Protest der Asylbewerber spitzt sich zu - Hungerstreik in München: „Im Herz der Stadt sind Todesfälle zu befürchten“
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Protest der Asylbewerber spitzt sich zu - Hungerstreik in München: „Im Herz der Stadt sind Todesfälle zu befürchten“
Beim Hungerstreik der Asylbewerber in München sind inzwischen Menschenleben sind in Gefahr – und eine Lösung nicht in Sicht. In einer Schlüsselposition: der Sprecher der Flüchtlinge, Ashkan Khorasani.
Hunger und Durst fordern ihren Tribut. Aufsehenerregend, wenn ein Mensch das Bewusstsein verliert und ins Krankenhaus gebracht wird – 20 Mal ist das bislang passiert. Und leise, wenn mehr Menschen liegen statt sitzen als noch am Tag zuvor.
Seit sieben Tagen campieren rund 50 Asylsuchende, die meisten von ihnen Männer, am Münchner Rindermarkt, einem von Bäumen gesäumten Platz, ein paar Schritte vom Rathaus am Marienplatz und vom Viktualienmarkt entfernt. Seit Samstag essen sie nichts mehr, seit Dienstag trinken einige auch nicht mehr. Ausgenommen die Schwangere, die man mit einem Schokodrink in der Hand sieht, und die drei Kinder, ein, acht und neun Jahre alt.
Die Lage wird mit jedem Tag ernster. Inzwischen ist sie lebensgefährlich. „Mitten im Herz der Stadt sind Todesfälle realistisch zu befürchten“, sagt Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) am Freitagvormittag. Er hat einen Stab für außergewöhnliche Ereignisse eingerichtet, der seit Freitagmorgen ständig tagt und aus Vertretern der vielen Stellen besteht, die der Hungerstreik betrifft: Münchner Sozialreferat, Gesundheitsamt und Jugendamt, Polizei, Regierung von Oberbayern, Bayerisches Sozialministerium und Innenministerium und Kassenärztliche Vereinigung.
Wird die Forderung nicht erfüllt, wollen sie nicht essen und trinken
Die Asylsuchenden – die teils hier länger geduldet sind, teils vor Gericht für ein Bleiberecht kämpfen, teils erst im Mai angekommen sind – fordern ihre sofortige Anerkennung als politisch Verfolgte nach Artikel 16a des Grundgesetzes.
Ude betont, dass dies die einzige Forderung der Flüchtlinge sei. Es gehe ausdrücklich nicht um politische Anliegen, wie die Abschaffung der Essenspakete und Gewährung einer Arbeitserlaubnis – obwohl das auf den verteilten Handzetteln thematisiert werde. Ude hält das für Taktik: Durch diese Art von „Begleitmusik“, die auf viel Zustimmung stoße, könne man Mitstreiter gewinnen, während die Kernforderung sehr viel weiter reiche.
Karl Kopp von der Organisation Pro Asyl nennt den Weg, den die Flüchtlinge gewählt haben, „dramatisch und falsch“. Denn die Forderung zu erfüllen, ist rechtlich unmöglich, wie alle Behördenvertreter betonen.
„Todesfall wäre humanitäre Katastrophe“
Die Hungerstreikenden allerdings akzeptieren eine rechtliche Argumentation nicht. In einem ihrer Statements heißt es, sie sähen Deutschland und sein Rechtssystem nicht in der Position, über ihren Aufenthalt zu entscheiden. Deutschland sei mitverantwortlich für ihr Leid – unter anderem als Produzent von Waffen, die in den Kriegen ihrer Heimat eingesetzt werden. Und so hat die Zusage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die Fälle der 49 Antragsteller in zwei Wochen zu prüfen, die Situation nicht entschärft.
„Ein Todesfall wäre nichts weniger als eine humanitäre Katastrophe“, sagt Ude. Den Hungerstreik beenden könnten die Behörden aber derzeit nicht. Es handele sich um eine „anerkannte Demonstrationsart“, die hinzunehmen sei.
Aber es gibt seit Freitagnacht eine Verfügung, die den Hungerstreikenden insbesondere verbietet, die Arbeit von Ärzten zu behindern. Derzeit akzeptieren die Flüchtlinge nur Mediziner ihres Vertrauens im Lager, die im Notfall Mediziner des ständig bereitstehenden Rettungsdienstes rufen.
Der Sprecher der Gruppe – eine Schlüsselposition
Die bindenden Anordnungen, sagt Ude, hätten zu „heftigen Diskussionen“ geführt. Diskussionen, in denen Ashkan Khorasani eine Schlüsselposition zukommt – in dreifacher Hinsicht.
Erstens haben die Asylsuchenden ihn zu ihrem Sprecher erkoren und kommunizieren selbst nicht mit Behörden und Medien. Durch das Verhalten der Flüchtlinge kamen die Behörden zu dem Schluss, so sagt es Ude, dass sie Khorasani wirklich als ihren Sprecher akzeptieren. Sprecher, nicht Verhandlungsführer: „Ich verhandle nicht“, sagt Khorasani.
Khorasani ist ein junger Mann, anerkannter Flüchtling und war schon bei früheren Protesten von Asylbewerbern aktiv, die vor mehr als einem Jahr begonnen haben. Nach seinem Gespräch mit Khorsani am Donnerstagnachmittag beschreibt Ude ihn als „kultivierten, intellektuellen, sympathisch auftretenden“ Mann, der „ausgesprochen ruhig und gelassen argumentiert“, je nach Bedarf „sehr präzise oder sehr allgemein“.
Allerdings: „Die Radikalität, die der Sprecher vertritt, betrifft nicht die eigene Person“, sagt Ude. Khorasani nimmt nicht an dem Hungerstreik teil. Er wird also in absehbarer Zeit der Einzige sein, dem es einigermaßen gut geht – der zweite Aspekt seiner starken Position.
Ude sieht in Khorasani einen Meinungsmacher
Der dritte ist, dass er nach Udes Einschätzung eine „herausragende Rolle“ in der Meinungsbildung der Hungerstreikenden spielt, kurz spricht er sogar von „Kommandostruktur“. Der Wunsch, Khorasani möge seine Verantwortung für die Gruppe bedenken, habe dieser zurückgewiesen. Die deutschen Behörden trügen die Verantwortung.
Das sagt Khorasani auch einem älteren Herrn, der am Camp fragt, was man denn machen wolle, wenn tatsächlich jemand sterbe. „Fragen Sie Ihre Regierung“, sagt er.
Die Polizei muss schlichten
Auch am Freitag diskutieren Passanten heftig am Camp. Überwiegend ältere Leute schimpfen über die Asylbewerber, vor allem Jüngere halten dagegen. Freiwillige Helfer fordern Passanten nachdrücklich auf, mit Rücksicht auf die geschwächten Flüchtlinge nicht bis ans weiß-rote Absperrband um das Camp heranzutreten und nicht zu schreien. Manchmal muss die Polizei schlichten.
Ude hat an die Unterstützer appelliert, die Asylbewerber in ihrer lebensgefährlichen Aktion nicht zu bestärken. Das sei „unverantwortlich“. „Eine Aktion, die den eigenen Tod nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern sehenden Auges verursacht, muss abgebrochen werden.“
Wie die Helfer über ihre Rolle, ihre Verantwortung, denken, ist nicht zu erfahren. Man möchte das nicht kommentieren.
Quelle
Hunger und Durst fordern ihren Tribut. Aufsehenerregend, wenn ein Mensch das Bewusstsein verliert und ins Krankenhaus gebracht wird – 20 Mal ist das bislang passiert. Und leise, wenn mehr Menschen liegen statt sitzen als noch am Tag zuvor.
Seit sieben Tagen campieren rund 50 Asylsuchende, die meisten von ihnen Männer, am Münchner Rindermarkt, einem von Bäumen gesäumten Platz, ein paar Schritte vom Rathaus am Marienplatz und vom Viktualienmarkt entfernt. Seit Samstag essen sie nichts mehr, seit Dienstag trinken einige auch nicht mehr. Ausgenommen die Schwangere, die man mit einem Schokodrink in der Hand sieht, und die drei Kinder, ein, acht und neun Jahre alt.
Die Lage wird mit jedem Tag ernster. Inzwischen ist sie lebensgefährlich. „Mitten im Herz der Stadt sind Todesfälle realistisch zu befürchten“, sagt Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) am Freitagvormittag. Er hat einen Stab für außergewöhnliche Ereignisse eingerichtet, der seit Freitagmorgen ständig tagt und aus Vertretern der vielen Stellen besteht, die der Hungerstreik betrifft: Münchner Sozialreferat, Gesundheitsamt und Jugendamt, Polizei, Regierung von Oberbayern, Bayerisches Sozialministerium und Innenministerium und Kassenärztliche Vereinigung.
Wird die Forderung nicht erfüllt, wollen sie nicht essen und trinken
Die Asylsuchenden – die teils hier länger geduldet sind, teils vor Gericht für ein Bleiberecht kämpfen, teils erst im Mai angekommen sind – fordern ihre sofortige Anerkennung als politisch Verfolgte nach Artikel 16a des Grundgesetzes.
Ude betont, dass dies die einzige Forderung der Flüchtlinge sei. Es gehe ausdrücklich nicht um politische Anliegen, wie die Abschaffung der Essenspakete und Gewährung einer Arbeitserlaubnis – obwohl das auf den verteilten Handzetteln thematisiert werde. Ude hält das für Taktik: Durch diese Art von „Begleitmusik“, die auf viel Zustimmung stoße, könne man Mitstreiter gewinnen, während die Kernforderung sehr viel weiter reiche.
Karl Kopp von der Organisation Pro Asyl nennt den Weg, den die Flüchtlinge gewählt haben, „dramatisch und falsch“. Denn die Forderung zu erfüllen, ist rechtlich unmöglich, wie alle Behördenvertreter betonen.
„Todesfall wäre humanitäre Katastrophe“
Die Hungerstreikenden allerdings akzeptieren eine rechtliche Argumentation nicht. In einem ihrer Statements heißt es, sie sähen Deutschland und sein Rechtssystem nicht in der Position, über ihren Aufenthalt zu entscheiden. Deutschland sei mitverantwortlich für ihr Leid – unter anderem als Produzent von Waffen, die in den Kriegen ihrer Heimat eingesetzt werden. Und so hat die Zusage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die Fälle der 49 Antragsteller in zwei Wochen zu prüfen, die Situation nicht entschärft.
„Ein Todesfall wäre nichts weniger als eine humanitäre Katastrophe“, sagt Ude. Den Hungerstreik beenden könnten die Behörden aber derzeit nicht. Es handele sich um eine „anerkannte Demonstrationsart“, die hinzunehmen sei.
Aber es gibt seit Freitagnacht eine Verfügung, die den Hungerstreikenden insbesondere verbietet, die Arbeit von Ärzten zu behindern. Derzeit akzeptieren die Flüchtlinge nur Mediziner ihres Vertrauens im Lager, die im Notfall Mediziner des ständig bereitstehenden Rettungsdienstes rufen.
Der Sprecher der Gruppe – eine Schlüsselposition
Die bindenden Anordnungen, sagt Ude, hätten zu „heftigen Diskussionen“ geführt. Diskussionen, in denen Ashkan Khorasani eine Schlüsselposition zukommt – in dreifacher Hinsicht.
Erstens haben die Asylsuchenden ihn zu ihrem Sprecher erkoren und kommunizieren selbst nicht mit Behörden und Medien. Durch das Verhalten der Flüchtlinge kamen die Behörden zu dem Schluss, so sagt es Ude, dass sie Khorasani wirklich als ihren Sprecher akzeptieren. Sprecher, nicht Verhandlungsführer: „Ich verhandle nicht“, sagt Khorasani.
Khorasani ist ein junger Mann, anerkannter Flüchtling und war schon bei früheren Protesten von Asylbewerbern aktiv, die vor mehr als einem Jahr begonnen haben. Nach seinem Gespräch mit Khorsani am Donnerstagnachmittag beschreibt Ude ihn als „kultivierten, intellektuellen, sympathisch auftretenden“ Mann, der „ausgesprochen ruhig und gelassen argumentiert“, je nach Bedarf „sehr präzise oder sehr allgemein“.
Allerdings: „Die Radikalität, die der Sprecher vertritt, betrifft nicht die eigene Person“, sagt Ude. Khorasani nimmt nicht an dem Hungerstreik teil. Er wird also in absehbarer Zeit der Einzige sein, dem es einigermaßen gut geht – der zweite Aspekt seiner starken Position.
Ude sieht in Khorasani einen Meinungsmacher
Der dritte ist, dass er nach Udes Einschätzung eine „herausragende Rolle“ in der Meinungsbildung der Hungerstreikenden spielt, kurz spricht er sogar von „Kommandostruktur“. Der Wunsch, Khorasani möge seine Verantwortung für die Gruppe bedenken, habe dieser zurückgewiesen. Die deutschen Behörden trügen die Verantwortung.
Das sagt Khorasani auch einem älteren Herrn, der am Camp fragt, was man denn machen wolle, wenn tatsächlich jemand sterbe. „Fragen Sie Ihre Regierung“, sagt er.
Die Polizei muss schlichten
Auch am Freitag diskutieren Passanten heftig am Camp. Überwiegend ältere Leute schimpfen über die Asylbewerber, vor allem Jüngere halten dagegen. Freiwillige Helfer fordern Passanten nachdrücklich auf, mit Rücksicht auf die geschwächten Flüchtlinge nicht bis ans weiß-rote Absperrband um das Camp heranzutreten und nicht zu schreien. Manchmal muss die Polizei schlichten.
Ude hat an die Unterstützer appelliert, die Asylbewerber in ihrer lebensgefährlichen Aktion nicht zu bestärken. Das sei „unverantwortlich“. „Eine Aktion, die den eigenen Tod nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern sehenden Auges verursacht, muss abgebrochen werden.“
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