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Beitrag  checker So Okt 16, 2011 8:56 pm

Torpedos und Tod: Im November 1944 versenkt ein deutsches U-Boot vor der Küste Islands das Passagierschiff "Godafoss". Das Schiff ist der Stolz der Insel - der Angriff wird zum Trauma für die Nation. 70 Jahre nach dem brutalen Abschuss treffen zum ersten Mal ein überlebender Passagier und der Funker des U-Boots aufeinander. Von Christian Gödecke

*** Das Boot *** C848445194394f41aec0280960ff9ff4_image_document_large_featured_borderless

Neuerdings schläft Horst Koske wieder schlechter. Die letzte Nacht, grausam. Horst Koske rollt mit den Augen. Es fing vor zwei Monaten an, als ihm der Autor Stefan Krücken das Manuskript für das Buch vorbeibrachte, "ich hab es natürlich sofort gelesen", sagt Koske. Was sollte er auch tun? Das Buch erzählt die Geschichte des isländischen Passagierschiffs "Godafoss", das im Zweiten Weltkrieg von einem deutschen U-Boot versenkt wird. Es ist eine dramatische Geschichte, die vom Tod handelt, von Torpedos. Und von Horst Koske.

"Als ich das Buch gelesen hatte, da hab ich gedacht, verdammter Mist noch mal, so eine Scheiße." Koske sitzt an einem kleinen Tisch in einem großen Café auf der Frankfurter Buchmesse, ein krummer Mann mit blauem Sakko, blauem Hemd und wachen Augen. Er ist 88, die Knie sind kaputt, neben seinem Stuhl steht ein Rollator. Aber Koske ist nur körperlich geschwächt, sein Gedächtnis funktioniert tadellos. Während Koske erzählt, fliegen Namen und Jahreszahlen und Tage und Uhrzeiten nur so vorbei, alles sorgfältig abgespeichert aus jener Zeit, als er noch ein junger Mann war und Funkmaat an Bord von U300.

Koske ist in Frankfurt wegen des Buchs, das ihm den Schlaf raubt. "Godafoss" wird im isländischen Pavillon vorgestellt, Island ist Ehrengast der diesjährigen Buchmesse und Horst Koske ist es damit auch. Er ist aufgeregt, er hat es nicht so mit dem Rampenlicht, und außerdem wird er bei der Präsentation in etwa einer Stunde auf einen Isländer treffen. Sigurdur Gudmundsson hat den Torpedo-Angriff auf die "Godafoss" überlebt. Koske hofft, dass das Treffen so was wie ein Abschluss wird, "ich dachte, Menschenskinder, endlich Ruhe finden, vielleicht ist das gut." Aktuell scheint Horst Koske nicht mehr so sicher, er klammert sich mit der rechten Hand an die Tischkante. Mit der anderen rückt er eine rote Serviette zurecht.

Versuchskaninchen

Koske ist 17, als er 1940 zur Marine eingezogen wird. Ein junger, großer, drahtiger Mann, der auf der Nachrichtenschule in Flensburg lernt und sich plötzlich auf einem U-Boot wiederfindet. Eines Morgens habe man alle im Hof zur Musterung antreten lassen. Man suchte Freiwillige für den Einsatz. "Wer ist verheiratet?", habe einer der Ausbilder geschrien, die Verheirateten traten weg. "Wer ist kriegsbeschädigt?", die Verletzten traten weg. Übrig blieben 32 "Freiwillige". Darunter Koske.

Der junge Funker kommt im Sommer 1944 an Bord von U300, einem U-Boot des Typs VII C, 76,76 Meter lang, 6,76 Meter breit, 50 Mann Besatzung. Deutsche U-Boote sind zu dieser Zeit schon lange nicht mehr die Schrecken der Meere, das Meer wird allzu oft zum Schrecken für die U-Boote. Die Alliierten haben den deutschen Funkcode geknackt und nutzen Radaraufklärung, U-Boot-Missionen sind Himmelfahrtskommandos. Und die neuen Besatzungen immer schneller und schlechter ausgebildet. Das weiß auch Koske, er sieht sich und seine jungen Kameraden als "Versuchskaninchen". Die erste Feindfahrt unternimmt U300 an einem Freitag, der ein 13. ist.

Im Prinzip, sagt Horst Koske jetzt im Café in Frankfurt, sei es ja immer das Gleiche gewesen. In der Ausbildung, 1949, oder auf der Zollschule 1954, immer habe irgendjemand gesagt, Koske jetzt erzähl mal, wie war das damals im U-Boot-Krieg. Und dann erzählte Koske, von Feindfahrten, von Wasserbomben und von der Nacht, als sie die "Godafoss" im kalten Atlantik versenkten. Auch Anfang der Achtziger, als Koske bei der Bundeswehrverwaltung in Lüneburg arbeitete, wollten sie seine Geschichte hören, "Das Boot" mit Jürgen Prochnow und Martin Semmelrogge lief damals im Kino. Und dabei erzählte Horst Koske eigentlich die ganze Zeit eine Geschichte, die er vergessen wollte.

Er schlief schlecht, und über Jahrzehnte hatte er den gleichen Alptraum. Er lief einen Sandberg hinauf, und je weiter er lief, desto tiefer sackte er ein, bis er ertrank. 1980 begann er, seine Geschichte zum ersten Mal aufzuschreiben. Für seinen Sohn, seine Enkel und für sich selbst. Mit dem Schlafen wurde es zunehmend besser.

Reykjavik - New York - Reykjavik

Beinahe wäre U300 Mitte Oktober umgekehrt, das Sehrohr war bei der ersten Feindfahrt beschädigt worden. Doch der junge Kommandant Fritz Hein entscheidet am 16. Oktober: Das U-Boot fährt weiter Richtung isländische Küste, wo es Anfang November ankommt. Es ist ein riskantes Unterfangen, so nah an der Küste zu fahren, und bei der Mannschaft sorgt das ununterbrochene Tauchen für Kopfschmerzen. Es fehlt an frischem Wasser, dazu strömen bei Wellengang Dieselabgase ins Innere. Die Toiletten dürfen irgendwann nicht mehr benutzt werden, zu groß ist die Gefahr der Entdeckung. "Wenn es gar nicht anders ging, mussten wir Munitionsbehälter zweckentfremden", erinnert sich Funkmaat Koske.

Am 10. November 1944 erspäht Kommandant Hein durch das Periskop ein Schiff, das als erstes lohnendes Ziel für die todbringenden Torpedos von U300 ausgemacht wird: ein Tanker, "Shirwan". Zwei Torpedos starten um 10 Uhr. Wenige Minuten später ist die "Shirwan" getroffen.

Der Satz ist Horst Koske peinlich, aber er sagt ihn trotzdem: "So eine Scheiße." Er meint den Kapitän der "Godafoss", Sigurdur Gislason, "wie konnte dieser Kapitän nur als Führungsschiff eines Geleitzuges fahren? Das war doch ein neutrales Schiff. Neutrale fuhren nicht im Geleit, sondern als Einzelgänger." Koske schüttelt den Kopf, er spricht von ungeschriebenen Gesetzen und davon, dass U300 keine Möglichkeit gehabt habe, die "Godafoss" als das zu identifizieren, was sie war: ein Schiff ausschließlich mit Zivilisten und Fracht an Bord.

Tatsächlich ist die "Godafoss" noch im Hafen in Reykjavík in grauer Tarnfarbe angemalt worden, bevor sie im September 1944 nach New York ausläuft. 32 Mann bilden die Besatzung, 40 Gäste haben die "Godafoss" an die Ostküste der USA gebucht. Zwölf Passagiere sind an Bord, als das bedeutendste isländische Schiff am 9. Oktober in New York die Anker lichtet, um die gefährliche Rückreise über den Atlantik anzutreten. Am 10. November fährt die "Godafoss" an der Spitze eines Geleitzuges, als die "Shirwan" von U300 attackiert wird.

Kapitän Sigurdur Gislason will den Verletzten der "Shirwan" zu Hilfe eilen und beschließt, entgegen allen Regeln, im Konvoi beizudrehen. Es ist eine folgenschwere Entscheidung, denn nun gerät die "Godafoss" selbst ins Visier von U300. Grau angestrichen hält Kommandant Hein das Schiff für den Frachter eines alliierten Geleitzuges. Er lässt zwei Torpedos vorbereiten, die um 12.59 Uhr die Rohre verlassen.

Herr Koske in Island

Jetzt müssen wir aber, sagt Horst Koske. Er stemmt sich aus dem Stuhl, noch eine halbe Stunde bis zum Treffen mit dem Überlebenden. Er stützt sich auf seinen Rollator, neben ihm läuft sein riesiger Sohn. An einer Flügeltür biegt Koske ab, hinein in den isländischen Pavillon, in dem es dunkel und kühl ist und an dessen Wänden Leinwände hängen mit Projektionen von Wasser und Steinen und Bächen und Moos. Koske rollt auch an der Tribüne vorbei, auf der ein Ledersofa steht und ein einsames Pult. Der alte Mann steuert direkt auf die erste Stuhlreihe zu, die vor der Tribüne aufgebaut ist. Er setzt sich, sein Sohn bringt den Rollator weg. Koske stützt sich jetzt auf eine Krücke, er klammert sich daran mit der rechten Hand und schaut immer wieder Richtung Ausgang. Er wäre dann soweit.

Um 13.02 Uhr schlägt der erste Torpedo in der Backbordseite der "Godafoss" ein und reißt ein gigantisches Loch, "so groß, dass ein Zug hätte hindurchfahren können", beschreibt es später ein Überlebender. Im Maschinenraum hat niemand eine Überlebenschance. An Bord bricht Panik aus, Rettungsflöße werden in die eiskalte, stürmische See gelassen, ein Rettungsboot kentert. Sigurdur Gudmundsson bemerkt den siebenjährigen Oli, dessen Eltern nirgendwo zu sehen sind. Gudmundsson gibt dem Jungen seine Rettungsweste und springt mit ihm ins Wasser.

Die "Godafoss" sinkt rasend schnell – und sie entwickelt dabei eine tödliche Sogwirkung für alle, die in ihrer Nähe ums Überleben kämpfen. "Wir sanken tiefer und tiefer, der Sog des untergehenden Schiffs zog uns hinunter. Es brauchte reichlich Kraft, um ihm zu entkommen. Plötzlich verlor ich die Gewalt über den Jungen. Nur noch ein Gedanke schoss mir durch den Kopf: mich retten. Nach oben schwimmen, weiter hinauf." So erinnert sich Sigurdur Gudmundsson im Buch "Godafoss", wie er ums eigene Überleben kämpft und dabei ein Kind sterben lassen muss. 24 Menschen kommen an diesem Tag um, 18 überleben. An Bord von U300 jubelt man kurz über das versenkte Dampfschiff.

Die Zeit heilt alle Wunden

Im isländischen Pavillon sitzen jetzt 200 Menschen. Es sind vielleicht noch fünf Minuten bis zum Beginn der Präsentation, als ein blonder Mann auf Horst Koske zugeht. "Kennen Sie mich noch?", fragt er den Deutschen auf Englisch, aber Koske muss passen. Der Blonde ist ein Filmemacher aus Island, der den U-Bootmann vor acht Jahren in dessen Haus in der Nähe von Hamburg für ein Interview besucht hatte. "Haben Sie den Film gesehen?", fragt er Koske, aber der versteht ihn nicht. Dann geht der Blonde wieder. "Hab von Island nix gesehen, nur die Kälte im Boot", sagt Koske zu seinem Sohn, der neben ihm sitzt.

Die Präsentation ist ein Ereignis, denn zunächst hält der isländische Außenminister eine launige und kluge Rede über Guido Westerwelle und die wunderbare Eigenschaft der Zeit, heilen zu können. "Wo ist denn der Überlebende?", fragt Koske seinen Sohn, er klammert sich jetzt mit beiden Händen fest an die Krücke. Dann liest der Schauspieler Joachim Król aus dem Buch und er summt sogar:

Vor der Kaserne
Vor dem großen Tor
Stand eine Laterne
Und steht sie noch davor
So woll’n wir uns da wiederseh’n
Bei der Laterne woll’n wir steh’n
Wie einst Lili Marleen

Lili Marleen, der Weltkriegsklassiker von Lale andersen! Das Lied hatte Marlene Dietrich in Reykjavík gesungen, als sie den Menschen Mut machte im Krieg gegen die Deutschen. Aber es war ja auch ein Lied, das die deutschen Soldaten hörten, Soldaten wie Horst Koske, der sich gerade die ersten Tränen aus den Augen wischt. Vier Stühle weiter hat ein weißhaariger Mann Platz genommen, der nicht weint, sondern lächelt: Sigurdur Gudmundsson ist angekommen, unbemerkt von Koske.

Unsichere Hände, rote Gesichter

Und so ist alles bereitet für den Augenblick, von dem Horst Koske noch vor einer Stunde nicht wusste, wie er sich wohl anfühlen würde. Der Moderator sagt noch etwas von nationalem Drama für Island und dass man das Wrack der "Godafoss" immer noch nicht gefunden habe und dass er nun zwei Männer begrüße, die ja nun... aber da stehen die beiden auch schon.

Koske hat sich mit aller Kraft hochgestemmt, sein Sohn greift seinen rechten Arm. Beide halten ihre Köpfe schief in Richtung des Isländers, sie sehen aus wie zwei Männer, die aus dem gleichen Zugfenster auf den Bahnsteig schauen. Für Gudmundsson sind es sechs kleine Schritte, er geht schnell, lacht, schnieft, breitet die Arme aus und fällt dem Deutschen dann um den Hals. Er drückt ihn an sich, sagt irgendwas, Koske quiekt nur und haut ihm auf den Rücken.

Applaus, Jubel im Pavillon, zwei rote, nasse Gesichter, unsichere Hände, die sich berühren, festhalten. "Ja so ist das", sagt Koske, es ist das erste, was ihm einfällt. "Nice to meet you", sagt Gudmundsson, und dann: "I don't hate you." Sie lösen sich voneinander, schauen sich an, drücken sich noch mal. Koske blickt immer wieder auch auf den Boden. Beide holen Taschentücher aus ihren Sakkotaschen, sie wussten natürlich, dass sie sie brauchen würden.

"Ruhe, eine halbe Stunde."

Dann trennen sie sich wieder, Horst Koske und Sigurdur Gudmundsson, gehen auf ihre Plätze, sitzen, weinen. Koske wird gleich dem isländischen Fernsehen sagen, er sei schon ein bisschen erleichtert, befreit. Heute Abend werden beide noch zusammen essen gehen, der Außenminister ist auch dabei, Ottar Sveinsson, der isländische Journalist, der alle Zeitzeugen suchte und fand. Und natürlich dessen Co-Autor Stefan Krücken, der Koske das mit dem Buch alles eingebrockt hat. Aber ob Horst Koske jetzt besser schlafen kann?

Nachdem die Präsentation zu Ende ist, kommt der Moderator auf Koske zu. Er fragt ihn, was er jetzt am liebsten täte. Koske versteht nicht. Was Sie jetzt tun würden, wenn Sie es sich aussuchen könnten, fragt der Moderator. Horst Koske überlegt kurz, dann sagt er: "Ruhe. Eine halbe Stunde. Es wäre toll, wenn ich mal kurz die Beine hochlegen könnte."

Ein paar Meter entfernt sitzt Sigurdur Gudmundsson und signiert ein Buch. Koske geht zu ihm, sie sitzen sich jetzt gegenüber. Koske entdeckt einen Anstecker am Revers des Isländers und fragt, wofür der denn stehe. "Für eine Fluggesellschaft", sagt Gudmundsson. Dann zeigt Koske seinen Anstecker. Es ist ein goldenes U-Boot.

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