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Paul Kammerer

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Paul Kammerer Empty Paul Kammerer

Beitrag  Andy Sa Nov 01, 2014 10:08 pm

Paul Kammerer (* 17. August 1880 in Wien; † 23. September 1926 in Puchberg am Schneeberg) war ein österreichischer Biologe.

Er wurde durch Versuche mit Geburtshelferkröten berühmt, mit denen er die Vererbung erworbener Eigenschaften beweisen wollte. Unter dem Verdacht, seine experimentellen Ergebnisse gefälscht zu haben, nahm er sich das Leben.

Paul Kammerer 220px-Paul_Kammerer

Leben

Paul Kammerer war der Sohn des Fabrikbesitzers Carl Kammerer in Wien und dessen Frau Sofie und hatte drei Brüder. Früh bewies er ein ungewöhnliches Geschick im Umgang mit Tieren, die elterliche Wohnung verwandelte er in ein Terrarium. Nach der Schule studierte er ab 1899 Zoologie an der Universität Wien. Zusätzlich nahm er am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien von 1900 bis 1901 Unterricht in Kontrapunkt beim renommierten Musikpädagogen Robert Fuchs, dessen Lehre auch Gustav Mahler und Alexander Zemlinsky durchlaufen hatten. Von Biologen wie August Weismann,[1] Fritz Lenz und Ludwig Plate, sowie nach eigener Auskunft auch von Kollegen, war er als angeblicher „Halbjude“ antisemitischen Angriffen ausgesetzt.[2][3]

Biologische Versuchsanstalt

Paul Kammerer 800px-Vivariumprater
Das Vivarium im Wiener Prater (1880)

1902 wurde Kammerer Adjunkt von Hans Leo Przibram an der Biologischen Versuchsanstalt (dem ehemaligen „Vivarium“) im Wiener Prater, wo er mit der Einrichtung von Terrarien und Aquarien betraut wurde. Mit den damals modernsten Einrichtungen begann er Amphibien zu züchten. Bald fiel er durch sein Geschick in der Tierzucht auf und konnte erste selbständige Versuche über die Vererbung erworbener Eigenschaften (Lamarckismus) durchführen. Przibram berichtete später:[4]

„Wir suchten bei der Errichtung der biologischen Versuchsanstalt nach einem Mitarbeiter, der die Terrarien und Aquarien anlegen und dem Kleingetier die Anstalt wohnlich machen sollte. Durch einen Zeitungsartikel Kammerers über seine Tierpflege auf ihn aufmerksam gemacht, suchte ich ihn auf und fand einen begeisterten und geschickten Mitarbeiter. In ihm steckte eine Anlage zur musikalischen Betätigung und ein Großteil Künstlernatur ebenso wie die Fähigkeit zur genauesten Naturbeobachtung und insbesondere eine Liebe zu allen lebendigen Geschöpfen, die ich sonst noch an keinem anderen gesehen habe. Hier lag der Angelpunkt seines ganzen Wesens. Er richtete namentlich die für biologische Versuche so wichtige Pflege der Amphibien und Reptilien vorbildlich ein. Ich habe kaum jemanden gekannt, der dafür alle Voraussetzungen so erfüllt hätte wie er. Dies war allerdings nicht unbedingt ein Vorteil, denn der Hauptwert der experimentellen Methode besteht gerade darin, daß unter gleichen Versuchsbedingungen immer wieder dieselben Resultate erzielt und bei Nachprüfung bestätigt werden können. Gelingt es dem Nachuntersucher nicht, die Tiere ebensolange oder ebenso viele Generationen hindurch am Leben zu erhalten wie dem ersten Beobachter, wie soll dann eine Nachprüfung zu einer Bestätigung und dadurch Sicherheit der Befunde führen?“

Bald sagte man Kammerer außergewöhnliche Fähigkeiten im experimentellen Umgang nach, etwa mit Fröschen, und seine Experimente mit der Geburtshelferkröte konnten – obwohl detailliert beschrieben – später von niemandem wiederholt werden. In den Jahren bis 1908 verfasste Kammerer 130 Artikel, Beiträge und Forschungsberichte in der Versuchsanstalt im Prater.

1904 promovierte Kammerer an der Universität Wien und heiratete 1906 die Baronesse Felicitas Maria Theodora von Wiedersperg, die ihm 1907 eine Tochter gebar, die auf den Namen Lacerta (= Eidechse) getauft wurde.

Nach verschiedenen Foto- und Sammelreisen bekam er eine Anstellung als Biologielehrer am Cottage-Lyzeum in Wien (1906–1912) und habilitierte sich schließlich 1910 an der Universität Wien.

Vererbung erworbener Eigenschaften

Paul Kammerer Feuer_Salamander_2
Feuersalamander

Durch seine Arbeit im „Vivarium“ wurde Kammerer bald zu einem bekannten Biologen. Er widmete sich einer Experimenten-Reihe, die den Beweis der Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften erbringen sollte, und nannte sie „Beweise für die Vererbung erworbener Eigenschaften durch planmässige Züchtung“. Viele seiner Versuche beruhten auf künstlich veränderten Lebensräumen von Amphibien.

In einer ersten Versuchsserie verwendete er zwei Arten von Salamandern, den schwarzen Alpensalamander Salamandra atra und den gefleckten Feuersalamander Salamandra salamandra, und zwang sie, im jeweils gegensätzlichen Lebensraum zu brüten. Dadurch gelang es ihm, am Feuersalamander Eigenschaften des Alpensalamanders zur Entwicklung zu bringen und umgekehrt. Als es ihm gelang, auch bei deren Nachkommen dieselben Umkehrungen nachzuweisen, war die wissenschaftliche Sensation perfekt.

Ihm war scheinbar der Nachweis gelungen, dass Lebewesen, die im Lauf ihres Daseins organische Eigenschaften neu erworben haben, um besser mit ihren Lebensumständen zurechtzukommen, diese auch künftigen Generationen weitervererben konnten. Nicht Darwins Theorie und das Zufallsprinzip der Evolution waren nach Kammerers Entdeckung mithin zutreffend, sondern die Hypothese dessen Vorgängers Lamarck, der in seinen Vererbungsgesetzen behauptet hatte, die Arten würden sich nach dem Prinzip einer systematischen und logischen Umwandlung entwickeln.

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Jean Baptiste Lamarck, 1793

Diese Schlussfolgerung besaß große ideologische Bedeutung. Sie hätte dem politischen Bestreben, glückliche Zukunftsgeschlechter heranzuzüchten, eine naturwissenschaftliche Basis verliehen. Rassistische Ideologen behaupteten, Abstammung sei Schicksal. Dem setzte Paul Kammerer entgegen: „Wir sind nicht Sklaven der Vergangenheit, sondern Werkmeister der Zukunft.“

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Charles Darwin, 1881

Diese Idee übertrug Kammerer auch auf den Menschen – in einem Vortrag sagte er: „Indem man Kinder gut erzieht, schenken wir ihnen mehr als kurzen Gewinn ihres eigenen Lebens; ein Extrakt davon geht dorthin, wo der Mensch wahrhaft unsterblich ist – in jene wunderbare Substanz, aus der in ununterbrochener Folge die Enkel und Urenkel entstehen.“

Seine Kritik an der Eugenik verschaffte ihm Spott im damals ideologisch stark aufgeladenen biowissenschaftlichen Diskurs.[2] Kammerer geriet zwischen die Fronten eines mit großer Härte ausgetragenen Expertenstreites.

In einer nächsten Versuchsanordnung, die über elf Jahre dauern sollte, züchtete er die schwarzen, gelb gefleckten Salamandra maculosa abwechselnd auf gelber und schwarzer Erde, wobei jeweils die Färbung ihrer Flecken entsprechend dem Untergrund zu- oder abnahm. Wieder setzte sich diese Entwicklung bei den Nachkommen fort.

Kammerer fand auch heraus, dass der blinde Grottenolm Proteus, der in Höhlen lebt und nur rudimentäre Augen besitzt, die tief unter der Haut verborgen liegen, bei einer Aufzucht unter normalem Tageslicht Pigmentflecken, aber keine Sehfähigkeit entwickelt, unter Rotlicht aber große Augen und perfektes Sehvermögen entwickeln kann.
In der Wiener Gesellschaft

Kammerer gehörte zur besten Wiener Gesellschaft, er war mit vielen Künstlern befreundet und pflegte von seinem Institut aus ein internationales wie interdisziplinäres Netzwerk, das den Dirigenten Bruno Walter, den Soziologen Rudolf Goldscheid, die Komponisten Alban Berg und Franz Schreker, den Philosophen Ludwig Erik Tesar wie auch Albert Einstein umfasste. Er hatte bekannte Affären mit der Tänzerin Grete Wiesenthal, der Malerin Anna Walt (die ihn 1924 auch porträtierte) und mit Alma Mahler. Darüber hinaus engagierte er sich in der Freimaurerei.

Vom Biologen Richard Goldschmidt ist folgende Schilderung Kammerers überliefert:

„Er hatte eine glänzende, wenn auch etwas theatralische Vortragsweise. Außerdem war er gut gewachsen und elegant gekleidet, er wirkte daher mit seiner dunklen Künstlermähne und seinen feinen Gesichtszügen recht imponierend. (…) Er war ein äußerst sensibler, dekadenter, aber hochbegabter Mann, der sich des Nachts nach einem langen Tag im Laboratorium hinsetzte und Symphonien komponierte. Eigentlich war er von Haus aus gar kein Wissenschaftler, sondern was die Deutschen einen ,Aquarianer‘ nennen, ein ‚Amateur‘ (sic!), der Kleintiere züchtet. Darin besaß er denn auch außerordentliches Geschick, und ich halte die Ergebnisse, die er über den direkten Einfluß der Umwelt vorgelegt hat, im großen und ganzen für richtig.“

Kammerer spielte hervorragend Klavier, schrieb Musikkritiken und komponierte selbst Lieder, die im renommierten Simrock-Verlag veröffentlicht wurden. Er war ein großer Verehrer der Musik Gustav Mahlers, von dessen Tod er 1911 so erschüttert war, dass er der Witwe Alma Mahler am 31. Oktober schrieb:

„Es ist unbegreiflich, wie man jemanden ohne sexuelle Unterströmung, ohne verwandtschaftliche und eigentlich sogar ohne äußerlich ausgesprochene freundschaftliche Bande so lieb haben kann wie ich Mahler. Denn das war und ist nicht nur Verehrung, Begeisterung für Kunst und Person, das ist Liebe!“

Alma, der er später das Büchlein Über Erwerbung und Vererbung des musikalischen Talentes widmete, gehörte für Kammerer zum „seltenen Typus der genialen Wienerin“. Er brachte ihr seine Verehrung in exzessiver Weise dar und drohte mehrfach, sich am Grabe Gustav Mahlers zu erschießen, sollte sie seine Liebe nicht erwidern. Er schrieb über sie:

„Im Beisammensein mit ihr sammelt sich die potentielle Energie, welche nachher als kinetische Energie frei wird. Es gibt Leute, mit denen ich täglich beisammen bin und die umgekehrt wirken: die potentielle Energie wird aufgezehrt, und nachher ist, wenn ich sie brauche, zu wenig kinetische Energie da.“

Alma schildert Paul Kammerers Verehrung:[5]

„Wenn ich von einem Sessel aufstand, kniete er nieder und beroch und streichelte den Sesselplatz, auf dem ich gesessen war. Es war ihm dabei ganz egal, ob Fremde im Raume waren, oder nicht. Er war auch durch nichts von solchen Extravaganzen, deren er in Fülle hatte, abzuhalten.“

Im November 1911 schlug er Alma Mahler vor, seine Assistentin zu werden, und eine Zeit lang arbeitete sie für ihn in der biologischen Versuchsanstalt im Wiener Prater. Daran erinnerte sie sich später:[5]

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Europäische Gottesanbeterin



„Nun übergab er mir einen mnemotechnischen Versuch mit Gottesanbeterinnen zu bearbeiten. Er wollte es herausbringen, ob diese Tiere durch die Häutung ihr Gedächtnis verlieren oder ob dieser Akt nur eine oberflächliche Hautreaktion ist. Zu diesem Behuf sollte ich ihnen eine Gewohnheit beibringen. Es misslang insofern, als diesen Viechern nichts recht beizubringen war. Ich musste sie unten im Käfig füttern, da sie a priori immer in der Höhe und im Licht fressen. Der Käfig war unten verdunkelt. Sie waren nicht dazu zu bringen, ihre schöne Gewohnheit, Kammerer zu Liebe, aufzugeben.“

Alma musste die Versuchstiere mit Mehlwürmern füttern, „und mir grauste etwas vor dieser Riesenkiste voll sich schlängelnder Würmer. Er sah es, nahm eine Handvoll und steckte die Viecher in den Mund. Er fraß sie laut schmatzend.“ (Alma Mahler-Werfel: Der schimmernde Weg, s. o.)

Alma Mahler ließ später anklingen, dass es bei Kammerers Experimenten im Praterlabor zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte: „Er wünschte die Ergebnisse seiner Forschungen so glühend herbei, dass er unbewusst von der Wahrheit abweichen konnte.“[6]
Das Gesetz der Serie

Im Jahr 1919 veröffentlichte Kammerer das Buch Das Gesetz der Serie. Eine Lehre von den Wiederholungen im Lebens- und Weltgeschehen, dessen Titel sprichwörtlich wurde. In ihm entwickelte er das kausalitäts-unabhängige Prinzip der Serialität aufgrund jahrelanger Beobachtungen unerklärlicher Koinzidenzen, die aus persönlichem Erleben stammten (vieles davon mit Zahlen), aus den Erzählungen von Freunden oder aus Zeitungen. Seinen Ausführungen stellte Kammerer eine Sammlung solcher Fallbeispiele voran, etwa: „Am 17. Mai 1917 waren wir bei Schrekers eingeladen. Auf dem Weg dahin kaufe ich meiner Frau bei dem Kanditenstand vor dem Bahnhof Hütteldorf-Hacking Schokoladenbonbons. – Schreker spielt uns aus seiner neuen Oper Die Gezeichneten vor, deren weibliche Hauptrolle CARLOTTA heißt. Nach Hause gekommen, entleeren wir das Säckchen mit den Bonbons; eines davon trägt die (…) Aufschrift CARLOTTA.“

Diese getrennt auftretenden, aber zusammenpassenden Zahlen, Namen und Situationen bezeichnete er als zyklische Vorgänge verschiedener Ordnung und Potenz und entwarf eine eigene Terminologie zur Klassifikation der Serie. Er behauptete, eine Serie sei die gesetzmäßige Wiederholung gleicher oder ähnlicher Ereignisse, die nicht durch dieselbe Ursache verknüpft worden sein können (von „sinnvollen Zufällen“ sprach später sein Biograph Arthur Koestler). Kammerer wollte damit beweisen, das sich in sogenannten „Zufällen“ ein universelles Naturgesetz manifestiert, das unabhängig von bekannten physikalischen Kausalprinzipien wirkt. Er schrieb:

„Wir haben hingenommen, daß die Summe der Tatsachen jeden ‚Zufall‘ ausschließt oder den Zufall derart zur Regel macht, daß sein Begriff aufgehoben erscheint. Wir gelangen damit zu unserem zentralen Gedanken: Gleichzeitig mit der Kausalität ist im Universum ein akausales Prinzip wirksam. Dieses Prinzip wirkt selektiv auf Form und Funktion ein, um verwandte Konfigurationen in Raum und Zeit zusammenzufügen; und es hängt mit Verwandtschaft und Ähnlichkeit zusammen.“

Kammerer begründete mit seinem Buch die für die Geschichte der Parapsychologie wichtige Theorie der Serialität, sein Prinzip zählt zu den bedeutendsten Vorläufern des Gedankens der Synchronizität bei C. G. Jung und Wolfgang Pauli, der zuvor schon bei Camille Flammarion aufgetaucht war. Jung nimmt in seinem Buch Synchronizität, Akausalität und Okkultismus Bezug auf die Veröffentlichung von Kammerer. Auch Albert Einstein äußerte sich positiv („Originell und durchaus nicht absurd“), und Sigmund Freud ging in seinem Aufsatz Das Unheimliche auf Kammerer ein: „Ein geistvoller Naturforscher (Paul Kammerer) hat vor kurzem den Versuch unternommen, Vorkommnisse solcher Art gewissen Gesetzen unterzuordnen, wodurch der Eindruck des Unheimlichen aufgehoben werden müsste. Ich getraue mich nicht zu entscheiden, ob es ihm gelungen ist.“

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Beitrag  Andy Sa Nov 01, 2014 10:13 pm

Die Geburtshelferkröte

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Gemeine Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans)

Kammerer setzte Geburtshelferkröten, die sich normalerweise an Land paaren, hohen Temperaturen aus, um sie ins kühle Wasser zu locken. Um beim Amplexus im Wasser nicht vom Weibchen abzurutschen, sollen die Männchen bald Brunft- oder Haftschwielen an den Fingerinnenseiten entwickelt haben – ein Merkmal, das speziell dieser Froschlurch normalerweise nicht aufweist. Die hornigen, dunklen Schwielen sollen sich in Kammerers Versuchsanordnungen dann angeblich auch auf die Nachfahren vererbt haben. Es soll die Züchtung von sechs Generationen der Geburtshelferkröte mit diesem Merkmal gelungen sein, bevor die Linie ausstarb. Aus Begeisterung über diese Entdeckung küsste Kammerer eine Kröte, was ihm den Spitznamen „Krötenküsser“ einbrachte.

1923 unternahm Kammerer Vortragsreisen durch die ganze Welt, seine Forschungsergebnisse wurden als größte biologische Entdeckung der Gegenwart gefeiert, er war der berühmteste Biologe der Welt. Die Vortragsreisen durch die USA gestalteten sich zu Triumphzügen, die New York Times bezeichnete ihn als „nächsten Darwin“.

In Ergänzung zu seinem öffentlichen Auftreten und der damit verbundenen Publicity schrieb Kammerer sein Hauptwerk, das zuerst 1924 in Englisch erschien (The Inheritance of Acquired Characteristics). Das deutsche Original Neuvererbung oder Vererbung erworbener Eigenschaften. Erbliche Belastung oder erbliche Entlastung folgte 1925.

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Das letzte Exemplar der fünften Generation der von Kammerer „wassergezüchteten“ Geburtshelferkröte mit den Brunftschwielen

1926 wurde er an die Kommunistische Akademie der Wissenschaften in Moskau berufen, wo er ein Institut für Experimentalbiologie errichten sollte. Seine Entdeckung hatte ihn weltberühmt gemacht, löste aber auch Zweifel in der Fachwelt aus und entfachte erneut die Auseinandersetzung zwischen den Theorien von Lamarck und Charles Darwin. Einer seiner Widersacher, der amerikanische Zoologe Gladwyn Kingsley Noble, Kurator für Reptilien im American Museum of Natural History, reiste schließlich nach Wien, um gemeinsam mit Hans Leo Przibram das letzte noch existierende Präparat der Geburtshelferkröte, die Kammerer als Beweis gedient hatte und das den Krieg unbeschädigt überstanden hatte, zu untersuchen.

Am 7. August 1926 erschien in der englischen Fachzeitschrift Nature ein vernichtender Artikel, in dem Noble die Brunftschwielen der Geburtshelferkröte als simple Fälschung entlarvte. Die Hornhautpunkte hatten sich als unter die Haut gespritzte schwarze Tinte entpuppt, von Kammerer oder einem seiner Mitarbeiter selbst erzeugt. Dies war eine wissenschaftliche Bombe und bedeutete Kammerers Ruin. Die Fälschung stellte sich allerdings als so primitiv und offensichtlich heraus, dass die Frage auftauchte, wie sie der mikroskopischen Prüfung von Dutzenden Wissenschaftlern in den Jahren zuvor entgangen sein konnte. Bis heute gibt es keine Antwort auf die Frage, ob Kammerer wirklich ein Fälscher war oder ob er das Opfer eines Komplotts missgünstiger Kollegen geworden ist. Der chilenische Biologe Alexander Vargas beispielsweise vertritt die Ansicht, dass die Ergebnisse Kammerers epigenetisch, also durch die umweltbedingte Stilllegung bestimmter Gene, erklärt werden können, und plädiert zur weiteren Klärung für neue Experimente an Geburtshelferkröten.[7][8][9]

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Der Schneeberg bei Wien

Selbstmord

Am 22. September 1926 schrieb Kammerer an die Moskauer Akademie einen Brief, in dem er von seinem Posten zurücktrat und gleichzeitig beteuerte, nichts mit den Fälschungen zu tun zu haben, weder mit der verbliebenen Geburtshelferkröte noch mit dem Salamander, an dem ebenfalls Tintenspuren gefunden worden waren. Der Brief schloss:

„Ich sehe mich außer Stande, diese Vereitelung meiner Lebensarbeit zu ertragen und hoffentlich werde ich Mut und Kraft aufbringen, meinem verfehlten Leben morgen ein Ende zu bereiten.“


Danach reiste Kammerer nach Puchberg am Schneeberg, einem Erholungsgebiet in der Nähe von Wien, und verbrachte die Nacht im Hotel Zur Rose. Am nächsten Vormittag machte er sich auf den Weg Richtung Himberg, wo er am Theresienfelsen die mitgebrachte Waffe zog. Er richtete sie auf seine linke Kopfseite und erschoss sich.

Hans Leo Przibram blieb stets von der Echtheit der Kammererschen Beobachtungen überzeugt und äußerte sich in Privatgesprächen wiederholt, er glaube zu wissen, wer die Fälschung zur Kompromittierung Kammerers begangen habe, könne aber mangels hinreichender Beweise damit nicht an die Öffentlichkeit treten. Er schrieb im Nachruf:[4]

„Es scheint ihm unmöglich, nochmals dasselbe zum Überdruss zu wiederholen, dieselben Versuche, denselben Anfeindungen ausgesetzt und so verwirklichte er diesmal, was er früher schon öfters angedroht hat. An seiner unseligen Tat vom 23. September 1926 haben sowohl seine zwiespältige Anlage wie die widrigen äusseren Faktoren teil.“


Im Jahr 1930 wurde in Wien Döbling (19. Bezirk) die Kammerergasse nach ihm benannt.
Film und Theater

Salamandra (sowjetischer Film), 1928 produziert mit Unterstützung des Volkskommissars Anatoli Lunatscharski, der auch selbst im Film auftrat, wie auch seine Frau Natalja Rosenel, die die weibliche Hauptrolle spielte. Der Film endet mit Kammerers triumphaler Ankunft in der Sowjetunion.

In Joshua Sobols Polydrama Alma - A Show Biz ans Ende (1996) tritt Paul Kammerer als Liebhaber Alma Mahlers in Erscheinung und wird vom Maler Oskar Kokoschka "Krötenficker" genannt und als Vater ihres Kindes verdächtigt. Auch seine Obsession für die Geburtshelferkröte und seine Erfolge in Russland werden in dem Stück thematisiert.[10]


Siehe auch

Trofim Denissowitsch Lyssenko
Lamarckismus


Quelle - Literatur & Einzelnachweise



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