Wie groß ist der Pharma-Einfluss auf die Ärzte?
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Wie groß ist der Pharma-Einfluss auf die Ärzte?
Pharmaindustrie und Ärzte stehen im Verdacht systematischen Kungelns. Jetzt verspricht die Industrie Offenheit und will veröffentlichen, was sie an Ärzte zahlt – aber erst 2016.
Pharmaindustrie und Ärzte stehen schon seit Jahren im Verdacht systematischen Kungelns. Der Vorwurf von Kritikern lautet: Viele Medikamente kommen dank Ärzten, die von der Industrie beeinflusst werden, in die Anwendung. Und das, obwohl die Präparate nicht für alle Patienten optimal geeignet sind – und womöglich sogar Risiken bergen.
Erinnert wird dann etwa an Medizinskandale wie jenen um das Schmerzmittel Vioxx. Merck hatte das Schmerzmittel 2004 vom Markt genommen, nachdem öffentlich wurde, dass die längere Einnahme des Medikaments mit einem höheren Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko verbunden ist.
Vioxx hatte dem Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt jährlich circa 2,5 Milliarden Dollar gebracht. 2007 einigte sich Merck schließlich mit Vioxx-Patienten auf die Zahlung von Schadenersatz im Umfang von rund fünf Milliarden Dollar.
Beeinflussung ist auf viele Arten möglich
Auch heute noch gibt es Faktoren, die die Beeinflussung von Ärzten begünstigen. Einige Beispiele von A bis Z:
Anwendungsbeobachtungen: Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) gibt es jährlich rund 200 neue Studien, bei denen jeweils wenige Dutzend bis mehrere hundert Ärzte Erfahrungen mit Medikamenten bei ihren Patienten an Hersteller melden. "Sie können sinnvoll sein, um Dinge auszuforschen", sagt KBV-Sprecher Roland Stahl. Laut Kritikern sollen die Kleinstudien, für die Ärzte entschädigt werden, aber vor allem die Zahl der Verordnungen befördern. Selbst der Forschungsleiter von GlaxoSmithKline in Deutschland, Torsten Strohmeyer, wird so zitiert: "Weit über 90 Prozent aller Anwendungsbeobachtungen, die in der Industrie laufen, halte ich für wissenschaftlich nicht angezeigt."
Ghostwriting: "Ein großes Problem ist etwa das Zustandekommen von Fachartikeln über klinische Studien zu neuen Arzneimitteln", sagt der Chef der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig. Pharmafirmen lassen demnach Artikel mit positivem Fazit über neue Produkte von professionellen Schreib-Agenturen verfassen – als Autoren würden namhafte Mediziner genannt. Die Hormonersatz-Therapie etwa in den Wechseljahren soll so gepusht worden sein.
Kongresse: Ein Ausflugsprogramm und Saunagänge zählten zum Programm für Urologen bei einem Workshop eines Pharmaherstellers im finnischen Wintersportort Levi. Die Freiwilligen Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie ahndete den Fall. Doch gesponsorte Kongresse und Fortbildungen geben weiter Anlass für Nachfragen.
Pharmavertreter: "Das eigentliche Problem sind die vielen kleinen Einflussnahmen", sagt Eckhard Schreiber-Weber, Vorstand von Mezis, einer Organisation von Ärzten, die sich Gefallen von der Industrie verbitten. Rund 15.000 Pharmavertreter machten jedes Jahr rund 20 Millionen Besuche bei Ärzten. Sie brächten so neue Produkte in den Markt, die nicht unbedingt mehr nutzen, aber mehr kosten. "Viele Ärzte fühlen sich von Pharmavertretern anerkannt und aufgewertet."
Zeitschriften: Von der Industrie verteilte Zeitschriften zeigen die positiven Seiten neuer Medikamente auf. "Es gibt viele Ärzte, die sich aus diesen unseriösen Quellen informieren, auch weil sie relativ schnell zu lesende Zusammenfassungen klinischer Studien enthalten", sagt Ludwig.
Jetzt aber gibt es Bestrebungen, allzu enge Verflechtungen zwischen Ärzten und Pharma-Industrie zu unterbinden. Denn der Bundesgerichtshof entschied 2012, dass Ärzte, die freiberuflich tätig sind, nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden können – selbst wenn sie Geld der Industrie für die Verordnung bestimmter Arzneimittel nehmen. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) kündigte daher Anfang des Jahres an, diese Gesetzeslücke zu schließen. Doch seither hält man sich in der Koalition bedeckt – die Prüfungen bestehender Regeln liefen, doch die Sache sei nicht so einfach, heißt es im Ministerium.
Europäischer Kodex geplant
Die forschenden Pharmahersteller haben sich allerdings selbst bereits ein Verbot für größere Geschenke an Ärzte auferlegt. Jetzt wollen sie weiter in die Offensive kommen. Bald gebe es einen europäischen Kodex, dann werde für Deutschland festgelegt, wie die Zahlungen an Ärzte veröffentlicht werden sollen, kündigt der Pharmaverband VfA an. 2016 soll es so weit sein.
Der Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Industrie, Holger Diener, verspricht: "Im Internet wird für jeden Patienten einsehbar sein, welche Zuwendungen sein Arzt von welchen Pharma-Unternehmen erhalten hat. Wir werden ein enormes Datenvolumen haben."
Eckhard Schreiber-Weber von Mezis meint dazu: "Transparenz ist ganz in unserem Sinne." Skeptisch bleibe er gleichwohl. Sein Vorschlag: "Die Pharmaindustrie sollte Beeinflussungsstrategien einfach einstellen."
Quelle
Pharmaindustrie und Ärzte stehen schon seit Jahren im Verdacht systematischen Kungelns. Der Vorwurf von Kritikern lautet: Viele Medikamente kommen dank Ärzten, die von der Industrie beeinflusst werden, in die Anwendung. Und das, obwohl die Präparate nicht für alle Patienten optimal geeignet sind – und womöglich sogar Risiken bergen.
Erinnert wird dann etwa an Medizinskandale wie jenen um das Schmerzmittel Vioxx. Merck hatte das Schmerzmittel 2004 vom Markt genommen, nachdem öffentlich wurde, dass die längere Einnahme des Medikaments mit einem höheren Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko verbunden ist.
Vioxx hatte dem Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt jährlich circa 2,5 Milliarden Dollar gebracht. 2007 einigte sich Merck schließlich mit Vioxx-Patienten auf die Zahlung von Schadenersatz im Umfang von rund fünf Milliarden Dollar.
Beeinflussung ist auf viele Arten möglich
Auch heute noch gibt es Faktoren, die die Beeinflussung von Ärzten begünstigen. Einige Beispiele von A bis Z:
Anwendungsbeobachtungen: Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) gibt es jährlich rund 200 neue Studien, bei denen jeweils wenige Dutzend bis mehrere hundert Ärzte Erfahrungen mit Medikamenten bei ihren Patienten an Hersteller melden. "Sie können sinnvoll sein, um Dinge auszuforschen", sagt KBV-Sprecher Roland Stahl. Laut Kritikern sollen die Kleinstudien, für die Ärzte entschädigt werden, aber vor allem die Zahl der Verordnungen befördern. Selbst der Forschungsleiter von GlaxoSmithKline in Deutschland, Torsten Strohmeyer, wird so zitiert: "Weit über 90 Prozent aller Anwendungsbeobachtungen, die in der Industrie laufen, halte ich für wissenschaftlich nicht angezeigt."
Ghostwriting: "Ein großes Problem ist etwa das Zustandekommen von Fachartikeln über klinische Studien zu neuen Arzneimitteln", sagt der Chef der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig. Pharmafirmen lassen demnach Artikel mit positivem Fazit über neue Produkte von professionellen Schreib-Agenturen verfassen – als Autoren würden namhafte Mediziner genannt. Die Hormonersatz-Therapie etwa in den Wechseljahren soll so gepusht worden sein.
Kongresse: Ein Ausflugsprogramm und Saunagänge zählten zum Programm für Urologen bei einem Workshop eines Pharmaherstellers im finnischen Wintersportort Levi. Die Freiwilligen Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie ahndete den Fall. Doch gesponsorte Kongresse und Fortbildungen geben weiter Anlass für Nachfragen.
Pharmavertreter: "Das eigentliche Problem sind die vielen kleinen Einflussnahmen", sagt Eckhard Schreiber-Weber, Vorstand von Mezis, einer Organisation von Ärzten, die sich Gefallen von der Industrie verbitten. Rund 15.000 Pharmavertreter machten jedes Jahr rund 20 Millionen Besuche bei Ärzten. Sie brächten so neue Produkte in den Markt, die nicht unbedingt mehr nutzen, aber mehr kosten. "Viele Ärzte fühlen sich von Pharmavertretern anerkannt und aufgewertet."
Zeitschriften: Von der Industrie verteilte Zeitschriften zeigen die positiven Seiten neuer Medikamente auf. "Es gibt viele Ärzte, die sich aus diesen unseriösen Quellen informieren, auch weil sie relativ schnell zu lesende Zusammenfassungen klinischer Studien enthalten", sagt Ludwig.
Jetzt aber gibt es Bestrebungen, allzu enge Verflechtungen zwischen Ärzten und Pharma-Industrie zu unterbinden. Denn der Bundesgerichtshof entschied 2012, dass Ärzte, die freiberuflich tätig sind, nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden können – selbst wenn sie Geld der Industrie für die Verordnung bestimmter Arzneimittel nehmen. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) kündigte daher Anfang des Jahres an, diese Gesetzeslücke zu schließen. Doch seither hält man sich in der Koalition bedeckt – die Prüfungen bestehender Regeln liefen, doch die Sache sei nicht so einfach, heißt es im Ministerium.
Europäischer Kodex geplant
Die forschenden Pharmahersteller haben sich allerdings selbst bereits ein Verbot für größere Geschenke an Ärzte auferlegt. Jetzt wollen sie weiter in die Offensive kommen. Bald gebe es einen europäischen Kodex, dann werde für Deutschland festgelegt, wie die Zahlungen an Ärzte veröffentlicht werden sollen, kündigt der Pharmaverband VfA an. 2016 soll es so weit sein.
Der Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Industrie, Holger Diener, verspricht: "Im Internet wird für jeden Patienten einsehbar sein, welche Zuwendungen sein Arzt von welchen Pharma-Unternehmen erhalten hat. Wir werden ein enormes Datenvolumen haben."
Eckhard Schreiber-Weber von Mezis meint dazu: "Transparenz ist ganz in unserem Sinne." Skeptisch bleibe er gleichwohl. Sein Vorschlag: "Die Pharmaindustrie sollte Beeinflussungsstrategien einfach einstellen."
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