Heimkinder Kundgebung

Im November 2008 empfahl der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, einen Runden Tisch einzurichten, der die Geschehnisse in der Heimerziehung im westlichen Nachkriegsdeutschland unter den damaligen rechtlichen, pädagogischen und sozialen Bedingungen aufarbeiten sollte.[10] Der Petitionsausschuss erklärte, dass er das Unrecht und Leid, das Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Kinder- und Erziehungsheimen in der Bundesrepublik in der Zeit zwischen 1945 und 1975 widerfahren sei, sehe und erkenne und dass er es zutiefst bedauere.[25]. Nachdem sich der Deutsche Bundestag der Empfehlung angeschlossen hatte,[26] richtete die Bundesregierung den Runden Tisch Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren unter dem Vorsitz der Bundestagsvizepräsidentin a. D. Dr. Antje Vollmer ein. Ihm gehörten Vertreter der ehemaligen Heimkinder an, ferner Vertreter des Bundestages, der Bundes und der Länder, der Jugendämter, der staatlichen, kirchlichen und nicht konfessionellen Träger der Erziehungsheime, beteiligt waren daneben Jugendinstitute und Wissenschaftler[27].

Der Runde Tisch sollte die Hinweise auf das Unrecht, das Heimkindern zugefügt worden ist, prüfen. Er sollte die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen (organischen oder psychischen) Folgen der Heimerziehungspraxis aufarbeiten und die Kommunikation zwischen den Betroffenen und den „Nachfolge“-Organisationen der damaligen Heimträger fördern sowie Kontakte zur individuellen Bearbeitung von Heimbiographien herstellen. Darüber hinaus sollte der Runde Tisch der Information ehemaliger Heimkinder dienen und psychologische, soziale oder seelsorgerische Beratungsangebote der beteiligen Institutionen und Organisationen an ehemalige Heimkinder bei Bedarf vermitteln. Schließlich sollten Kriterien zur Bewertung der Forderungen ehemaliger Heimkinder entwickelt werden und mögliche Lösungen aufgezeigt werden.[28]

Im Dezember 2010 legte der Runde Tisch seinen Abschlussbericht vor[29]. Darin wird aufgezeigt, dass in der Heimerziehung der frühen Bundesrepublik die Rechte der Heimkinder durch körperliche Züchtigungen, sexuelle Gewalt, religiösen Zwang, Einsatz vom Medikamenten und Medikamentenversuche, Arbeitszwang sowie fehlende oder unzureichende schulische und berufliche Förderung massiv verletzt wurden. Dies sei auch nach damaliger Rechtslage und deren Auslegung nicht mit dem Gesetz und auch nicht mit pädagogischen Überzeugungen vereinbar gewesen. Als Verantwortliche für das den Heimkindern zugefügte Leid werden Eltern, Vormünder und Pfleger, Jugendbehörden, Gerichte, die kommunalen und kirchlichen Heimträger und das Heimpersonal und schließlich die hierzu schweigende Öffentlichkeit genannt.

Der Runde Tisch fordert, die Heimkinder zu rehabilitieren, indem die heutigen Repräsentanten der seinerzeit verantwortlichen Träger und der damals politisch Verantwortlichen das Unrecht anerkennen und um Verzeihung bitten, er fordert, dass regionale Anlauf- und Beratungsstellen als Stützpunkte für Geschädigte ehemaliger Heimerziehung eingerichtet werden. Er fordert darüber hinaus finanzielle Maßnahmen zugunsten einzelner Betroffener, mit denen Hilfen zur Bewältigung von Traumatisierungen finanziert werden und finanzielle Nachteile, etwa bei der Rente ausgeglichen werden können. Er setzt sich auch dafür ein, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung und die Dokumentation der Missstände der Heimerziehung finanziell gefördert werden. Es solle ein Fonds für ehemalige Heimkinder eingerichtet werden, der durch die öffentliche Hand und durch die Heimträger mit insgesamt 120 Mio. € dotiert werden solle. Schließlich müssten organisatorische und gesetzgeberische Initiativen ergriffen werden, um die Rechte heutiger Heimkinder noch besser zu garantieren. Der Abschlussbericht schließt mit einem Appell der Vorsitzenden an den Deutschen Bundestag und die Landesparlamente, die geforderten Maßnahmen zügig in die Tat umzusetzen.
Östliches Nachkriegsdeutschland

In den Heimen der SBZ und in der DDR geschah bis zum Fall der Mauer im November 1989 viel Unrecht. Gründe für die Einweisung in ein Heim des Systems der Spezialheime von Seiten der Jugendhilfe kamen neben schweren Erziehungsproblemen und Verhaltensstörungen auch im politisch-ideologischen Fehlverhalten (s. Erziehung zur Sozialistischen Persönlichkeit) liegen. Vom System der Spezialheime (z.B.Jugendwerkhöfen, im besonderen Ausmaß vom Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau) ist bekannt, dass die Methoden der schwarzen Pädagogik mit dem Ziel Umerziehung angewendet wurden. Menschen, die in einem Spezial- oder Sonderheim waren, können deshalb Rehabilitierung beantragen und Entschädigungszahlungen erhalten.[30]
Österreich
Aufarbeitung

Im August 2011 klagte Jenö Alpar Molnar, ein ehemaliger Heimzögling, das Land Oberösterreich wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte und wegen institutionalisierten Unrechts auf 1,6 Mio. € Schadensersatz.[31] Im Herbst 2013 gab es in dem Fall ein „richtungsweisendes Gutachten“, so dass der Fall nicht verjährt ist.[32]

Im Oktober 2011 wurden von ehemaligen Zöglingen des Kinderheims Schloss Wilhelminenberg schwere Vorwürfe über systematische körperliche Misshandlungen und Serienvergewaltigungen erhoben.

Im Juli 2012 wurde der im Auftrag der Stadt Wien angeregte Bericht Gewalt gegen Kinder in Erziehungsheimen der Stadt Wien veröffentlicht.[33]
Schweiz
Geschichte der Heimerziehung in der Schweiz

Auch in der Schweiz hat die Heimerziehung neben anderen Formen der Fremdunterbringung (Verdingkinder, Pflegekinder, Adoption, Internate) eine lange Geschichte, mit den weltbekannten Pionieren wie Johann Heinrich Pestalozzi und Philipp Emanuel von Fellenberg. Sie betraf seit Gründung der ersten Waisenhäuser, Rettungsanstalten und Armenerziehungsanstalten vor allem Kinder aus der Unterschicht sowie außereheliche Kinder oder Kinder aus diskriminierten Gruppen (Jenische, Fremdarbeiter), zudem Kinder von Suchtkranken.

Die deklarierte Absicht, diesen Kindern bessere Lebenschancen zu bieten als in ihrem familiären und sozialen Umfeld, scheiterte oft an strukturellen und finanziellen Fragen, die zusammenhingen. Weil die Versorger der Kinder (Fürsorge- und Vormundschaftsbehörden) von den politisch vorherrschenden Gruppierungen auf möglichst tiefe Kosten für solche Institutionen eingeschworen wurden, bevorzugten sie große Heime, geführt von billigen Arbeitskräften (oft Angehörige katholischer Orden oder evangelikaler protestantischer Gruppen), die zudem durch angegliederte Gartenbau- und Landwirtschaftsbetriebe mittels strenger Kinderarbeit der Zöglinge die Kosten möglichst tief hielten. Mädchenheimen waren oft Wäschereibetriebe angegliedert. Ebenso hatten die Zöglinge der geschlossenen Institutionen der Zwangsfürsorge für Jugendliche Zwangsarbeit zu leisten.

Dieses Regime ging oft zu Lasten der schulischen Ausbildung. Viele Kinder und Jugendliche verließen die Heime und Erziehungsanstalten ohne Berufslehre und wurden als landwirtschaftliche Hilfsarbeiter oder Dienstpersonal in bessergestellen Haushalten beschäftigt. Dass Kinder aus Heimen oder Jugenderziehungsheimen dieser Art eine höhere Bildung absolvierten, war sehr selten.

Das schlecht qualifizierte Personal war durch die hohen Belegungszahlen und das ungünstige Verhältnis von Kindern und Jugendlichen zu Betreuenden überfordert. Dies führte einerseits zu mechanischer, serieller Pflege ohne viel Zuwendung zum einzelnen Kind in Säuglings- und Kleinkinderheimen, mit den entsprechenden Erscheinungen von Hospitalismus und Deprivation, sowie zu militärartigem Drill in den Kinder- und Jugendheimen, andererseits aber auch zu Misshandlungen und Gewaltexzessen. Verbreitet, aber oft unentdeckt und meist unbestraft, kam es zu sexuellen Übergriffen und Missbrauch bis hin zur Vergewaltigung seitens der Leitung, des Personals oder auch älterer Zöglinge. Bettnässer wurden erniedrigenden Strafen unterzogen, was ihr Problem meist noch verschärfte. Durch spezifische Kleidung und mangelhaftes oder fehlendes Schuhwerk wurden Heimkinder der Verspottung und Ausgrenzung durch die angrenzende soziale Umgebung ausgesetzt, zusätzlich zur ohnehin vorhandenen Stigmatisierung als „Waisenhäusler“, Heimkinder und „Anstältler“.

In den ersten zwei Dritteln des 20. Jahrhunderts verschärften psychiatrische und heilpädagogische Begutachtungen diese Stigmatisierungen oft noch durch Etikettierungen aus dem Fundus eugenischer und erbhygienischer Ideologeme wie „erblich minderwertig“, "„ungünstige Erbanlagen“, „belastete Herkunft“; dies unter Beibehaltung älterer abwertender Etikettierungen wie „haltlos“, „verwahrlost“, „liederlich“ und „schwererziehbar“. Die Zahl der Fremdplatzierungen war in der Schweiz bis in die 1960er Jahre auch deshalb sehr hoch, weil die Fürsorgebehörden Familienauflösungen gegenüber finanziellen Beihilfen an sozial benachteiligte kinderreiche oder Ein-Eltern-Familien bevorzugten, was teilweise auch gesetzlich vorgegeben war.

Mit der Verbesserung der Ausbildung von Heimerziehenden, der Einführung von Sozialpädagogik als Studienfach, der Durchführung und Rezeption von Hospitalismusforschung, der 1968er-Rebellion gegen autoritäre Erziehungsstile sowie der Heimkampagne 1971/72 gingen markante Verbesserungen in Organisation, Finanzierung und Betreuungsverhältnissen vieler Heime und Erziehungsanstalten einher. Zahlreiche früher von Ordensleuten oder anderen religiösen Kreisen geführte Heime wurden geschlossen oder professionellen säkularen Kräften übergeben, aber auch die Zöglingszahl der staatlichen Heime wurde reduziert und auch viele staatliche Heim wurden geschlossen und verkauft oder zu Drogenentzugsstationen oder Unterkünften für Asyl Suchende umfunktioniert.

Zum Umdenken trug zudem der vermehrte Bezug auf Menschenrechte und Grundrechte auch der Kinder und Jugendlichen im Zeichen der späten Ratifikation der Europäischen Menschenrechtskonvention durch die Schweiz (1974) bei, dies insbesondere bezüglich der ohne Gerichtsbeschluss oft jahrelang in geschlossenen Anstalten und Zuchthäusern internierten sogenannt *administrativ versorgten" Jugendlichen. Mehr Supervision, das 4-Augen-Prinzip und bessere, gesetzlich verankerte Kontrollmechanismen sollen, insbesondere seit Einführung des neuen Kinderschutzrechts, das die zivilrechtlichen Bestimmungen aus dem Jahr 1912 zur Vormundschaft und zur Kinder- und Jugendfürsorge am 1. Januar 2013 ablöste, heute bessere Garantien zur guten Ausbildung der Heimkinder ohne Schädigungen durch Misshandlung und Missbrauch sicherstellen.
Aufarbeitung

Nach zunächst in einzelnen Autobiografien, Zeitungsartikeln, Dokumentarfilmen und Fernsehsendungen vorgebrachten Protesten und Anliegen forderten am 28. November 2004 in Glattbrugg rund 250 ehemalige Verdingkinder, Heimkinder und Pflegekinder an einer Tagung die offizielle Anerkennung des ihnen widerfahrenen Unrechts und eine historische Aufarbeitung des Geschehens. In Parallele zu ähnlichen Forderungen in anderen Ländern (Irland, Kanada, Schweden, Deutschland, Österreich u.a.) erhoben die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen auch Forderungen nach finanzieller Entschädigung für die Misshandlungen, die Zwangsarbeit, die schlechte Ausbildung, die Stigmatisierung und die damit verbundenen physischen, psychischen und finanziellen Einbussen.

Am 11. April 2013 entschuldigten sich in Bern, angeführt von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP), Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Kantonen, Gemeinden, Kirchen, Heimverbänden und Bauernverband vor den Medien und zahlreich anwesenden Betroffenen bei allen Opfern dieses Unrechts in der Zeit vor 1981[34]. Gleichzeitig wurden Anlaufstellen für diesen Personenkreis bei den Opferhilfestellen sowie bei den Archiven (zwechs Hilfestellung bei Einsicht, Kopie und Richtigstellung der persönlichen Aktendossiers mit ihren oft sehr herabsetzenden Inhalten) geschaffen. Einzelne Städte und Kantone (Zürich, Winterthur, Kanton Waadt) richten zur Zeit Zahlungen als "symbolische Gesten" an ehemalige Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen aus.

Ein paritätisch aus 10 Vertretern der Opferseite und 10 Vertretern der Nachfolgeorganisationen der Täterseite zusammengesetzter Runder Tisch für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen, ergänzt durch Expertinnen und Experten ohne Stimmrecht, konstituierte sich am 13. Juni 2013 in Bern unter der Leitung des bundesrätlichen Delegierten für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen Alt-Ständerat Dr.iur. Hansruedi Stadler (CVP)[35]. Der Runde Tisch soll Empfehlungen zur historischen und juristischen Aufarbeitung sowie zur finanziellen Abgeltung der erlittenen Schädigungen zuhanden der von ihm repräsentierten Institutionen im Sinne der Ansprüche der Opferseite ausarbeiten. Die Organisationen der Opferseite verlangen einen Härtefallfonds für dringliche Notfälle und eine Entschädigung in der Höhe von 120'000 Franken pro geschädigte Person[36]. Einzelne Betroffene stellen gerichtlich weit höhere Forderungen, prallen aber oft an der Einrede der Verjährung ab.

Die Guido Fluri Stiftung, welche bereits 2010 ein Forschungsprojekt zur Aufarbeitung der Geschichte der Kinderheime in der Schweiz gestartet und am 1. Juni 2013 das ehemalige Kinderheim Mümliswil in eine nationale Gedenkstätte umgewandelt hat[37], kündigte am 11. Juli 2013 eine Volksinitiative zur Verankerung der gleichen Ziele in der Verfassung an. Dies um sicherzustellen, dass die angestrebten Ziele erreicht und umgesetzt und nicht, wie 2004 die Forderungen zur Entschädigung der Zwangssterilisierten, wieder abgeblockt werden[38]. Zur rechtlichen Rehabilitierung der sogenannt "administrativ versorgten" Jugendlichen und Erwachsenen liegt zudem eine 2011 eingereichte parlamentarische Initiative von Paul Rechsteiner (SP) beim Parlament an[39].
Aufarbeitung und Entschädigung im internationalen Vergleich

Die Geschichte von Säuglings-, Kinder- und Jugendheime war und ist teilweise noch ein Tabuthema, dem die Sozialgeschichtsschreibung lange auswich. Es war überwiegend der Kreis von Insidern wie: Behördenmitglieder, Institutionsleiter, Sozialpädagogen, Kinderpsychiater, welche sich aus ihrer eigenen Sicht heraus in Jubiläumsschriften und Fachartikeln äußerten. In einigen Ländern wurden Entschädigungen für ehemalige Heimkinder und andere Opfer fürsorgerischer Zwangsmaßnahmen ausbezahlt.

In der Schweiz erhielten ehemalige Heimkinder in den Jahren 1988 bis 1993 durch zwei Fondskommissionen, die von Kindswegnahmen, Fremdplatzierung in Heimen und Anstalten, als Verdingkinder oder als Adoptierte systematisch aus ihrer Herkunftskultur gerissen wurden und von denen einige auch einer Zwangssterilisation unterzogen wurden, eine so genannte "Wiedergutmachung" in Form einer Auszahlung in der Höhe zwischen 2.000 und 20.000 Franken. Auch in Irland, Schweden, Island oder Kanada wurden Entschädigungsleistungen an die Betroffenen gezahlt.
Großbritannien und Commonwealth-Länder

Im Februar 2010 bat der britische Premierminister Gordon Brown ehemalige Heimkinder für erlittenes Unrecht öffentlich um Entschuldigung. Hiebei stand insbesondere die Verschickung von Kindern aus Großbritannien in die britischen Kolonial-Gebiete im Mittelpunkt, was bis in die 1960er-Jahre hinein betrieben wurde.

In Australien und Kanada wurden in den vergangenen Jahren Wahrheitskommissionen gebildet zur Untersuchung der von den Behörden betriebenen Vorgänge, bei denen Kinder aus kanadischen Indianer- und australischen Eingeborenenfamilien ihren Eltern entzogen und in Heime gesteckt wurden.[40]
Irland

Die Heimerziehung in Irland ist dort und weltweit seit den 1990er Jahren im Zusammenhang mit systematischen Missbrauch und Misshandlung Tausender Kinder in Heimen bekannt geworden. Im Jahr 2000 wurde eine Kommission ins Leben gerufen die einen, nach juristischem Eingreifen anonymisierten Untersuchungsbericht vorlegte. Sie stellte 2009 fest: „Ein Klima der Angst, geschaffen durch umfassende, überzogene und willkürliche Strafmaßnahmen, durchzog die meisten dieser Institutionen.“ In den Schulen, die nur von Jungen besucht wurden war der sexuelle Missbrauch der Schüler dem Bericht zufolge durchgängig üblich. Mädchen wurden routinemäßig sexuell missbraucht. Sowohl der ehemalige irische Premierminister Bertie Ahern als auch Kardinal Seán Brady, Primas von Irland und Erzbischof von Armagh entschuldigten sich mehrmals öffentlich für jahrzehntelangen Missbrauch[41][42][43][44]. Den Opfern wurden Entschädigungen in der Höhe von insgesamt 1,28 Milliarden Euro zugesprochen, die Kosten tragen Staat und katholische Kirche gemeinsam.

Der Skandal wurde auch durch den Film Die unbarmherzigen Schwestern, der verschiedene Auszeichnungen erhielt, bekannt. Er schildert die Misshandlungen in den maßgeblichen Magdalenenheimen (Magdalene Laundries „Magdalenen-Wäschereien“). Ein weiterer Fall wurde im Film Philomena dargestellt.

Durch die Historikerin Catherine Corless wurden die Fälle der fast 800 Kinder bekannt, deren Leichen in einem bereits in den 1970ern entdeckten Massengrab in Tuam gefunden worden waren. De Historikerin hatte Zugang zu den Akten des Heims St. Mary’s Mother and Baby Home und den dort geführten Daten zu Identität, Geburtsdaten und Sterbealter der Kinder erhalten. In dem von 1925 bis 1961 durch die Congregation of the Sisters of Bon Secours geführten Heim brachten Frauen ihre unehelichen Kinder zur Welt.[45]
Rumänien

Internationales Aufsehen erregte das Thema Heimerziehung auch nach der politischen Wende 1989 in Rumänien und dem Bekanntwerden der schlechten Zustände in den Kinder- und Behindertenheimen dort. Zahlreiche ausländische und einheimische Initiativen nahmen ihre Arbeit auf, um den aus der Gesellschaft ausgestoßenen Kindern der rumänischen Heime eine neue Zukunft zu ermöglichen (siehe auch Cighid, Geschichte Rumäniens).
Literatur (Auswahl)
Deutschland

1972 Jugendroman Orte außerhalb des Schriftstellers Wolfgang Gabel, der das Schicksal eines Heimkindes behandelt.
Autobiografische Erzählung Misshandelte Zukunft von Harry Graeber. Graebers Schilderungen der eigentümlichen Heimwelt der Nachkriegsjahre und ihrer fragwürdigen Erziehungsmethoden sollen jedoch nicht als Anklage verstanden werden, sondern lediglich die autobiographische Situation wiedergeben. Neuauflage 2006 unter dem Titel Misshandelte Zukunft – Erschütternder Erlebnisbericht eines Heimkindes im Nachkriegsdeutschland.[46].
Der nicht autobiografische Jugendroman Heim der heimerfahrenen Kölner Schriftstellerin Mirijam Günter beschreibt die vergebliche Flucht einiger Heimkinder. Günter kritisiert drastisch die Heimerziehung in Deutschland.[47]
Peter Wensierski: Schläge im Namen des Herrn. In diesem Buch geht es um die bisher wenig öffentlichen Lebensbedingungen von Heimkindern in Deutschland in den Jahren 1950 bis 1970. Systematische Kinderarbeit sowie Prügel und Erniedrigungen bei geringsten Anlässen scheinen nach Aussagen des Buches eher die Regel als die Ausnahme gewesen zu sein. Das Buch besteht zu großen Teilen aus Reportagen von ehemaligen Heimkindern, die mittlerweile 40 bis 60 Jahre alt sind.[48]
Heimerziehung. Lebenshilfe oder Beugehaft? von Alexander Markus Homes in einer Neuauflage mit dem Untertitel Gewalt und Lust im Namen Gottes, in dem er auch aktuelle Fälle von Missständen in kirchlichen Einrichtungen schildert.[49]
Der Kriminalroman Kleine Aster von Moritz Wulf Lange, der unter anderem durch eine Rezension von Wensierskis Buch inspiriert wurde und, neben anderen, auch das Motiv der Misshandlungen in Kinderheimen aufgreift.[50]
Volker Rhein (Hrsg.): Moderne Heimerziehung heute - Beispiele aus der Praxis..[51]
Andreas Völker: Stromzeit - Erinnerungen an das Kinderheim Schloss Beuggen..[52]
Expertisen Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR im Auftrag der Bundesregierung von Ruth Ebbinghaus, Karsten Laudien, Christian Sachse, Martin Sack und Friederike Wapler[53]
Anke Dreier, Karsten Laudien: Einführung. Heimerziehung der DDR, gefördert von den Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehem. DDR.[54]
Johann Lambert Beckers: Protokoll eines Heimkindes.[55]
Urs Hafner: Heimkinder. Eine Geschichte des Aufwachsens in der Anstalt. hier+jetzt, Baden 2011, ISBN 978-3-03-919218-2.
Christian Sachse: Der letzte Schliff. Jugendhilfe der DDR im Dienst der Disziplinierung von Kindern und Jugendlichen (1949–1989); Hrsg.: Die Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Schwerin 2011; ISBN 978-3-933255-35-8

Österreich

Die ungeliebten Kinder. Endstation Heim? von Dagmar Wortham. Dieses Buch erzählt von den Zuständen in österreichischen Heimen, es schildert Schicksale von Heimkindern, den emotionalen Auswirkungen erlebter Traumata und der Hilflosigkeit der Betreuer auf Grund mangelnder Ausbildung und mangelnder Mittel hier speziell gegensteuern zu können und der daraus resultierenden Resignation auf beiden Seiten.[56]

Dokumentarfilme

Die Unwertigen, Regie: Renate Günther-Greene, Deutschland 2009, 86 min

Siehe auch

Bambule (Fernsehspiel)
Betreuungsrecht, Hilfe zur Erziehung, Jugendhilfe, Jugendwohlfahrtsgesetz, Achtes Buch Sozialgesetzbuch
Dauerheime für Säuglinge und Kleinstkinder in der DDR
FICE Österreich
Kinderrepublik
Residential Schools (Kanada)
Säuglingsheim
Schwarze Pädagogik
Verein ehemaliger Heimkinder
Waisenhaus

Quelle - Literatur & Einzelnachweise
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