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Die Kriegsenkel

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Die Kriegsenkel Empty Die Kriegsenkel

Beitrag  Andy Fr Sep 18, 2015 9:42 pm

Kriegsenkel sind Menschen der Generation, die in Deutschland etwa zwischen 1960 und 1975 geboren wurden. Es sind die Angehörigen der geburtenstarken Jahrgänge bzw. der Babyboomer bis zum Höhepunkt des so genannten Pillenknicks.[1] Abgeleitet wurde er vom Begriff Kriegskind, der Vorgängergeneration. Der Begriff Kriegsenkel wurde vermutlich zum ersten Mal in der autobiografischen Erzählung „Ich, Rabentochter“ der Autorin Katharina Ohana[2] verwendet, die 2006 erstmals erschien. Weite Verbreitung erfuhr er in Folge der Bestseller von Anne-Ev Ustorf, Wir Kinder der Kriegskinder. 2008, und Sabine Bode Kriegsenkel. 2009. Er hat infolge dieser Publikationen und weiterer, einschlägiger Titel eine starke identifikatorische Kraft entfaltet und wird inzwischen von zahlreichen Vertretern der Jahrgänge ab ca. 1960 wie eine Selbstbezeichnung verwendet.[1]

Phänomen

Die Zuordnung zu den Kriegsenkeln wie auch zu den Kriegskindern erfolgt nicht in erster Linie nach den Jahrgängen, wenn diese auch die Alterskohorte der jeweiligen Gruppe in etwa bestimmen. Wichtig ist vielmehr, welcher Gruppe man sich aufgrund der eigenen Lebenszusammenhänge zugehörig sieht. Die Popularisierung des Begriffs Kriegsenkel erklärt sich aus der Tatsache, dass er Zusammenhänge zwischen den Generationen deutlich macht, die in Deutschland noch um die Jahrtausendwende so nicht gesehen wurden, und die geeignet erscheinen, die eigene Lebensgeschichte neu zu interpretieren und vollständiger zu verstehen.

Eng mit dem Begriffskomplex Kriegsenkel verbunden ist der Terminus „transgenerationale Weitergabe kriegsbedingter Belastungen“. Er wurde von dem Sozialpsychologen und Altersforscher Hartmut Radebold um 2005 in die Diskussion eingeführt.[3] Darunter ist zu verstehen, dass schwerwiegende Erfahrungen im NS-System und während des Zweiten Weltkrieges, also Täterschaft und Schuldverstrickung, Fronteinsätze, Flucht und Vertreibung, Bombenangriffe auf Deutschland und Haft bzw. Konzentrationslager jeweils bewusst oder unbewusst an die Folgegenerationen weitergegeben werden können und damit das Leben von Menschen schwer belasten, die zum Teil Jahrzehnte nach den Ereignissen geboren wurden.[1]

Weil er den Horizont über die eigene Lebensspanne hinaus in die Vergangenheit erweitert, ermöglicht der Begriff Kriegsenkel, offene Fragen im Kontext der eigenen Biografie zu beantworten, die bislang nicht schlüssig aus den eigenen Lebenszusammenhängen zu erklären waren. Mithin erlaubt er also, Erfahrungen persönlichen und beruflichen Scheiterns, existenzieller Brüche, Suchtverhalten oder Depressionen vor dem Hintergrund der eigenen Familiengeschichte als transgenerationale Folgen belastender bis traumatischer Erfahrungen der Eltern neu zu deuten und dadurch in einen anderen Verständnisrahmen einzuordnen. Die Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte in der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg wird dabei vielfach als befreiend erlebt, vorher als diffus wahrgenommene Gefühlslagen klären sich nun.[1]

Die Karriere des Begriffs Kriegsenkel lässt sich somit aus seiner entlastenden Funktion erklären: Wird die eigene Lebensgeschichte nämlich aus generationsübergreifender Sicht interpretiert, kann die Urheberschaft bzw. Schuld an negativen Erfahrungen und Anteilen an die Vorgängergeneration delegiert werden. Die damit verbundene Gefahr besteht freilich darin, sich gleichsam hinter dem Begriff zu verstecken und damit eine produktive und heilende Auseinandersetzung mit problematischen Aspekten der eigenen Familien- und Lebensgeschichte zu verweigern.[1]
Strukturen

Seit Beginn der 2010er-Jahre bildeten sich in vielen deutschen Großstädten unabhängig voneinander so genannte Kriegsenkel-Gruppen. In der Regel auf Initiative von Einzelpersonen und selten wie in Frankfurt am Main auf kirchliche Initiative hin, finden in ihrem Rahmen Menschen zusammen, die am Thema der transgenerationalen Weitergabe belastender Erfahrungen aus Krieg und NS-Gewaltherrschaft interessiert sind bzw. die sich als Kriegsenkel verstehen. Sie suchen den Austausch mit Gleichgesinnten und untersuchen den Einfluss der Kriegskindheit ihrer Eltern und weiterer Familienmitglieder auf ihre eigene Biografie. Im Internet und den sozialen Netzwerken entstanden parallel Plattformen und Foren, die dem Austausch untereinander, der Information über Veranstaltungen sowie Sendungen in Rundfunk und Fernsehen und thematischer Neuerscheinungen zum Thema Kriegsenkel dienen. Auch hier nimmt das Interesse stetig zu.

2010 gründete sich in der damaligen Akademie Sandkrughof in Lauenburg an der Elbe der Verein „Kriegsenkel e.V.“ . Er hat sich zum Ziel gesetzt, Anlaufstelle für Betroffene oder Interessierte zu sein, Menschen miteinander in Verbindung zu bringen und Informationen aus Forschung, Politik, Medien, Literatur sowie Kunst zu bündeln, die das Thema „Kriegsenkel“ zum Inhalt haben. Der Verein führt einmal im Jahr eine Herbsttagung durch, die an eine breitere Öffentlichkeit gerichtet ist. Inhaltlich geht es dabei jeweils um einen Aspekt des Kriegsenkel-Themas. Der Titel der Herbsttagung 2014 spiegelte das unter Kriegsenkeln verbreitete Problem einer tief empfundenen Heimatlosigkeit und ihre Sehnsucht nach existenzieller Verwurzelung. Er lautete: „Kein Ort, nirgends? Kriegsenkel zwischen Sehnsucht nach Stabilität und ständigem Aufbruch.“

Der erste und bislang einzige wissenschaftliche Fachkongress zum Thema fand 2012 an der Universität Göttingen unter dem Titel „Die Kinder der Kriegskinder und die späten Folgen des NS-Terrors“ statt, ausgerichtet durch die Gesellschaft für psychohistorische Forschung und politische Psychologie GPPP.[4] Insgesamt lassen die beschriebenen Aktivitäten den Schluss zu, dass es sich hierbei um eine entstehende neue soziale Bewegung handelt, die als „Kriegsenkel-Bewegung“ bezeichnet werden kann.[5]
Bedeutung

Das wachsende Interesse an den lokalen Kriegsenkelgruppen und an der Arbeit des Vereins Kriegsenkel e.V., die zunehmende Frequentierung Kriegsenkel-bezogener Angebote im Internet und die hohen Auflagen der einschlägigen Veröffentlichungen zum Thema legen nahe, dass „Kriegsenkel“ von vielen Angehörigen der mittleren Generation in Deutschland inzwischen als Generationensignatur gewertet wird. Die in den 1960er und 1970er Jahren Geborenen, die sich lange im Schatten ihrer Vorgänger, den sogenannten 68ern, bewegten und denen man nicht selten Kontur-und Profillosigkeit attestierte, scheinen als Kriegsenkel ihr Thema, ihre Generationenaufgabe und damit ihr historisches Profil gefunden zu haben.[1] Inzwischen treten zunehmend auch Menschen an die Öffentlichkeit, die sich als „Kriegsurenkel“ verstehen. Sie sind die Enkel und Urenkel der Kriegs-Erlebnisgeneration; und zugleich die Kinder der Kriegsenkel.[6]

Quelle - Literatur & Einzelnachweise
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