Die Sepsis
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Die Sepsis
Die Sepsis (altgriechisch σῆψις sēpsis „Fäulnis“), umgangssprachlich auch „Blutvergiftung“, ist eine komplexe systemische Entzündungsreaktion des Organismus auf eine Infektion durch Bakterien, deren Toxine oder Pilze.
Seit 1992 werden in diesem Zusammenhang vier separate Schweregrade unterschieden: Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS), Sepsis, schwere Sepsis und septischer Schock. Die Sepsis als solche ist definiert als ein SIRS mit nachgewiesener Infektion (siehe unten bei „Diagnosekriterien“).
Im Verlauf der Sepsis kommt es häufig zu einer lebensbedrohlichen Störung der Vitalfunktionen und zum Versagen eines oder mehrerer Organe (Multiorganversagen). Die Intensivmedizin kann durch vorübergehenden Ersatz oder Unterstützung der Organfunktionen (Beatmung, Nierenersatztherapie, Kreislauftherapie, Gerinnungstherapie) kritische Phasen überbrücken. Trotzdem ist die Sepsis als eine sehr schwere Erkrankung zu werten und die Prognose äußerst ernst: 30–50 % der Erkrankten sterben trotz maximaler Therapie. Der frühestmögliche Therapiebeginn ist entscheidend für ein Überleben. In Deutschland erkranken jährlich 150.000 Menschen an einer Sepsis; 56.300 davon sterben.
Epidemiologie
Die Häufigkeit (Inzidenz) der Sepsis hat sich in den USA im Verlauf von Jahrzehnten auf etwa 3 pro 1000 Einwohner und Jahr gesteigert, wobei Frauen etwas seltener betroffen sind.[1] In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 150.000 Menschen an einer Sepsis.[2] Etwa jeder zweite an einer schweren Sepsis Erkrankte stirbt daran.[3] Mit 162 Todesfällen täglich steht die Sepsis nach dem Herzinfarkt an dritter Stelle der Todesursachen in Deutschland.[4]
Definitionen
Die vielfältigen Vorgänge und Schädigungsmechanismen im Rahmen einer Sepsis machen eine Definition schwer.
„Eine Sepsis liegt dann vor, wenn sich innerhalb des Körpers ein Herd gebildet hat, von dem kontinuierlich oder periodisch pathogene Bakterien in den Kreislauf gelangen und zwar derart, dass durch diese Invasion subjektive und objektive Krankheitserscheinungen ausgelöst werden“
– klassische Formulierung stammt von Hugo Schottmüller (1914)[5]
„Sepsis ist die Gesamtheit der lebensbedrohlichen klinischen Krankheitserscheinungen und pathophysiologischen Veränderungen als Reaktion auf die Aktion pathogener Keime und ihrer Produkte, die aus einem Infektionsherd in den Blutstrom eindringen, die großen biologischen Kaskadensysteme und spezielle Zellsysteme aktivieren und die Bildung und Freisetzung humoraler und zellulärer Mediatoren auslösen.“
– moderne Definition von Schuster und Werdan (2005)[6]
Diagnosekriterien und Einteilung
Auf einer internationalen Konsensuskonferenz wurden 1992 Definition und Diagnosekriterien von SIRS, Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock einheitlich definiert.[7][8]
Ein Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS) ist demnach gegeben, wenn zwei Kriterien der untenstehenden Kriteriengruppe II erfüllt sind. Eine Sepsis liegt bei einem zusätzlichen Nachweis einer Infektion vor (I und II). Kommt mindestens eine akute, durch die Sepsis sekundär bedingte Organschädigung hinzu, spricht man von einer schweren Sepsis (I, II und III erfüllt).
Ein septischer Schock ist bei den Kriterien I und II sowie für wenigstens eine Stunde ein systolischer arterieller Blutdruck unter 90 mmHg bzw. ein mittlerer arterieller Blutdruck < 65 mmHg oder notwendigem Vasopressoreinsatz, um den systolischen arteriellen Blutdruck > 90 mmHg oder den arteriellen Mitteldruck > 65 mmHg zu halten, gegeben. Die Hypotonie besteht trotz adäquater Volumengabe und ist nicht durch andere Ursachen zu erklären. Da dies mittlerweile in die Gruppe-III-Kriterien mit aufgenommen wurde, ist der „septische Schock“ als Teilmenge der schweren Sepsis zu betrachten, hat jedoch eine deutlich schlechtere Prognose als die schwere Sepsis in ihrer Gesamtheit.
Pathophysiologie
Der Sepsis liegt ein Versagen des Immunsystems zugrunde. Pathogenetisch grundlegend ist das Eindringen von Krankheitserregern oder von deren Toxinen in den Kreislauf. Das Resultat dieses Vorgangs hängt von drei Faktoren ab:
Zahl, Pathogenität und Virulenz der Erreger
Zustand der körpereigenen Abwehrmechanismen
Reaktion des Wirtsorganismus
Unter normalen Umständen ist das Immunsystem des Körpers in der Lage, eingedrungene Erreger durch verschiedene Mechanismen in Schach zu halten. Selbst aus zunächst harmlosen infektiösen Entzündungen kann sich aber eine Sepsis entwickeln, wenn eine oder mehrere von folgenden vier Bedingungen vorliegen:
Eingeschränkte Immunabwehr
Massive Infektion mit vielen oder aggressiven Erregern
Eindringen der Erreger in strukturell schlecht geschützte Körperregionen (beispielsweise Bauchhöhle, Gehirn, Lunge)
Fehlende Behandlung und schrittweises Überwinden der Immunabwehr
In der Folge kommt es, meist über den Blutkreislauf, zu einer Ausbreitung der Infektion auf den gesamten Körper. Die im Falle einer Lokalinfektion sinnvolle Entzündungsreaktion entwickelt sich nun zum eigentlichen Motor der Sepsis. In einer überschießenden Reaktion freigesetzte große Mengen an Überträgerstoffen führen zu einer Entzündung des gesamten Körpers unter anderem mit Schwellungen, Durchblutungsstörungen und Sauerstoffmangel, ohne dass sie der Erregerbekämpfung nützten. Sind einmal lebenswichtige Organe davon betroffen, kann der daraus folgende Verlust ihrer Funktionsfähigkeit schnell zum eigentlichen begrenzenden Faktor für das Überleben der Patienten werden.
Von Seiten des Wirtsorganismus wird heute eine initiale Reaktion von Monozyten und Makrophagen als gesichert angesehen. Dabei sind bei septischer Reaktion auf gramnegative Keime vor allem Makrophagen, auf grampositive Keime insbesondere T-Lymphozyten maßgeblich. In der Folge kommt es zur Freisetzung und Wirkung von Zytokinen (Tumor-Nekrose-Faktor (TNF), Interleukinen und Interferonen) und Lipidmediatoren (Thromboxan, Prostaglandine, Leukotriene und plättchenagglutinierender Faktor (PAF)). Direkt ursächlich für die Kreislaufdestabilisation sind unter anderem Gerinnungsstörungen, Hemmung katecholaminsensitiver Rezeptoren, Endothelzellschädigung und eine exzessive NO-Freisetzung.
Diagnostik
Das SIRS ist die unspezifische Systemreaktion, in deren Zeichen ein Patient zunächst einmal auffällig wird. Werden diese Zeichen gefunden, muss nach einem infektiösen Fokus („Entzündungsherd“) gesucht werden. Gelingt es in einem Untersuchungsverfahren (etwa durch Blutkultur, Trachealabstrich, Sepsis-PCR, usw.), Erreger oder den infektiösen Fokus direkt nachzuweisen, ist damit die Diagnose „Sepsis“ gestellt, die ihrerseits diverse therapeutische Konsequenzen, unter anderem für die Wahl des verwendeten Antibiotikums, hat.
Allgemein wird unterschieden zwischen der Patientendiagnostik (prädiktive Biomarker) und der Erregerdiagnostik (Erregeridentifizierung). Zur Diagnosestellung Sepsis ist der Nachweis eines Erregers in Blutkultur, Trachealabstrich oder anderswo erforderlich. Mit Hilfe einer Biomarkeruntersuchung kann die Sepsis früh erkannt werden. Möglichkeiten zur Früherkennung bestehen in der Bestimmung von Procalcitonin (PCT), Interleukin-6 oder Interleukin-8 und LBP (lipopolysaccharidbindendes Protein), wobei IL-6 der Hauptvermittler der Akutphasenreaktion ist und das LBP zur Differenzierung von bakteriellen und viralen Infektionen dient. Bei Neugeborenen fällt die Sepsis (Neugeborenensepsis) oft durch Apathie und Trinkschwäche, blassen Teint und Blutdruckabfall mit kompensatorischer Steigerung der Herzfrequenz (Tachykardie) auf. Zur Diagnosesicherung kann man IL-6 oder IL-8, CRP (C-reaktives Protein) und PCT (Procalcitonin) im Blut bestimmen.
Die Erregeridentifizierung mittels Sepsis-PCR ist eine neuere Technologie zum Nachweis der die Sepsis auslösenden Bakterien und Pilze. Es wird unterschieden zwischen der Multiplex-PCR (Identifizierung einer begrenzten Anzahl von Erregern) und der Breitband-PCR (Identifizierung aller Erreger). Der Sepsis-PCR wird großes Potential für die schnelle Sepsisdiagnostik zugetraut, allerdings wird sie bislang erst durch wenige klinische Studien gestützt.
Therapie
Die schwere Sepsis mit Organbeteiligung und der septische Schock erfordern Behandlungsmethoden der Intensivmedizin. Die Therapie muss schon vor dem definitiven Erregernachweis eingeleitet werden, da jede verstrichene Zeit die Überlebenswahrscheinlichkeit verringert.
Gesicherte (evidenzbasierte) Methoden sind:
(Chirurgische) Sanierung des Fokus
Antibiotika: initial breite Abdeckung nach Verdacht (kalkulierte Therapie); nach Vorliegen eines Antibiogramms (Resistenzprüfung) ggf. Wechsel auf eine spezifischere Antibiotikatherapie
Volumenzufuhr zur Einstellung eines ZVD > 8–12 mmHg[9][10] und Einstellung eines arteriellen Mitteldrucks auf ≥ 65 mmHg. Falls die Volumensubstitution alleine nicht ausreicht, ist frühzeitig eine Therapie mit Vasopressoren und/oder positiv inotropen Substanzen zu erwägen (Noradrenalin, Vasopressin); (Dobutamin[9][11]).[9][10] Die zentralvenöse Sauerstoffsättigung (wenn gemischtvenös nicht zur Verfügung steht) soll auf mindestens 70 % eingestellt bzw. gehalten werden.[9]
Optimale Hb-Konzentration mit Hämatokrit > 24–30 % (Hb 8–10 g/dL) ggf. Gabe von Erythrozytenkonzentraten.[10]
Beatmung mit Tidalvolumen von 6 ml/kg Körpergewicht[9] (Lungenprotektion). Strategie des Open-Lung-Konzepts mit Einstellung des PEEP oberhalb des Inflektionspunktes[12] mit Vermeidung der closing-volume-Wirkung.
Weitere Therapieempfehlungen:
Eine Reihe von klinischen Untersuchungen belegt, dass Cortisol in Stressdosierung die Ansprechbarkeit auf Katecholamine verbessern und die Therapiedauer signifikant senken kann. Die Therapie soll innerhalb von 24 h nach Diagnosestellung „septischer Schock“ begonnen werden, wenn trotz ausreichender Volumensubstitution Katecholamine (in steigenden Dosierungen) benötigt werden, um einen adäquaten Blutdruck aufrecht zu halten. Die Therapie wird ausschleichend beendet, sobald keine Katecholamine mehr benötigt werden. Auf Grund neuerer Studiendaten[13][14] wird der Einsatz von Cortisol mit den damit verbundenen Komplikationen inzwischen kritisch gesehen. Nach den aktuellen deutschen Leitlinien zur Sepsis kann der Einsatz „bei Patienten mit therapiefraktärem septischem Schock, die trotz Volumentherapie und Vasopressorentherapie in hoher Dosis nicht zu stabilisieren sind, als ultima ratio Therapie erwogen werden.“[15]
Early Goal-Directed Therapy[16] (frühe zielgerichtete Therapie)
Häufige Nebenwirkungen sind ein erhöhter Insulinbedarf (steroidinduzierter Diabetes mellitus) und Pseudoaldosteronismus mit Hypernatriämie (>150 mmol/l) und erhöhtem Kaliumbedarf (>240 mmol/d). Bei der Korrektur der hyperglykämischen Stoffwechsellage sollte eine zu starke Blutzuckersenkung vermieden werden. Der Blutzuckerzielbereich sollte zwischen 150 und 200 mg/dl gehalten werden.[17][18]
Die jeweiligen Organbeteiligungen bei der schweren Sepsis erfordern oft unterstützend organersetzende Maßnahmen. Dazu gehören die Beatmungstherapie, Extrakorporale Membranoxygenierung und Nierenersatzverfahren.
Fachgesellschaften und Forschungsbereiche
Obwohl die Sepsis für viele Facharztgruppen ein relevantes Problem ist, wird Sepsis von keiner Medizindisziplin als Schwerpunktaufgabe begriffen. 2007 fand in München der 17th European Congress of Clinical Microbiology and Infectious Diseases gemeinsam mit dem 25th International Congress of Chemotherapy (ECCMID und ICC) statt. Wie schon in den Jahren zuvor war der ECCMID der bedeutendste Kongress zum Thema Infektionskrankheiten in Europa.
Deutsche Antisepsis Stiftung
Deutsche Sepsis-Gesellschaft
Center for Sepsis Control and Care (CSCC)
Europäische Gesellschaft für Intensivmedizin (ESICM)
Internationales Sepsis-Forum (ISF)
Forschungsbereich „Infektionen und Sepsis“ im Genomforschungsnetz
Österreichische Sepsis-Gesellschaft
Siehe auch
Bei der Abklärung folgender Krankheiten (bzw. Syndrome) ist auch an eine Sepsis zu denken:
Akutes Abdomen
Lungenentzündung
Akute Pankreatitis
Harnwegsinfekt
Meningitis
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Seit 1992 werden in diesem Zusammenhang vier separate Schweregrade unterschieden: Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS), Sepsis, schwere Sepsis und septischer Schock. Die Sepsis als solche ist definiert als ein SIRS mit nachgewiesener Infektion (siehe unten bei „Diagnosekriterien“).
Im Verlauf der Sepsis kommt es häufig zu einer lebensbedrohlichen Störung der Vitalfunktionen und zum Versagen eines oder mehrerer Organe (Multiorganversagen). Die Intensivmedizin kann durch vorübergehenden Ersatz oder Unterstützung der Organfunktionen (Beatmung, Nierenersatztherapie, Kreislauftherapie, Gerinnungstherapie) kritische Phasen überbrücken. Trotzdem ist die Sepsis als eine sehr schwere Erkrankung zu werten und die Prognose äußerst ernst: 30–50 % der Erkrankten sterben trotz maximaler Therapie. Der frühestmögliche Therapiebeginn ist entscheidend für ein Überleben. In Deutschland erkranken jährlich 150.000 Menschen an einer Sepsis; 56.300 davon sterben.
Epidemiologie
Die Häufigkeit (Inzidenz) der Sepsis hat sich in den USA im Verlauf von Jahrzehnten auf etwa 3 pro 1000 Einwohner und Jahr gesteigert, wobei Frauen etwas seltener betroffen sind.[1] In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 150.000 Menschen an einer Sepsis.[2] Etwa jeder zweite an einer schweren Sepsis Erkrankte stirbt daran.[3] Mit 162 Todesfällen täglich steht die Sepsis nach dem Herzinfarkt an dritter Stelle der Todesursachen in Deutschland.[4]
Definitionen
Die vielfältigen Vorgänge und Schädigungsmechanismen im Rahmen einer Sepsis machen eine Definition schwer.
„Eine Sepsis liegt dann vor, wenn sich innerhalb des Körpers ein Herd gebildet hat, von dem kontinuierlich oder periodisch pathogene Bakterien in den Kreislauf gelangen und zwar derart, dass durch diese Invasion subjektive und objektive Krankheitserscheinungen ausgelöst werden“
– klassische Formulierung stammt von Hugo Schottmüller (1914)[5]
„Sepsis ist die Gesamtheit der lebensbedrohlichen klinischen Krankheitserscheinungen und pathophysiologischen Veränderungen als Reaktion auf die Aktion pathogener Keime und ihrer Produkte, die aus einem Infektionsherd in den Blutstrom eindringen, die großen biologischen Kaskadensysteme und spezielle Zellsysteme aktivieren und die Bildung und Freisetzung humoraler und zellulärer Mediatoren auslösen.“
– moderne Definition von Schuster und Werdan (2005)[6]
Diagnosekriterien und Einteilung
Auf einer internationalen Konsensuskonferenz wurden 1992 Definition und Diagnosekriterien von SIRS, Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock einheitlich definiert.[7][8]
Ein Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS) ist demnach gegeben, wenn zwei Kriterien der untenstehenden Kriteriengruppe II erfüllt sind. Eine Sepsis liegt bei einem zusätzlichen Nachweis einer Infektion vor (I und II). Kommt mindestens eine akute, durch die Sepsis sekundär bedingte Organschädigung hinzu, spricht man von einer schweren Sepsis (I, II und III erfüllt).
Ein septischer Schock ist bei den Kriterien I und II sowie für wenigstens eine Stunde ein systolischer arterieller Blutdruck unter 90 mmHg bzw. ein mittlerer arterieller Blutdruck < 65 mmHg oder notwendigem Vasopressoreinsatz, um den systolischen arteriellen Blutdruck > 90 mmHg oder den arteriellen Mitteldruck > 65 mmHg zu halten, gegeben. Die Hypotonie besteht trotz adäquater Volumengabe und ist nicht durch andere Ursachen zu erklären. Da dies mittlerweile in die Gruppe-III-Kriterien mit aufgenommen wurde, ist der „septische Schock“ als Teilmenge der schweren Sepsis zu betrachten, hat jedoch eine deutlich schlechtere Prognose als die schwere Sepsis in ihrer Gesamtheit.
Pathophysiologie
Der Sepsis liegt ein Versagen des Immunsystems zugrunde. Pathogenetisch grundlegend ist das Eindringen von Krankheitserregern oder von deren Toxinen in den Kreislauf. Das Resultat dieses Vorgangs hängt von drei Faktoren ab:
Zahl, Pathogenität und Virulenz der Erreger
Zustand der körpereigenen Abwehrmechanismen
Reaktion des Wirtsorganismus
Unter normalen Umständen ist das Immunsystem des Körpers in der Lage, eingedrungene Erreger durch verschiedene Mechanismen in Schach zu halten. Selbst aus zunächst harmlosen infektiösen Entzündungen kann sich aber eine Sepsis entwickeln, wenn eine oder mehrere von folgenden vier Bedingungen vorliegen:
Eingeschränkte Immunabwehr
Massive Infektion mit vielen oder aggressiven Erregern
Eindringen der Erreger in strukturell schlecht geschützte Körperregionen (beispielsweise Bauchhöhle, Gehirn, Lunge)
Fehlende Behandlung und schrittweises Überwinden der Immunabwehr
In der Folge kommt es, meist über den Blutkreislauf, zu einer Ausbreitung der Infektion auf den gesamten Körper. Die im Falle einer Lokalinfektion sinnvolle Entzündungsreaktion entwickelt sich nun zum eigentlichen Motor der Sepsis. In einer überschießenden Reaktion freigesetzte große Mengen an Überträgerstoffen führen zu einer Entzündung des gesamten Körpers unter anderem mit Schwellungen, Durchblutungsstörungen und Sauerstoffmangel, ohne dass sie der Erregerbekämpfung nützten. Sind einmal lebenswichtige Organe davon betroffen, kann der daraus folgende Verlust ihrer Funktionsfähigkeit schnell zum eigentlichen begrenzenden Faktor für das Überleben der Patienten werden.
Von Seiten des Wirtsorganismus wird heute eine initiale Reaktion von Monozyten und Makrophagen als gesichert angesehen. Dabei sind bei septischer Reaktion auf gramnegative Keime vor allem Makrophagen, auf grampositive Keime insbesondere T-Lymphozyten maßgeblich. In der Folge kommt es zur Freisetzung und Wirkung von Zytokinen (Tumor-Nekrose-Faktor (TNF), Interleukinen und Interferonen) und Lipidmediatoren (Thromboxan, Prostaglandine, Leukotriene und plättchenagglutinierender Faktor (PAF)). Direkt ursächlich für die Kreislaufdestabilisation sind unter anderem Gerinnungsstörungen, Hemmung katecholaminsensitiver Rezeptoren, Endothelzellschädigung und eine exzessive NO-Freisetzung.
Diagnostik
Das SIRS ist die unspezifische Systemreaktion, in deren Zeichen ein Patient zunächst einmal auffällig wird. Werden diese Zeichen gefunden, muss nach einem infektiösen Fokus („Entzündungsherd“) gesucht werden. Gelingt es in einem Untersuchungsverfahren (etwa durch Blutkultur, Trachealabstrich, Sepsis-PCR, usw.), Erreger oder den infektiösen Fokus direkt nachzuweisen, ist damit die Diagnose „Sepsis“ gestellt, die ihrerseits diverse therapeutische Konsequenzen, unter anderem für die Wahl des verwendeten Antibiotikums, hat.
Allgemein wird unterschieden zwischen der Patientendiagnostik (prädiktive Biomarker) und der Erregerdiagnostik (Erregeridentifizierung). Zur Diagnosestellung Sepsis ist der Nachweis eines Erregers in Blutkultur, Trachealabstrich oder anderswo erforderlich. Mit Hilfe einer Biomarkeruntersuchung kann die Sepsis früh erkannt werden. Möglichkeiten zur Früherkennung bestehen in der Bestimmung von Procalcitonin (PCT), Interleukin-6 oder Interleukin-8 und LBP (lipopolysaccharidbindendes Protein), wobei IL-6 der Hauptvermittler der Akutphasenreaktion ist und das LBP zur Differenzierung von bakteriellen und viralen Infektionen dient. Bei Neugeborenen fällt die Sepsis (Neugeborenensepsis) oft durch Apathie und Trinkschwäche, blassen Teint und Blutdruckabfall mit kompensatorischer Steigerung der Herzfrequenz (Tachykardie) auf. Zur Diagnosesicherung kann man IL-6 oder IL-8, CRP (C-reaktives Protein) und PCT (Procalcitonin) im Blut bestimmen.
Die Erregeridentifizierung mittels Sepsis-PCR ist eine neuere Technologie zum Nachweis der die Sepsis auslösenden Bakterien und Pilze. Es wird unterschieden zwischen der Multiplex-PCR (Identifizierung einer begrenzten Anzahl von Erregern) und der Breitband-PCR (Identifizierung aller Erreger). Der Sepsis-PCR wird großes Potential für die schnelle Sepsisdiagnostik zugetraut, allerdings wird sie bislang erst durch wenige klinische Studien gestützt.
Therapie
Die schwere Sepsis mit Organbeteiligung und der septische Schock erfordern Behandlungsmethoden der Intensivmedizin. Die Therapie muss schon vor dem definitiven Erregernachweis eingeleitet werden, da jede verstrichene Zeit die Überlebenswahrscheinlichkeit verringert.
Gesicherte (evidenzbasierte) Methoden sind:
(Chirurgische) Sanierung des Fokus
Antibiotika: initial breite Abdeckung nach Verdacht (kalkulierte Therapie); nach Vorliegen eines Antibiogramms (Resistenzprüfung) ggf. Wechsel auf eine spezifischere Antibiotikatherapie
Volumenzufuhr zur Einstellung eines ZVD > 8–12 mmHg[9][10] und Einstellung eines arteriellen Mitteldrucks auf ≥ 65 mmHg. Falls die Volumensubstitution alleine nicht ausreicht, ist frühzeitig eine Therapie mit Vasopressoren und/oder positiv inotropen Substanzen zu erwägen (Noradrenalin, Vasopressin); (Dobutamin[9][11]).[9][10] Die zentralvenöse Sauerstoffsättigung (wenn gemischtvenös nicht zur Verfügung steht) soll auf mindestens 70 % eingestellt bzw. gehalten werden.[9]
Optimale Hb-Konzentration mit Hämatokrit > 24–30 % (Hb 8–10 g/dL) ggf. Gabe von Erythrozytenkonzentraten.[10]
Beatmung mit Tidalvolumen von 6 ml/kg Körpergewicht[9] (Lungenprotektion). Strategie des Open-Lung-Konzepts mit Einstellung des PEEP oberhalb des Inflektionspunktes[12] mit Vermeidung der closing-volume-Wirkung.
Weitere Therapieempfehlungen:
Eine Reihe von klinischen Untersuchungen belegt, dass Cortisol in Stressdosierung die Ansprechbarkeit auf Katecholamine verbessern und die Therapiedauer signifikant senken kann. Die Therapie soll innerhalb von 24 h nach Diagnosestellung „septischer Schock“ begonnen werden, wenn trotz ausreichender Volumensubstitution Katecholamine (in steigenden Dosierungen) benötigt werden, um einen adäquaten Blutdruck aufrecht zu halten. Die Therapie wird ausschleichend beendet, sobald keine Katecholamine mehr benötigt werden. Auf Grund neuerer Studiendaten[13][14] wird der Einsatz von Cortisol mit den damit verbundenen Komplikationen inzwischen kritisch gesehen. Nach den aktuellen deutschen Leitlinien zur Sepsis kann der Einsatz „bei Patienten mit therapiefraktärem septischem Schock, die trotz Volumentherapie und Vasopressorentherapie in hoher Dosis nicht zu stabilisieren sind, als ultima ratio Therapie erwogen werden.“[15]
Early Goal-Directed Therapy[16] (frühe zielgerichtete Therapie)
Häufige Nebenwirkungen sind ein erhöhter Insulinbedarf (steroidinduzierter Diabetes mellitus) und Pseudoaldosteronismus mit Hypernatriämie (>150 mmol/l) und erhöhtem Kaliumbedarf (>240 mmol/d). Bei der Korrektur der hyperglykämischen Stoffwechsellage sollte eine zu starke Blutzuckersenkung vermieden werden. Der Blutzuckerzielbereich sollte zwischen 150 und 200 mg/dl gehalten werden.[17][18]
Die jeweiligen Organbeteiligungen bei der schweren Sepsis erfordern oft unterstützend organersetzende Maßnahmen. Dazu gehören die Beatmungstherapie, Extrakorporale Membranoxygenierung und Nierenersatzverfahren.
Fachgesellschaften und Forschungsbereiche
Obwohl die Sepsis für viele Facharztgruppen ein relevantes Problem ist, wird Sepsis von keiner Medizindisziplin als Schwerpunktaufgabe begriffen. 2007 fand in München der 17th European Congress of Clinical Microbiology and Infectious Diseases gemeinsam mit dem 25th International Congress of Chemotherapy (ECCMID und ICC) statt. Wie schon in den Jahren zuvor war der ECCMID der bedeutendste Kongress zum Thema Infektionskrankheiten in Europa.
Deutsche Antisepsis Stiftung
Deutsche Sepsis-Gesellschaft
Center for Sepsis Control and Care (CSCC)
Europäische Gesellschaft für Intensivmedizin (ESICM)
Internationales Sepsis-Forum (ISF)
Forschungsbereich „Infektionen und Sepsis“ im Genomforschungsnetz
Österreichische Sepsis-Gesellschaft
Siehe auch
Bei der Abklärung folgender Krankheiten (bzw. Syndrome) ist auch an eine Sepsis zu denken:
Akutes Abdomen
Lungenentzündung
Akute Pankreatitis
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