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Carl Schmitt

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Carl Schmitt Empty Carl Schmitt

Beitrag  checker Mi Okt 22, 2014 7:10 am

Carl Schmitt (zeitweise auch Carl Schmitt-Dorotic)[1] (* 11. Juli 1888 in Plettenberg; † 7. April 1985 ebenda) war ein deutscher Staatsrechtler, der auch als politischer Philosoph rezipiert wird. Er ist einer der bekanntesten, wenn auch umstrittensten deutschen Staats- und Völkerrechtler des 20. Jahrhunderts. Als „Kronjurist des Dritten Reiches“ (Waldemar Gurian) galt Schmitt nach 1945 als kompromittiert.

Carl Schmitt 220px-Carl_Schmitt_als_Student_1912

Sein im Katholizismus verwurzeltes Denken kreiste um Fragen der Macht, der Gewalt und der Rechtsverwirklichung. Neben dem Staats- und Verfassungsrecht streifen seine Veröffentlichungen zahlreiche weitere Disziplinen wie Politikwissenschaft, Soziologie, Theologie, Germanistik und Philosophie. Sein breitgespanntes Œuvre umfasst außer juristischen und politischen Arbeiten verschiedene weitere Textgattungen, etwa Satiren, Reisenotizen, ideengeschichtliche Untersuchungen oder germanistische Textinterpretationen. Als Jurist prägte er eine Reihe von Begriffen und Konzepten, die in den wissenschaftlichen, politischen und sogar allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind, etwa „Verfassungswirklichkeit“, „Politische Theologie“, „Freund-Feind-Unterscheidung“ oder „dilatorischer Formelkompromiss“. Der umfangreiche Nachlass Schmitts[2] wird im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abteilung Rheinland verwahrt und ist derzeit Basis zahlreicher Quelleneditionen.

Schmitt wird heute zwar – vor allem wegen seines staatsrechtlichen Einsatzes für den Nationalsozialismus – als „furchtbarer Jurist“, umstrittener Theoretiker und Gegner der liberalen Demokratie gescholten, zugleich aber auch als „Klassiker des politischen Denkens“ (Herfried Münkler[3]) gewürdigt – nicht zuletzt aufgrund seiner Wirkung auf das Staatsrecht und die Rechtswissenschaft der frühen Bundesrepublik.[4]

Die prägenden Einflüsse für sein Denken bezog Schmitt von politischen Philosophen und Staatsdenkern wie Thomas Hobbes,[5] Niccolò Machiavelli, Aristoteles,[6] Jean-Jacques Rousseau, Juan Donoso Cortés oder Zeitgenossen wie Georges Sorel[7] und Vilfredo Pareto.[8]

Leben
Kindheit, Jugend, Ehe

Carl Schmitt 800px-Carl_Schmitt_1904_Schulklasse
Carl Schmitt mit seiner Schulklasse im Jahre 1904.

Carl Schmitt, Sohn eines Krankenkassenverwalters, entstammte einer katholisch-kleinbürgerlichen Familie im Sauerland. Er war das zweite von fünf Kindern. Der Junge wohnte im katholischen Konvikt in Attendorn und besuchte dort das staatliche Gymnasium. Nach dem Abitur wollte Schmitt zunächst Philologie studieren und begann nur auf dringendes Anraten eines Onkels hin das Studium der Rechtswissenschaft.

Sein Studium begann Schmitt zum Sommersemester 1907 in Berlin. In der Weltstadt traf er als „obskurer junger Mann bescheidener Herkunft” aus dem Sauerland auf ein Milieu, von dem für ihn eine „starke Repulsion“ ausging.[9] Zum Sommersemester 1908 wechselte er nach München.

Nach zwei Semestern in Berlin und einem in München setzte Schmitt sein Studium in Straßburg fort, wurde dort 1910 mit der strafrechtlichen Arbeit Über Schuld und Schuldarten von Fritz van Calker promoviert und absolvierte im Frühjahr 1915 das Assessor-Examen. Im Februar 1915 war Schmitt als Kriegsfreiwilliger in das Bayerische Infanterie-Leibregiment in München eingetreten, kam jedoch nicht zum Fronteinsatz, da er bereits Ende März 1915 zur Dienstleistung beim Stellvertretenden Generalkommando des I. bayerischen Armee-Korps kommandiert wurde.[10]

Im selben Jahr ehelichte Schmitt Pawla Dorotic, eine vermeintliche slawische Adelstochter, die Schmitt zunächst für eine spanische Tänzerin hielt und die sich später – im Zuge eines für Schmitt peinlichen Skandals – als Hochstaplerin herausstellte.[11] 1924 wurde die Ehe vom Landgericht Bonn annulliert. Ein Jahr später heiratete er eine frühere Studentin, die Serbin Duska Todorovic, obwohl seine vorige Ehe kirchlich nicht aufgehoben worden war. Daher war der Katholik bis zum Tode seiner zweiten Frau im Jahre 1950 exkommuniziert. Aus der zweiten Ehe ging sein einziges Kind, die Tochter Anima (1931–1983), hervor.

Kunst und Bohème, Beginn der akademischen Karriere, erste Veröffentlichungen

Carl Schmitt Hugo_ball_karawane
Schmitt war mit führenden Dadaisten befreundet und bewunderte deren Textproduktion – hier das Lautgedicht KARAWANE von Hugo Ball (1917)

Bereits früh zeigte sich bei dem Juristen eine künstlerische Ader. So trat Schmitt mit eigenen literarischen Versuchen hervor (Der Spiegel, Die Buribunken, Schattenrisse, er soll sich sogar mit dem Gedanken an einen Gedichtzyklus mit dem Titel Die große Schlacht um Mitternacht getragen haben) und verfasste eine Studie über den bekannten zeitgenössischen Dichter Theodor Däubler (Theodor Däublers ‚Nordlicht’). Er kann zu dieser Zeit als Teil der „Schwabinger Bohème“ betrachtet werden.[12]

Seine literarischen Arbeiten bezeichnete der Staatsrechtler später als „Dada avant la lettre“. Mit einem der Gründerväter des Dadaismus, Hugo Ball, war er befreundet, ebenso mit dem Dichter und Herausgeber Franz Blei, einem Förderer Robert Musils und Franz Kafkas. Der ästhetisierende Jurist und die politisierenden Belletristen tauschten sich regelmäßig aus, und es sind wechselseitige Beeinflussungen feststellbar. Mit Lyrikern pflegte Schmitt zu dieser Zeit besonders enge Kontakte, etwa mit dem mittlerweile vergessenen Dichter des politischen Katholizismus, Konrad Weiß. Gemeinsam mit Hugo Ball besuchte Schmitt den Literaten Hermann Hesse – ein Kontakt, der sich jedoch nicht aufrechterhalten ließ. Später freundete sich Schmitt mit Ernst Jünger an sowie mit dem Maler und Schriftsteller Richard Seewald.

In Straßburg habilitierte sich der Jurist 1916, ein Jahr nach dem Assessor-Examen, mit der Arbeit Der Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen für Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht und Staatstheorie. Nach einer Lehrtätigkeit an der Handelshochschule in München (1920) folgte Schmitt in kurzen Abständen Rufen nach Greifswald (1921), Bonn (1921), an die Handelshochschule Berlin (1928), Köln (1933) und wieder Berlin (Friedrich-Wilhelms-Universität 1933–1945). Der Habilitationsschrift folgten kurz nacheinander weitere Veröffentlichungen, etwa Politische Romantik (1919) oder Die Diktatur (1921) im Verlag Duncker & Humblot unter dem Lektorat von Ludwig Feuchtwanger. Seine erste akademische Anstellung in München sowie später den Ruf an die Handelshochschule in Berlin verdankte Schmitt dem jüdischen Nationalökonomen Moritz Julius Bonn.[13]

Auch unter Nichtjuristen wurde Schmitt durch seine sprachmächtigen und schillernden Formulierungen schnell bekannt. Sein Stil war neu und galt in weit über das wissenschaftliche Milieu hinausgehenden Kreisen als spektakulär. Er schrieb nicht wie ein Jurist, sondern inszenierte seine Texte poetisch-dramatisch und versah sie mit mythischen Bildern und Anspielungen.[14]

Seine Schriften waren überwiegend kleine Broschüren, die aber in ihrer thesenhaften Zuspitzung zur Auseinandersetzung zwangen. Schmitt war überzeugt, dass „oft schon der erste Satz über das Schicksal einer Veröffentlichung entscheidet“.[15] Viele Eröffnungssätze seiner Veröffentlichungen – etwa: „Es gibt einen antirömischen Affekt“, „Der Begriff des Staates setzt den Begriff des Politischen voraus“ oder „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“ – wurden schnell berühmt.[16]

Von der Breite und Vielfältigkeit der Reaktionen, die Schmitt auslöste, zeugt insbesondere die umfangreiche Korrespondenz, die heute in seinem Nachlass – einem der größten in deutschen Archiven aufbewahrten Nachlässe überhaupt – einsehbar ist und sukzessive publiziert wird.[17]

In Bonn pflegte der Staatsrechtler Kontakte zum Jungkatholizismus (er schrieb u. a. für Carl Muths Zeitschrift Hochland) und zeigte ein verstärktes Interesse an kirchenrechtlichen Themen. Dies führte ihn 1924 mit dem evangelischen Theologen und späteren Konvertiten Erik Peterson zusammen, mit dem er bis 1933 eng befreundet war.[18] Die Beschäftigung mit dem Kirchenrecht schlug sich in Schriften wie Politische Theologie (1922) und Römischer Katholizismus und politische Form (1923, in zweiter Auflage mit kirchlichem Imprimatur) nieder.[19] Freundschaftlich verbunden war Schmitt in dieser Zeit auch mit einigen katholischen Theologen, allen voran Karl Eschweiler (1886–1936), den er als Privatdozenten für Fundamentaltheologie in Bonn Mitte der 20er Jahre kennengelernt hatte und mit dem er bis zu dessen Tod 1936 in engem wissenschaftlichem und persönlichem Kontakt blieb.[20]
Politische Publizistik und Beratertätigkeit in der Weimarer Republik

1924 erschien Schmitts erste explizit politische Schrift mit dem Titel Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus. Im Jahre 1928 legte er sein bedeutendstes wissenschaftliches Werk vor, die Verfassungslehre, in der er die Weimarer Verfassung einer systematischen juristischen Analyse unterzog und eine neue wissenschaftliche Literaturgattung begründete: neben der klassischen Staatslehre etablierte sich seitdem die Verfassungslehre als eigenständige Disziplin des Öffentlichen Rechts.

Im Jahr des Erscheinens der Verfassungslehre wechselte Schmitt an die Handelshochschule in Berlin, auch wenn das in Bezug auf seinen Status als Wissenschaftler einen Rückschritt bedeutete. Dafür konnte er im politischen Berlin zahlreiche Kontakte knüpfen, die bis in Regierungskreise hinein reichten. Hier entwickelte er gegen die herrschenden Ansichten die Theorie vom „unantastbaren Wesenskern“ der Verfassung („Verfassungslehre“).

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Alexander Rüstow 1960. Zusammen mit dem Vordenker des Ordoliberalismus und der Sozialen Marktwirtschaft trat Schmitt in den 1930er Jahren für eine freie Wirtschaft in einem starken Staat ein.

Ordnungspolitisch trat der ökonomisch informierte Jurist für einen starken Staat ein, der auf einer „freien Wirtschaft“ basieren sollte. Hier traf sich Schmitts Vorstellung in vielen Punkten mit dem Ordoliberalismus oder späteren Neoliberalismus, zu deren Ideengebern er in dieser Zeit enge Kontakte unterhielt, insbesondere mit Alexander Rüstow. In einem Vortrag vor Industriellen im November 1932 mit dem Titel Starker Staat und gesunde Wirtschaft forderte er eine aktive „Entpolitisierung“ des Staates und einen Rückzug aus „nichtstaatlichen Sphären“:

„Immer wieder zeigt sich dasselbe: nur ein starker Staat kann entpolitisieren, nur ein starker Staat kann offen und wirksam anordnen, daß gewisse Angelegenheiten, wie Verkehr oder Rundfunk, sein Regal sind und von ihm als solche verwaltet werden, daß andere Angelegenheiten der […] wirtschaftlichen Selbstverwaltung zugehören, und alles übrige der freien Wirtschaft überlassen wird.“[21]

Bei diesen Ausführungen spielte Schmitt auf einen Vortrag Rüstows an, den dieser zwei Monate zuvor unter dem Titel Freie Wirtschaft, starker Staat gehalten hatte.[22] Rüstow hatte sich darin seinerseits auf Carl Schmitt bezogen: „Die Erscheinung, die Carl Schmitt im Anschluß an Ernst Jünger den ‚totalen Staat‘ genannt hat […], ist in Wahrheit das genaue Gegenteil davon: nicht Staatsallmacht, sondern Staatsohnmacht. Es ist ein Zeichen jämmerlichster Schwäche des Staates, einer Schwäche, die sich des vereinten Ansturms der Interessentenhaufen nicht mehr erwehren kann. Der Staat wird von den gierigen Interessenten auseinandergerissen. […] Was sich hier abspielt, staatspolitisch noch unerträglicher als wirtschaftspolitisch, steht unter dem Motto: ‚Der Staat als Beute‘.“[23]

Den so aufgefassten Egoismus gesellschaftlicher Interessensgruppen bezeichnete Schmitt (in negativer Auslegung des gleichnamigen Konzeptes von Harold Laski) als Pluralismus. Dem Pluralismus partikularer Interessen setzte er die Einheit des Staates entgegen, die für ihn durch den vom Volk gewählten Reichspräsidenten repräsentiert wurde.

In Berlin erschienen Der Begriff des Politischen (1927 zunächst als Aufsatz), Der Hüter der Verfassung (1931) und Legalität und Legitimität (1932). Mit Hans Kelsen lieferte sich Schmitt eine vielbeachtete Kontroverse über die Frage, ob der „Hüter der Verfassung“ der Verfassungsgerichtshof oder der Reichspräsident sei.[24] Zugleich näherte er sich reaktionären Strömungen an, indem er Stellung gegen den Parlamentarismus bezog.

Als Hochschullehrer war Schmitt wegen seiner Kritik an der Weimarer Verfassung zunehmend umstritten. So wurde er etwa von den der Sozialdemokratie nahestehenden Staatsrechtlern Hans Kelsen und Hermann Heller scharf kritisiert. Die Weimarer Verfassung, so meinte Schmitt, schwäche den Staat durch einen „neutralisierenden“ Liberalismus und sei somit nicht fähig, die Probleme der aufkeimenden „Massendemokratie“ zu lösen.

Liberalismus war für Schmitt im Anschluss an Cortés nichts anderes als organisierte Unentschiedenheit: „Sein Wesen ist Verhandeln, abwartende Halbheit, mit der Hoffnung, die definitive Auseinandersetzung, die blutige Entscheidungsschlacht könnte in eine parlamentarische Debatte verwandelt werden und ließe sich durch ewige Diskussion ewig suspendieren“.[25] Das Parlament ist in dieser Perspektive der Hort der romantischen Idee eines „ewigen Gesprächs“. Daraus folge: „Jener Liberalismus mit seinen Inkonsequenzen und Kompromissen lebt […] nur in dem kurzen Interim, in dem es möglich ist, auf die Frage: Christus oder Barrabas, mit einem Vertagungsantrag oder der Einsetzung einer Untersuchungskommission zu antworten“.[26]

Die Parlamentarische Demokratie hielt Schmitt für eine veraltete „bürgerliche“ Regierungsmethode, die gegenüber den aufkommenden „vitalen Bewegungen“ ihre Evidenz verloren habe. Der „relativen“ Rationalität des Parlamentarismus trete der Irrationalismus mit einer neuartigen Mobilisierung der Massen gegenüber. Der Irrationalismus versuche gegenüber der ideologischen Abstraktheit und den „Scheinformen der liberal-bürgerlichen Regierungsmethoden“ zum „konkret Existenziellen“ zu gelangen. Dabei stütze er sich auf einen „Mythus vom vitalen Leben“. Daher proklamierte Schmitt: „Diktatur ist der Gegensatz zu Diskussion“.[27]

Als Vertreter des Irrationalismus identifizierte Schmitt zwei miteinander verfeindete Bewegungen: den revolutionären Syndikalismus der Arbeiterbewegung und den Nationalismus des italienischen Faschismus. „Der stärkere Mythus“ liegt ihm zufolge aber „im Nationalen“.[28] Als Beleg führte er Mussolinis Marsch auf Rom an.

Den italienischen Faschismus verwendete Schmitt als eine Folie, vor deren Hintergrund er die Herrschaftsformen des „alten Liberalismus“ kritisierte. Dabei hatte er sich nie mit den realen Erscheinungsformen des Faschismus auseinandergesetzt. Sein Biograph Noack urteilt: „[Der] Faschismus wird von [Schmitt] als Beispiel eines autoritären Staates (im Gegensatz zu einem totalitären) interpretiert. Dabei macht er sich kaum die Mühe, die Realität dieses Staates hinter dessen Rhetorik aufzuspüren. Hier wie in anderen Fällen genügt ihm die Konstruktionszeichnung, um sich das Haus vorzustellen. Zweifellos ist es der Anspruch von Größe und Geschichtlichkeit, der ihn in bewundernde Kommentare über Mussolinis neapolitanische Rede vor dem Marsch auf Rom ausbrechen läßt.“[29]

Carl Schmitt Benito_Mussolini_and_Adolf_Hitler
Der Faschismus eines Benito Mussolini, hier zusammen mit Adolf Hitler im Jahre 1937 in München, repräsentiert für Schmitt den Mythos des vitalen Lebens. Ein Jahr bevor die Aufnahme mit Hitler entstand, traf Schmitt den italienischen Diktator bei einer persönlichen Audienz in Rom.

Laut Schmitt bringt der Faschismus einen totalen Staat aus Stärke hervor, keinen totalen Staat aus Schwäche. Er ist kein „neutraler“ Mittler zwischen den Interessensgruppen, kein „kapitalistischer Diener des Privateigentums“, sondern ein „höherer Dritter zwischen den wirtschaftlichen Gegensätzen und Interessen“. Dabei verzichte der Faschismus auf die „überlieferten Verfassungsklischees des 19. Jahrhunderts“ und versuche eine Antwort auf die Anforderungen der modernen Massendemokratie zu geben.

„Daß der Faschismus auf Wahlen verzichtet und den ganzen ‚elezionismo‘ haßt und verachtet, ist nicht etwa undemokratisch, sondern antiliberal und entspringt der richtigen Erkenntnis, daß die heutigen Methoden geheimer Einzelwahl alles Staatliche und Politische durch eine völlige Privatisierung gefährden, das Volk als Einheit ganz aus der Öffentlichkeit verdrängen (der Souverän verschwindet in der Wahlzelle) und die staatliche Willensbildung zu einer Summierung geheimer und privater Einzelwillen, das heißt in Wahrheit unkontrollierbarer Massenwünsche und -ressentiments herabwürdigen.“

Gegen ihre desintegrierende Wirkung kann man sich Schmitt zufolge nur schützen, wenn man im Sinne von Rudolf Smends Integrationslehre eine Rechtspflicht des einzelnen Staatsbürgers konstruiert, bei der geheimen Stimmabgabe nicht sein privates Interesse, sondern das Wohl des Ganzen im Auge zu haben – angesichts der Wirklichkeit des sozialen und politischen Lebens sei dies aber ein schwacher und sehr problematischer Schutz. Schmitts Folgerung lautet:

„Jene Gleichsetzung von Demokratie und geheimer Einzelwahl ist Liberalismus des 19. Jahrhunderts und nicht Demokratie.“[30]

Nur zwei Staaten, das bolschewistische Russland und das faschistische Italien, hätten den Versuch gemacht, mit den überkommenen Verfassungsprinzipien des 19. Jahrhunderts zu brechen, um die großen Veränderungen in der wirtschaftlichen und sozialen Struktur auch in der staatlichen Organisation und in einer geschriebenen Verfassung zum Ausdruck zu bringen. Gerade nicht intensiv industrialisierte Länder wie Russland und Italien könnten sich eine moderne Wirtschaftsverfassung geben.

In hochentwickelten Industriestaaten ist die innenpolitische Lage nach Schmitts Auffassung von dem „Phänomen der ‚sozialen Gleichgewichtsstruktur‘ zwischen Kapital und Arbeit“ beherrscht: Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen sich mit gleicher sozialer Macht gegenüber und keine Seite kann der anderen eine radikale Entscheidung aufdrängen, ohne eine furchtbaren Bürgerkrieg auszulösen. Dieses Phänomen sei vor allem von Otto Kirchheimer staats- und verfassungstheoretisch behandelt worden. Aufgrund der Machtgleichheit seien in den industrialisierten Staaten „auf legalem Wege soziale Entscheidungen und fundamentale Verfassungsänderungen nicht mehr möglich, und alles, was es an Staat und Regierung gibt, ist dann mehr oder weniger eben nur der neutrale (und nicht der höhere, aus eigener Kraft und Autorität entscheidende) Dritte“ (Positionen und Begriffe, S. 127). Der italienische Faschismus versuche demnach, mit Hilfe einer geschlossenen Organisation diese Suprematie des Staates gegenüber der Wirtschaft herzustellen. Daher komme das faschistische Regime auf Dauer den Arbeitnehmern zugute, weil diese heute das Volk seien und der Staat nun einmal die politische Einheit des Volkes.

Die Kritik bürgerlicher Institutionen war es, die Schmitt in dieser Phase für junge sozialistische Juristen wie Ernst Fraenkel, Otto Kirchheimer und Franz Neumann interessant machte.[31] Umgekehrt profitierte Schmitt von den unorthodoxen Denkansätzen dieser linken Systemkritiker. So hatte Schmitt den Titel einer seiner bekanntesten Abhandlungen (Legalität und Legitimität) von Otto Kirchheimer entliehen.[32] Ernst Fraenkel besuchte Schmitts staatsrechtliche Arbeitsgemeinschaften[33] und bezog sich positiv auf dessen Kritik des destruktiven Misstrauensvotums (Fraenkel, Verfassungsreform und Sozialdemokratie, Die Gesellschaft, 1932). Franz Neumann wiederum verfasste am 7. September 1932 einen euphorisch zustimmenden Brief anlässlich der Veröffentlichung des Buches Legalität und Legitimität (abgedruckt in: Rainer Erd, Reform und Resignation, 1985, S. 79f.). Kirchheimer urteilte über die Schrift im Jahre 1932: „Wenn eine spätere Zeit den geistigen Bestand dieser Epoche sichtet, so wird sich ihr das Buch von Carl Schmitt über Legalität und Legitimität als eine Schrift darbieten, die sich aus diesem Kreis sowohl durch ihr Zurückgehen auf die Grundlagen der Staatstheorie als auch durch ihre Zurückhaltung in den Schlussfolgerungen auszeichnet.“ (Verfassungsreaktion 1932, Die Gesellschaft, IX, 1932, S. 415ff.) In einem Aufsatz von Anfang 1933 mit dem Titel Verfassungsreform und Sozialdemokratie (Die Gesellschaft, X, 1933, S. 230ff.), in dem Kirchheimer verschiedene Vorschläge zur Reform der Weimarer Verfassung im Sinne einer Stärkung des Reichspräsidenten zu Lasten des Reichstags diskutierte, wies der SPD-Jurist auch auf Anfeindungen hin, der die Zeitschrift Die Gesellschaft aufgrund der positiven Anknüpfung an Carl Schmitt von kommunistischer Seite ausgesetzt war: „In Nr. 24 des Roten Aufbaus wird von ‚theoretischen Querverbindungen‘ zwischen dem ‚faschistischen Staatstheoretiker‘ Carl Schmitt und dem offiziellen theoretischen Organ der SPD, der Gesellschaft gesprochen, die besonders anschaulich im Fraenkelschen Aufsatz zutage treten sollen.“ Aus den fraenkelschen Ausführungen, in denen dieser sich mehrfach auf Schmitt bezogen hatte, ergebe sich in der logischen Konsequenz die Aufforderung zum Staatsstreich, die Fraenkel nur nicht offen auszusprechen wage. In der Tat hatte Fraenkel in der vorherigen Ausgabe der „Gesellschaft“ unter ausdrücklicher Anknüpfung an Carl Schmitt geschrieben: „Es hieße, der Sache der Verfassung den schlechtesten Dienst zu erweisen, wenn man die Erweiterung der Macht des Reichspräsidenten bis hin zum Zustande der faktischen Diktatur auf den Machtwillen des Präsidenten und der hinter ihm stehenden Kräfte zurückführen will. Wenn der Reichstag zur Bewältigung der ihm gesetzten Aufgaben unfähig wird, so muß vielmehr ein anderes Staatsorgan die Funktion übernehmen, die erforderlich ist, um in gefährdeten Zeiten den Staatsapparat weiterzuführen. Solange eine Mehrheit grundsätzlich staatsfeindlicher, in sich uneiniger Parteien im Parlament, kann ein Präsident, wie immer er auch heißen mag, gar nichts anderes tun, als den destruktiven Beschlüssen dieses Parlaments auszuweichen. Carl Schmitt hat unzweifelhaft recht, wenn er bereits vor zwei Jahren ausgeführt hat, daß die geltende Reichsverfassung einem mehrheits- und handlungsfähigen Reichstag alle Rechte und Möglichkeiten gibt, um sich als den maßgebenden Faktor staatlicher Willensbildung durchzusetzen. Ist das Parlament dazu nicht im Stande, so hat es auch nicht das Recht, zu verlangen, daß alle anderen verantwortlichen Stellen handlungsunfähig werden.“ [34]

Schmitt war ab 1930 für eine autoritäre Präsidialdiktatur eingetreten und pflegte Bekanntschaften zu politischen Kreisen, etwa dem späteren preußischen Finanzminister Johannes Popitz.[35] Auch zur Reichsregierung selbst gewann er Kontakt, indem er enge Beziehungen zu Mittelsmännern des Generals, Ministers und späteren Kanzlers Kurt von Schleicher unterhielt. Schmitt stimmte sogar Publikationen und öffentliche Vorträge im Vorfeld mit den Mittelsmännern des Generals ab.[36] Für die Regierungskreise waren einige seiner politisch-verfassungsrechtlichen Arbeiten, etwa die erweiterten Ausgaben von „Der Hüter der Verfassung“ (1931) oder „Der Begriff des Politischen“ (1932), von Interesse.[37] Trotz seiner Kritik an Pluralismus und Parlamentarischer Demokratie stand Schmitt vor der Machtergreifung 1933 den Umsturzbestrebungen von KPD und NSDAP gleichermaßen ablehnend gegenüber.[38] Er unterstützte die Politik Schleichers, die darauf abzielte, das „Abenteuer Nationalsozialismus“ zu verhindern.[39]

Carl Schmitt PapenSchleicher0001
Schmitt beriet die Regierungen von Papen (links) und Schleicher (rechts) in Verfassungsfragen

In seiner im Juli 1932 abgeschlossenen Abhandlung Legalität und Legitimität forderte der Staatsrechtler eine Entscheidung für die Substanz der Verfassung und gegen ihre Feinde.[40] Er fasste dies in eine Kritik am neukantianischen Rechtspositivismus, wie ihn der führende Verfassungskommentator Gerhard Anschütz vertrat. Gegen diesen Positivismus, der nicht nach den Zielen politischer Gruppierungen fragte, sondern nur nach formaler Legalität, brachte Schmitt – hierin mit seinem Antipoden Heller einig – eine Legitimität in Stellung, die gegenüber dem Relativismus auf die Unverfügbarkeit politischer Grundentscheidungen verwies.

Die politischen Feinde der bestehenden Ordnung sollten klar als solche benannt werden, andernfalls führe die Indifferenz gegenüber verfassungsfeindlichen Bestrebungen in den politischen Selbstmord.[41] Zwar hatte Schmitt sich hier klar für eine Bekämpfung verfassungsfeindlicher Parteien ausgesprochen, was er jedoch mit einer „folgerichtigen Weiterentwicklung der Verfassung“ meinte, die an gleicher Stelle gefordert wurde, blieb unklar. Hier wurde vielfach vermutet, es handele sich um einen konservativ-revolutionären „Neuen Staat“ Papen’scher Prägung, wie ihn etwa Heinz Otto Ziegler beschrieben hatte (Autoritärer oder totaler Staat, 1932).[42] Verschiedene neuere Untersuchungen argumentieren dagegen, Schmitt habe im Sinne Schleichers eine Stabilisierung der politischen Situation erstrebt und Verfassungsänderungen als etwas Sekundäres betrachtet.[43] In dieser Perspektive war die geforderte Weiterentwicklung eine faktische Veränderung der Mächteverhältnisse, keine Etablierung neuer Verfassungsprinzipien.

1932 war Schmitt auf einem vorläufigen Höhepunkt seiner politischen Ambitionen angelangt: Er vertrat die Reichsregierung unter Franz von Papen zusammen mit Carl Bilfinger und Erwin Jacobi im Prozess um den so genannten Preußenschlag gegen die staatsstreichartig abgesetzte preußische Regierung Otto Braun vor dem Staatsgerichtshof.[44] Als enger Berater im Hintergrund wurde Schmitt in geheime Planungen eingeweiht, die auf die Ausrufung eines Staatsnotstands hinausliefen. Schmitt und Personen aus Schleichers Umfeld wollten durch einen intrakonstitutionellen „Verfassungswandel“ die Gewichte in Richtung einer konstitutionellen Demokratie mit präsidialer Ausprägung verschieben. Dabei sollten verfassungspolitisch diejenigen Spielräume genutzt werden, die in der Verfassung angelegt waren oder zumindest von ihr nicht ausgeschlossen wurden. Konkret schlug Schmitt vor, der Präsident solle gestützt auf Artikel 48 regieren, destruktive Misstrauensvoten oder Aufhebungsbeschlüsse des Parlaments sollten mit Verweis auf ihre fehlende konstruktive Basis ignoriert werden. In einem Positionspapier für Schleicher mit dem Titel: „Wie bewahrt man eine arbeitsfähige Präsidialregierung vor der Obstruktion eines arbeitsunwilligen Reichstages mit dem Ziel, ’die Verfassung zu wahren'“ wurde der „mildere Weg, der ein Minimum an Verfassungsverletzung darstellt“, empfohlen, nämlich: „die authentische Auslegung des Art. 54 [der das Misstrauensvotum regelt] in der Richtung der naturgegebenen Entwicklung (Mißtrauensvotum gilt nur seitens einer Mehrheit, die in der Lage ist, eine positive Vertrauensgrundlage herzustellen)“. Das Papier betonte: „Will man von der Verfassung abweichen, so kann es nur in der Richtung geschehen, auf die sich die Verfassung unter dem Zwang der Umstände und in Übereinstimmung mit der öffentlichen Meinung hin entwickelt. Man muß das Ziel der Verfassungswandlung im Auge behalten und darf nicht davon abweichen. Dieses Ziel ist aber nicht die Auslieferung der Volksvertretung an die Exekutive (der Reichspräsident beruft und vertagt den Reichstag), sondern es ist Stärkung der Exekutive durch Abschaffung oder Entkräftung von Art. 54 bezw. durch Begrenzung des Reichstages auf Gesetzgebung und Kontrolle. Dieses Ziel ist aber durch die authentische Interpretation der Zuständigkeit eines Mißtrauensvotums geradezu erreicht. Man würde durch einen erfolgreichen Präzedenzfall die Verfassung gewandelt haben.“ [45]

Wie stark Schmitt bis Ende Januar 1933 seine politischen Aktivitäten mit Kurt v. Schleicher verbunden hatte, illustriert sein Tagebucheintrag vom 27. Januar 1933: „Es ist etwas unglaubliches Geschehen. Der Hindenburg-Mythos ist zu Ende. Der Alte war schließlich auch nur ein Mac Mahon. Scheußlicher Zustand. Schleicher tritt zurück; Papen oder Hitler kommen. Der alte Herr ist verrückt geworden.“[46] Auch war Schmitt, wie Schleicher, zunächst ein Gegner der Kanzlerschafts Hitlers. Am 30. Januar verzeichnet sein Tagebuch den Eintrag: „Dann zum Cafe Kutscher, wo ich hörte, daß Hitler Reichskanzler und Papen Vizekanzler geworden ist. Zu Hause gleich zu Bett. Schrecklicher Zustand.“ Einen Tag später hieß es: „War noch erkältet. Telefonierte Handelshochschule und sagte meine Vorlesung ab. Wurde allmählich munterer, konnte nichts arbeiten, lächerlicher Zustand, las Zeitungen, aufgeregt. Wut über den dummen, lächerlichen Hitler.“[47]

So an der stelle unterbrechen wir,wer sich weiter dafür interessiert,kann hier weiterlesen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Schmitt
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