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Die Ressource Mensch muss optimiert werden

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Beitrag  checker Fr Apr 13, 2012 10:28 am

"Work Hard, Play Hard" zeigt, wie das letzte bisschen Leistung aus Arbeitskräften herausgepresst werden soll. Und zwar mit einer Art Gehirnwäsche. Willkommen in der neuen Arbeitswelt.

Die Ressource Mensch muss optimiert werden Won-OV90WORKK-ingest-won-still

Am besten wird man "Work Hard, Play Hard" wohl als Horrorfilm bezeichnen. Nun spielt er fast ausschließlich in lichtdurchfluteten Räumen, die handelnden Personen gehen ausnehmend höflich miteinander um und treffen sich an Coffee Points, um bei einem Latte über Wetter und Fußball zu plaudern. Trotzdem, und obwohl sich Carmen Losmanns Film als Dokumentation begreift, bestehe ich darauf: Dies ist ein Gruselfilm.

Er spielt in unserer zukünftigen Arbeitswelt, wie sie um uns herum bereits im Entstehen begriffen ist. In der Hamburger Hafencity zum Beispiel, mit der Zentrale des Verbrauchsgüterkonzerns Unilever. Losmann lässt die Architekten aus der Auslobung vorlesen, worin das Unternehmen definiert, es gehe nicht nur um Funktionalität und Repräsentation, sondern auch um Atmosphäre: Das Gebäude solle die Mitarbeiter nicht daran erinnern, dass sie arbeiteten.

Bessere Motivation, mehr Leistung

Insofern ist der Titel "Work Hard, Play Hard" fast etwas irreführend, denn er konstruiert genau den Gegensatz zwischen Arbeit und Freizeit, den die schöne neue Arbeitswelt uns vergessen machen möchte: Dem idealen Mitarbeiter bedeutet der Beruf die reine Freude – und deshalb kann er auch rund um die Uhr im Dienst sein.

Die Rationalisierung wird aus den Arbeitsprozessen bald die letzten Reserven gequetscht haben, nun geht es darum, die Ressource Mensch zu optimieren: mit besserer Motivation zu noch mehr Leistung, zur einer "Megawachstumsmentalität", wie es der Unilever-Chef seinen Unterlingen im locker-flockig-coffeepointbestückten Treppenhaus der neuen Zentrale verklickert.

Carmen Losmann beschreibt, mit welchen Methoden das letzte Quäntchen Leistung aus uns herausgepresst werden soll. Ein Experte empfiehlt, den Arbeitsplatz wie einen Wohnraum zu gestalten, "ein Stück Wärme im Rahmen eines Business-Umfelds" zu schaffen, allerdings mit Orangetönen statt mit braunen, denn letztere würden zu sehr an heimelige Gemütlichkeit erinnern.

Die Bürowelten sollen umgebaut werden

Ein weiterer Experte beschreibt das Konzept der Leistungssteigerung durch Vereinzelung, obwohl er es nicht so nennt. Bei ihm heißt das "non-territorialer Arbeitsplatz" und "Hotelling", wobei man sich bei Arbeitsantritt (pardon, ein altmodischer Begriff) einen Computer mit Tisch und Stuhl bucht, natürlich jeden Morgen einen anderen, so dass man nie neben dem gleichen Kollegen sitzt.

Um trotzdem so etwas wie "Firmenzusammengehörigkeitsgefühl" zu simulieren, fügt der Experte hinzu, und er scheint es wirklich nicht zynisch zu meinen, habe man die Coffee Points eingerichtet. Die Tür zum Einzelkämpfertum par excellence, der Heimarbeit, öffnet Carmen Losmann nicht einmal; ihr geht es um den Umbau der Bürowelten.

Ein weiteres gruseliges Kapitel stellen die Verbrüderungsrituale in der freien Natur dar, durch die der Mannschaftsgeist gestärkt werden soll: mit einer Rolle an einem Seil von Baum zu Baum hangeln, und – besonders würdelos – das gemeinsame Kriechen durch einen unterirdischen Gang mit verbundenen Augen. Aus dem Verhalten der Laborratten zieht der Experte dann seine weisen Schlüsse, und die High Potentials kommen ins Personalentwicklungstöpfchen, die anderen ins Computerkröpfchen.

Team Spirit ist gefordert

Die Regisseurin – besser Registrierende – greift nicht ein, stellt keine Fragen. Sie zeigt lediglich die Indoktrinierungssituation, die oft daher rührt, dass ein Berater dem Arbeitgeber ein leistungssteigerndes Konzept verkauft hat und nun auf die zu Steigernden einredet. Die sitzen wortlos da und lassen den Management Speak über sich ergehen, und müsste man ihre Mienen interpretieren, würde man am ehesten die Sehnsucht herauslesen, das Ganze möge bloß enden.

Doch sie werden gnadenlos weiter zugeschwallt, bevorzugt mit Brocken aus dem Englischen, einer schönen Sprache, die aber zunehmend in Verruf gerät, weil sie uns immer stärker als Botenmedium von Ausbeutungskonzepten begegnet: Team Spirit, Challenge, Feedback, Forming phase, Burning platform und mantramäßig "Change", Change-Agenda, Change-Management, Change-Prozess.

"Work Hard, Play Hard" durchweht eine Eiseskälte, und sie geht von der gläsernen Leistungssteigerungsarchitektur aus und von den kahlen Wänden und von den leer geräumten Tischen, die leer geräumt sein müssen, damit am nächsten Morgen der nächste Nutzer auch keine Spuren hinterlassen kann.

"Vielleicht mehr Leute einstellen"

Mit vielen Worten erzählen die Firmenvertreter von der Hinwendung zum Menschen, und ohne jegliche Worte macht der Film gleichzeitig klar, dass es sich in Wirklichkeit um eine Abwendung vom Menschlichen handelt. Er ist das nüchterne Protokoll einer heimlichen, unheimlichen Verformung, die uns angetan wird.

Ein einziges Mal gewinnt das Raumschiff "Optimierung" Bodenkontakt. Ein Teamleiter fragt morgens nach dem Befinden, eine Frau sagt ehrlich, dass es ihr besser ginge, wenn sie nicht hier wäre, und der Leiter will wissen, was er tun könne, um Abhilfe zu schaffen. "Vielleicht mehr Leute einstellen", murmelt jemand und erntet einen völlig befremdeten Blick, als habe er vorgeschlagen, Günter Grass zum Präsidenten Israels zu ernennen. Ohne weitere Aussprache werden alle zum Leisten geschickt.

Firmen halten das für normal

Der Horror in "Work Hard, Play Hard" ist nichts anderes als der Schrecken, der einen beschleicht, wenn man Zeuge einer Gehirnwäsche wird. So stellt man sich Scientology-Seminare vor. Zunächst scheint der Prediger völligen Humbug zu reden, aber irgendwann beginnen die Gepredigten, seine Phrasen aufzugreifen und sie, unbeholfen noch, selbst zu verwenden – ob aus fortgeschrittener Gehirnerweichung oder aus kalkuliertem Opportunismus, sei dahin gestellt.

Jedenfalls plappern dann auch sie von Integrationsfähigkeit und vom Leuteabholen, interkultureller Kompetenz und Teamplayern, Durchsetzungskraft und Win-win-Situationen, und man windet sich im Kinosessel und hofft inständig, das Leben möge einen davor bewahren, sich derart verbiegen zu müssen.

P.S.: Die Aufnahmen entstanden mit Einwilligung der Firmen, denn die halten alles für völlig normal. Dies verschärft den Horror noch um ein paar Grade.

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