Der Südkurier & Die neue Weltordnung
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Der Südkurier & Die neue Weltordnung
Bisher waren sie die Letzen, jetzt sind sie die Ersten. Die Menschen im Südseestaat Samoa machen den Anfang, wenn das neue Jahr begrüßt wird und rund um den Globus die Sektkorken knallen.
Bisher waren sie die Letzen, jetzt sind sie die Ersten. Die Menschen im Südseestaat Samoa machen den Anfang, wenn das neue Jahr begrüßt wird und rund um den Globus die Sektkorken knallen. Die Insulaner nutzten ihre geographische Lage am 180. Längengrad, strichen kurzerhand einen Tag aus dem Kalender und wechselten auf die andere Seite der Datumsgrenze. Darum ist dort heute schon morgen.
Beim Wechsel der Zeitzone geht es allerdings weniger um die Frage, wann die Silvesterparty steigt. Den Ausschlag gibt Wichtigeres: Samoa will deutlich machen, dass es nicht mehr zum amerikanischen Raum gehört, sondern zum asiatischen. Es verspricht sich davon wirtschaftliche Vorteile und bessere Geschäftskontakte. Mehr als 100 Jahre erschien den Inselbewohnern Amerika als Maß aller Dinge, so wie anderen Nationen auch. Jetzt stellen sie die Uhrzeiger vor, denn die Wirtschaftsströme laufen inzwischen in die andere Richtung. Die Weltmacht USA stagniert, Asien floriert. Samoa zieht daraus die Konsequenzen.
Der Zeitsprung in der Südsee lässt somit tief blicken. Er wirft ein Licht darauf, wie die Welt im 21. Jahrhundert aussieht. Alle Experten sagen: Es wird ein asiatisches Zeitalter sein. Die Milliardenvölker in China und Indien sind erst dabei, ihre Kraft zu entdecken. Wirtschaftlich setzen sie den Ländern des Westens schon heute zu. Morgen werden sie versuchen, politischen und kulturellen Einfluss geltend zu machen. Die Vorboten sind auch bei uns zu besichtigen, zum Beispiel in Möbelhäusern und Gartencentern: Die Asien-Abteilung mit Buddha-Statuen und Bambus ist vielerorts größer als die Abteilung mit Weihnachtsschmuck. Fernost ist angesagt. Maria und Josef können einpacken.
Die Gewichte verschieben sich Das Abendland wird davon nicht untergehen. Aber Amerikaner und Europäer müssen sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass sich die Welt nicht mehr lange nach ihren Vorstellungen dreht. Die Finanzkrise legt offen, wie sich die Gewichte verschoben haben. Die Hoffnungen der Weltwirtschaft ruhen auf den Chinesen. Von ihrem Fleiß und ihrer Kaufkraft lebt auch die deutsche Exportindustrie. Steht die chinesische Lokomotive unter Dampf, setzt sich vieles in Bewegung. Vor einer Generation, unter dem Würgegriff Mao Tse-tungs, exportierte die Volksrepublik pro Jahr Waren im Wert von acht Millionen Dollar. Jetzt, da die Fesseln abgestreift sind, sind es 1000 Milliarden. Chinesische Investoren sind weltweit unterwegs: Sie kaufen Goldminen in Afrika, stillgelegte Zechen im Ruhrgebiet und Häfen in Griechenland. Die Bankrotteure in der Eurozone hoffen inständig auf Geldgeber aus Fernost. Verkehrte Welt, zumindest aus der Sicht des vergangenen Jahrhunderts.
Vieles auf dem Globus ist in Bewegung geraten. Die arabischen Völker widersetzen sich ihren Despoten und nehmen ihr Schicksal in die eigene Hand. Auch in Russland begehren die Massen auf. Der lupenreine Demokrat Wladimir Putin, der sich im März auf den Präsidenten-Thron zurückmogeln will, hat sich verrechnet. Weltweit wackeln Besitzstände und Gewissheiten. Das Internet macht dem Herrschaftswissen ein Ende, die Bürger informieren und vernetzen sich – ungünstige Voraussetzungen für den Berufsstand der Diktatoren. Der junge, feiste Knabe, der im ausgehungerten Nordkorea sein Amt antrat, ist schlecht beraten: Kein Volk der Erde lässt sich ewig einmauern. Termitenstaaten haben im 21. Jahrhundert keine Zukunft.
Eine Chance für viele Die neue Weltordnung, die sich abzeichnet, hat somit keineswegs nur Schattenseiten. Zwar setzt sie die Industriestaaten des Westens – auch uns Deutsche – unter enormen Konkurrenzdruck, drückt Löhne und kostet Arbeitsplätze. Aber sie eröffnet den Habenichtsen von gestern die Chance auf einen Platz am Esstisch. Indien galt noch vor 20 Jahren als hoffnungsloser Fall der Weltgeschichte. Heute beliefert das Land die Computer dieser Welt mit Software und bildet an seinen Fachhochschulen begehrte Informatiker aus. Die digitale Revolution kehrt hier das Unterste nach oben.
Das kann nicht ohne Folgen für den Rest der Welt bleiben. Die Europäer prägten das 19. Jahrhundert, die Amerikaner das 20. – politisch, wirtschaftlich, kulturell. Jetzt wird Hollywood durch Bollywood abgelöst. Die USA beginnen, sich in den neuen Verhältnissen einzurichten, und richten, so wie das findige Inselvolk der Samoaner, den Blick nach Asien. Auch die Nationen Europas müssen sich neu erfinden. Bis zum Jahr 2050 werden sie nur noch sieben Prozent der Weltbevölkerung stellen. Wenn ihnen nicht sämtliche Felle davon schwimmen sollen, müssen sie sich zusammenraufen. Die Jahrhundertidee der europäischen Einigung ist aktueller denn je.
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Bisher waren sie die Letzen, jetzt sind sie die Ersten. Die Menschen im Südseestaat Samoa machen den Anfang, wenn das neue Jahr begrüßt wird und rund um den Globus die Sektkorken knallen. Die Insulaner nutzten ihre geographische Lage am 180. Längengrad, strichen kurzerhand einen Tag aus dem Kalender und wechselten auf die andere Seite der Datumsgrenze. Darum ist dort heute schon morgen.
Beim Wechsel der Zeitzone geht es allerdings weniger um die Frage, wann die Silvesterparty steigt. Den Ausschlag gibt Wichtigeres: Samoa will deutlich machen, dass es nicht mehr zum amerikanischen Raum gehört, sondern zum asiatischen. Es verspricht sich davon wirtschaftliche Vorteile und bessere Geschäftskontakte. Mehr als 100 Jahre erschien den Inselbewohnern Amerika als Maß aller Dinge, so wie anderen Nationen auch. Jetzt stellen sie die Uhrzeiger vor, denn die Wirtschaftsströme laufen inzwischen in die andere Richtung. Die Weltmacht USA stagniert, Asien floriert. Samoa zieht daraus die Konsequenzen.
Der Zeitsprung in der Südsee lässt somit tief blicken. Er wirft ein Licht darauf, wie die Welt im 21. Jahrhundert aussieht. Alle Experten sagen: Es wird ein asiatisches Zeitalter sein. Die Milliardenvölker in China und Indien sind erst dabei, ihre Kraft zu entdecken. Wirtschaftlich setzen sie den Ländern des Westens schon heute zu. Morgen werden sie versuchen, politischen und kulturellen Einfluss geltend zu machen. Die Vorboten sind auch bei uns zu besichtigen, zum Beispiel in Möbelhäusern und Gartencentern: Die Asien-Abteilung mit Buddha-Statuen und Bambus ist vielerorts größer als die Abteilung mit Weihnachtsschmuck. Fernost ist angesagt. Maria und Josef können einpacken.
Die Gewichte verschieben sich Das Abendland wird davon nicht untergehen. Aber Amerikaner und Europäer müssen sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass sich die Welt nicht mehr lange nach ihren Vorstellungen dreht. Die Finanzkrise legt offen, wie sich die Gewichte verschoben haben. Die Hoffnungen der Weltwirtschaft ruhen auf den Chinesen. Von ihrem Fleiß und ihrer Kaufkraft lebt auch die deutsche Exportindustrie. Steht die chinesische Lokomotive unter Dampf, setzt sich vieles in Bewegung. Vor einer Generation, unter dem Würgegriff Mao Tse-tungs, exportierte die Volksrepublik pro Jahr Waren im Wert von acht Millionen Dollar. Jetzt, da die Fesseln abgestreift sind, sind es 1000 Milliarden. Chinesische Investoren sind weltweit unterwegs: Sie kaufen Goldminen in Afrika, stillgelegte Zechen im Ruhrgebiet und Häfen in Griechenland. Die Bankrotteure in der Eurozone hoffen inständig auf Geldgeber aus Fernost. Verkehrte Welt, zumindest aus der Sicht des vergangenen Jahrhunderts.
Vieles auf dem Globus ist in Bewegung geraten. Die arabischen Völker widersetzen sich ihren Despoten und nehmen ihr Schicksal in die eigene Hand. Auch in Russland begehren die Massen auf. Der lupenreine Demokrat Wladimir Putin, der sich im März auf den Präsidenten-Thron zurückmogeln will, hat sich verrechnet. Weltweit wackeln Besitzstände und Gewissheiten. Das Internet macht dem Herrschaftswissen ein Ende, die Bürger informieren und vernetzen sich – ungünstige Voraussetzungen für den Berufsstand der Diktatoren. Der junge, feiste Knabe, der im ausgehungerten Nordkorea sein Amt antrat, ist schlecht beraten: Kein Volk der Erde lässt sich ewig einmauern. Termitenstaaten haben im 21. Jahrhundert keine Zukunft.
Eine Chance für viele Die neue Weltordnung, die sich abzeichnet, hat somit keineswegs nur Schattenseiten. Zwar setzt sie die Industriestaaten des Westens – auch uns Deutsche – unter enormen Konkurrenzdruck, drückt Löhne und kostet Arbeitsplätze. Aber sie eröffnet den Habenichtsen von gestern die Chance auf einen Platz am Esstisch. Indien galt noch vor 20 Jahren als hoffnungsloser Fall der Weltgeschichte. Heute beliefert das Land die Computer dieser Welt mit Software und bildet an seinen Fachhochschulen begehrte Informatiker aus. Die digitale Revolution kehrt hier das Unterste nach oben.
Das kann nicht ohne Folgen für den Rest der Welt bleiben. Die Europäer prägten das 19. Jahrhundert, die Amerikaner das 20. – politisch, wirtschaftlich, kulturell. Jetzt wird Hollywood durch Bollywood abgelöst. Die USA beginnen, sich in den neuen Verhältnissen einzurichten, und richten, so wie das findige Inselvolk der Samoaner, den Blick nach Asien. Auch die Nationen Europas müssen sich neu erfinden. Bis zum Jahr 2050 werden sie nur noch sieben Prozent der Weltbevölkerung stellen. Wenn ihnen nicht sämtliche Felle davon schwimmen sollen, müssen sie sich zusammenraufen. Die Jahrhundertidee der europäischen Einigung ist aktueller denn je.
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