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Erasmus von Rotterdam

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Beitrag  checker So Jul 12, 2015 10:32 am

Desiderius Erasmus von Rotterdam CRSA (* vermutlich am 28. Oktober 1466/1467/1469, wahrscheinlich in Rotterdam; † 11./12. Juli 1536 in Basel) war ein bedeutender europäischer Gelehrter des Humanismus und stammte aus den heutigen Niederlanden (damals noch Teil des Heiligen Römischen Reiches). Er war Theologe, Philosoph, Philologe und Autor zahlreicher Bücher.

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Erasmus von Rotterdam gemalt von Hans Holbein dem Jüngeren (1523)

Leben

Erasmus von Rotterdam 320px-Basler_Muenster_Erasmus-Epitaph
Erasmus-Epitaph im Basler Münster

Erasmus wurde als unehelicher Sohn des Goudaer Priesters[1] Rotger Gerard und seiner Haushälterin, einer Arzttochter, zwischen 1464 und 1469 wahrscheinlich in Rotterdam geboren. Er hatte einen drei Jahre älteren Bruder namens Peter, mit dem er zusammen erzogen wurde. Den Beinamen Desiderius fügte sich Erasmus später hinzu und benutzte ihn ab 1496.[2]

Zwischen 1473 und 1478 war Erasmus Schüler seines Onkels Pieter Winckel an der Kirchspielschule in Gouda, dem Vorläufer der Lateinschule und des heutigen Coornhert Gymnasiums. Während dieser Zeit bekam er in Utrecht Musikunterricht beim Gesangsmeister und Komponisten Jacob Obrecht.

Von 1478 bis 1485 besuchte er als Schüler des Alexander Hegius und Synthius die Lateinschule der Brüder vom gemeinsamen Leben in Deventer. Hier hörte und sah Erasmus auch Rudolf Agricola, den er sein Leben lang als Beispiel und Inspiration ansah.

1487 wurde Erasmus Regularkanoniker im Kloster der Augustinerchorherren in Steyn bei Gouda. Als Chorherr wurde er im April 1492 zum Priester geweiht und verließ im folgenden Jahr im Dienst des Bischofs von Cambrai das Kloster, das er später nie mehr betrat. Von 1495 bis 1499 studierte er an der Sorbonne in Paris und unterrichtete zugleich die Brüder Heinrich und Christian Northoff aus Lübeck. Von dort aus gelangte er mit seinem Schüler Lord Mountjoy nach England, wo er unter anderen Thomas Morus und John Colet kennenlernte, später auch William Warham, John Fisher und den jungen Prinzen Heinrich, den späteren König Heinrich VIII. Er lernte in England auch das höfische Leben kennen (und schätzen) und entwickelte sich vom Kanoniker zum weltgewandten Gelehrten.

Von 1500 bis 1506 hielt er sich abwechselnd in den Niederlanden, in Paris und in England auf. In den Jahren 1506 bis 1509 bereiste er Italien, wo er intensive Schriftstudien betrieb und in Turin zum Doktor der Theologie promovierte, damit verbunden erhielt er den Rang eines Reichsbarons.[3] In Venedig lernte er den Verleger Aldus Manutius kennen und ließ bei ihm einige seiner Werke drucken.

Anschließend reiste er wieder nach England, wo er in Cambridge Griechisch lehrte und 1511 auch die Pfarrei von Aldington erhielt. Er pendelte danach jahrelang zwischen England, Burgund und Basel. Ab 1515 wirkte Erasmus einige Jahre am Hofe von Burgund in Löwen, unter anderem als Erzieher (Rat) des Prinzen Karl, des späteren Kaisers Karl V.

Von 1514 bis 1529 und von 1535 bis zu seinem Tode lebte und wirkte Erasmus in Basel, um seine Schriften in der Werkstatt seines späteren Freundes Johann Froben drucken zu lassen. Er begegnete 1524 erstmals Johannes a Lasco, dem späteren Reformator Frieslands, der zu einem seiner Lieblingsschüler wurde. Als sich die von Johannes Oekolampad betriebene, an Zwingli angelehnte Reformation in Basel durchsetzte, ging er 1529 nach Freiburg im Breisgau, wo er zuerst im Haus Zum Walfisch wohnte und sich 1531 – inzwischen wohlhabend – das Haus Zum Kindlein Jesu (Schiffstraße 7, dort steht heute eine Einkaufspassage) kaufte.[4]

Im Jahre 1535 kehrte er nach Basel zurück und verstarb dort am 12. Juli 1536. Seine Gebeine ruhen im Basler Münster. Teile seines Nachlasses sind im Historischen Museum Basel ausgestellt. Welch hohes Ansehen der Humanist bereits zu Lebzeiten genoss, zeigt die Tatsache, dass er als katholischer Priester in der Zeit heftigster konfessioneller Auseinandersetzungen im protestantischen Basler Münster beigesetzt wurde.

Werk

Erasmus von Rotterdam 800px-ErasumsDurer
Erasmus in der Darstellung durch Albrecht Dürer 1526. Dies war der letzte Kupferstich, den Dürer vor seinem Tod anfertigte. Dürers Arbeit entstand auf den Wunsch von Erasmus selbst. Die dem Stich zugrunde liegenden Porträtzeichnungen entstanden 1520. Daneben verwendete Dürer auch eine Medaille des Künstlers Quentin Metsys.
Die Inschrift auf Lateinisch und Griechisch bedeutet: „Bildnis des Erasmus von Rotterdam von Albrecht Dürer nach dem Leben gezeichnet. Seine Schriften geben ein besseres Bild“ und ist durchaus ironisch gemeint.

Erasmus sprach meistens lateinisch und schrieb ausschließlich auf Latein oder Griechisch. Er war ein Vielschreiber und hat nach heutiger Erkenntnis etwa 150 Bücher geschrieben. Darüber hinaus sind über 2000 Briefe von ihm erhalten. Wegen seiner feinen Ausdrucksweise genossen seine Briefe in Europa große Aufmerksamkeit. Man schätzt, dass er täglich etwa 1000 Wörter zu Papier gebracht hat. Seine gesammelten Werke sind 1703 in zehn Bänden herausgegeben worden.[5]

Er sah sich (mit der neuen Buchdrucktechnik) als ein Vermittler von Bildung: „Menschen werden nicht als Menschen geboren, sondern als solche erzogen!“ Als Textkritiker, Herausgeber (Kirchenväter, Neues Testament) und Grammatiker begründete er die neuzeitliche Philologie. Auf ihn geht die heute in westlichen Ländern übliche Aussprache, insbesondere die Betonung des Altgriechischen zurück. Die korrekte Aussprache ist heute umstritten und wohl nicht mehr zweifelsfrei klärbar, obwohl es eine in der Wissenschaft weitgehend akzeptierte Rekonstruktion gibt. Vgl. Altgriechische Phonologie.

Sein heute bekanntestes Werk ist seine „Stilübung“ (wie er sie nannte), die Satire Lob der Torheit (Laus stultitiae), die er seinem Freund Thomas Morus widmete. Mit ihr entgegnete er 1509 mit Spott und Ernst tief verwurzelten Irrtümern und trat für vernünftige Anschauungen ein. Er war ein begnadeter Formulierer und liebte die Ironie, beispielsweise in seiner Satire Julius vor der verschlossenen Himmelstür, die er nach dem Tode des „Soldatenpapstes“ Julius II. schrieb. Neben diesen beiden Satiren lässt sich das schriftstellerische Werk von Erasmus wie folgt ordnen:
Theologische Schriften

1516 veröffentlichte Erasmus eine kritische Edition des griechischen Neuen Testaments, Novum Instrumentum omne, diligenter ab Erasmo Rot. Recognitum et Emendatum, mit einer neuen, von ihm selbst durch Überarbeitung der Vulgata erstellten lateinischen Übersetzung und Kommentar. Erasmus’ Neues Testament war der erste erhältliche vollständige gedruckte griechische Text des Neuen Testaments (ein anderes, schon früher begonnenes Projekt zum Druck des Textes war ins Stocken geraten und kam letztlich erst später auf den Markt). Offenbar sah Erasmus den griechischen Text zuerst nur als Beiwerk zu seiner neuen lateinischen Fassung an, um seine Änderungen gegenüber der Vulgata begründen zu können. Er widmete die Ausgabe dem Papst Leo X. und nutzte dabei wiederentdeckte Manuskripte, die mit griechischen Flüchtlingen aus Konstantinopel in den Westen gelangt waren. Nach dem Erfolg der Erstausgabe nannte er das Werk von der zweiten Auflage (1519) an schlicht Novum Testamentum. Es wurde von den Übersetzern der King-James-Bibel benutzt und diente auch Luther als Ausgangstext für seine deutsche Bibelübersetzung. Der Text wurde später bekannt als Textus receptus. Erasmus besorgte drei weitere, jeweils überarbeitete Auflagen 1522, 1527 und 1535.

In den Jahren 1522 bis 1534 setzte sich Erasmus in verschiedenen Schriften mit den Lehren und Schriften Luthers auseinander (siehe Abschnitt „Verhältnis zu Luther“). Zwei Jahre vor seinem Tod versuchte er mit der Schrift De sarcienda ecclesiae concordia noch einmal, die zerstrittenen Glaubensparteien zu befrieden. In den grundlegenden Glaubensfragen wäre man einig, war Erasmus überzeugt, weniger Wichtiges, die Adiaphora, könne man den einzelnen Gläubigen und ihren Gemeinden freistellen. In den von Kaiser und Fürsten initiierten Religionsgesprächen versuchten bedeutende Theologen bis ins 17. Jahrhundert hinein, die Konfessionen auf der erasmischen Grundlage wieder zusammenzuführen. Sie blieben erfolglos.

1536 schrieb Erasmus sein letztes Werk, De puritate ecclesiae christianae, eine Auslegung von Psalm 14, die er einem einfachen Leser, einem Zöllner, mit dem er sich auf einer seiner vielen Reisen angefreundet hatte, widmete. Sein Einfluss war bis in das Zeitalter der Aufklärung in Europa von überragender Bedeutung.

Erasmus hat sich besonders um die Bibelexegese verdient gemacht, in der er die Grundlagen für die reformatorische Theologie legte. Sein schlechter Ruf, er habe vor allem auf die ethisch-moralische Seite der Religion Wert gelegt, beruht auf einem kleinen Frühwerk von 1503, dem Enchiridion militis Christiani (Handbuch des christlichen Streiters), das zu seiner Zeit sehr beliebt war und in der Forschung lange als ein Hauptwerk von Erasmus galt. Zunächst der Reformation gegenüber offen, wandte sich der Humanist von ihr ab, als er Martin Luther in einem unüberbrückbaren Gegensatz zur römisch-katholischen Kirche sah. Sie war auch die Ursache für seinen Streit mit Ulrich von Hutten.
Weitere Schriften

1516 schrieb er Die Erziehung des christlichen Fürsten (Institutio Principis Christiani), die er als neuernannter Rat des Fürsten dem späteren Karl V. widmete. Das Werk sieht in christlich-moralischen Lebensgrundsätzen des Regierungsoberhauptes die wichtigste Voraussetzung für eine friedliche, segensreiche Politik. Dieser Fürstenspiegel war bei den zeitgenössischen Fürsten sehr beliebt. Ferdinand I. soll es auswendig gelernt haben.

1517 erschien Die Klage des Friedens, in der Erasmus während des erbarmungslosen Machtkampfes um die Oberherrschaft in Italien dem Friedenswillen eine Stimme verlieh. Er hat damit eine dezidierte pazifistische Position vertreten und lehnte Kriege mit einer Ausnahme ab: Nur wenn das gesamte Volk sich für einen Krieg ausspreche, sei er legitim.

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Postumes Bildnis des Erasmus von Rotterdam, Süddeutschland, frühes 17. Jh.

In seinem 1528 herausgegebenen Dialogus Ciceronianus trat Erasmus für eine individuell gestaltete Lebensweise ein, die sich nicht nur an antiken Vorbildern orientieren sollte.

In den letzten Lebensjahren vervollständigte Erasmus eines seiner umfangreichsten Hauptwerke, die Adagia. Es ist eine Sammlung von antiken Weisheiten und Sprichwörtern (als Fortsetzung seines Erstwerkes Antibarbari, vor 1500 begonnen), die er schrittweise von etwa 800 auf über 4250 Zitate ausbaute. Es wurde sein erfolgreichstes Werk und bis in die Zeit der Aufklärung gelesen (auch Goethe hatte es stets zur Hand). Ein ähnliches Werk, eine Sammlung von fast 3000 Anekdoten und Zitaten berühmter Männer und Frauen aus der Antike, sind die Apophthegmata, die er 1534 für den Herzog Wilhelm von Cleve veröffentlichte.

Seine Colloquien und sein „Benimmbuch“ De civilitate wurden in den Schulen gelesen. Auch Täufer und Spiritualisten, zum Beispiel Sebastian Franck, beriefen sich auf ihn. Erasmus wandte sich gegen kirchliche Missstände, die Veräußerlichung der Religion und den Dogmenzwang. Er beklagte: „Wenn man sich die Durchschnitts-Christen ansieht, besteht nicht all ihr Tun und Lassen in Zeremonien?“[6] An anderer Stelle schrieb er: „Die christliche Religion steht einer gewissen Torheit recht nahe; hingegen mit der Weisheit verträgt sie sich schlecht!“[7]
Kritik und Würdigung
Verhältnis zu Luther

Erasmus und Luther haben sich nie persönlich kennengelernt, korrespondierten jedoch mehr oder weniger öffentlich ab 1519 miteinander. Während Luther eine „harte Linie“ gegen das aus seiner Sicht dekadente Papsttum der römisch-katholischen Kirche vertrat, setzte sich Erasmus für „innere Reformen“ ein und bat Luther um Mäßigung, so in seinem Brief vom 30. Mai 1519:[8]

„Soviel wie möglich halte ich mich neutral, um desto mehr dem Wiederaufblühen der Wissenschaft nützlich zu sein. Meines Erachtens kommt man mit bescheidenem Anstand weiter als mit Sturm und Drang [...] Es empfiehlt sich mehr, laut gegen die aufzutreten, die die päpstliche Autorität missbrauchen, als gegen die Päpste selbst, und glaube, so muss man es auch bei den Königen machen. Bei Dingen, die so fest eingewurzelt sind, dass man sie nicht plötzlich aus den Herzen reißen kann, muss man lieber mit beständigen und wirksamen Argumenten disputieren, statt schroffe Behauptungen aufstellen. Giftige Streitereien gewisser Leute sollte man mehr verachten als widerlegen. Immer muss man sich davor hüten, anmaßend oder parteilich zu reden oder zu handeln; so, glaube ich, ist es dem Geiste Christi angenehm.“

Auch in religiösen Fragen zeigten sich bald Unterschiede. Während Erasmus die These aufstellte, Gott habe dem Menschen einen freien Willen gegeben, zwischen dem Guten und dem Bösen zu wählen, der freilich nur mit Gottes Gnade wirksam werden könne, argumentierte Luther mit der Erbsünde und der Allmacht Gottes, durch die jede Tat des Menschen vorausbestimmt sei. Luther verglich den menschlichen Willen mit einem Pferd, „das der Teufel reitet“ oder das Gott lenkt. Es sei unmöglich, einen der beiden Reiter loszuwerden, denn jedes menschliche Schicksal sei vorbestimmt und endet entweder in der Hölle oder im Himmel. Gottes Liebe und Hass seien ewig und unverrückbar, schrieb Luther in seiner Erwiderung an Erasmus, sie seien schon gewesen, „ehe der Welt Grund gelegt ward“, noch ehe es einen Willen oder Werke des Willens gab.

1521 erschien Luthers assertio omnium articulorum M. Lutheri per Bullam Leonis X novissiman damnatorum, zugleich als deutsche Schrift unter dem Titel Grund und Ursache aller Artikel D. Martin Luthers, so durch römische Bulle unrechtlich verdammt sind. 1524 veröffentlichte Erasmus seine Entgegnung: De libero arbitrio (Vom freien Willen), ein Werk, mit dem der Bruch mit Luther endgültig besiegelt wurde. Seine letzte kritische Auseinandersetzung mit dem Titel Hyperaspistes kommentierte Luther mit dem bekannten Ausspruch: „Wer den Erasmus zerdrückt, der würget eine Wanze, und diese stinkt noch tot mehr als lebendig.“
Ambivalenz

Einerseits sparte Erasmus nicht mit beißender Kritik an frömmelnden Christen, heuchlerischen Mönchen, korrupten Päpsten, katholischen Riten und dem Ablasshandel. Andererseits verteidigte er das Papsttum, distanzierte sich von jeder Veränderung durch Gewalt und versagte den Reformatoren seine Unterstützung. Luther empfand dies als Verrat und schrieb ihm:

„Da wir sehen, dass Dir der Herr weder den Mut noch die Gesinnung verliehen hat, jene Ungeheuer [die Päpste] offen und zuversichtlich gemeinsam mit uns anzugreifen, wagen wir von Dir nicht zu fordern, was über Dein Maß und Deine Kräfte geht.“

Auch manche Historiker – insbesondere aus dem protestantischen Lager – teilten später diese Einschätzung und kritisierten die als unentschlossen empfundene Haltung des Erasmus. Auch die Tatsache, dass er sich in der Reuchlin-Affäre, die viele humanistische Gemüter in Wallung brachte, zu einigen antijudaistischen Bemerkungen gegen Pfefferkorn hinreißen ließ, hat ihm Kritik eingebracht.[9][10] Für Erasmus, der das Neue Testament gegenüber dem Alten als übergeordnet ansah und Talmud wie auch Kabbala ablehnend gegenüberstand, spielten Juden auch eine negative Rolle in den Konflikten mit den Täufern und im Bauernkrieg. Eine potentielle Gefahr sah er ebenso in jüdischen Konvertiten, die seiner Ansicht nach trotz Taufe an ihren jüdischen Traditionen festhielten und das Christentum angeblich von innen zersetzten.[11] Im Gegensatz dazu hat Erasmus aber bei anderen Gelegenheiten gegen Antijudaismus protestiert.[12]
Würdigung

Als einer der bedeutendsten und einflussreichsten Repräsentanten des europäischen Humanismus wurde der Theologe durch seine kirchenkritische Haltung und seinen der historisch-kritische Exegese verpflichteten theologischen Schriften zum Vorreiter der Reformation. Durch sein Eintreten für relative Religionsfreiheit nahm er eine humanistische Position jenseits des katholischen wie auch des lutherischen Dogmatismus ein. Ihn als Verteidiger „religiöser Toleranz“ zu bezeichnen, ist insofern missverständlich, weil er selbst stattdessen die Begriffe Frieden und Konkordanz verwendet[13] (tolerantia nur für die Wahl des Geringeren von zwei Übeln, was bei Konflikten religiöser Doktrinen nicht vorliegt). Ernsthafte Irrlehren, zu denen er letztlich auch die Reformation zählte, sollten auch seiner Meinung nach unterdrückt werden, ggf. auch durch Anwendung der Todesstrafe.[14]

Erasmus zählte zu den geachtetsten Gelehrten seiner Zeit, man nannte ihn „den Fürsten der Humanisten“. Er korrespondierte mit fast allen Herrschern und Päpsten seiner Epoche und wurde allseits für seine offenen Worte und den brillanten Stil bewundert und geachtet, beispielsweise vom englischen König Heinrich VIII., dem er im September 1517 unter anderem schrieb:

„Könige werden weise durch den Verkehr mit weisen Männern, zumal unter den vielen Reichsgeschäften, ja, ,Welthändeln‘, mit denen Du zu tun hast, kaum ein Tag vorübergeht, an dem Du nicht etwas Zeit auf Bücherlesen verwendest und gerne mit jenen alten Weisen ins Gespräch kommst, die am allerwenigsten Dir nach dem Munde reden […] Wie ein verständiger und frommer Fürst an alle denkt, für alle wacht, für alle insgemein sorgt, da er ein öffentliches Amt hat, kein privates, so ziemt es sich, dass jeder an seinem Teil nach Kräften diese Sorgen und Mühen zu unterstützen sucht. Da ich für meinen Teil nur durch meine kleinen wissenschaftlichen Studien den Königen diese Pflicht leisten kann, habe ich vorlängst die Schrift des Plutarch ,Über Art und Weise, einen Schmeichler von einem Freund zu unterscheiden‘, aus dem Griechischen ins Lateinische übertragen und Deiner Majestät gewidmet …“

Erasmus von Rotterdam 800px-Erasmus_at_EUR
Erasmus-Denkmal in Rotterdam

Der Priester und Mönch Erasmus übte scharfe Kritik an Missständen in der Kirche und trat für eine innere Reform der katholischen Kirche ein und gilt daher auch als Kirchenreformer.[15] Er galt als einer der ersten „Europäer“ und hoffte auf die „Vernunft“ der Herrschenden, auch ohne Krieg zu einem dauerhaften Frieden zu kommen. Er legte Wert auf Neutralität und Toleranz und sah die Gefahren der Religionskriege voraus. Seine eigene Lebensleistung schätzt er in einem Brief an Willibald Pirckheimer wie folgt ein:[16]

„Meine Lebensleistung bestand darin, dass ich eine begrabene und vergessene Literatur zu neuem Leben erweckt und dass ich die Theologen von ihren philosophischen Haarspaltereien zur Kenntnis des Neuen Testaments zurückgeführt habe.“

Wegen seiner kritischen Haltung zur römisch-katholischen Kirche wurden seine Werke auf dem Konzil von Trient auf den Index gesetzt. Der holländische Kultur-Historiker und Erasmus-Biograph Johan Huizinga charakterisiert Erasmus trefflich als einen geistigen Typus der ziemlich seltenen Gruppe, die zugleich unbedingte Idealisten und durchaus Gemäßigte sind … „sie können die Unvollkommenheit der Welt nicht ertragen, sie müssen sich widersetzen; aber sie fühlen sich bei den Extremen nicht zu Hause, sie schrecken vor der Tat zurück, weil sie wissen, dass diese immer ebenso viel zerbricht als aufbaut; und so ziehen sie sich zurück und rufen weiter, alles müsse anders werden; aber wenn die Entscheidung kommt, wählen sie zaudernd die Partei der Tradition und des Bestehenden. Auch hier liegt ein Stück von der Tragik im Leben des Erasmus: Er war der Mann, der das Neue und Kommende besser sah als irgend jemand; der sich mit dem Alten überwerfen musste und doch das Neue nicht ergreifen konnte.“

Als kritischer Denker seiner Zeit zählte Erasmus zu den Wegbereitern der europäischen Aufklärung und wurde gleichermaßen von Spinoza, Rousseau, Voltaire, Kant, Goethe, Schopenhauer und Nietzsche geachtet. Stefan Zweig würdigte ihn in seiner Erasmus-Hommage:

„Er war geboren als eine bindende oder, um mit Goethe zu sprechen, der ihm ähnlich war in der Ablehnung alles Extremen, eine ,kommunikative Natur‘. Jede gewaltsame Umwälzung, jeder ,tumultus‘, jeder trübe Massenzank widerstrebte für sein Gefühl dem klaren Wesen der Weltvernunft, der er als treuer und stiller Bote sich verpflichtet fühlte, und insbesondere der Krieg schien ihm, weil die größte und gewalttätigste Form der Austragung inneren Gegensatzes, unvereinbar mit einer moralisch denkenden Menschheit. Die seltene Kunst, Konflikte abzuschwächen durch gütiges Begreifen, Dumpfes zu klären, Verworrenes zu schlichten, Zerrissenes neu zu verweben und dem Abgesonderten höheren gemeinsamen Bezug zu geben, war die eigentliche Kraft seines geduldigen Genies, und mit Dankbarkeit nannten die Zeitgenossen diesen vielfach wirkenden Willen zur Verständigung schlechthin: ,das Erasmische‘!“

– Stefan Zweig: Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam, Frankfurt 1981[17]


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Beitrag  checker So Jul 12, 2015 10:34 am

Ehrungen

Hendrik de Keyser schuf 1621 (1622 gegossen) das erste bronzene Standbild der Niederlande für Erasmus von Rotterdam.
Nach Erasmus ist das Erasmus-Programm zur Förderung des europäischen Auslandsstudiums der Europäischen Union benannt.
Ihm zu Ehren wurde eine Büste in der Walhalla aufgestellt.


Erasmus von Rotterdam 300px-Erasmus-Universit%C3%A4t_Rotterdam-logo.svg
Logo der Erasmus-Universität Rotterdam


In Basel sind der Erasmusplatz und das Erasmushaus nach ihm benannt.
In Rotterdam tragen die Erasmus-Universität, die Erasmusbrücke, das Krankenhaus Erasmus MC (Erasmus Medical Center) und die Erasmuslinie der Rotterdamer U-Bahn den Namen des größten Sohnes der Stadt.
In Deutschland sind mehrere Gymnasien nach Erasmus benannt; siehe Erasmus-Gymnasium

Werke (Auswahl)

Enchiridion militis Christiani (1503)
Adagia (1510–1535)
De duplici copia verborum ac rerum (1512)
Encomium moriae (Lob der Torheit) (1509 oder 1510)
Julius vor der verschlossenen Himmelstür (1513)
Institutio principis christiani (Die Erziehung des christlichen Fürsten) (1515)
Novum Testamentum. – Basileae : Froben, 1516. – Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Erasmi Roterodami Epistole || ERASMI ROTERODAMI EPISTOLA || ad Leonem X.Pont.Max. de laudibus illius: & noua || Hieronymianorũ operum editione.|| Eiusdem ad Reuerendiss. D. Grimannum S. M. Gardi=||nalem Epistola.|| Eiusdem ad reuerendiss. Dn.Raphaelem Rearium … || Cardinal em Epistola.|| Eiusdem ad … Doctorem Martinũ || Dorpium Hollandum Epistola Apologetica de suarum || lucubrationum editione.|| Eiusdem in laudem urbis Selestadii Panegyricũ carmen.|| Iani Damiani Senensis ad Leonẽ X. Pont. Max. de expeditio||ne in. Turcas Elegia.|| – Köln : Cornelius von Zierickzee, 1516.
Querela pacis (Die Klage des Friedens) (1517) Übersetzt und herausgegeben von Kurt Steinmann, Insel-Verlag 2001. ISBN 3-458-34487-X
Colloquia familiaria (Gespräche im vertrauten Familienkreis) (1518)
De libero arbitrio (Vom freien Willen) (1524) Verlag Vandenhoeck und Ruprecht 1998. ISBN 3-525-34007-9
Dialogus ciceronianus (1528)
De civilitate morum puerilium (1530)
DIVI Ambrosius von Mailand|AM-||BROSII EPISCOPI MEDIO-||LANENSIS COMMENTARII IN || omnes Diui Pauli epistolas, ex restitutio||ne D.Erasmi diligenter recogniti.|| CVM INDICE.|| – Köln : Johann Gymnich I., 1530. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Apophthegmata, eine Sammlung erbaulicher Anekdoten (1533) Übersetzt und herausgegeben von Heribert Philips, Würzburg 2001. ISBN 978-3-8260-2015-5
De conscribendis epistolis
De recta Latini Graecique sermonis pronuntiatione Des. Erasmi dialogus. – Paris : Simon Colin, 1528. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Desiderii Erasmi// Roterodami, Epistolae Palaeonaeoi : Ad Haec// Responsio Ad Dispvtationem Cvivsdam// Phimostomi, De Divortio. – Fribvrgi Brisgoiae : Emmeus, 1532. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Absolvtissimus de octo oratio[n]is partiu[m] Constructione libellus, nec minus eruditione pueris utilis futurus, [at]q[ue] compendio & perspicuitate co[m]modus, ac iucundus : nuperrime uigila[n]tissima cura recognitus, & in nostra officina summa diligentia excusus. – Basileae : Pro Io. Erasmo Frobenio Io. filio, 1517. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf

Ausgaben

Erasmus von Rotterdam: Ausgewählte Schriften. 8 Bände. Hrsg. v. Werner Welzig. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1967–1975 (zweisprachig Lateinisch-Deutsch); Neuauflage, zuletzt 2006, ISBN 3-534-19560-4.
Erasmus Roterodamus: Selecta (mit Zweittexten). Ausgewählt und bearbeitet von Burkhardt Tutsch. MMO Verlag zur Förderung des Mittel- und Neulateinischen, Butjadingen 2008, ISBN 978-3-9811144-3-0 (Schullektüre).


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