*** Galant ***
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*** Galant ***
Als galant bezeichnet man im alltäglichen deutschen Sprachgebrauch das zuvorkommende Verhalten eines Mannes gegenüber einer Frau. In den 1920ern und 1930ern war hiermit noch klarer ein männliches Verhalten bezeichnet, das Frauen für sich einnimmt.[1] Das Galante ist jenseits dieses Sprachgebrauchs ein in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Europa aufgekommenes Mode- und Stilideal – eng verknüpft mit einer gleichzeitigen Mode alles Europäischen, die unter dem Dach gemeinsamem Geschmacks an der Vielfalt vor allem französische Kultur internationalisierte. Es gehörte zum Galanten in diesem zweiten Sinn, dass es sich selbst jeder pedantischen Bestimmung entziehen sollte, mit Geschmack[2] erkannt wurde nicht mit Regeln zu fassen war: Das „gewisse Etwas“, das „Je ne sais quoi (weiß nicht was)“, das einen Menschen oder eine Sache anziehend machte, wurde Quintessenz, eine neue Natürlichkeit und Freiheit, insbesondere im Umgang der Geschlechter miteinander. Christian Thomasius spricht in dieser Form der Definitionsverweigerung und des Interesses am zu erzielenden Effekt über das Galante:
„Aber a propos was ist galant und ein galanter Mensch? Dieses dürffte uns in Wahrheit mehr zuthun machen als alles vorige, zumahl da dieses Wort bey uns Teutschen so gemein und so sehr gemißbrauchet worden, daß es von Hund und Katzen, von Pantoffeln, von Tisch und Bäncken, von Feder und Dinten, und ich weiß endlich nicht, ob nicht auch von Aepffel und Birn zum öftern gesagt wird. So scheinet auch als wenn die Frantzosen selbst nicht einig wären, worinn eigentlich die wahrhafftige Galanterie bestehe. Mademoiselle Scudery beschreibet dieselbe […] als wenn es eine verborgene natürliche Eigenschaffte wäre, durch welche man gleichsam wider Willen gezwungen würde einem Menschen günstig und gewogen zu seyn, bey welcher Beschaffenheit denn die Galanterie und das je ne sçay quoy […] einerley wären. Ich aber halte meines Bedünckens davor, daß […] es etwas gemischtes sey, so aus dem je ne sçay quoy, aus der guten Art, etwas zu thun, aus der Manier zu leben, so am Hofe gebräuchlich ist, auß Verstand, Gelehrsamkeit, einem guten Judicio, Hoflichkeit, und Freudigkeit zusammen gesetzet werde.“[3]
Zwischen Roman und offener Chronique Scandaleuse: Anne-Marguerite Petit DuNoyer: Die galante Correspondentz, 1–2; Freyburg, H. Clement, 1712
Die Gegner des Galanten sprechen früh von moralischer Leichtfertigkeit, Verantwortungslosigkeit wird dem Verhaltensideal noch im 17. Jahrhundert nachgesagt, ohne dass sich dabei eine neue Mode vergleichbar auf einen Begriff bringen lässt. Erst die sensiblité, die Empfindsamkeit, die Mode der sensibility, der tenderness, der Zärtlichkeit schafft Mitte des 18. Jahrhunderts eine Gegenposition.
Zum Galanten gehört neben der „Galante Conduite“, dem spezifisch galanten Verhalten, ein eigener Stil in den belles lettres (das französische Etikett für den eleganten Markt der Wissengegenstände, das heute noch mit dem deutschen Wort „Belletristik“ fortlebt, wird im frühen 18. Jahrhundert selbst zumeist mit „galante Wissenschaften“ übersetzt), Galante Poesie, galante Romane, eine Kunst galanter Konversation und Galante Musik. Die Stilsetzungen in den verschiedenen Gebieten wurden zum Teil im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts modifiziert. Insbesondere die galante Musik erfuhr dabei eine begriffliche Verlagerung. Musik des frühen 18. Jahrhunderts, die wie Johann Sebastian Bachs Cellosuiten in ihrer Zeit für „galant“ erachtet wurde,[4] wird heute zum überwiegenden Teil dem Barock zugeordnet. Die Musikkritik verengte den Begriff auf einen Übergangsstil des mittleren 18. Jahrhunderts, der das Galante neu bewertete.
Etymologie
Das Wort galant ist älter als die Mode des Galanten, die unter Anhängern eines verfeinerten Verhaltens im 17. Jahrhundert aufkommt. Galant war ursprünglich Partizip Präsens des Verbs galer, und stand dabei für Vergnügungssuche junger Männer. In dieser Bedeutung findet man es noch 1460 etwa bei François Villon. Ende des 16. Jahrhunderts ist das Verb ausgestorben. Allein das Adjektiv „galant“ überlebt. So trägt König Heinrich IV. wegen seiner zahlreichen Liebesaffären den Beinamen le vert galant (der grüne, d. h. gut im Saft stehende Galan). Substantivierungen kommen hinzu: Galanterie für den Umgang mit dem anderen Geschlecht, ab dem späten 17. Jahrhundert in erweiterter Bedeutung für eine kleine Annehmlichkeit etwa eine kurze Passage in einem Musikstück sowie spezielle Konsumgüter, Galanteriewaren, sowie Galan, seit dem 19. Jahrhundert eher abschätzig für geheimer Liebhaber.
Politische Rahmenbedingungen
Johann Michael Moscherosch, Teil 2 seiner Gesichte (1650) mit dem „Ala mode Kherauß“, typisches Plädoyer des mittleren 17. Jahrhunderts gegen Nachahmung der Franzosen
Französische Moden gewannen seit dem Mittelalter Einfluss in weiten Teilen Europas – in der Minnelyrik wie in der Hofkultur, die Frankreich wiederholt exportierte. Mit dem 17. Jahrhundert zeigen sich eher Tendenzen, nationale Identitäten aufzubauen. Frankreich selbst konkurriert als Anbieter von Moden mit Italien, Spanien und Portugal. Italien gewinnt über die katholische Gegenreformation Rang mit einem italienischen Stil der Musik und der Architektur. Spanien bestimmt höfisches Zeremoniell, nachdem die iberische Halbinsel mit der Ausbeutung Lateinamerikas Bedeutung gewann. Auf dem Gebiet der belletristischen Produktion geben die Romane Spaniens und Portugals im 16. Jahrhundert und noch im frühen 17. Jahrhundert den Ton an. In den Niederlanden, England, Schweden, Russland sowie den deutschsprachigen Gebieten, die im Lauf des 17. und 18. Jahrhunderts an Bedeutung gewinnen, fällt das offene Bekenntnis zu Frankreichs Moden bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts gebrochen aus. England befindet sich zwischen 1640 und 1660 im Bürgerkrieg. Der englische Hof geht nach Frankreich ins Exil. Frankreich wird im Gegenzug in England von den Anhängern der Revolution als Bedrohung wahrgenommen, während Teile der Aristokratie sich einen Theater- und Musikbetrieb europäischen Standards zurückwünschen – Frankreich steht für ihn. Die deutschsprachigen Gebiete sind zwischen 1618 und 1648 vom Dreißigjährigen Krieg betroffen. Deutsche Intellektuelle plädieren bis in die 1670er hinein für eine Besinnung auf angeblich alte deutsche Werte und gegen jeden weiteren Einfluss Europas.[5] Eine nationale Selbstbesinnung wird von den deutschen Sprachgesellschaften bis in die 1680er gefordert und schafft eine Gegenkultur, in der das Bekenntnis zu Frankreichs Moden attraktiv wird aber nicht deutlicher artikuliert werden kann. Die mitteleuropäischen Kriege berühren Skandinavien und die osteuropäischen Staaten: Schweden direkt als Teilnehmer des Dreißigjährigen Kriegs; das heutige Polen als Teil des baltischen Raums der in das Kriegsgeschehen hineingezogen ist. Hier orientiert sich der Adel an internationaler Kultur in einer deutlichen Absetzung von der Volkskultur.
Weiteres dazu im Link:
https://de.wikipedia.org/wiki/Galant
„Aber a propos was ist galant und ein galanter Mensch? Dieses dürffte uns in Wahrheit mehr zuthun machen als alles vorige, zumahl da dieses Wort bey uns Teutschen so gemein und so sehr gemißbrauchet worden, daß es von Hund und Katzen, von Pantoffeln, von Tisch und Bäncken, von Feder und Dinten, und ich weiß endlich nicht, ob nicht auch von Aepffel und Birn zum öftern gesagt wird. So scheinet auch als wenn die Frantzosen selbst nicht einig wären, worinn eigentlich die wahrhafftige Galanterie bestehe. Mademoiselle Scudery beschreibet dieselbe […] als wenn es eine verborgene natürliche Eigenschaffte wäre, durch welche man gleichsam wider Willen gezwungen würde einem Menschen günstig und gewogen zu seyn, bey welcher Beschaffenheit denn die Galanterie und das je ne sçay quoy […] einerley wären. Ich aber halte meines Bedünckens davor, daß […] es etwas gemischtes sey, so aus dem je ne sçay quoy, aus der guten Art, etwas zu thun, aus der Manier zu leben, so am Hofe gebräuchlich ist, auß Verstand, Gelehrsamkeit, einem guten Judicio, Hoflichkeit, und Freudigkeit zusammen gesetzet werde.“[3]
Zwischen Roman und offener Chronique Scandaleuse: Anne-Marguerite Petit DuNoyer: Die galante Correspondentz, 1–2; Freyburg, H. Clement, 1712
Die Gegner des Galanten sprechen früh von moralischer Leichtfertigkeit, Verantwortungslosigkeit wird dem Verhaltensideal noch im 17. Jahrhundert nachgesagt, ohne dass sich dabei eine neue Mode vergleichbar auf einen Begriff bringen lässt. Erst die sensiblité, die Empfindsamkeit, die Mode der sensibility, der tenderness, der Zärtlichkeit schafft Mitte des 18. Jahrhunderts eine Gegenposition.
Zum Galanten gehört neben der „Galante Conduite“, dem spezifisch galanten Verhalten, ein eigener Stil in den belles lettres (das französische Etikett für den eleganten Markt der Wissengegenstände, das heute noch mit dem deutschen Wort „Belletristik“ fortlebt, wird im frühen 18. Jahrhundert selbst zumeist mit „galante Wissenschaften“ übersetzt), Galante Poesie, galante Romane, eine Kunst galanter Konversation und Galante Musik. Die Stilsetzungen in den verschiedenen Gebieten wurden zum Teil im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts modifiziert. Insbesondere die galante Musik erfuhr dabei eine begriffliche Verlagerung. Musik des frühen 18. Jahrhunderts, die wie Johann Sebastian Bachs Cellosuiten in ihrer Zeit für „galant“ erachtet wurde,[4] wird heute zum überwiegenden Teil dem Barock zugeordnet. Die Musikkritik verengte den Begriff auf einen Übergangsstil des mittleren 18. Jahrhunderts, der das Galante neu bewertete.
Etymologie
Das Wort galant ist älter als die Mode des Galanten, die unter Anhängern eines verfeinerten Verhaltens im 17. Jahrhundert aufkommt. Galant war ursprünglich Partizip Präsens des Verbs galer, und stand dabei für Vergnügungssuche junger Männer. In dieser Bedeutung findet man es noch 1460 etwa bei François Villon. Ende des 16. Jahrhunderts ist das Verb ausgestorben. Allein das Adjektiv „galant“ überlebt. So trägt König Heinrich IV. wegen seiner zahlreichen Liebesaffären den Beinamen le vert galant (der grüne, d. h. gut im Saft stehende Galan). Substantivierungen kommen hinzu: Galanterie für den Umgang mit dem anderen Geschlecht, ab dem späten 17. Jahrhundert in erweiterter Bedeutung für eine kleine Annehmlichkeit etwa eine kurze Passage in einem Musikstück sowie spezielle Konsumgüter, Galanteriewaren, sowie Galan, seit dem 19. Jahrhundert eher abschätzig für geheimer Liebhaber.
Politische Rahmenbedingungen
Johann Michael Moscherosch, Teil 2 seiner Gesichte (1650) mit dem „Ala mode Kherauß“, typisches Plädoyer des mittleren 17. Jahrhunderts gegen Nachahmung der Franzosen
Französische Moden gewannen seit dem Mittelalter Einfluss in weiten Teilen Europas – in der Minnelyrik wie in der Hofkultur, die Frankreich wiederholt exportierte. Mit dem 17. Jahrhundert zeigen sich eher Tendenzen, nationale Identitäten aufzubauen. Frankreich selbst konkurriert als Anbieter von Moden mit Italien, Spanien und Portugal. Italien gewinnt über die katholische Gegenreformation Rang mit einem italienischen Stil der Musik und der Architektur. Spanien bestimmt höfisches Zeremoniell, nachdem die iberische Halbinsel mit der Ausbeutung Lateinamerikas Bedeutung gewann. Auf dem Gebiet der belletristischen Produktion geben die Romane Spaniens und Portugals im 16. Jahrhundert und noch im frühen 17. Jahrhundert den Ton an. In den Niederlanden, England, Schweden, Russland sowie den deutschsprachigen Gebieten, die im Lauf des 17. und 18. Jahrhunderts an Bedeutung gewinnen, fällt das offene Bekenntnis zu Frankreichs Moden bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts gebrochen aus. England befindet sich zwischen 1640 und 1660 im Bürgerkrieg. Der englische Hof geht nach Frankreich ins Exil. Frankreich wird im Gegenzug in England von den Anhängern der Revolution als Bedrohung wahrgenommen, während Teile der Aristokratie sich einen Theater- und Musikbetrieb europäischen Standards zurückwünschen – Frankreich steht für ihn. Die deutschsprachigen Gebiete sind zwischen 1618 und 1648 vom Dreißigjährigen Krieg betroffen. Deutsche Intellektuelle plädieren bis in die 1670er hinein für eine Besinnung auf angeblich alte deutsche Werte und gegen jeden weiteren Einfluss Europas.[5] Eine nationale Selbstbesinnung wird von den deutschen Sprachgesellschaften bis in die 1680er gefordert und schafft eine Gegenkultur, in der das Bekenntnis zu Frankreichs Moden attraktiv wird aber nicht deutlicher artikuliert werden kann. Die mitteleuropäischen Kriege berühren Skandinavien und die osteuropäischen Staaten: Schweden direkt als Teilnehmer des Dreißigjährigen Kriegs; das heutige Polen als Teil des baltischen Raums der in das Kriegsgeschehen hineingezogen ist. Hier orientiert sich der Adel an internationaler Kultur in einer deutlichen Absetzung von der Volkskultur.
Weiteres dazu im Link:
https://de.wikipedia.org/wiki/Galant
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