Norbert Wiener
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Norbert Wiener
Norbert Wiener (* 26. November 1894 in Columbia, Missouri; † 18. März 1964 in Stockholm) war ein US-amerikanischer Mathematiker. Er ist als Begründer der Kybernetik bekannt, ein Ausdruck, den er in seinem Werk Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine (1948) prägte.
Biografie
Frühe Jahre
Norbert Wiener wurde in Columbia, Missouri, als erstes Kind des jüdischen Ehepaares Leo und Bertha Wiener geboren. Sein Vater war Professor für Slawische Sprachen an der Harvard-Universität. Der Sohn wurde vorwiegend zu Hause erzogen und galt als „Wunderkind“, denn er war schon sehr früh insbesondere an fremden Sprachen interessiert. Allerdings besaß er keine technischen Fähigkeiten, seine Aktivitäten auf dem Gebiet der Technik waren stets theoretischer Natur. 1903 trat er in die Ayer High School ein und schloss dort 1906 ab.
Im September 1906, im Alter von 11 Jahren, trat er in das Tufts College ein, um Mathematik zu studieren. Er schloss dort 1909 ab und trat in Harvard ein. Dort studierte er Zoologie, aber 1910 wechselte er zur Cornell University, um Philosophie zu studieren. Er kehrte dann wieder nach Harvard zurück und schloss dort 1912 seine Dissertation über mathematische Logik ab.[1]
Von Harvard wechselte er nach Cambridge, England, um unter Bertrand Russell und Godfrey Harold Hardy weiterzustudieren. 1914 war er in Göttingen bei David Hilbert und Edmund Landau. Dann kehrte er nach Cambridge und dann in die USA zurück. Von 1915 bis 1916 unterrichtete er Philosophie in Harvard, arbeitete für General Electric und für die Encyclopedia Americana. Später arbeitete er für das Militär (Ballistik) in Aberdeen Proving Ground, Maryland. Er blieb bis zum Kriegsende in Maryland. Dann begann er, Mathematik am Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu unterrichten.
Massachusetts Institute of Technology
Während er am MIT arbeitete, hielt er zahlreiche Kontakte, die zu vielen Reisen in den USA, nach Mexiko, Europa und Asien Anlass gaben, wobei ihm seine Sprachbegabung (zehn Sprachen) zugutekam. 1926 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. Im selben Jahr heiratete er Margaret Engemann und kehrte als Guggenheim-Stipendiat nach Europa zurück. Er arbeitete die meiste Zeit in Göttingen und mit Hardy in Cambridge. Er beschäftigte sich mit der Brownschen Molekularbewegung, dem Fourierintegral, dem Dirichlet-Problem, der harmonischen Analyse und den Tauber-Theoremen. Sein Arbeitsgebiet reichte dabei über die reine und angewandte Mathematik hinaus bis hin zu Fragestellungen der Physiologie, speziell Neurophysiologie und Genetik. 1933 erhielt er den Bôcher Memorial Prize. 1950 hielt er einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Cambridge (Massachusetts) (A comprehensive view of prediction theory) und ebenso 1936 in Oslo (Gap theorems).
Wiener starb auf einer Vortragsreise 1964 in Stockholm.
Zu seinen Doktoranden zählt Norman Levinson.
Rechenmaschinen
Der Name Wiener steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung von Rechenmaschinen, so entwickelte er 1940 einen Lösungsweg für partielle Differentialgleichungen. Wiener sagte zu seiner Bedeutung dabei: „Diese Vorstellungen lagen alle im Denken der Zeit nahe, und ich möchte auch nicht für einen Augenblick etwas Ähnliches wie die Urheberschaft ihrer Einführung beanspruchen.“
Kybernetik
Seine Beschäftigung mit der automatischen Zielsteuerung und dem automatischen Abfeuern von Flugabwehrgeschützen, mit einem Modell, das die Flugbahn eines Flugzeugs vorherbestimmt, aufgrund der Analyse des Verhaltens eines sich verfolgt wissenden Piloten[2], während des Zweiten Weltkriegs führte ihn über die Weiterentwicklung der Nachrichtentechnik und die Kommunikationstheorie zur Kybernetik. Deren Geburtsstunde lag im Jahr 1943. 1947 einigte er sich mit anderen Wissenschaftlern auf den Begriff „Cybernetics“ und eine einheitliche Terminologie. Es sollte eine Einheit von Problemen betrachtet werden aus dem Gebiet der Regelungen und der statistischen Mechanik, wie sie sowohl in technischen Systemen als auch bei lebenden Organismen von Bedeutung war. Das Buch Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine erschien 1948 nahezu gleichzeitig in New York und Paris.
Wiener verfolgte stets einen realistischen Ansatz, so auch in seiner letzten Schrift: God & Golem, Inc.; A Comment on Certain Points Where Cybernetics Impinges on Religion. Er war optimistisch bei neuen technischen Möglichkeiten, etwa der Steuerung von Prothesen als Ersatz für Gliedmaßen und Sinnesorgane; ein Eingreifen in gesellschaftliche, insbesondere ökonomische Prozesse hielt er hingegen für schwierig.
Philosophie
Wiener bemühte sich, wissenschaftliche Ideen speziell der Kybernetik mit der Philosophiegeschichte zu verbinden, wobei ihn Baruch Spinoza und Gottfried Wilhelm Leibniz besonders beeinflussten. In seinem populärwissenschaftlichen Werk The Human Use of Human Beings – Cybernetics and Society beklagte er die gesellschaftlichen Zustände in den USA und die Haltung einflussreicher Kreise.
Schriften (Auswahl)
1948: Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine. MIT Press (deutsche Ausgabe: Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine, 1948)
1950: The Human Use of Human Beings - Cybernetics and Society (deutsche Ausgaben: Mensch und Menschmaschine - Kybernetik und Gesellschaft, Alfred Metzner Verl., Frankfurt a.M., 1952; als Taschenbuch: Ullstein Nr.184, 1958)
1956: Ex-Prodigy (1953), I am a Mathematician (deutsche Ausgaben: Mathematik mein Leben, Econ Verlag 1962 und Fischer Taschenbuch Nr.668, 1965)
1958: Nonlinear Problems in Random Theory
1959: The Tempter (deutsche Ausgabe: Die Versuchung. Geschichte einer großen Erfindung, Econ Verlag 1960) Als Roman verfasste Anklage gegen Industriespionage und Profitorientierung.
1964: God & Golem, Inc.: A Comment on Certain Points Where Cybernetics Impinges on Religion (deutsche Ausgabe: Gott & Golem Inc. Econ Verlag 1965)
Siehe auch
Wiener-Filter
Wiener-Prozess
Satz von Paley-Wiener
Satz von Wiener-Ikehara
Wiener-Chintschin-Theorem
Schriften
Collected works with commentary, 4 Bände, MIT Press 1976 (Herausgeber P. Masani)
Cybernetics, or control and communication in the animal and the machine, Wiley 1948, 2. Auflage, MIT Press 1961, deutsche Übersetzung: Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung in Lebewesen und Maschine, rororo 1968 sowie Econ Verlag 1992
The human use of human beings. Cybernetics and Society. Boston, Houghton Mifflin 1954, deutsche Übersetzung: Mensch und Menschmaschine. Frankfurt am Main, Metzner 1952, 4. Auflage 1972
God and Golem, inc.; a comment on certain points where cybernetics impinges on religion, MIT Press 1964, deutsche Übersetzung: Gott und Golem, Econ 1965
Ex-prodigy. My childhood and youth. New York, Simon and Schuster 1953 (Autobiographie)
I´m a mathematician. The later life of a prodigy. Garden City, New York, Doubleday 1956 (Autobiographie)
Mathematik, mein Leben, Econ Verlag 1962 (deutsche Übersetzung seiner Autobiographien)
mit anderen: Differential space, quantum systems and prediction, MIT Press 1966
Die Versuchung, Geschichte einer großen Erfindung, Econ Verlag 1960 (Übersetzung von: The Tempter 1959, Roman um einen Erfinder, basiert auf der Biographie von Michael Pupin)
Extrapolation, interpolation and smoothing of stationary time series, with engineering applications. MIT Press 1949
The Fourier integral and certain of its applications, Cambridge University Press 1933, Reprint Dover 1959
Nonlinear problems in random theory, MIT Press 1958
Invention. The care and feeding of ideas. MIT Press 1993 (Vorwort Steve Heims)
mit R. E. A. C. Paley: Fourier transforms in the complex domain. American Mathematical Society 1934
Generalized harmonic analysis and tauberian theorems, MIT Press 1966
Selected papers of Norbert Wiener, including generalized harmonic analysis and tauberian theorems, SIAM 1964
als Herausgeber: Cybernetics of the nervous system, Elsevier 1965
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Biografie
Frühe Jahre
Norbert Wiener wurde in Columbia, Missouri, als erstes Kind des jüdischen Ehepaares Leo und Bertha Wiener geboren. Sein Vater war Professor für Slawische Sprachen an der Harvard-Universität. Der Sohn wurde vorwiegend zu Hause erzogen und galt als „Wunderkind“, denn er war schon sehr früh insbesondere an fremden Sprachen interessiert. Allerdings besaß er keine technischen Fähigkeiten, seine Aktivitäten auf dem Gebiet der Technik waren stets theoretischer Natur. 1903 trat er in die Ayer High School ein und schloss dort 1906 ab.
Im September 1906, im Alter von 11 Jahren, trat er in das Tufts College ein, um Mathematik zu studieren. Er schloss dort 1909 ab und trat in Harvard ein. Dort studierte er Zoologie, aber 1910 wechselte er zur Cornell University, um Philosophie zu studieren. Er kehrte dann wieder nach Harvard zurück und schloss dort 1912 seine Dissertation über mathematische Logik ab.[1]
Von Harvard wechselte er nach Cambridge, England, um unter Bertrand Russell und Godfrey Harold Hardy weiterzustudieren. 1914 war er in Göttingen bei David Hilbert und Edmund Landau. Dann kehrte er nach Cambridge und dann in die USA zurück. Von 1915 bis 1916 unterrichtete er Philosophie in Harvard, arbeitete für General Electric und für die Encyclopedia Americana. Später arbeitete er für das Militär (Ballistik) in Aberdeen Proving Ground, Maryland. Er blieb bis zum Kriegsende in Maryland. Dann begann er, Mathematik am Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu unterrichten.
Massachusetts Institute of Technology
Während er am MIT arbeitete, hielt er zahlreiche Kontakte, die zu vielen Reisen in den USA, nach Mexiko, Europa und Asien Anlass gaben, wobei ihm seine Sprachbegabung (zehn Sprachen) zugutekam. 1926 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. Im selben Jahr heiratete er Margaret Engemann und kehrte als Guggenheim-Stipendiat nach Europa zurück. Er arbeitete die meiste Zeit in Göttingen und mit Hardy in Cambridge. Er beschäftigte sich mit der Brownschen Molekularbewegung, dem Fourierintegral, dem Dirichlet-Problem, der harmonischen Analyse und den Tauber-Theoremen. Sein Arbeitsgebiet reichte dabei über die reine und angewandte Mathematik hinaus bis hin zu Fragestellungen der Physiologie, speziell Neurophysiologie und Genetik. 1933 erhielt er den Bôcher Memorial Prize. 1950 hielt er einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Cambridge (Massachusetts) (A comprehensive view of prediction theory) und ebenso 1936 in Oslo (Gap theorems).
Wiener starb auf einer Vortragsreise 1964 in Stockholm.
Zu seinen Doktoranden zählt Norman Levinson.
Rechenmaschinen
Der Name Wiener steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung von Rechenmaschinen, so entwickelte er 1940 einen Lösungsweg für partielle Differentialgleichungen. Wiener sagte zu seiner Bedeutung dabei: „Diese Vorstellungen lagen alle im Denken der Zeit nahe, und ich möchte auch nicht für einen Augenblick etwas Ähnliches wie die Urheberschaft ihrer Einführung beanspruchen.“
Kybernetik
Seine Beschäftigung mit der automatischen Zielsteuerung und dem automatischen Abfeuern von Flugabwehrgeschützen, mit einem Modell, das die Flugbahn eines Flugzeugs vorherbestimmt, aufgrund der Analyse des Verhaltens eines sich verfolgt wissenden Piloten[2], während des Zweiten Weltkriegs führte ihn über die Weiterentwicklung der Nachrichtentechnik und die Kommunikationstheorie zur Kybernetik. Deren Geburtsstunde lag im Jahr 1943. 1947 einigte er sich mit anderen Wissenschaftlern auf den Begriff „Cybernetics“ und eine einheitliche Terminologie. Es sollte eine Einheit von Problemen betrachtet werden aus dem Gebiet der Regelungen und der statistischen Mechanik, wie sie sowohl in technischen Systemen als auch bei lebenden Organismen von Bedeutung war. Das Buch Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine erschien 1948 nahezu gleichzeitig in New York und Paris.
Wiener verfolgte stets einen realistischen Ansatz, so auch in seiner letzten Schrift: God & Golem, Inc.; A Comment on Certain Points Where Cybernetics Impinges on Religion. Er war optimistisch bei neuen technischen Möglichkeiten, etwa der Steuerung von Prothesen als Ersatz für Gliedmaßen und Sinnesorgane; ein Eingreifen in gesellschaftliche, insbesondere ökonomische Prozesse hielt er hingegen für schwierig.
Philosophie
Wiener bemühte sich, wissenschaftliche Ideen speziell der Kybernetik mit der Philosophiegeschichte zu verbinden, wobei ihn Baruch Spinoza und Gottfried Wilhelm Leibniz besonders beeinflussten. In seinem populärwissenschaftlichen Werk The Human Use of Human Beings – Cybernetics and Society beklagte er die gesellschaftlichen Zustände in den USA und die Haltung einflussreicher Kreise.
Schriften (Auswahl)
1948: Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine. MIT Press (deutsche Ausgabe: Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine, 1948)
1950: The Human Use of Human Beings - Cybernetics and Society (deutsche Ausgaben: Mensch und Menschmaschine - Kybernetik und Gesellschaft, Alfred Metzner Verl., Frankfurt a.M., 1952; als Taschenbuch: Ullstein Nr.184, 1958)
1956: Ex-Prodigy (1953), I am a Mathematician (deutsche Ausgaben: Mathematik mein Leben, Econ Verlag 1962 und Fischer Taschenbuch Nr.668, 1965)
1958: Nonlinear Problems in Random Theory
1959: The Tempter (deutsche Ausgabe: Die Versuchung. Geschichte einer großen Erfindung, Econ Verlag 1960) Als Roman verfasste Anklage gegen Industriespionage und Profitorientierung.
1964: God & Golem, Inc.: A Comment on Certain Points Where Cybernetics Impinges on Religion (deutsche Ausgabe: Gott & Golem Inc. Econ Verlag 1965)
Siehe auch
Wiener-Filter
Wiener-Prozess
Satz von Paley-Wiener
Satz von Wiener-Ikehara
Wiener-Chintschin-Theorem
Schriften
Collected works with commentary, 4 Bände, MIT Press 1976 (Herausgeber P. Masani)
Cybernetics, or control and communication in the animal and the machine, Wiley 1948, 2. Auflage, MIT Press 1961, deutsche Übersetzung: Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung in Lebewesen und Maschine, rororo 1968 sowie Econ Verlag 1992
The human use of human beings. Cybernetics and Society. Boston, Houghton Mifflin 1954, deutsche Übersetzung: Mensch und Menschmaschine. Frankfurt am Main, Metzner 1952, 4. Auflage 1972
God and Golem, inc.; a comment on certain points where cybernetics impinges on religion, MIT Press 1964, deutsche Übersetzung: Gott und Golem, Econ 1965
Ex-prodigy. My childhood and youth. New York, Simon and Schuster 1953 (Autobiographie)
I´m a mathematician. The later life of a prodigy. Garden City, New York, Doubleday 1956 (Autobiographie)
Mathematik, mein Leben, Econ Verlag 1962 (deutsche Übersetzung seiner Autobiographien)
mit anderen: Differential space, quantum systems and prediction, MIT Press 1966
Die Versuchung, Geschichte einer großen Erfindung, Econ Verlag 1960 (Übersetzung von: The Tempter 1959, Roman um einen Erfinder, basiert auf der Biographie von Michael Pupin)
Extrapolation, interpolation and smoothing of stationary time series, with engineering applications. MIT Press 1949
The Fourier integral and certain of its applications, Cambridge University Press 1933, Reprint Dover 1959
Nonlinear problems in random theory, MIT Press 1958
Invention. The care and feeding of ideas. MIT Press 1993 (Vorwort Steve Heims)
mit R. E. A. C. Paley: Fourier transforms in the complex domain. American Mathematical Society 1934
Generalized harmonic analysis and tauberian theorems, MIT Press 1966
Selected papers of Norbert Wiener, including generalized harmonic analysis and tauberian theorems, SIAM 1964
als Herausgeber: Cybernetics of the nervous system, Elsevier 1965
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