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Der Seelengrund

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Der Seelengrund Empty Der Seelengrund

Beitrag  Andy Mo Apr 10, 2017 8:23 pm

Seelengrund ist ein Begriff der spätmittelalterlichen Philosophie und Spiritualität, der auch in frühneuzeitlicher geistlicher Literatur vorkommt. Der von Meister Eckhart († 1327/1328) geprägte Ausdruck bezeichnet in einem übertragenen Sinn einen „Ort“ in der menschlichen Seele, an dem nach spirituellen Lehren Gott oder die Gottheit anwesend ist und eine Vereinigung der Gottheit mit der Seele zustande kommen kann.

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Fragment von Ausführungen Meister Eckharts über den Seelengrund (Predigt 5b) in einer zeitgenössischen Handschrift; Göttingen, Georg-August-Universität, Diplomatischer Apparat 10 E IX Nr. 18

Schon in der Antike trugen Philosophen und Theologen Thesen vor, die später zu Voraussetzungen und Bestandteilen der mittelalterlichen Lehren vom Seelengrund wurden. Auch die einschlägige mittelalterliche Terminologie geht auf Begriffe dieser Denker zurück. Antike stoische und neuplatonische Philosophen waren der Überzeugung, es gebe in der menschlichen Seele eine steuernde Instanz, die der göttlichen, das Weltall lenkenden Macht analog oder wesensgleich sei. Damit wurde die Möglichkeit einer Verbundenheit sterblicher und irrtumsanfälliger Menschen mit dem Bereich des Ewigen, Göttlichen und absolut Wahren begründet. Kirchenschriftsteller griffen philosophische Konzepte vom Verhältnis zwischen Gott und der Seele auf und formten sie in christlichem Sinne um. Der Kirchenvater Augustinus nahm an, es gebe in der Tiefe des menschlichen Geistes einen Bereich, das abditum mentis, in dem ein verborgenes apriorisches Wissen liege.

Im 12. Jahrhundert wurden Konzepte entwickelt, nach denen im innersten Bereich der Seele eine Betrachtung Gottes möglich ist, doch erst im Spätmittelalter entstand eine ausgeformte Lehre von der Einheit der Seele mit der Gottheit im Seelengrund. Ihr Urheber war Meister Eckhart, der sich auf Augustinus berief, aber in erster Linie seine eigene unkonventionelle, für damalige Verhältnisse anstößige Lehre vom Göttlichen in der menschlichen Seele verkündete. Er behauptete, es gebe in der Seele ein Innerstes von göttlicher Qualität, das er „Grund“ nannte. Der Seelengrund gehöre nicht zur Schöpfung, sondern stehe über allem von Gott Geschaffenen. Er sei absolut einfach und frei von allen einschränkenden Bestimmungen und unterscheide sich nicht von der „Gottheit“, dem überpersönlichen Aspekt des Göttlichen. Alles Geschaffene sei nichtig und habe keinen Zugang zu Gott; im ungeschaffenen, überzeitlichen Seelengrund hingegen sei eine Gotteserfahrung möglich, denn dort sei die Gottheit immer präsent. Diese Erfahrung bezeichnete Eckhart als „Gottesgeburt“ im Seelengrund. Die Voraussetzung dafür sei „Abgeschiedenheit“: Die Seele müsse sich mit äußerster Konsequenz von allem lösen, was sie von der göttlichen Einfachheit und Undifferenziertheit in ihrem Innersten ablenke.

Eckharts Lehre vom Seelengrund wurde bald nach seinem Tod von der Kirche als häretisch verurteilt, doch fand ihr Gehalt teilweise in abgewandelter Form bei spätmittelalterlichen Gottessuchern Zustimmung. In der Moderne ist sie oft als Ausdruck eines mystischen Irrationalismus betrachtet worden. Neuere Philosophiehistoriker betonen jedoch, dass Eckhart keineswegs die Vernunft abwertete, sondern mit einer philosophischen Argumentation überzeugen wollte und den Seelengrund als Intellekt auffasste.

In der Frühen Neuzeit lebte das Konzept des Seelengrunds oder Seelenzentrums als Stätte der Gotteserfahrung in geistlicher Literatur fort. Es wurde sowohl von katholischen Autoren als auch im evangelischen Pietismus aufgegriffen. Eine andere Bedeutung gaben Denker der Aufklärung dem Ausdruck „Grund der Seele“. Sie bezeichneten damit den Ort einer „dunklen“ Erkenntnis, aus der die klare hervorgehe.

Vorgeschichte
Antike

In der Antike entwickelten pagane und christliche Autoren Seelenlehren, mit denen sie Elemente von Meister Eckharts Modell vorwegnahmen. Dabei ging es um einen als göttlich oder gottförmig betrachteten Teil der Seele oder um eine göttliche Instanz in ihr.
Frühe Ansätze

Der Vorsokratiker Heraklit († um 460 v. Chr.) schrieb, man könne die Grenzen der Seele nicht ausfindig machen, auch wenn man jeden Weg beschreite; so tief sei ihr „Logos“.[1] Heraklit betrachtete die Seele als einen repräsentativen Teil des kosmischen Feuers, der Macht, die nach seiner Lehre alle Dinge konstituiert und von der die Prozesse im Universum abhängen. Er bezeichnete die Seele auch als einen Funken von der Substanz der Sterne.[2]

Platon († 348/347 v. Chr.) entwarf ein Modell der Seele, in dem er ihr eine dreiteilige, hierarchisch geordnete Struktur zuschrieb. Nach seiner Theorie wird der niedrigste der drei Seelenteile von den sinnlichen Begierden gesteuert und ist von leidenschaftlicher und unbesonnener Natur. Diesem Bereich in jeder Hinsicht entgegengesetzt ist der höchste Teil, die Sphäre der Vernunft. Der mittlere Teil, das „Muthafte“, steht zwischen der Vernunft und der Begierde; ihm fällt die Aufgabe zu, das von der Vernunft für richtig Befundene in die Tat umzusetzen. Da die Vernunft die Quelle der Weisheit ist, kommt ihr von Natur aus der höchste Rang zu. Diesem Seelenteil gebührt gemäß der natürlichen Ordnung die Herrschaft über die anderen Teile und den Körper, denn nur die Vernunft kann beurteilen, was dem Ganzen zuträglich ist, und ist dank dieser Einsicht zu richtiger Lenkung befähigt. Der vernünftige Seelenteil weist göttliche Eigenschaften auf. Er ist dem Göttlichen, Ewigen und Unveränderlichen verwandt, ähnlich oder gleichartig; wie dieses ist er ungeworden und unvergänglich. Sein Streben richtet sich auf Wissen. Das Ziel sind nicht nur Erkenntnisse, die mittels eines diskursiven Prozesses gewonnen werden; vielmehr geht es in erster Linie um ein besonderes Erfahrungswissen höchsten Ranges, das jeder nur für sich erstreben kann. Inwieweit solches Wissen tatsächlich konkret erreichbar ist, lässt Platon offen. Das Erfahrungswissen, das er meint, resultiert aus einer Art Schau, die intuitiven und religiösen Charakter hat und sich auf einen transzendenten, göttlichen Bereich bezieht. Der Gegenstand solcher Schau ist etwas, was nicht in Sprache und Begriff eingeht. Es ist „unsagbar“ (árrhēton), da sich eine solche Erfahrung weder begründen noch mitteilen lässt; sie ist nicht objektivierbar und kann nicht richtig oder falsch sein, sondern ist dem Subjekt nur entweder gegeben oder nicht.[3]
Die stoische Seelenvorstellung

Die Stoiker griffen herkömmliche Vorstellungen – darunter das platonische Modell – auf und wandelten sie ab. Sie hielten das Urfeuer für die göttliche Kraft, die aus sich das Weltall entfaltet und gestaltet habe und die es durchdringe, belebe, bewege und im Sein erhalte. Den Menschen betrachteten sie als „Mikrokosmos“, als „kleine Welt“, in der sich die Ordnung des „Makrokosmos“ widerspiegle. Dabei wiesen sie der menschlichen Seele die Rolle des belebenden Feuers im Mikrokosmos zu; sie sahen in ihr ein Ebenbild der Gottheit, die den Kosmos lenke. Daraus ergab sich die Metapher des „Seelenfunkens“; die individuelle Seele erschien als Funke (apóspasma, abgerissener Teil) des göttlichen Urfeuers. Im Mittelpunkt der Seele nahmen die Stoiker eine leitende und koordinierende Instanz an, das hēgemonikón, das sie meist im Herzen verorteten. Dieses Seelenzentrum setzt der stoischen Lehre zufolge die Teilfunktionen – insbesondere das Vorstellen, Denken und Wollen – nach einem einheitlichen Plan in Bewegung und ordnet sie auf ein Ziel, die Erhaltung des Ganzen, hin. Das hegemonikon im Herzen ist das Ordnungsprinzip – der Logos – des Menschen, so wie das Urfeuer, das seinen Sitz in der Sonne hat, im Kosmos die Rolle des ordnenden und strukturierenden Prinzips spielt. Der Logos im Menschen stimmt mit dem Weltlogos überein, die Natur des Makrokosmos und des Mikrokosmos ist ein und dieselbe.[4]

Die Seelenlehre der griechischen Stoiker fand Eingang in die Welt der gebildeten Römer, die einschlägigen Begriffe wurden ins Lateinische übertragen und in die Terminologie der römischen philosophischen Literatur übernommen. Später gelangten die griechischen und lateinischen Ausdrücke in den Wortschatz der Kirchenväter. Das Wort hegemonikon wurde unterschiedlich übersetzt oder umschrieben: principale cordis („Hauptinstanz des Herzens“) bei Seneca, Hieronymus, Rufinus; principatus („leitendes Prinzip“, „Grundkraft“) bei Cicero; regalis pars animi („der königliche Teil des Geistes“) bei Apuleius.[5] Der namhafte römische Stoiker Seneca († 65) meinte, die Seele des Weisen, der sich von nichts erschüttern lasse, verfüge über eine übermenschliche Kraft; eine göttliche Macht sei in ihn herabgestiegen. Der größere Teil dieser Seele sei dort geblieben, von wo der kleinere, herabgestiegene Teil gekommen sei.[6] Der stoischen Tradition folgend verwendete Seneca das Bild des „Funkens“ (scintilla), um den göttlichen Ursprung des Geistprinzips im Menschen zu veranschaulichen: Es seien gewissermaßen Sternenfunken auf die Erde gefallen und an diesem himmelsfernen Ort verblieben.[7] Der römische Kaiser Mark Aurel († 180), der sich ebenfalls zur stoischen Lehre bekannte und griechisch schrieb, behauptete, das hegemonikon sei unbezwingbar, „wenn es in sich selbst zurückgezogen mit sich selbst zufrieden ist“, denn es tue nichts, was es nicht wolle. Er verglich es mit einer Burg; wer dort seine Zuflucht suche, werde unbesiegbar.[8]
Neuplatonische Seelenkonzepte

Eine zentrale Rolle spielt das Konzept einer göttlichen Instanz in der Seele bei Plotin († 270), dem Begründer des Neuplatonismus. Nach seiner Lehre entstammt die unsterbliche Seele einer immateriellen, rein geistigen Welt, in der sie beheimatet ist und Glückseligkeit genießt. Sie hat aber die Möglichkeit, in die Körperwelt hinabzusteigen und sich dort zeitweilig mit einem Körper zu verbinden, den sie dann lenkt und als Werkzeug benutzt. So kommt irdisches Leben zustande. Allerdings bindet sich die Seele dabei nicht in ihrer Gesamtheit, sondern nur teilweise an den Körper. „Etwas von ihr“, ihr höchster „Teil“, verbleibt immer in der geistigen Welt. Zu beachten ist dabei, dass die Bezeichnung „Teil“ hier in übertragenem Sinn verwendet wird, nicht im Sinne einer räumlichen Teilung oder einer realen Teilbarkeit; die Seele bildet eine unauflösliche Einheit. Der höchste Seelenteil ist von göttlicher Qualität, seine Seligkeit wird nie unterbrochen. Durch ihn hat die Seele somit ständig Anteil an der ganzen Fülle der geistigen Welt, auch wenn ihr verkörperter Teil in Verwirrung gerät und Unheil erleidet. Dem menschlichen Bewusstsein bleibt dieser Sachverhalt jedoch gewöhnlich verborgen, denn es wird von den Sinneseindrücken so beansprucht und überwältigt, dass es außerstande ist zu erfassen, was der oberste Seelenteil wahrnimmt.[9] Die mannigfaltigen Nöte und Unzulänglichkeiten des irdischen Daseins erlebt die Seele zwar mit, aber die Affekte (Gemütserregungen), die dabei entstehen, betreffen sie nur scheinbar. Sie beruhen auf Illusionen, denn die Seele ist eigentlich – hinsichtlich ihres höchsten und weitaus wichtigsten Teils – frei von Leid. Dieser Teil ist permanent auf den universellen Geist (Nous) ausgerichtet, das heißt auf dessen Inhalte, die „platonischen Ideen“, deren Betrachtung ihn entzückt. Die unteren Teile oder Schichten der Seele hingegen sind mehr oder weniger dem Bereich des Materiellen und sinnlich Wahrnehmbaren zugewandt und daher vielen Übeln ausgesetzt. Sie können sich aber, wenn man ein philosophisches Leben führt, ebenfalls auf das Geistige orientieren. Dann wird im Idealfall eine Übereinstimmung der Teile erreicht; deren unterschiedliche Funktionen werden harmonisiert, die ganze Seele wird einheitlich ausgerichtet.[10]

Mit seiner Lehre von einem unangreifbaren, allen irdischen Übeln entzogenen obersten Seelenteil nahm Plotin zentrale Elemente des mittelalterlichen Seelengrund-Konzepts vorweg.[11] Sein Ziel war es nach den Worten seines Schülers Porphyrios, das Göttliche in den einzelnen Seelen „emporzuheben zum Göttlichen im All“.[12] Von der Würde der Seele, die er aus deren göttlichem Aspekt ableitete, hatte er eine sehr hohe Auffassung. Bekannt ist sein programmatischer Ausspruch, er nehme nicht am Gottesdienst teil, denn „jene (die Götter) müssen zu mir kommen, nicht ich zu ihnen“.[13] Mit der Annahme, dass in der Seele etwas Göttliches sei, schuf er die theoretische Grundlage für seine These, eine Vereinigung des Individuums mit dem absolut transzendenten höchsten Prinzip, dem Einen, sei möglich und erstrebenswert. Er behauptete sogar, die Einheit mit dem Einen, in dem alles Seiende seinen Ursprung habe, sei schon während des irdischen Lebens erfahrbar. Für ein solches Einheitserlebnis hat sich die Bezeichnung hénōsis (Vereinigung, Einswerdung) eingebürgert. Nach Porphyrios’ Angaben hat Plotin die Henosis als wiederholten Akt für sich selbst in Anspruch genommen. Porphyrios erwähnte, die Einheitserfahrung sei seinem Lehrer in den fünf Jahren, die sie zusammen verbrachten, etwa viermal zuteilgeworden.[14] Plotin betonte, dass das Erlebnis plötzlich eintrete.[15]

Plotins Beschreibung der Henosis stimmt in wesentlichen Aspekten mit den mittelalterlichen Darstellungen der Erfahrung im Seelengrund überein. Hierzu gehört die mit der Henosis verbundene Entdifferenzierung, der Übergang in die Formlosigkeit des undifferenzierten, absolut einheitlichen Einen; dies entspricht Meister Eckharts Forderung, „weiselos“ zu werden, so wie Gott „ohne Weise“ (bestimmungslos) sei. Auch das in Eckharts Lehre zentrale Konzept der „Abgeschiedenheit“ klingt schon bei Plotin an, etwa in seiner Feststellung, das „Leben der Götter und göttlicher, seliger Menschen“ sei ein „Abscheiden“ (apallagḗ) von allem Irdischen („von allem anderen, was hier ist“), eine „Flucht des Einen zum Einen“ oder „Flucht des Einsamen zum Einsamen“. Nach Plotins Darstellung tritt man in „ruhiger Gotterfülltheit“ in die Abgeschiedenheit ein, in einen Zustand der Bewegungslosigkeit, in dem nichts mehr ablenkt. Er verglich dies mit dem Betreten eines Heiligtums (ádyton), der innersten Kammer eines Tempels.[16] Bei diesem „Abscheiden“ handelt es sich um eine in höchstem Maß individuelle Selbst-Identifikation mit dem Ursprung, dem Einen, dem nach der neuplatonischen Philosophie alles, was ist, seine Existenz verdankt. Die Voraussetzung dafür ist bei Plotin ebenso wie in der spätmittelalterlichen Spiritualität eine radikale Trennung des Bewusstseins von allem, was nicht der Ursprung ist. Die Identifikation mit der reinen, nichts ausschließenden Einheit erfordert, dass man an nichts festhält, was der Welt des Besonderen, der Zweiheit und Vielfalt angehört.[17] Eine direkte Beeinflussung mittelalterlicher Autoren durch Plotins Schriften ist jedoch ausgeschlossen, da seine Werke damals in West- und Mitteleuropa unbekannt waren.

Die These, der höchste Teil der Seele verbleibe immer in der geistigen Welt, stieß bei Iamblichos († um 320/325) und den ihm folgenden spätantiken Neuplatonikern auf entschiedene Ablehnung. Sie meinten, die Seele steige ganz hinab, wenn sie sich mit einem Körper verbinde. Eines der Argumente des Iamblichos war, die Annahme einer ständigen Gemeinschaft eines Seelenteils mit dem göttlichen Bereich sei unstimmig, weil eine solche Verbundenheit der Person nicht unbewusst sein könne; vielmehr müssten, wenn es eine derartige Gemeinschaft gäbe, alle Menschen unablässig glücklich sein.[18] Auch Proklos († 485), einer der einflussreichsten Neuplatoniker der Spätantike, griff Plotins Position an. Die These, „etwas von unserer Seele bleibe oben“, hielt er für widersprüchlich. Er brachte dagegen vor, dass das, was nach einem solchen Modell immer oben bleibe, sich niemals mit dem, was hinabsinke, verbinden könne, denn zwischen ihnen müsse eine Kluft prinzipieller Art bestehen. Außerdem dürfe man nicht annehmen, das Wesen der Seelen und das der geistigen Welt und der Götter sei dasselbe. Vielmehr nehme das Seelische von Natur aus eine untergeordnete Stellung in der hierarchischen Ordnung der Entitäten ein, denn es sei kein Bestandteil der geistigen Welt, sondern etwas von ihr Hervorgebrachtes. Den spätantiken Neuplatonikern erschien Plotins optimistische Einschätzung des Verhältnisses der inkarnierten (in der Körperwelt lebenden) Seele zu höheren Ebenen als unrealistisch und anmaßend.[19] Sie teilten aber seine Überzeugung, dass die geistige Welt der inkarnierten Seele nicht verschlossen sei und dass es unbedingt erstrebenswert sei, sich mit ihr zu verbinden. Proklos hielt auch einen Aufstieg zum transzendenten Einen für vollziehbar. Nach seiner Lehre beruht die Möglichkeit der Zusammenkunft mit dem Einen darauf, dass es „das Eine in uns“, „das Eine in der Seele“ gibt, das der Demiurg, der Weltschöpfer, dort eingepflanzt hat. Dieses individuelle Eine, das auch als „Blüte der Seele“ bezeichnet wird, ist „das Göttlichste von dem, was in uns ist“, das „Eingestaltigste“ und „Einigste“ im Menschen, das Prinzip, das seine Einheit stiftet und die Vielfalt in ihm eint. Es ist dem transzendenten Einen nicht gleich, aber analog; es ist dessen „Bild“ oder „Same“. Aufgrund dieser Ähnlichkeitsstruktur ist das transzendente Eine erkennbar und erreichbar. Erforderlich ist dafür, dass man sich das „Eine in uns“ bewusst macht. Proklos forderte, man solle das „Eine in uns“ erwecken und in Glut entfachen und durch es die Seele mit dem transzendenten Einen verbinden; dann solle man dort gleichsam vor Anker gehen. Für diese Aufstiegsbewegung der Seele bedürfe man des „vergöttlichenden Schwunges“.[20]
Rezeption im antiken Christentum

Der Kirchenschriftsteller Origenes, ein Zeitgenosse Plotins, knüpfte an die Überlegungen der paganen Philosophen zum Verhältnis von Seele und Gottheit an. Er formte herkömmliches Gedankengut in christlichem Sinne um, indem er den innersten Bereich des menschlichen Geistes als Ort der Gegenwart Gottes im Menschen und Begegnungspunkt des Menschlichen mit dem Göttlichen darstellte. Dort komme es zu einer unmittelbaren Berührung mit dem Göttlichen in der Form eines Erkennens, das sich von der normalen Erkenntnis der äußeren Objekte grundsätzlich unterscheide. Somit führte Origenes eine Unterscheidung zwischen normaler, rationaler Erkenntnis mittels des Denkvermögens und Gotteserkenntnis aufgrund einer besonderen, nur dafür bestimmten Fähigkeit der Seele ein. Damit wich er von der platonischen Tradition ab, die nicht eine „natürliche“ Erkenntnis einer „übernatürlichen“ gegenüberstellte, sondern alle Erkenntnisakte auf dasselbe Prinzip zurückführte, das sich nur auf verschiedenen Ebenen entfalte. Die Platoniker gingen von einer durch alle Formen der Erkenntnis durchgehenden Kontinuität aus. Dieser Auffassung stellte Origenes die in der Geistesgeschichte folgenreiche Trennung zwischen rationalem und irrationalem oder überrationalem Erkennen entgegen.[21]

Der außerordentlich einflussreiche Kirchenvater Augustinus († 430) hielt an der platonischen Sichtweise fest, die nicht zwischen prinzipiell verschiedenen Erkenntnisarten des menschlichen Geistes unterscheidet.[22] In seinem Werk De trinitate prägte Augustinus den Begriff abditum mentis („Versteck des Geistes“ oder „das Verborgene des Geistes“). So bezeichnete er einen Bereich in der Tiefe des menschlichen Geistes, dem er ein apriorisches Wissen zuschrieb, das er als Grundlage des Denkens und der Erkenntnis betrachtete. Nach seiner Theorie ist dieses Wissen dort stets präsent, aber verborgen und somit unbewusst; es kann jedoch durch das Denken ins Bewusstsein gehoben werden.[23] Die „verstecktere Tiefe unseres Gedächtnisses“ ist der Ort, wo der Mensch Inhalte findet, die nicht aus seinen eingespeicherten Erinnerungen stammen, sondern die er zum ersten Mal denkt. Dort wird das „innerste Wort“ gezeugt, das keiner Sprache angehört. Im Denken erscheint eine Einsicht, die von einer Einsicht stammt, die schon zuvor vorhanden war, aber im Versteck verborgen war.[24]

Die von neuplatonischem Gedankengut beeinflussten Überlegungen des Augustinus zum abditum mentis wurden im Mittelalter aufgegriffen und für den Diskurs vom Seelengrund verwertet. Allerdings ist unklar, ob Augustinus tatsächlich, wie mittelalterliche Autoren meinten, darunter eine bestimmte Instanz und ein leitendes Prinzip des gesamten Seelenlebens verstanden hat.[25]

Weiteres dazu im Link:

https://de.wikipedia.org/wiki/Seelengrund
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