Hans Reinerth
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Hans Reinerth
Hans Reinerth (* 13. Mai 1900 in Bistriz, Österreich-Ungarn; † 13. April 1990 in Unteruhldingen) war ein deutscher Archäologe. Er war ein Pionier der Pollenanalyse und der modernen Siedlungsarchäologie, ist aber durch seine Rolle vor und in der Zeit des Nationalsozialismus umstritten.
Leben
Das sehr rasche Studium schloss Reinerth mit der Promotion 1921 in Tübingen ab, 1925 erfolgte die Habilitation. Das Tübinger Urgeschichtliche Forschungsinstitut unter der Leitung von Robert Rudolf Schmidt führte damals umfangreiche Grabungen am Federsee durch. Reinerth übernahm hier bald eine wichtige Rolle. Er untersuchte unter anderem die bronzezeitliche Wasserburg Buchau, deren Grabungspublikation er zeit seines Lebens schuldig blieb.
Reinerth war Mitglied im völkisch gesinnten, antisemitischen Kampfbund für deutsche Kultur und trat 1931 der NSDAP bei.[1] Von 1933 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war Reinerth Leiter des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte.
Im Jahr 1934 wurde Reinerth Nachfolger Gustaf Kossinnas auf dem Lehrstuhl an der Universität Berlin. Er wurde Herausgeber der Zeitschriften Germanen-Erbe und Mannus, Zeitschrift für Deutsche Vorgeschichte und war daneben Abteilungsleiter für Vor- und Frühgeschichte bei der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde, der Nachfolgeorganisation des Kampfbunds.[1] 1936 war er maßgeblich am Aufbau des Archäologischen Freilichtmuseums in Oerlinghausen beteiligt. 1937 schrieb er in der Zeitschrift Volk und Heimat: „Wer unsere germanischen Vorfahren schmäht und herabsetzt, steht heute nicht mehr dem vereinzelten völkischen Kämpfer, sondern der geschlossenen Front aller nationalsozialistischen Deutschen gegenüber“.[2] Unter Anwesenheit des badischen Gauleiters Robert Wagner weihte Reinerth im Juni 1938 ein von ihm konzipiertes Freilichtmuseum mit 14 rekonstruierten Steinzeithütten in Radolfzell ein.[3] 1939 wurde er in Alfred Rosenbergs Überwachungsdienststelle Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung der NSDAP Leiter des Amts Vorgeschichte.[4] Ab 1940 gehörte er als Leiter der Abteilung Vorgeschichte dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg an, der insbesondere sogenanntes „herrenloses Kulturgut von Juden“ raubte.[4] 1941 leitete er nach der deutschen Eroberung Griechenlands eine Grabung jungsteinzeitlicher Besiedlung in Thessalien, mit der er „bewies“, dass Germanen Griechenland von Norden her besiedelt hätten. Ein Teil der Funde wurde nach Deutschland geschafft und tauchte erst nach seinem Tod in seinen privaten Beständen in Unteruhldingen auf, von wo sie 2014 durch Gunter Schöbel restituiert wurden.[5]
Reinerth wurde am 27. Februar 1945 durch das Oberste Parteigericht aus der NSDAP ausgeschlossen. Als Grund galt, dass er „freundschaftliche Beziehungen mit Juden unterhielt“.[6] Der wirkliche Grund wird der Kompetenzstreit zwischen dem Amt Rosenberg und der SS-Organisation Ahnenerbe gewesen sein, da Reinerth zum Amt Rosenberg gehörte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Reinerth Direktor des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen, das lange Zeit ein sehr konservatives Bild der Vorgeschichte vermittelte. Er war einer der wenigen nationalsozialistisch belasteten Archäologen, die in der Nachkriegszeit ihre Karriere nicht fortsetzen konnten. 1949 wurde er von Kollegen, unter ihnen mehrere ehemalige SS-Mitglieder wie der ehemalige SS-Obersturmbannführer Herbert Jankuhn, später Professor für Ur- und Frühgeschichte in Göttingen, bei einer Zusammenkunft in Regensburg wegen „unsachlicher und tendenziöser Wissenschaft der Prähistorie“ in einer Resolution aus der Wissenschaftsgemeinde der Ur- und Frühgeschichtler ausgeschlossen.[7]
Reinerth war zwischen 1954 und 1958 der erste Vorsitzende des neu gegründeten Verbandes Deutscher Sporttaucher (VDST). 1958 wurde er zum Ehrenpräsident des VDST ernannt. Von 1954 bis 1961 leitete er innerhalb des Verbandes die Sachabteilung Unterwasserforschung. Über seine Forschungen zu den Pfahlbauten bei Unteruhldingen publizierte Reinerth in diesen Jahren mehrere Artikel im „Delphin“, der Mitgliederzeitschrift des VDST.[8]
Schriften (Auswahl)
Herausgeber der Zeitschriften Mannus und Germanen-Erbe
Die Pfahlbauten des Bodensees im Lichte der neuesten Forschung, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, 50. Jg. 1922, S. 56–72 ([Scan fehlt Digitalisat])
Das Federseemoor als Siedlungsland des Vorzeitmenschen. Schussenried 1923.
Die Chronologie der jüngeren Steinzeit in Süddeutschland. Augsburg 1923.
Die Besiedlung des Bodensees zur mittleren Steinzeit. Schumacher-Festschrift zum 70. Geburtstag Karl Schumachers. Mainz 1930, S. 91-95
mit anderen Autoren: Das Pfahldorf Sipplingen. Ergebnisse der Ausgrabungen des Bodenseegeschichtsvereins 1929/30, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, 59. Jg. 1932, S. 1–154 (Digitalisat)
Vorgeschichte der deutschen Stämme. Berlin 1940
Handbuch der vorgeschichtlichen Sammlungen Deutschlands, Süd- und Mitteldeutschland einschl. d. Protektorats Böhmen u. Mähren. Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte und Reichsamt für Vorgeschichte der NSDAP. Verlag J. A. Barth, Leipzig 1941.
Pfahlbauten am Bodensee. Überlingen 1977
Quelle - literatur & Einzelnachweise
Leben
Das sehr rasche Studium schloss Reinerth mit der Promotion 1921 in Tübingen ab, 1925 erfolgte die Habilitation. Das Tübinger Urgeschichtliche Forschungsinstitut unter der Leitung von Robert Rudolf Schmidt führte damals umfangreiche Grabungen am Federsee durch. Reinerth übernahm hier bald eine wichtige Rolle. Er untersuchte unter anderem die bronzezeitliche Wasserburg Buchau, deren Grabungspublikation er zeit seines Lebens schuldig blieb.
Reinerth war Mitglied im völkisch gesinnten, antisemitischen Kampfbund für deutsche Kultur und trat 1931 der NSDAP bei.[1] Von 1933 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war Reinerth Leiter des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte.
Im Jahr 1934 wurde Reinerth Nachfolger Gustaf Kossinnas auf dem Lehrstuhl an der Universität Berlin. Er wurde Herausgeber der Zeitschriften Germanen-Erbe und Mannus, Zeitschrift für Deutsche Vorgeschichte und war daneben Abteilungsleiter für Vor- und Frühgeschichte bei der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde, der Nachfolgeorganisation des Kampfbunds.[1] 1936 war er maßgeblich am Aufbau des Archäologischen Freilichtmuseums in Oerlinghausen beteiligt. 1937 schrieb er in der Zeitschrift Volk und Heimat: „Wer unsere germanischen Vorfahren schmäht und herabsetzt, steht heute nicht mehr dem vereinzelten völkischen Kämpfer, sondern der geschlossenen Front aller nationalsozialistischen Deutschen gegenüber“.[2] Unter Anwesenheit des badischen Gauleiters Robert Wagner weihte Reinerth im Juni 1938 ein von ihm konzipiertes Freilichtmuseum mit 14 rekonstruierten Steinzeithütten in Radolfzell ein.[3] 1939 wurde er in Alfred Rosenbergs Überwachungsdienststelle Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung der NSDAP Leiter des Amts Vorgeschichte.[4] Ab 1940 gehörte er als Leiter der Abteilung Vorgeschichte dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg an, der insbesondere sogenanntes „herrenloses Kulturgut von Juden“ raubte.[4] 1941 leitete er nach der deutschen Eroberung Griechenlands eine Grabung jungsteinzeitlicher Besiedlung in Thessalien, mit der er „bewies“, dass Germanen Griechenland von Norden her besiedelt hätten. Ein Teil der Funde wurde nach Deutschland geschafft und tauchte erst nach seinem Tod in seinen privaten Beständen in Unteruhldingen auf, von wo sie 2014 durch Gunter Schöbel restituiert wurden.[5]
Reinerth wurde am 27. Februar 1945 durch das Oberste Parteigericht aus der NSDAP ausgeschlossen. Als Grund galt, dass er „freundschaftliche Beziehungen mit Juden unterhielt“.[6] Der wirkliche Grund wird der Kompetenzstreit zwischen dem Amt Rosenberg und der SS-Organisation Ahnenerbe gewesen sein, da Reinerth zum Amt Rosenberg gehörte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Reinerth Direktor des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen, das lange Zeit ein sehr konservatives Bild der Vorgeschichte vermittelte. Er war einer der wenigen nationalsozialistisch belasteten Archäologen, die in der Nachkriegszeit ihre Karriere nicht fortsetzen konnten. 1949 wurde er von Kollegen, unter ihnen mehrere ehemalige SS-Mitglieder wie der ehemalige SS-Obersturmbannführer Herbert Jankuhn, später Professor für Ur- und Frühgeschichte in Göttingen, bei einer Zusammenkunft in Regensburg wegen „unsachlicher und tendenziöser Wissenschaft der Prähistorie“ in einer Resolution aus der Wissenschaftsgemeinde der Ur- und Frühgeschichtler ausgeschlossen.[7]
Reinerth war zwischen 1954 und 1958 der erste Vorsitzende des neu gegründeten Verbandes Deutscher Sporttaucher (VDST). 1958 wurde er zum Ehrenpräsident des VDST ernannt. Von 1954 bis 1961 leitete er innerhalb des Verbandes die Sachabteilung Unterwasserforschung. Über seine Forschungen zu den Pfahlbauten bei Unteruhldingen publizierte Reinerth in diesen Jahren mehrere Artikel im „Delphin“, der Mitgliederzeitschrift des VDST.[8]
Schriften (Auswahl)
Herausgeber der Zeitschriften Mannus und Germanen-Erbe
Die Pfahlbauten des Bodensees im Lichte der neuesten Forschung, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, 50. Jg. 1922, S. 56–72 ([Scan fehlt Digitalisat])
Das Federseemoor als Siedlungsland des Vorzeitmenschen. Schussenried 1923.
Die Chronologie der jüngeren Steinzeit in Süddeutschland. Augsburg 1923.
Die Besiedlung des Bodensees zur mittleren Steinzeit. Schumacher-Festschrift zum 70. Geburtstag Karl Schumachers. Mainz 1930, S. 91-95
mit anderen Autoren: Das Pfahldorf Sipplingen. Ergebnisse der Ausgrabungen des Bodenseegeschichtsvereins 1929/30, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, 59. Jg. 1932, S. 1–154 (Digitalisat)
Vorgeschichte der deutschen Stämme. Berlin 1940
Handbuch der vorgeschichtlichen Sammlungen Deutschlands, Süd- und Mitteldeutschland einschl. d. Protektorats Böhmen u. Mähren. Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte und Reichsamt für Vorgeschichte der NSDAP. Verlag J. A. Barth, Leipzig 1941.
Pfahlbauten am Bodensee. Überlingen 1977
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