Wie Drucker-Hersteller die Kunden abzocken
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Wie Drucker-Hersteller die Kunden abzocken
Abgesehen von edlem Whiskey oder Champagner gibt es kaum eine teurere Flüssigkeit: Druckertinte. Doch in Zeiten von Smartphones und Tablets schrumpft der Drucker-Markt und damit auch die Nachfrage nach Tinte - dem lukrativsten Geschäft der Hersteller. Die wissen sich offenbar nur noch mit Tricks zu helfen.
Zwischen einem Wettcafé und einem Imbiss, einige Hundert Meter vom Bahnhof entfernt, hat Hasan Özer eine der teuersten Flüssigkeiten der Welt verkauft. Fünf Jahre lang. Nun stehen in seinem Laden nur noch ein Stuhl und ein paar Kartons. "Wir machen zu", sagt der 32-jährige. Warum? "Es lohnt sich nicht mehr."
Für 0,90 bis 1,50 Euro pro Milliliter, also für bis zu 1500 Euro pro Liter, hat Özer Druckertinte angeboten. Viele Jahre haben die Druckerkonzerne mit Tinte das große Geschäft gemacht. Wer nicht gerade Fan von edelstem Whiskey oder teuerstem Champagner ist, dürfte in seinem Leben niemals mehr für eine Flüssigkeit bezahlen.
Doch mit der zunehmenden Verbreitung von Smartphones und Tabloid-Computern wird weniger gedruckt. Der weltgrößte Druckerhersteller Hewlett Packard (HP) hat im vergangenen Jahr 15 Prozent weniger Drucker verkauft. Die Marktforscher von IDC schätzen, dass der Markt insgesamt um zehn Prozent geschrumpft ist - und dass in Zukunft noch weniger Drucker verkauft werden. Für die Konzerne ist das ein doppeltes Problem: Wenn sie heute weniger Geräte loswerden, verdienen sie morgen weniger mit Tinte, dem eigentlich lukrativen Geschäft. Was werden sie tun? Hasan Özer sagt: "Wenn es läuft wie bisher, werden sie sich ein paar technische Tricks einfallen lassen, um den Einsatz von günstiger Tinte unattraktiver zu machen."
Drucker sind viel billiger geworden
Die günstigsten Drucker gibt es heute für 60 Euro. "Die Preise sind in den vergangenen Jahren sehr stark gefallen", sagt Dirk Lorenz, der bei der Stiftung Warentest für Drucker zuständig ist. Selbst bei den günstigen Geräten sei die Qualität inzwischen so gut, dass sie kaum zu verbessern sei. "Ein 60-Euro-Drucker kann heute das, wofür sie vor 20 Jahren ein komplettes Fotolabor gebraucht haben." Gleichzeitig koste ein Drucker heute nicht mal ein Fünftel des Preises von vor zehn Jahren.
Trotz des Preisverfalls ist das Geschäft für HP, Canon, Brother, Samsung und Co. eine Goldgrube. HP hat im vergangenen Jahr mit Druckern und Zubehör 3,6 Milliarden Dollar verdient. Die Idee ist: Drucker günstig unter die Leute bringen, dann an der Tinte verdienen. Oder wie Lexmark im Geschäftsbericht 2012 schreibt: "Zubehör ist immer der wichtigste Profitbringer unseres Geschäftsmodells gewesen."
Um das Prinzip zu verstehen, hilft ein Besuch im Elektronikmarkt. 106 verschiedene Patronenarten alleine für HP listet der Computer auf, der den Kunden bei der Auswahl der passenden Kartusche helfen soll. Von 12,99 Euro bis mehr als 40 Euro. Für den günstigen 60-Euro-Drucker kostet die Kombination aus Farb- und Schwarzpatrone 26 Euro. 190 Seiten schwarz plus 165 Seiten bunt kann man damit angeblich drucken. Die Schwarzpatrone allein kostet 17 Euro. Für eine Textseite wären das neun Cent, fast doppelt so viel wie der Durchschnitt bei Stiftung Warentest.
Billigtinte aus China
Fast mit jedem Druckermodell bringen die Konzerne neue Patronen auf den Markt. Die seien technisch verbessert, heißt es dann. Allerdings dürfte auch das Kalkül dahinterstehen, den Konkurrenten das Leben schwerer zu machen, die am lukrativen Tintengeschäft mitverdienen wollen. Im vergangenen Jahrzehnt öffnete in fast jeder Kleinstadt ein Tinten-Refiller, der günstig Patronen auffüllt. Tintenproduzenten wie Pelikan begannen, die Original-Patronen nachzubauen oder gebrauchte Behälter wieder zu befüllen. Und seit neuestem kämpfen auch Anbieter von Billigtinte aus China um Marktanteile.
Hasan Özer, der Tintenverkäufer aus dem Bahnhofsviertel, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, hat den Wettlauf jahrelang mitgemacht, die Margen fallen sehen. "Inzwischen kann man mit dem Geschäft in größeren Städten kaum noch die Miete zahlen", sagt er. Jetzt sinkt auch noch die Nachfrage: 31 Milliarden Dollar wurden nach Schätzungen der Marktforscher von Lyra 2008 weltweit mit Druckertinte umgesetzt, 29 Milliarden Dollar waren es 2012.
Für die Druckerhersteller also höchste Zeit, sich strategisch neu zu positionieren. In den vergangenen Jahren haben die Konzerne einiges versucht, um den Nachfüllern und Nachbauern die Sache schwer zu machen. Die Innenkammern vieler Patronen sehen aus wie ein Labyrinth. Für Kunden und Nachfüller wie Hasan Özer drängt sich da ein Verdacht auf: Die Zwischenwände sollen das Nachfüllen schwieriger machen. Die Konzerne dagegen winken ab: Die Konstruktion mit verschiedenen Kammern sei technisch notwendig, damit "trotz einer schnellen Bewegung der Tintenpatronen auf dem Druckerschlitten ein stabiler Zufluss der Tinte zum Druckkopf" gewährleistet ist, heißt es etwa von Canon.
Es gibt mehrere technische Komponenten an modernen Druckern, die Kunden, die nicht die Original-Patronen nutzen, ärgern, aus Sicht der Druckerhersteller aber sinnvoll sind. Seit einigen Jahren bauen viele Hersteller beispielsweise Chips auf ihre Patronen. Die dienen dazu, die Seiten zu zählen und den Tintenfüllstand zu kontrollieren. Damit könnten die Kunden vorzeitig auf leere Patronen hingewiesen und Defekte vermieden werden, sagen die Sprecher der Hersteller.
Faktisch heißt das aber: Manche Patronen funktionieren nachgefüllt nicht, weil der Chip sie als leer meldet. Patronen von Alternativanbietern werden nur erkannt, wenn man ein paar Tricks kennt: Das Menü des Druckers umstellen, irgendwelche Sensoren mit Klebeband abdecken, den versteckten Resetknopf drücken. Auf Youtube gibt es Hunderte Videos, die das Prozedere bei verschiedenen Druckern erklären.
Was viele Kunden besonders erzürnt: Offenbar messen die Sensoren vieler Hersteller nicht, wie viel Tinte schon verbraucht wurde, sondern wie viele Seiten - also auch leere Seiten - schon gedruckt wurden. Folge: Der Drucker fordert "Patrone auswechseln", obwohl diese noch voll ist. Die Sendung "Kassensturz" im Schweizer Fernsehen ließ im Januar angeblich leere Patronen testen. Vier Milliliter Tinte konnte ein Fachmann noch absaugen, ein Drittel der ursprünglichen Füllmenge. Eine kürzlich im Auftrag der Grünen erstellte Studie berichtet von einem ähnlichen Fall: 50.000 Seiten hätten nach Zurückstellen des Zählers einer Tonerkartusche noch bedruckt werden können. Schon möglich, heißt es von den Druckerherstellern. Aber es kommt nicht nur auf die Tintenmenge an, sondern auch auf den Zustand anderer Verschleißteile.
Ist das nicht Abzocke?
Doch die Studie im Auftrag der Grünen geht noch weiter. "In Druckern werden auf verschiedene Weisen Zähler eingebaut, um so frühzeitig Neukäufe auszulösen", behauptet Autor Stefan Schridde. Geplante Obsoleszenz, nennen die Fachleute das: Hersteller bauen absichtlich Verschleißteile in ihre Geräte ein, die nach einer gewissen Zeit kaputt gehen - am besten kurz nach dem Ablauf der Garantiezeit. Von einem solchem Fall berichtete auch ein Kunde dem Schweizer Fernsehen. Sein Drucker zeigte kurz nach Ablauf der Garantiezeit die Fehlermeldung: Wartung erforderlich, die Lebensdauer einiger Teile ist abgelaufen. Als er sich aber an die Hotline wandte, sagte der Hersteller, für sein Modell gebe es keine Wartung mehr. Der Drucker blieb funktionsuntüchtig.
Die Warnungen dienten "nicht dazu, die Lebenszeit eines Druckers zu verkürzen sondern, ganz im Gegenteil, einen unnötigen Defekt zu verhindern und somit die Lebenszeit zu verlängern", reagiert Brother auf die Vorwürfe. Es könne beispielsweise zur Abnutzung verschiedener Zahnräder kommen, die weitere Defekte auslösen. Und Canon erklärt: Ein Tintenstrahldrucker müsse - gerade wenn er selten benutzt wird - regelmäßig die Druckköpfe durchspülen, damit diese nicht eintrocknen. Das geschieht mit Tinte, die unten im Drucker von einem Schwamm oder in einem Tank aufgenommen wird. Dieses Resttintenreservoir sei irgendwann voll und müsse ausgewechselt werden, daher die Fehlermeldung. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass der Tank überlaufe und die Wohnung des Kunden beschädige.
Aber stimmt das? Der britische Blogger und Techniktüftler Mike Gurman schraubte seinen Drucker nach einer ähnlichen Fehlermeldung auseinander. Sein Fazit: Der Auffangschwamm war nicht einmal zu einem Drittel gefüllt. Zudem war rund ein Viertel bis die Hälfte der jemals eingesetzten teuren Tinte in dem Reservoir gelandet. Muss das sein? Ist das nicht Abzocke?
"Weisen Sie den Konzernen mal nach, dass diese Angaben nicht stimmen. Unmöglich!"
"Das kann passieren, wenn ein Drucker sehr selten benutzt wird", sagt ein unabhängiger Techniker, der lieber anonym bleiben möchte. "Dann braucht der Drucker überdurchschnittlich viel Tinte zum Reinigen der Druckköpfe." Dass die Konzerne den Einsatz anderer Tinten mit technischen Finessen erschweren, hält er für plausibel. Die Hersteller reagieren unterschiedlich: Brother räumt das unumwunden ein. Canon bestreitet es, HP äußert sich nicht. Aber auch die Erklärungen der Hersteller, warum es die Zähl-Chips, Warnmeldungen und komplizierten Patronen gibt, seien plausibel, sagt der Techniker. "Weisen Sie den Konzernen mal nach, dass diese Angaben nicht stimmen. Unmöglich!"
Die eingebaute Obsoleszenz, die halte er allerdings für Quatsch, sagt der Techniker. Und Brother-Sprecher Theo Reinhert sagt: "Mit der Tinte kann man nur Geld verdienen, so lange das Gerät funktioniert. Wenn das Gerät zu früh kaputt ginge, würde der Kunde die Marke wechseln und das Geschäftsmodell nicht mehr funktionieren."
Lieber betonen die Hersteller, dass Zuverlässigkeit und Langlebigkeit die wesentlichen Voraussetzungen für die Kundenzufriedenheit seien. Und diese Tricks? Da haben sie ganz andere Strategien für die derzeitige Krise: HP steigt aus dem Geschäft mit den Billigdruckern aus. Kodak und Lexmark wollen künftig gar keine Tintenstrahler mehr bauen. Epson sieht ohnehin keine Krise und geht davon aus, dass der Markt wächst, weil sich Tintenstrahler auch im Büroalltag durchsetzen.
Und Hasan Özer? "Ich gehe zurück in die Türkei", sagt er. "Drucker sind ein Geschäft von gestern."
Quelle
Zwischen einem Wettcafé und einem Imbiss, einige Hundert Meter vom Bahnhof entfernt, hat Hasan Özer eine der teuersten Flüssigkeiten der Welt verkauft. Fünf Jahre lang. Nun stehen in seinem Laden nur noch ein Stuhl und ein paar Kartons. "Wir machen zu", sagt der 32-jährige. Warum? "Es lohnt sich nicht mehr."
Für 0,90 bis 1,50 Euro pro Milliliter, also für bis zu 1500 Euro pro Liter, hat Özer Druckertinte angeboten. Viele Jahre haben die Druckerkonzerne mit Tinte das große Geschäft gemacht. Wer nicht gerade Fan von edelstem Whiskey oder teuerstem Champagner ist, dürfte in seinem Leben niemals mehr für eine Flüssigkeit bezahlen.
Doch mit der zunehmenden Verbreitung von Smartphones und Tabloid-Computern wird weniger gedruckt. Der weltgrößte Druckerhersteller Hewlett Packard (HP) hat im vergangenen Jahr 15 Prozent weniger Drucker verkauft. Die Marktforscher von IDC schätzen, dass der Markt insgesamt um zehn Prozent geschrumpft ist - und dass in Zukunft noch weniger Drucker verkauft werden. Für die Konzerne ist das ein doppeltes Problem: Wenn sie heute weniger Geräte loswerden, verdienen sie morgen weniger mit Tinte, dem eigentlich lukrativen Geschäft. Was werden sie tun? Hasan Özer sagt: "Wenn es läuft wie bisher, werden sie sich ein paar technische Tricks einfallen lassen, um den Einsatz von günstiger Tinte unattraktiver zu machen."
Drucker sind viel billiger geworden
Die günstigsten Drucker gibt es heute für 60 Euro. "Die Preise sind in den vergangenen Jahren sehr stark gefallen", sagt Dirk Lorenz, der bei der Stiftung Warentest für Drucker zuständig ist. Selbst bei den günstigen Geräten sei die Qualität inzwischen so gut, dass sie kaum zu verbessern sei. "Ein 60-Euro-Drucker kann heute das, wofür sie vor 20 Jahren ein komplettes Fotolabor gebraucht haben." Gleichzeitig koste ein Drucker heute nicht mal ein Fünftel des Preises von vor zehn Jahren.
Trotz des Preisverfalls ist das Geschäft für HP, Canon, Brother, Samsung und Co. eine Goldgrube. HP hat im vergangenen Jahr mit Druckern und Zubehör 3,6 Milliarden Dollar verdient. Die Idee ist: Drucker günstig unter die Leute bringen, dann an der Tinte verdienen. Oder wie Lexmark im Geschäftsbericht 2012 schreibt: "Zubehör ist immer der wichtigste Profitbringer unseres Geschäftsmodells gewesen."
Um das Prinzip zu verstehen, hilft ein Besuch im Elektronikmarkt. 106 verschiedene Patronenarten alleine für HP listet der Computer auf, der den Kunden bei der Auswahl der passenden Kartusche helfen soll. Von 12,99 Euro bis mehr als 40 Euro. Für den günstigen 60-Euro-Drucker kostet die Kombination aus Farb- und Schwarzpatrone 26 Euro. 190 Seiten schwarz plus 165 Seiten bunt kann man damit angeblich drucken. Die Schwarzpatrone allein kostet 17 Euro. Für eine Textseite wären das neun Cent, fast doppelt so viel wie der Durchschnitt bei Stiftung Warentest.
Billigtinte aus China
Fast mit jedem Druckermodell bringen die Konzerne neue Patronen auf den Markt. Die seien technisch verbessert, heißt es dann. Allerdings dürfte auch das Kalkül dahinterstehen, den Konkurrenten das Leben schwerer zu machen, die am lukrativen Tintengeschäft mitverdienen wollen. Im vergangenen Jahrzehnt öffnete in fast jeder Kleinstadt ein Tinten-Refiller, der günstig Patronen auffüllt. Tintenproduzenten wie Pelikan begannen, die Original-Patronen nachzubauen oder gebrauchte Behälter wieder zu befüllen. Und seit neuestem kämpfen auch Anbieter von Billigtinte aus China um Marktanteile.
Hasan Özer, der Tintenverkäufer aus dem Bahnhofsviertel, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, hat den Wettlauf jahrelang mitgemacht, die Margen fallen sehen. "Inzwischen kann man mit dem Geschäft in größeren Städten kaum noch die Miete zahlen", sagt er. Jetzt sinkt auch noch die Nachfrage: 31 Milliarden Dollar wurden nach Schätzungen der Marktforscher von Lyra 2008 weltweit mit Druckertinte umgesetzt, 29 Milliarden Dollar waren es 2012.
Für die Druckerhersteller also höchste Zeit, sich strategisch neu zu positionieren. In den vergangenen Jahren haben die Konzerne einiges versucht, um den Nachfüllern und Nachbauern die Sache schwer zu machen. Die Innenkammern vieler Patronen sehen aus wie ein Labyrinth. Für Kunden und Nachfüller wie Hasan Özer drängt sich da ein Verdacht auf: Die Zwischenwände sollen das Nachfüllen schwieriger machen. Die Konzerne dagegen winken ab: Die Konstruktion mit verschiedenen Kammern sei technisch notwendig, damit "trotz einer schnellen Bewegung der Tintenpatronen auf dem Druckerschlitten ein stabiler Zufluss der Tinte zum Druckkopf" gewährleistet ist, heißt es etwa von Canon.
Es gibt mehrere technische Komponenten an modernen Druckern, die Kunden, die nicht die Original-Patronen nutzen, ärgern, aus Sicht der Druckerhersteller aber sinnvoll sind. Seit einigen Jahren bauen viele Hersteller beispielsweise Chips auf ihre Patronen. Die dienen dazu, die Seiten zu zählen und den Tintenfüllstand zu kontrollieren. Damit könnten die Kunden vorzeitig auf leere Patronen hingewiesen und Defekte vermieden werden, sagen die Sprecher der Hersteller.
Faktisch heißt das aber: Manche Patronen funktionieren nachgefüllt nicht, weil der Chip sie als leer meldet. Patronen von Alternativanbietern werden nur erkannt, wenn man ein paar Tricks kennt: Das Menü des Druckers umstellen, irgendwelche Sensoren mit Klebeband abdecken, den versteckten Resetknopf drücken. Auf Youtube gibt es Hunderte Videos, die das Prozedere bei verschiedenen Druckern erklären.
Was viele Kunden besonders erzürnt: Offenbar messen die Sensoren vieler Hersteller nicht, wie viel Tinte schon verbraucht wurde, sondern wie viele Seiten - also auch leere Seiten - schon gedruckt wurden. Folge: Der Drucker fordert "Patrone auswechseln", obwohl diese noch voll ist. Die Sendung "Kassensturz" im Schweizer Fernsehen ließ im Januar angeblich leere Patronen testen. Vier Milliliter Tinte konnte ein Fachmann noch absaugen, ein Drittel der ursprünglichen Füllmenge. Eine kürzlich im Auftrag der Grünen erstellte Studie berichtet von einem ähnlichen Fall: 50.000 Seiten hätten nach Zurückstellen des Zählers einer Tonerkartusche noch bedruckt werden können. Schon möglich, heißt es von den Druckerherstellern. Aber es kommt nicht nur auf die Tintenmenge an, sondern auch auf den Zustand anderer Verschleißteile.
Ist das nicht Abzocke?
Doch die Studie im Auftrag der Grünen geht noch weiter. "In Druckern werden auf verschiedene Weisen Zähler eingebaut, um so frühzeitig Neukäufe auszulösen", behauptet Autor Stefan Schridde. Geplante Obsoleszenz, nennen die Fachleute das: Hersteller bauen absichtlich Verschleißteile in ihre Geräte ein, die nach einer gewissen Zeit kaputt gehen - am besten kurz nach dem Ablauf der Garantiezeit. Von einem solchem Fall berichtete auch ein Kunde dem Schweizer Fernsehen. Sein Drucker zeigte kurz nach Ablauf der Garantiezeit die Fehlermeldung: Wartung erforderlich, die Lebensdauer einiger Teile ist abgelaufen. Als er sich aber an die Hotline wandte, sagte der Hersteller, für sein Modell gebe es keine Wartung mehr. Der Drucker blieb funktionsuntüchtig.
Die Warnungen dienten "nicht dazu, die Lebenszeit eines Druckers zu verkürzen sondern, ganz im Gegenteil, einen unnötigen Defekt zu verhindern und somit die Lebenszeit zu verlängern", reagiert Brother auf die Vorwürfe. Es könne beispielsweise zur Abnutzung verschiedener Zahnräder kommen, die weitere Defekte auslösen. Und Canon erklärt: Ein Tintenstrahldrucker müsse - gerade wenn er selten benutzt wird - regelmäßig die Druckköpfe durchspülen, damit diese nicht eintrocknen. Das geschieht mit Tinte, die unten im Drucker von einem Schwamm oder in einem Tank aufgenommen wird. Dieses Resttintenreservoir sei irgendwann voll und müsse ausgewechselt werden, daher die Fehlermeldung. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass der Tank überlaufe und die Wohnung des Kunden beschädige.
Aber stimmt das? Der britische Blogger und Techniktüftler Mike Gurman schraubte seinen Drucker nach einer ähnlichen Fehlermeldung auseinander. Sein Fazit: Der Auffangschwamm war nicht einmal zu einem Drittel gefüllt. Zudem war rund ein Viertel bis die Hälfte der jemals eingesetzten teuren Tinte in dem Reservoir gelandet. Muss das sein? Ist das nicht Abzocke?
"Weisen Sie den Konzernen mal nach, dass diese Angaben nicht stimmen. Unmöglich!"
"Das kann passieren, wenn ein Drucker sehr selten benutzt wird", sagt ein unabhängiger Techniker, der lieber anonym bleiben möchte. "Dann braucht der Drucker überdurchschnittlich viel Tinte zum Reinigen der Druckköpfe." Dass die Konzerne den Einsatz anderer Tinten mit technischen Finessen erschweren, hält er für plausibel. Die Hersteller reagieren unterschiedlich: Brother räumt das unumwunden ein. Canon bestreitet es, HP äußert sich nicht. Aber auch die Erklärungen der Hersteller, warum es die Zähl-Chips, Warnmeldungen und komplizierten Patronen gibt, seien plausibel, sagt der Techniker. "Weisen Sie den Konzernen mal nach, dass diese Angaben nicht stimmen. Unmöglich!"
Die eingebaute Obsoleszenz, die halte er allerdings für Quatsch, sagt der Techniker. Und Brother-Sprecher Theo Reinhert sagt: "Mit der Tinte kann man nur Geld verdienen, so lange das Gerät funktioniert. Wenn das Gerät zu früh kaputt ginge, würde der Kunde die Marke wechseln und das Geschäftsmodell nicht mehr funktionieren."
Lieber betonen die Hersteller, dass Zuverlässigkeit und Langlebigkeit die wesentlichen Voraussetzungen für die Kundenzufriedenheit seien. Und diese Tricks? Da haben sie ganz andere Strategien für die derzeitige Krise: HP steigt aus dem Geschäft mit den Billigdruckern aus. Kodak und Lexmark wollen künftig gar keine Tintenstrahler mehr bauen. Epson sieht ohnehin keine Krise und geht davon aus, dass der Markt wächst, weil sich Tintenstrahler auch im Büroalltag durchsetzen.
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