YouTube in der Filter-Falle
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YouTube in der Filter-Falle
Das Hamburger Landgericht verpflichtet YouTube zur strengeren Kontrolle hochgeladener Musiktitel und stärkt damit die Gema im Grundsatzstreit um den Schutz von Urheberrechten. Für das Videoportal bedeutet das Urteil erhebliche Mehrkosten - und auch der Schaden für die YouTube-Kultur könnte beträchtlich sein.
Das Hamburger Gericht, oft für unerwartete und teilweise unverständliche Urteile im Internetrecht gut, hat die Erwartungen enttäuscht - und erfüllt. Enttäuscht war, wer eine klare Lösung des Streits erwartete; zu kompliziert sind Gemengelage und Urteil. Die Erwartungen erfüllt hat das Gericht, weil es eine neue Ausgangslage schafft und damit neue Kontroversen vorprogrammiert sind.
Dabei dürfte Google nicht so sehr schmerzen, dass es für einen nicht entfernten Upload von "Zwei kleine Italiener" künftig mit einem Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft von höchstens sechs Monaten rechnen muss - die zwölf Titel, von denen sieben beanstandet wurden, taugen aber als Beispiel für die große Gesamtfrage: Schützt YouTube die Rechte von Rechteverwertern ausreichend?
Hier hat das Gericht eindeutig festgestellt: YouTube muss stärker darauf achten, welche Videos eingestellt werden und wer im Fall von Beschwerden verantwortlich ist. Dabei hat es der Richter allerdings nicht bei einer Feststellung belassen, vielmehr macht er Google genaue Vorgaben, wie es dabei vorzugehen hat. Neben der bisherigen "Content-ID"-Funktion muss YouTube künftig auch Wortfilter einsetzen - eben jene Wortfilter, die im Laufe des Prozesses die Gema forderte.
Hoher Aufwand für YouTube
Die "Content-ID"-Funktion ist für YouTube eine bequeme Sache: Der Rechteinhaber lädt einen Referenz-Song hoch, von dem ein Google-Algorithmus eine Art digitalen Fingerabdruck erstellt. Wenn nun ein Nutzer ein Video mit dem entsprechenden Lied hochlädt, erkennt der Algorithmus den Urheberrechtsverstoß und sperrt den Clip.
Für Musiklabels mag das funktionieren, doch die Gema hält nicht nur die Rechte an einer bestimmten Aufnahme, sondern an allen Versionen des Songs. Cover-, Live- und Karaokeversionen sind auch Gema-pflichtig, von der Live-Aufnahme eines bekannten Künstlers bis hin zum YouTube-Teenager, der mit seiner Gitarre die Songs seiner Idole nachklampft. All dies möchte die Gema bei YouTube erfassen, und zwar ohne den Aufwand, die acht Millionen Musiktitel in ihrem Repertoire in die "Content-ID"-Datenbank einpflegen zu müssen.
Dass der Richter dem Verwerter diesen Wunsch erfüllt, schmerzt Google auch in der Praxis: Will die Gema einen Song schützen, muss sie nicht das Content-ID-System nutzen. Sie kann in jeder Form, ob per E-Mail, Fax, Brief oder Upload eines Songs auf einen Verstoß hinweisen. YouTube kann nicht mehr den anderen die Arbeit überlassen und muss mit großem Mehraufwand rechnen.
Noch unangenehmer für den Internet-Giganten, vor allem aber für die Nutzer, dürften die Wortfilter sein. Nach den vergebenen Schlagworten soll YouTube künftig feststellen, ob ein Song hochgeladen wurde, der urheberrechtlich geschützt und von der Gema markiert wurde. In der Praxis heißt das: Womöglich erscheint auch bei einer Webcam-Rezension eines Liedes das berühmte "Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar", weil der Uploader nur Künstler und Songname als Schlagwort angegeben hat.
Immerhin muss Google den Wortfilter nicht auf bereits hochgeladene Videos anwenden, doch sobald das Urteil rechtskräftig ist, sieht das anders aus: Meldet die Gema einen Song, muss YouTube den Wortfilter über alle hochgeladenen Videos seit dem Urteilsdatum laufen lassen, um den Titel für Deutschland zu sperren - und auch dafür sorgen, dass keine neuen Uploads hinzukommen.
Dass das Gericht anerkannte, dass YouTube sich die Videos seiner Nutzer nicht zu eigen macht, sondern nur als Störer haftet, also erst nach einem Hinweis auf Urheberrechtsverstöße handeln muss, ist da ein kleiner Trost. Im Falle einer Täterhaftung hätte das Unternehmen von vorneherein alle Videos prüfen und dafür sorgen müssen, dass diese nicht online gehen.
Die Gema hat jetzt ein Druckmittel
Die Gema versetzt das Urteil allerdings in die Lage, Google theoretisch vor sich hertreiben zu können und Urheberhinweis nach Urheberhinweis zu verschicken - und dann genau zu überprüfen, ob der betroffene Musiktitel auch wirklich in allen Versionen blockiert wird.
Die Folgen wären weniger YouTube-Coverversionen, weniger Smartphone-Konzertvideos, weniger Musiktitel. Das dürfte kaum im Sinne der Nutzer sein. Und deshalb hat die Gema nun ein Druckmittel, wenn es darum geht, die Forderung von 0,6 Cent pro aufgerufenem Musikstück bei YouTube durchzusetzen.
Doch sind die Parteien mit dem heutigen Urteil wirklich näher an einer Einigung? "Wir laden die Gema ein, nun endlich an den Verhandlungstisch zurückzukehren und im Sinne der gesamten Musikindustrie eine Lösung zu finden", heißt es in einer Google-Stellungnahme.
Diese freundliche Einladung gab es bereits häufiger. Wahrscheinlicher ist, dass der Internet-Konzern in Berufung geht und die Angelegenheit vor dem Oberlandesgericht Hamburg landet.
Quelle
Das Hamburger Gericht, oft für unerwartete und teilweise unverständliche Urteile im Internetrecht gut, hat die Erwartungen enttäuscht - und erfüllt. Enttäuscht war, wer eine klare Lösung des Streits erwartete; zu kompliziert sind Gemengelage und Urteil. Die Erwartungen erfüllt hat das Gericht, weil es eine neue Ausgangslage schafft und damit neue Kontroversen vorprogrammiert sind.
Dabei dürfte Google nicht so sehr schmerzen, dass es für einen nicht entfernten Upload von "Zwei kleine Italiener" künftig mit einem Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft von höchstens sechs Monaten rechnen muss - die zwölf Titel, von denen sieben beanstandet wurden, taugen aber als Beispiel für die große Gesamtfrage: Schützt YouTube die Rechte von Rechteverwertern ausreichend?
Hier hat das Gericht eindeutig festgestellt: YouTube muss stärker darauf achten, welche Videos eingestellt werden und wer im Fall von Beschwerden verantwortlich ist. Dabei hat es der Richter allerdings nicht bei einer Feststellung belassen, vielmehr macht er Google genaue Vorgaben, wie es dabei vorzugehen hat. Neben der bisherigen "Content-ID"-Funktion muss YouTube künftig auch Wortfilter einsetzen - eben jene Wortfilter, die im Laufe des Prozesses die Gema forderte.
Hoher Aufwand für YouTube
Die "Content-ID"-Funktion ist für YouTube eine bequeme Sache: Der Rechteinhaber lädt einen Referenz-Song hoch, von dem ein Google-Algorithmus eine Art digitalen Fingerabdruck erstellt. Wenn nun ein Nutzer ein Video mit dem entsprechenden Lied hochlädt, erkennt der Algorithmus den Urheberrechtsverstoß und sperrt den Clip.
Für Musiklabels mag das funktionieren, doch die Gema hält nicht nur die Rechte an einer bestimmten Aufnahme, sondern an allen Versionen des Songs. Cover-, Live- und Karaokeversionen sind auch Gema-pflichtig, von der Live-Aufnahme eines bekannten Künstlers bis hin zum YouTube-Teenager, der mit seiner Gitarre die Songs seiner Idole nachklampft. All dies möchte die Gema bei YouTube erfassen, und zwar ohne den Aufwand, die acht Millionen Musiktitel in ihrem Repertoire in die "Content-ID"-Datenbank einpflegen zu müssen.
Dass der Richter dem Verwerter diesen Wunsch erfüllt, schmerzt Google auch in der Praxis: Will die Gema einen Song schützen, muss sie nicht das Content-ID-System nutzen. Sie kann in jeder Form, ob per E-Mail, Fax, Brief oder Upload eines Songs auf einen Verstoß hinweisen. YouTube kann nicht mehr den anderen die Arbeit überlassen und muss mit großem Mehraufwand rechnen.
Noch unangenehmer für den Internet-Giganten, vor allem aber für die Nutzer, dürften die Wortfilter sein. Nach den vergebenen Schlagworten soll YouTube künftig feststellen, ob ein Song hochgeladen wurde, der urheberrechtlich geschützt und von der Gema markiert wurde. In der Praxis heißt das: Womöglich erscheint auch bei einer Webcam-Rezension eines Liedes das berühmte "Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar", weil der Uploader nur Künstler und Songname als Schlagwort angegeben hat.
Immerhin muss Google den Wortfilter nicht auf bereits hochgeladene Videos anwenden, doch sobald das Urteil rechtskräftig ist, sieht das anders aus: Meldet die Gema einen Song, muss YouTube den Wortfilter über alle hochgeladenen Videos seit dem Urteilsdatum laufen lassen, um den Titel für Deutschland zu sperren - und auch dafür sorgen, dass keine neuen Uploads hinzukommen.
Dass das Gericht anerkannte, dass YouTube sich die Videos seiner Nutzer nicht zu eigen macht, sondern nur als Störer haftet, also erst nach einem Hinweis auf Urheberrechtsverstöße handeln muss, ist da ein kleiner Trost. Im Falle einer Täterhaftung hätte das Unternehmen von vorneherein alle Videos prüfen und dafür sorgen müssen, dass diese nicht online gehen.
Die Gema hat jetzt ein Druckmittel
Die Gema versetzt das Urteil allerdings in die Lage, Google theoretisch vor sich hertreiben zu können und Urheberhinweis nach Urheberhinweis zu verschicken - und dann genau zu überprüfen, ob der betroffene Musiktitel auch wirklich in allen Versionen blockiert wird.
Die Folgen wären weniger YouTube-Coverversionen, weniger Smartphone-Konzertvideos, weniger Musiktitel. Das dürfte kaum im Sinne der Nutzer sein. Und deshalb hat die Gema nun ein Druckmittel, wenn es darum geht, die Forderung von 0,6 Cent pro aufgerufenem Musikstück bei YouTube durchzusetzen.
Doch sind die Parteien mit dem heutigen Urteil wirklich näher an einer Einigung? "Wir laden die Gema ein, nun endlich an den Verhandlungstisch zurückzukehren und im Sinne der gesamten Musikindustrie eine Lösung zu finden", heißt es in einer Google-Stellungnahme.
Diese freundliche Einladung gab es bereits häufiger. Wahrscheinlicher ist, dass der Internet-Konzern in Berufung geht und die Angelegenheit vor dem Oberlandesgericht Hamburg landet.
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