Der Homo ludens
Seite 1 von 1
Der Homo ludens
Der Homo ludens [ˈhɔmoː ˈluːdeːns] (lat. homo ludens, dt. der spielende Mensch) ist ein Erklärungsmodell, wonach der Mensch seine Fähigkeiten vor allem über das Spiel entwickelt:[1] Er entdeckt im Spiel seine individuellen Eigenschaften und wird über die dabei gemachten Erfahrungen zu der in ihm angelegten Persönlichkeit. Spielen wird dabei der Handlungsfreiheit gleichgesetzt und setzt eigenes Denken voraus. Das Modell besagt: Der Mensch braucht das Spiel als elementare Form der Sinn-Findung.[2]
Begriffsherkunft
Der Begriff Homo ludens, zur Kennzeichnung des Spiels als Grundkategorie menschlichen Verhaltens, ist in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts vor allem durch den Titel des gleichnamigen Buches von Johan Huizinga (1938/39) bekannt geworden, in dem dieser die Funktion des Spiels als kulturbildenden Faktor hervorhebt, und aufzuzeigen versucht, dass sich unsere kulturellen Systeme wie Politik, Wissenschaft, Religion, Recht usw. ursprünglich aus spielerischen Verhaltensweisen entwickelt (Selbstorganisation) und über Ritualisierungen im Laufe der Zeit institutionell verfestigt haben. Aus Spiel werde »heiliger Ernst«, und wenn sich die Regeln erst richtig »eingespielt« hätten, seien sie nicht mehr ohne weiteres zu ändern und begännen ihrerseits Zwangscharakter anzunehmen.[3]
Huizinga wählte mit seiner Bezeichnung einen Kontrastbegriff zu der in der philosophischen Anthropologie seit 1928 von Max Scheler verwendeten Typisierung des Homo faber (Anthropologie), die Max Frisch 1957 als Titel für seinen gleichnamigen Erfolgsroman Homo faber (Roman) übernahm. Im Gegensatz zum „Spielenden Menschen“ kennzeichnete diese den „Arbeitenden, handwerklich tätigen Menschen“. Auf dem Sektor der Wirtschaft etablierte sich daneben ein sogenannter Homo oeconomicus.
Homo ludens und Homo faber
Die Spielwissenschaftler Siegbert A. Warwitz und Anita Rudolf charakterisieren den Homo ludens und den Homo faber als zwei unterschiedliche Formen der Weltaneignung im Spiel und ordnen sie anthropologisch der Spezies des Homo sapiens unter:[4] Den Homo ludens beschreiben sie als einen Typus, der im selbstgenügsamen, zweckfreien Spiel über Zufälle und Möglichkeiten Sinn findet und dabei nebenbei Weltkenntnis erwirbt, während der Homo faber das zweckgerichtete, in systematischen Spielfolgen aufgebaute Lernen für den Erfahrungsgewinn nutzt. Während der Homo ludens intrinsisch motiviert spielt, instrumentalisiert der Homo faber das Spiel gezielt als Lernspiel für außerhalb des Spiels liegende Zielsetzungen. Während der Homo ludens eher im ungelenkten freien Spiel der Kinder sichtbar wird, kommt der Homo faber mehr in pädagogischen, psychologischen und therapeutischen Bereichen zum Zuge. (siehe auch Spielwissenschaft, Kinderspiel ).
Weitere Vertreter des Konzepts
Friedrich Schiller hob in seinen Briefen Über die ästhetische Erziehung des Menschen die Bedeutung des Spielens hervor und sprach sich gegen die Spezialisierung und Mechanisierung der Lebensabläufe aus. Nach Schiller ist das Spiel eine menschliche Leistung, die allein in der Lage ist, die Ganzheitlichkeit der menschlichen Fähigkeiten hervorzubringen. Schiller prägte auch die berühmt gewordene Sentenz: »der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.«
Eine der schillerschen ähnliche Kritik an der Reduzierung der Lebensweise übte schließlich auch Herbert Marcuse in seinem 1967 erschienenen Werk Der eindimensionale Mensch, in dem er die mit der Vorherrschaft der »instrumentellen Vernunft« in den Industriegesellschaften einhergehende Beschränkung der Lebensweise und Kultur kritisierte, die keinen Platz mehr für Ganzheit, Persönlichkeitsentfaltung und autonome Selbstwerdung lasse. Ähnlich wie Friedrich Schiller hält Herbert Marcuse daher eine Rückbesinnung auf das Ästhetische und Spielerische für erstrebenswert, um entgegen den allgegenwärtigen Zwängen einen Freiraum für eine menschliche Betätigung nach selbst gewählten Regeln und um ihrer selbst willen zu schaffen.
Auch Künstler wie Asger Jorn (1914–1973) und die situationistische Internationale vertraten solche Ansätze.
Potenzial des Spiels
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Spiel eine grundlegende menschliche Aktivität ist, die Kreativität, und im Wettkampf Energie und Kraft freisetzt. Damit enthält das Spiel das Potenzial, verfestigte Strukturen zu durchbrechen und Innovation hervorzubringen. Deshalb sind spielerische Elemente auch in vielen Kreativitätstechniken und modernen Managementschulungen enthalten, die darauf zielen, neue, kreative und innovative Ergebnisse zu erzeugen. So spricht man auch von einer ludischen Wende in der Medientheorie, die durch die Dominanz von Spielanwendungen auf dem Computer gekennzeichnet ist, und von ludischem Innovationsverhalten.[5][6] Das Spiel scheint eine menschliche Aktivität zu sein, die in der Lage ist, die Elemente einer Situation so zu verändern, dass Neues und Unbekanntes entsteht und Lösungen für scheinbar nicht mehr lösbare Probleme gefunden werden können. Nach Huizinga dient das Spiel auch zur Abfuhr von Affekten. Damit steht er in der Tradition der Aristotelischen Lehre von der Katharsis. Umstritten ist der Ursprung des Sports im Spiel als etwas ursprünglich Menschliches[7] und dem Sport als einer eher neueren Erfindung, die sich nicht aus alten Spielen entwickelt hat.[8]
Siehe auch
Ludografie
Ludologie
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Begriffsherkunft
Der Begriff Homo ludens, zur Kennzeichnung des Spiels als Grundkategorie menschlichen Verhaltens, ist in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts vor allem durch den Titel des gleichnamigen Buches von Johan Huizinga (1938/39) bekannt geworden, in dem dieser die Funktion des Spiels als kulturbildenden Faktor hervorhebt, und aufzuzeigen versucht, dass sich unsere kulturellen Systeme wie Politik, Wissenschaft, Religion, Recht usw. ursprünglich aus spielerischen Verhaltensweisen entwickelt (Selbstorganisation) und über Ritualisierungen im Laufe der Zeit institutionell verfestigt haben. Aus Spiel werde »heiliger Ernst«, und wenn sich die Regeln erst richtig »eingespielt« hätten, seien sie nicht mehr ohne weiteres zu ändern und begännen ihrerseits Zwangscharakter anzunehmen.[3]
Huizinga wählte mit seiner Bezeichnung einen Kontrastbegriff zu der in der philosophischen Anthropologie seit 1928 von Max Scheler verwendeten Typisierung des Homo faber (Anthropologie), die Max Frisch 1957 als Titel für seinen gleichnamigen Erfolgsroman Homo faber (Roman) übernahm. Im Gegensatz zum „Spielenden Menschen“ kennzeichnete diese den „Arbeitenden, handwerklich tätigen Menschen“. Auf dem Sektor der Wirtschaft etablierte sich daneben ein sogenannter Homo oeconomicus.
Homo ludens und Homo faber
Die Spielwissenschaftler Siegbert A. Warwitz und Anita Rudolf charakterisieren den Homo ludens und den Homo faber als zwei unterschiedliche Formen der Weltaneignung im Spiel und ordnen sie anthropologisch der Spezies des Homo sapiens unter:[4] Den Homo ludens beschreiben sie als einen Typus, der im selbstgenügsamen, zweckfreien Spiel über Zufälle und Möglichkeiten Sinn findet und dabei nebenbei Weltkenntnis erwirbt, während der Homo faber das zweckgerichtete, in systematischen Spielfolgen aufgebaute Lernen für den Erfahrungsgewinn nutzt. Während der Homo ludens intrinsisch motiviert spielt, instrumentalisiert der Homo faber das Spiel gezielt als Lernspiel für außerhalb des Spiels liegende Zielsetzungen. Während der Homo ludens eher im ungelenkten freien Spiel der Kinder sichtbar wird, kommt der Homo faber mehr in pädagogischen, psychologischen und therapeutischen Bereichen zum Zuge. (siehe auch Spielwissenschaft, Kinderspiel ).
Weitere Vertreter des Konzepts
Friedrich Schiller hob in seinen Briefen Über die ästhetische Erziehung des Menschen die Bedeutung des Spielens hervor und sprach sich gegen die Spezialisierung und Mechanisierung der Lebensabläufe aus. Nach Schiller ist das Spiel eine menschliche Leistung, die allein in der Lage ist, die Ganzheitlichkeit der menschlichen Fähigkeiten hervorzubringen. Schiller prägte auch die berühmt gewordene Sentenz: »der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.«
Eine der schillerschen ähnliche Kritik an der Reduzierung der Lebensweise übte schließlich auch Herbert Marcuse in seinem 1967 erschienenen Werk Der eindimensionale Mensch, in dem er die mit der Vorherrschaft der »instrumentellen Vernunft« in den Industriegesellschaften einhergehende Beschränkung der Lebensweise und Kultur kritisierte, die keinen Platz mehr für Ganzheit, Persönlichkeitsentfaltung und autonome Selbstwerdung lasse. Ähnlich wie Friedrich Schiller hält Herbert Marcuse daher eine Rückbesinnung auf das Ästhetische und Spielerische für erstrebenswert, um entgegen den allgegenwärtigen Zwängen einen Freiraum für eine menschliche Betätigung nach selbst gewählten Regeln und um ihrer selbst willen zu schaffen.
Auch Künstler wie Asger Jorn (1914–1973) und die situationistische Internationale vertraten solche Ansätze.
Potenzial des Spiels
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Spiel eine grundlegende menschliche Aktivität ist, die Kreativität, und im Wettkampf Energie und Kraft freisetzt. Damit enthält das Spiel das Potenzial, verfestigte Strukturen zu durchbrechen und Innovation hervorzubringen. Deshalb sind spielerische Elemente auch in vielen Kreativitätstechniken und modernen Managementschulungen enthalten, die darauf zielen, neue, kreative und innovative Ergebnisse zu erzeugen. So spricht man auch von einer ludischen Wende in der Medientheorie, die durch die Dominanz von Spielanwendungen auf dem Computer gekennzeichnet ist, und von ludischem Innovationsverhalten.[5][6] Das Spiel scheint eine menschliche Aktivität zu sein, die in der Lage ist, die Elemente einer Situation so zu verändern, dass Neues und Unbekanntes entsteht und Lösungen für scheinbar nicht mehr lösbare Probleme gefunden werden können. Nach Huizinga dient das Spiel auch zur Abfuhr von Affekten. Damit steht er in der Tradition der Aristotelischen Lehre von der Katharsis. Umstritten ist der Ursprung des Sports im Spiel als etwas ursprünglich Menschliches[7] und dem Sport als einer eher neueren Erfindung, die sich nicht aus alten Spielen entwickelt hat.[8]
Siehe auch
Ludografie
Ludologie
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Andy- Admin
- Anzahl der Beiträge : 36059
Anmeldedatum : 03.04.11
Seite 1 von 1
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten
Gestern um 12:17 am von Admin
» Telefunken S950 Settings
So Apr 28, 2024 7:24 am von Admin
» Füllstandanzeige
So Apr 28, 2024 7:16 am von Admin
» ebike controller tester - E-Scooter Fehlersuche Diagnose - Motor / Controller / Gashebel prüfen
Mo März 18, 2024 6:23 am von checker
» Einfach erklärt - Funktionsweiße, Fehlersuche und Tuning. Bürstenloser Nabenmotor
Mo März 18, 2024 6:15 am von checker
» Akne Filme Dr. Pimple Pooper
Sa März 02, 2024 4:50 am von Andy
» R.I.P. Manni
Sa Dez 30, 2023 6:31 am von checker
» R.i.P. Manfred Wüstefeld
So Dez 10, 2023 9:07 am von checker
» R.I.P. Holger
Fr Nov 03, 2023 9:33 pm von Andy