Parteitag der Piraten: Schlömer gekürt, Nerz gestürzt
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Parteitag der Piraten: Schlömer gekürt, Nerz gestürzt
Bernd Schlömer ist neuer Chef der Piraten. Er trägt Mütze, findet sich "bescheiden und gelassen" und sagt, was der Basis gefällt.
Die Piraten haben einen neuen Parteichef. Bernd Schlömer, 41, soll die Piraten in das kommende Wahljahr führen. Der bisherige Vorsitzende und Kandidat für den Vorsitz, der 28-jährige Sebastian Nerz, fiel mit deutlichem Abstand durch. Erneut haben die Piraten ihren Vorsitzenden nach nur einer Amtszeit gestürzt.
Gleichwohl ist die Personalentscheidung der Piraten kein Zeugnis von Anarchie und großem Veränderungsfuror, wie auf früheren Parteitagen. Bernd Schlömer, der neue Chef-Pirat und bisherige Stellvertreter Nerz’, steht durchaus für Kontinuität und Professionalität.
Auf dem Parteitag in Neumünster hat er sich am Samstagmittag so vorgestellt: "Mein Name ist Bernd Schlömer. Ich bin Pirat. Und das seit 2009." In seiner Partei, die seit ein paar Monaten von Tausenden Neumitgliedern überrannt wird, gilt er damit schon als Veteran.
Schlömer präsentiert sich als Basispirat, der zwischen Alt- und Neu-Mitgliedern integrieren möchte. Er wolle "jeden Menschen einladen, mitzumachen", verspricht Schlömer in seiner Bewerbungsrede. Bei "aller Non-Konformität", die er an seiner Partei schätzte, wolle er sich doch dafür einsetzen, dass man künftig "geschlossen und gemeinsam" auftrete.
Sich selbst will er dabei nicht allzu sehr in den Vordergrund stellen. Er verspricht, stets die Meinung der gesamten Partei nach außen zu kommunizieren, nicht seine eigene. Wenn die Piraten beispielsweise "Nein zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sagen", werde er das auch tun. Obwohl Schlömer als Regierungsdirektor im Bundesverteidigungsministerium vermutlich eine andere Haltung zur Außen- und Rüstungspolitik vertritt als viele seiner Parteigenossen.
Gut kommt an der Basis auch an, dass Schlömer nicht für den Bundestag kandidieren will, sollten die Piraten im Jahr 2013 den Einzug schaffen. Selbstdarsteller und Aufstiegswillige mag die Partei überhaupt nicht. Schlömer, der sich selbst als "bescheiden und gelassen" beschreibt, gilt in dieser Hinsicht als unverdächtig.
Das unterscheidet ihn ein wenig von Nerz. Zwar trat auch der abgewählte Vorsitzende mit dem Versprechen an, nur die Partei-Meinung zu kommunizieren. Aber er hielt sich nicht immer daran. An der Basis werden ihm Aussagen zur künftigen Koalitionsbereitschaft der Piraten ebenso vorgehalten wie sein nachlassender Kontakt zu den zahllosen Arbeitsgruppen der Partei. Auch einen ruppigen, abgehobenen Ton haben viele zuletzt bei Nerz festgestellt. Dass er 2013 in den Bundestag einziehen will, stößt ebenfalls auf Kritik.
Vermutlich hat Nerz schon vor dem Parteitag geahnt, dass es eng für ihn wird. In seiner Bewerbungsrede räumt er "Fehler" ein. Seine restliche Bilanz klingt verzagt und zugleich technokratisch: Er bescheinigt sich, "ganz gut gearbeitet" zu haben und berichtet kurz von "der Umstellung der Verwaltung auf Bundesebene". Jegliches politische Statement verkneift er sich tunlichst.
An der Basis ist Nerz seit Längerem ein beliebtes Spottobjekt. "Helmut Kohl der Piratenpartei", nennen ihn einige Berliner Parteifreunde. Von den insgesamt acht Piraten, die für den Vorsitz kandidieren, ist er der einzige, der Jackett und schicke Schuhe trägt. Schlömer dagegen, meist an Schirmmütze und Schal zu erkennen, setzt auch optisch auf Understatement. Ein anderer Kandidat trägt T-Shirt und einen langen Pferdeschwanz. Was ihn von Nerz unterscheide, sehe man doch schon auf den ersten Blick, sagt der Zopfträger während einer Fragerunde.
Letztlich erhält Nerz 788 Stimmen, Schlömer 992. Hochkant fliegt auch die dritte Favoritin dieser Wahl durch: Die 26-jährige Berlinerin Julia Schramm hatte sich im Vorfeld als frische "Alternative" zu Schlömer und Nerz präsentiert. Allerdings verschreckte sie mehrere Piraten mit der These, dass Datenfreiheit Quatsch sei, weil sich im digitalen Zeitalter Daten ohnehin nicht schützen ließen. Schramm ruderte später zurück. Auf dem Parteitag sagt sie, sie war mit ihren Datenschutz-Thesen eher an einer "philosophischen Debatte" interessiert, nicht an einer politischen.
Es half nichts. Schramm, ihr selbstgewählter Spitzname lautet: "Privilegienmuschi", wirkt auf die Piraten letztlich wohl doch etwas zu naiv. Nicht mal ihr basisdemokratisch-affiner Wahlslogan: "It’s the people, stupid", stieß auf ein wenig freundliche Resonanz im Plenum.
Keine Chance haben auch die beiden Kandidaten mit rechtsextremem Hintergrund. Der Holocaust-Leugner Carsten Schulz erhält nicht einmal die 20 Stimmen, die für eine Kandidatur nötig sind. Und auch Dietmar Moews, der in seinem Videoblog unter anderem das "Weltjudentum" kritisiert hat, stieß in Neumünster auf Ablehnung. Als er sich vorzustellen beginnt, verlassen die meisten anderen Piraten den Saal. Dabei zeigen sie ihm ihre rote Stimmkarte oder rufen einfach nur "Buh".
In einer Erklärung distanziert sich die Partei überdies abermals von rechtsextremen Aussagen und Symbolen. Das Papier wird einstimmig und mit stehenden Ovationen angenommen. Die Piraten sind in ihrer Distanzierung tatsächlich eindeutig. Dennoch reagieren sie, nach einigen Parteitagsstunden, zunehmend dünnhäutig, wenn sie auf Neonazis in ihren Reihen angesprochen werden.
Überhaupt kippt die anfangs lässig-heitere Atmosphäre im Laufe des Tages ein wenig. Die Basis kritisiert immer offener am Saal-Mikrofon die Parteitagsleitung. Die zickt gestresst zurück. Und auch auf Journalisten sind viele Piraten nicht gut zu sprechen – wegen der kritischen Berichterstattung in den vergangen Tagen. Mehrfach kommt es zu Wortgefechten. Immer wieder wird Medienvertretern der "Rausschmiss" angedroht. Der Erfolg, so scheint es, macht gereizt und angespannt.
Auf Schlömer trifft das allerdings nicht zu. Auf seiner ersten Pressekonferenz als Chef-Pirat gibt er sich freundlich, zurückhaltend und ähnlich entspannt wie davor. Viel Inhaltliches sagt er ohnehin nicht. Wie er zu Koalitionen steht, wird er gefragt. "Step by Step", antwortet er. Erst mal in die nächsten Landtage einziehen.
Quelle
Die Piraten haben einen neuen Parteichef. Bernd Schlömer, 41, soll die Piraten in das kommende Wahljahr führen. Der bisherige Vorsitzende und Kandidat für den Vorsitz, der 28-jährige Sebastian Nerz, fiel mit deutlichem Abstand durch. Erneut haben die Piraten ihren Vorsitzenden nach nur einer Amtszeit gestürzt.
Gleichwohl ist die Personalentscheidung der Piraten kein Zeugnis von Anarchie und großem Veränderungsfuror, wie auf früheren Parteitagen. Bernd Schlömer, der neue Chef-Pirat und bisherige Stellvertreter Nerz’, steht durchaus für Kontinuität und Professionalität.
Auf dem Parteitag in Neumünster hat er sich am Samstagmittag so vorgestellt: "Mein Name ist Bernd Schlömer. Ich bin Pirat. Und das seit 2009." In seiner Partei, die seit ein paar Monaten von Tausenden Neumitgliedern überrannt wird, gilt er damit schon als Veteran.
Schlömer präsentiert sich als Basispirat, der zwischen Alt- und Neu-Mitgliedern integrieren möchte. Er wolle "jeden Menschen einladen, mitzumachen", verspricht Schlömer in seiner Bewerbungsrede. Bei "aller Non-Konformität", die er an seiner Partei schätzte, wolle er sich doch dafür einsetzen, dass man künftig "geschlossen und gemeinsam" auftrete.
Sich selbst will er dabei nicht allzu sehr in den Vordergrund stellen. Er verspricht, stets die Meinung der gesamten Partei nach außen zu kommunizieren, nicht seine eigene. Wenn die Piraten beispielsweise "Nein zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sagen", werde er das auch tun. Obwohl Schlömer als Regierungsdirektor im Bundesverteidigungsministerium vermutlich eine andere Haltung zur Außen- und Rüstungspolitik vertritt als viele seiner Parteigenossen.
Gut kommt an der Basis auch an, dass Schlömer nicht für den Bundestag kandidieren will, sollten die Piraten im Jahr 2013 den Einzug schaffen. Selbstdarsteller und Aufstiegswillige mag die Partei überhaupt nicht. Schlömer, der sich selbst als "bescheiden und gelassen" beschreibt, gilt in dieser Hinsicht als unverdächtig.
Das unterscheidet ihn ein wenig von Nerz. Zwar trat auch der abgewählte Vorsitzende mit dem Versprechen an, nur die Partei-Meinung zu kommunizieren. Aber er hielt sich nicht immer daran. An der Basis werden ihm Aussagen zur künftigen Koalitionsbereitschaft der Piraten ebenso vorgehalten wie sein nachlassender Kontakt zu den zahllosen Arbeitsgruppen der Partei. Auch einen ruppigen, abgehobenen Ton haben viele zuletzt bei Nerz festgestellt. Dass er 2013 in den Bundestag einziehen will, stößt ebenfalls auf Kritik.
Vermutlich hat Nerz schon vor dem Parteitag geahnt, dass es eng für ihn wird. In seiner Bewerbungsrede räumt er "Fehler" ein. Seine restliche Bilanz klingt verzagt und zugleich technokratisch: Er bescheinigt sich, "ganz gut gearbeitet" zu haben und berichtet kurz von "der Umstellung der Verwaltung auf Bundesebene". Jegliches politische Statement verkneift er sich tunlichst.
An der Basis ist Nerz seit Längerem ein beliebtes Spottobjekt. "Helmut Kohl der Piratenpartei", nennen ihn einige Berliner Parteifreunde. Von den insgesamt acht Piraten, die für den Vorsitz kandidieren, ist er der einzige, der Jackett und schicke Schuhe trägt. Schlömer dagegen, meist an Schirmmütze und Schal zu erkennen, setzt auch optisch auf Understatement. Ein anderer Kandidat trägt T-Shirt und einen langen Pferdeschwanz. Was ihn von Nerz unterscheide, sehe man doch schon auf den ersten Blick, sagt der Zopfträger während einer Fragerunde.
Letztlich erhält Nerz 788 Stimmen, Schlömer 992. Hochkant fliegt auch die dritte Favoritin dieser Wahl durch: Die 26-jährige Berlinerin Julia Schramm hatte sich im Vorfeld als frische "Alternative" zu Schlömer und Nerz präsentiert. Allerdings verschreckte sie mehrere Piraten mit der These, dass Datenfreiheit Quatsch sei, weil sich im digitalen Zeitalter Daten ohnehin nicht schützen ließen. Schramm ruderte später zurück. Auf dem Parteitag sagt sie, sie war mit ihren Datenschutz-Thesen eher an einer "philosophischen Debatte" interessiert, nicht an einer politischen.
Es half nichts. Schramm, ihr selbstgewählter Spitzname lautet: "Privilegienmuschi", wirkt auf die Piraten letztlich wohl doch etwas zu naiv. Nicht mal ihr basisdemokratisch-affiner Wahlslogan: "It’s the people, stupid", stieß auf ein wenig freundliche Resonanz im Plenum.
Keine Chance haben auch die beiden Kandidaten mit rechtsextremem Hintergrund. Der Holocaust-Leugner Carsten Schulz erhält nicht einmal die 20 Stimmen, die für eine Kandidatur nötig sind. Und auch Dietmar Moews, der in seinem Videoblog unter anderem das "Weltjudentum" kritisiert hat, stieß in Neumünster auf Ablehnung. Als er sich vorzustellen beginnt, verlassen die meisten anderen Piraten den Saal. Dabei zeigen sie ihm ihre rote Stimmkarte oder rufen einfach nur "Buh".
In einer Erklärung distanziert sich die Partei überdies abermals von rechtsextremen Aussagen und Symbolen. Das Papier wird einstimmig und mit stehenden Ovationen angenommen. Die Piraten sind in ihrer Distanzierung tatsächlich eindeutig. Dennoch reagieren sie, nach einigen Parteitagsstunden, zunehmend dünnhäutig, wenn sie auf Neonazis in ihren Reihen angesprochen werden.
Überhaupt kippt die anfangs lässig-heitere Atmosphäre im Laufe des Tages ein wenig. Die Basis kritisiert immer offener am Saal-Mikrofon die Parteitagsleitung. Die zickt gestresst zurück. Und auch auf Journalisten sind viele Piraten nicht gut zu sprechen – wegen der kritischen Berichterstattung in den vergangen Tagen. Mehrfach kommt es zu Wortgefechten. Immer wieder wird Medienvertretern der "Rausschmiss" angedroht. Der Erfolg, so scheint es, macht gereizt und angespannt.
Auf Schlömer trifft das allerdings nicht zu. Auf seiner ersten Pressekonferenz als Chef-Pirat gibt er sich freundlich, zurückhaltend und ähnlich entspannt wie davor. Viel Inhaltliches sagt er ohnehin nicht. Wie er zu Koalitionen steht, wird er gefragt. "Step by Step", antwortet er. Erst mal in die nächsten Landtage einziehen.
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