Herrenausstatter Ingo Gerstner: Ich brauch nicht Hula Lula auf Hawaii
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Herrenausstatter Ingo Gerstner: Ich brauch nicht Hula Lula auf Hawaii
Generationen von Braunschweiger Jungs haben bei ihm ihren Konfirmationsanzug gekauft: Ingo Gerstner hat 50 Jahre lang das gleichnamige Herrenmode-Fachgeschäft in der Friedrich-Wilhelm-Straße geführt. Nächsten Samstag verabschiedet sich der 77-Jährige endgültig von seinen Kunden. Katja Dartsch sprach mit ihm.

Herr Gerstner, als im Jahr 2003 Ihr Mitbewerber Erdmann seine Filiale am Waisenhausdamm schloss, sagten Sie: "Es tut weh, wenn gute Fachgeschäfte weggehen." Flebbe, Konen, Vick und Erdmann – alle sind inzwischen weg. Mit Gerstner schließt nun der letzte Herrenausstatter mit Braunschweiger Wurzeln. Tut der Abschied weh?
Ach, eines muss man wissen: Das Leben besteht aus Episoden, ist eine zu Ende, beginnt die nächste. Das ist der Lauf der Lauf.
Welche Episode bricht bei Ihnen nun an? Sie geben ja nicht nur Ihr Geschäft auf, sondern wollen mit 77 Jahren auch das Fußballspielen bei der Sportgruppe Querum beenden. Was planen Sie nun mit all Ihrer freien Zeit?
Das fragen mich zurzeit so viele. Jedenfalls keine Reisen. Hula Lula auf Hawaii brauche ich nicht. Ich habe hier den Harz, ich habe hier die Heide, ich habe hier meine Freunde. Ich möchte wieder anfangen, Tennis zu spielen, und ich will Gymnastik machen. Fitness ist mir das Wichtigste. Und Kultur – wir haben ein tolles Staatstheater in Braunschweig.
Ihr Geschäft gilt als Magnet für die wenigen hochwertigen Boutiquen und Dienstleister rundum. Droht der Standort nun endgültig von Dönerbuden und Billiganbietern übernommen zu werden?
Das hoffe ich nicht. Das Einzugsgebiet von Braunschweig ist groß genug, um gute Fachgeschäfte an diesem Standort zu etablieren. Hier muss was Gepflegtes bleiben. Zum Beispiel ein Damenhaus mit gepflegter Ware. Viele Kundinnen beschweren sich, dass es in Braunschweig nur Mode für junge Frauen gibt, Billigläden, in denen der BH nur sechs Euro kostet. Nein, ich möchte, dass die Leute sagen können: Da hat uns der Gerstner einen tollen Nachfolger gebracht!
Sie wollen das Haus, das auch eine architektonische Geschichte hat, verkaufen. Gibt es Interessenten?
Ja, da laufen Gespräche. Entworfen wurde das Gebäude von dem damals jungen Architekten und langjährigen TU-Professor Friedrich Wilhelm Kraemer. Die Bauhaus-Fassade lockt noch immer zahlreiche junge Architekten aus den USA an. Sie bauen dort ja wieder ähnlich, wenn auch mit anderen Materialien.
Bauen ließ das Haus einst Ihr Vater. Der hatte erst bei Hermann Vick in Braunschweig gearbeitet, dann gründete er nach dem Krieg das Herrenmodehaus Gerstner. Später übernahmen Sie das Geschäft. Hatten Sie eine andere Wahl?
Mein Vater hat die Entscheidung mir überlassen. Als Junge hatte ich nur die Eintracht und Fußball im Kopf. Ich habe dann ein gutes Internat besucht, viele Sprachen gelernt. In Hamburg ging ich in die Lehre, habe dann in einigen Großstädten und Fachschulen studiert und gearbeitet. Ich wollte in die Textilbranche, das hatte ich von meinem Vater im Blut, das ist mein Naturell.
Der Arztberuf zum Beispiel wäre nichts für mich gewesen: anderen Leuten in den Bauch stechen und ähnliches – nein, nichts für mich!
Wie geht es weiter mit dem Einzelhandel in Braunschweig?
Es gibt einen Trend weg von den großen Centern, hin zu kleineren. Es wird wieder etwas individueller – man braucht ja nicht 5000 Fußbälle in einem Geschäft, man braucht nur die 500 richtigen. Fachgeschäfte werden es weiterhin schwer haben, weil die Mieten meistens zu hoch sind.
Und wer ein Fachgeschäft führt, muss wissen: Er muss jeden Tag für seine Kunden da sein, muss immer neue Ideen haben und bereit sein, Sonderwünsche zu erfüllen.
Jede Saison wird die neueste Mode ausgerufen. Welche wesentlichen Dinge haben sich in den vergangenen 50 Jahren in der Modewelt geändert? Im Zeitraffer…
In den 50ern gab es einen Schnitt, der war für alle en Vogue, ob jung oder alt. Den hatte man einfach. In den 60ern begann die Internationalität, plötzlich gab es italienische und französische Anzüge. Die waren ganz anders geschnitten als unsere hausbackenen deutschen Modelle.
Es folgte die Bewegung weg von den eleganten und feinen Anzügen, hin zu mehr Lässigkeit: Man begann, Jeans zu Anzugjacken zu tragen, früher undenkbar! In den letzten Jahren hat sich insbesondere die Qualität der Stoffe wesentlich verändert: knitterfrei, bügelfrei, dehnbar. Eine Revolution. Aber nicht nur die Mode hat sich verändert, auch die Kunden: Sie sind heute im Schnitt größer, aber auch voluminöser.
Quelle
Schade drum,wieder ein alteingesessenes Geschäft weniger

Herr Gerstner, als im Jahr 2003 Ihr Mitbewerber Erdmann seine Filiale am Waisenhausdamm schloss, sagten Sie: "Es tut weh, wenn gute Fachgeschäfte weggehen." Flebbe, Konen, Vick und Erdmann – alle sind inzwischen weg. Mit Gerstner schließt nun der letzte Herrenausstatter mit Braunschweiger Wurzeln. Tut der Abschied weh?
Ach, eines muss man wissen: Das Leben besteht aus Episoden, ist eine zu Ende, beginnt die nächste. Das ist der Lauf der Lauf.
Welche Episode bricht bei Ihnen nun an? Sie geben ja nicht nur Ihr Geschäft auf, sondern wollen mit 77 Jahren auch das Fußballspielen bei der Sportgruppe Querum beenden. Was planen Sie nun mit all Ihrer freien Zeit?
Das fragen mich zurzeit so viele. Jedenfalls keine Reisen. Hula Lula auf Hawaii brauche ich nicht. Ich habe hier den Harz, ich habe hier die Heide, ich habe hier meine Freunde. Ich möchte wieder anfangen, Tennis zu spielen, und ich will Gymnastik machen. Fitness ist mir das Wichtigste. Und Kultur – wir haben ein tolles Staatstheater in Braunschweig.
Ihr Geschäft gilt als Magnet für die wenigen hochwertigen Boutiquen und Dienstleister rundum. Droht der Standort nun endgültig von Dönerbuden und Billiganbietern übernommen zu werden?
Das hoffe ich nicht. Das Einzugsgebiet von Braunschweig ist groß genug, um gute Fachgeschäfte an diesem Standort zu etablieren. Hier muss was Gepflegtes bleiben. Zum Beispiel ein Damenhaus mit gepflegter Ware. Viele Kundinnen beschweren sich, dass es in Braunschweig nur Mode für junge Frauen gibt, Billigläden, in denen der BH nur sechs Euro kostet. Nein, ich möchte, dass die Leute sagen können: Da hat uns der Gerstner einen tollen Nachfolger gebracht!
Sie wollen das Haus, das auch eine architektonische Geschichte hat, verkaufen. Gibt es Interessenten?
Ja, da laufen Gespräche. Entworfen wurde das Gebäude von dem damals jungen Architekten und langjährigen TU-Professor Friedrich Wilhelm Kraemer. Die Bauhaus-Fassade lockt noch immer zahlreiche junge Architekten aus den USA an. Sie bauen dort ja wieder ähnlich, wenn auch mit anderen Materialien.
Bauen ließ das Haus einst Ihr Vater. Der hatte erst bei Hermann Vick in Braunschweig gearbeitet, dann gründete er nach dem Krieg das Herrenmodehaus Gerstner. Später übernahmen Sie das Geschäft. Hatten Sie eine andere Wahl?
Mein Vater hat die Entscheidung mir überlassen. Als Junge hatte ich nur die Eintracht und Fußball im Kopf. Ich habe dann ein gutes Internat besucht, viele Sprachen gelernt. In Hamburg ging ich in die Lehre, habe dann in einigen Großstädten und Fachschulen studiert und gearbeitet. Ich wollte in die Textilbranche, das hatte ich von meinem Vater im Blut, das ist mein Naturell.
Der Arztberuf zum Beispiel wäre nichts für mich gewesen: anderen Leuten in den Bauch stechen und ähnliches – nein, nichts für mich!
Wie geht es weiter mit dem Einzelhandel in Braunschweig?
Es gibt einen Trend weg von den großen Centern, hin zu kleineren. Es wird wieder etwas individueller – man braucht ja nicht 5000 Fußbälle in einem Geschäft, man braucht nur die 500 richtigen. Fachgeschäfte werden es weiterhin schwer haben, weil die Mieten meistens zu hoch sind.
Und wer ein Fachgeschäft führt, muss wissen: Er muss jeden Tag für seine Kunden da sein, muss immer neue Ideen haben und bereit sein, Sonderwünsche zu erfüllen.
Jede Saison wird die neueste Mode ausgerufen. Welche wesentlichen Dinge haben sich in den vergangenen 50 Jahren in der Modewelt geändert? Im Zeitraffer…
In den 50ern gab es einen Schnitt, der war für alle en Vogue, ob jung oder alt. Den hatte man einfach. In den 60ern begann die Internationalität, plötzlich gab es italienische und französische Anzüge. Die waren ganz anders geschnitten als unsere hausbackenen deutschen Modelle.
Es folgte die Bewegung weg von den eleganten und feinen Anzügen, hin zu mehr Lässigkeit: Man begann, Jeans zu Anzugjacken zu tragen, früher undenkbar! In den letzten Jahren hat sich insbesondere die Qualität der Stoffe wesentlich verändert: knitterfrei, bügelfrei, dehnbar. Eine Revolution. Aber nicht nur die Mode hat sich verändert, auch die Kunden: Sie sind heute im Schnitt größer, aber auch voluminöser.
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