Was "Iron Man 3" mit Shakespeare gemeinsam hat
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Was "Iron Man 3" mit Shakespeare gemeinsam hat
"Iron Man" kommt von Ironie: Im dritten Teil der Kinoreihe bekämpft Robert Downey Jr. seinen Erzfeind und die Geister der eigenen Vergangenheit. Und schlägt jeden, der seine Witze nicht versteht.
Manche neigen ja immer noch dazu, Comicverfilmungen zu unterschätzen. Ein Fehler – sie sind die Mythenerzählungen der Gegenwart, postmoderne Heldendramen, die Erben der großen Epen. Der jetzt startende Iron Man 3 ist, sagen wir, Shakespeares Richard III. in jeder Hinsicht ebenbürtig, nur hat Shakespeare eben römisch gezählt.
Ansonsten: Überraschende Plot-Twists, witzige Dialoge, lakonische Helden in eisernen Rüstungen, neurotische, missgebildete Schurken, gedungene Mörder, Spezialeffekte, eine dramatische Bandbreite, die sich mühelos von Tragödie zur Komödie erstreckt – alles da bei Shakespeare und bei Iron Man.
Sogar die berühmte Szene, in der Richard auf dem Schlachtfeld aus dem Sattel rutscht und schreit: "Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd", sogar das kommt so ähnlich auch in Iron Man vor. In Form einer über anderthalb tausend Kilometer angeflogen kommenden Rüstung. Vorher hat sie gegen eine zugekettete Schuppentür gewummert wie ein treues Ross, das die Not seines Herrn spürt. Zum Glück hatte ein technisch begabter Knappe einen Becher Salzsäure parat, das Schloss zu zersetzen.
Tony Stark hat genug Traumata gesammelt
Das finale Scharmützel, wenn Tony Stark – Multimilliardär, Philantrop, Genie – einen vollautomatisierten Kampfanzug nach dem anderen antanzen lässt, um die hitzköpfigen Spontanheilungsgegner einen endlich nicht mehr nachwachsenden Kopf kürzer zu machen, könnte statt in der Industriebrache eines Frachthafens auch gut, wie damals bei Richard, auf den Feldern von Bosworth spielen. Die ganze Cleverness des Konzepts von Iron Man 3 zeigt sich daran, wie die Rollenzuweisungen verschwimmen, Gut und Böse einander so flugs umschwirren, dass man nicht mehr weiß, wer wer ist.
Shakespeares Bösewicht Richard III. besuchen am Vorabend der Schlacht die Geister all derer, die er auf dem Gewissen hat. Tony Stark hat in den ersten beiden Filmen der Serie sowie im Marvel-Potpourri "The Avengers" ausreichend Traumata gesammelt, um ebenfalls allnächtlich von den Gespenstern der eigenen Psyche besucht zu werden.
Stark leidet an Schlaflosigkeit und Angststörungen. Der starre Metallpanzer seines selbst gebauten Iron-Man-Anzugs dient bloß als Ausgleich für seine seelische Dünnhäutigkeit. Könnte die Metapher des Elektromagneten in seiner Brust, der Schrapnellsplitter von seinem Herzen fernhält, irgendwie deutlicher sein?
Der innere Schelm ist ein mächtiger Alliierter
Am Ende, so viel kann verraten werden, wird Stark seine Gespenster los. Shakespeare ließ Richard noch den eigenen Kopf verlieren; der Herzog von Richmond trennte ihn ab und trug ihn als Trophäe heim nach Frankreich. Hier blickt schließlich ein menschlich gewordener Stark seinem angeschrammt herumliegenden Helm in die erloschenen Sehschlitze.
Man muss kein Miesepeter sein, um fest daran zu glauben, dass ich ein anderer ist. Das Iron in Iron Man stand immer schon zu 80 Prozent für Ironie. Stark, gewohnt souverän gespielt vom großen Komödianten Robert Downey Jr., triumphierte stets über seine Gegenspieler, weil sie den Witz nicht kapierten.
Was für ein mächtiger Alliierter der innere Schelm ist, hat sich nie deutlicher gezeigt als in der Szene, in der Stark ohnmächtig ins Meer hinabsinkt, inmitten großer Trümmerstücke, die ihn zu begraben drohen. Da besinnt sich der ironische Anzug der bewährten Methode seines entfernten Verwandten, des Barons Münchhausen: Der Handschuh löst sich, dreht sich um und zieht seinen Träger aus dem Schlick.
Iron Man als Münchhausen-Update
Iron Man ist ein Münchhausen-Update; ist der Flug in der Rüstung nicht vor allem eine technisch versiertere Version des Ritts auf der Kanonenkugel?
In diesem Abenteuer, inklusive "The Avengers" ist es sein viertes, gerät Downey Jr.s sicher geglaubtes Ironie-Monopol zum ersten Mal ins Wanken. Einem nordischen Gott wie Loki, seinem letzter Widersacher, hätte man sowieso keinen Humor zugetraut. Bei Jeff Bridges als machtversessenem Obadiah Stane im ersten Teil war die Überraschung schon größer; immerhin hatte der Mann mal den Big Lebowski gespielt.
Beinharte Fans des Comics mögen nun ein paar Tränen darüber vergießen, wie gnadenlos Ben Kingsleys Mandarin durch den Kakao gezogen wird. Regisseur Shane Black, der mit Downey Jr. schon für sein Spielfilmdebüt "Kiss Kiss Bang Bang" zusammenarbeitete und der den Iron-Man-Franchise vom bisherigen Regisseur Jon Favreau übernommen hat, macht Kingsleys Charakter zu einer bedenkenswerten Witzfigur.
Der Mandarin sieht aus wie Osama bin Laden
Ungefähr um die Mitte des Films stellt sich heraus, dass gar nicht der Mandarin selbst so eiskalt ist, dass einen beim Zusehen fröstelt, sondern nur das Bier, das er eins nach dem anderen aufmacht.
Dieser Mandarin sieht aus wie Osama bin Laden und spricht wie eine Mischung aus arabischem Diktator und Baptistenprediger. Von den klassischen James-Bond-Schurken hat er sich den Hang zur Überlagerung von Sendefrequenzen abgeschaut. Gleichzeitig bedient er sich des Internets mit einer Eleganz, dass jedes zufällig im Kino sitzende Anonymous-Mitglied hinter seiner Guy-Fawkes-Maske vor Neid erblassen wird.
Der Mandarin stellt unmögliche Bedingungen und hält sich nicht an die eigenen Versprechen; ein im Fernsehen übertragener Kopfschuss ist dann einfach doch zu verlockend, auch wenn der Präsident doof genug war, die eigene Position in der Air Force One per Telefonanruf zu verraten.
Kingsley räumt mit Terroristen-Klischees auf
Zwar rührt besonders eine Szene, die einem Bombenattentat mitten in einer belebten amerikanischen Großstadt täuschend ähnlich sieht, schmerzhaft an die frische Erinnerung des Anschlags von Boston. Doch auch deshalb hat Kingsleys Figur ein beträchtliches kathartisches und analytisches Potenzial: Gerade indem sie sämtliche Terroristen-Klischees auf sich vereinigt, räumt sie radikal mit ihnen auf.
Schon weil hier alles andauernd in Schutt und Asche gelegt wird, unter anderem Tony Starks Traumvilla in Malibu, besteht größerer Bedarf an aufräumenden und aufgeräumten Personen. So eine ist Gwyneth Paltrow, gerade zur schönsten Frau der Welt gewählt, was oft nicht so ganz einleuchten will, aber eben doch und unbedingt in ihrer Rolle als Starks Privatsekretärin und Liebhaberin Pepper Potts.
Das grandiose Schauspieler-Quartett komplettiert übrigens Guy Pearce als böser Wissenschaftler Aldrich Killian, dessen Firma "Advanced Idea Mechanics" Teile des menschlichen Körpers nachwachsen lässt. Das klappt nicht besonders, weshalb sie sich stattdessen auf Teile der Iron-Man-Serie verlegen sollte. Da stören spontane Explosionen auch nicht so, ganz im Gegenteil.
Quelle
Manche neigen ja immer noch dazu, Comicverfilmungen zu unterschätzen. Ein Fehler – sie sind die Mythenerzählungen der Gegenwart, postmoderne Heldendramen, die Erben der großen Epen. Der jetzt startende Iron Man 3 ist, sagen wir, Shakespeares Richard III. in jeder Hinsicht ebenbürtig, nur hat Shakespeare eben römisch gezählt.
Ansonsten: Überraschende Plot-Twists, witzige Dialoge, lakonische Helden in eisernen Rüstungen, neurotische, missgebildete Schurken, gedungene Mörder, Spezialeffekte, eine dramatische Bandbreite, die sich mühelos von Tragödie zur Komödie erstreckt – alles da bei Shakespeare und bei Iron Man.
Sogar die berühmte Szene, in der Richard auf dem Schlachtfeld aus dem Sattel rutscht und schreit: "Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd", sogar das kommt so ähnlich auch in Iron Man vor. In Form einer über anderthalb tausend Kilometer angeflogen kommenden Rüstung. Vorher hat sie gegen eine zugekettete Schuppentür gewummert wie ein treues Ross, das die Not seines Herrn spürt. Zum Glück hatte ein technisch begabter Knappe einen Becher Salzsäure parat, das Schloss zu zersetzen.
Tony Stark hat genug Traumata gesammelt
Das finale Scharmützel, wenn Tony Stark – Multimilliardär, Philantrop, Genie – einen vollautomatisierten Kampfanzug nach dem anderen antanzen lässt, um die hitzköpfigen Spontanheilungsgegner einen endlich nicht mehr nachwachsenden Kopf kürzer zu machen, könnte statt in der Industriebrache eines Frachthafens auch gut, wie damals bei Richard, auf den Feldern von Bosworth spielen. Die ganze Cleverness des Konzepts von Iron Man 3 zeigt sich daran, wie die Rollenzuweisungen verschwimmen, Gut und Böse einander so flugs umschwirren, dass man nicht mehr weiß, wer wer ist.
Shakespeares Bösewicht Richard III. besuchen am Vorabend der Schlacht die Geister all derer, die er auf dem Gewissen hat. Tony Stark hat in den ersten beiden Filmen der Serie sowie im Marvel-Potpourri "The Avengers" ausreichend Traumata gesammelt, um ebenfalls allnächtlich von den Gespenstern der eigenen Psyche besucht zu werden.
Stark leidet an Schlaflosigkeit und Angststörungen. Der starre Metallpanzer seines selbst gebauten Iron-Man-Anzugs dient bloß als Ausgleich für seine seelische Dünnhäutigkeit. Könnte die Metapher des Elektromagneten in seiner Brust, der Schrapnellsplitter von seinem Herzen fernhält, irgendwie deutlicher sein?
Der innere Schelm ist ein mächtiger Alliierter
Am Ende, so viel kann verraten werden, wird Stark seine Gespenster los. Shakespeare ließ Richard noch den eigenen Kopf verlieren; der Herzog von Richmond trennte ihn ab und trug ihn als Trophäe heim nach Frankreich. Hier blickt schließlich ein menschlich gewordener Stark seinem angeschrammt herumliegenden Helm in die erloschenen Sehschlitze.
Man muss kein Miesepeter sein, um fest daran zu glauben, dass ich ein anderer ist. Das Iron in Iron Man stand immer schon zu 80 Prozent für Ironie. Stark, gewohnt souverän gespielt vom großen Komödianten Robert Downey Jr., triumphierte stets über seine Gegenspieler, weil sie den Witz nicht kapierten.
Was für ein mächtiger Alliierter der innere Schelm ist, hat sich nie deutlicher gezeigt als in der Szene, in der Stark ohnmächtig ins Meer hinabsinkt, inmitten großer Trümmerstücke, die ihn zu begraben drohen. Da besinnt sich der ironische Anzug der bewährten Methode seines entfernten Verwandten, des Barons Münchhausen: Der Handschuh löst sich, dreht sich um und zieht seinen Träger aus dem Schlick.
Iron Man als Münchhausen-Update
Iron Man ist ein Münchhausen-Update; ist der Flug in der Rüstung nicht vor allem eine technisch versiertere Version des Ritts auf der Kanonenkugel?
In diesem Abenteuer, inklusive "The Avengers" ist es sein viertes, gerät Downey Jr.s sicher geglaubtes Ironie-Monopol zum ersten Mal ins Wanken. Einem nordischen Gott wie Loki, seinem letzter Widersacher, hätte man sowieso keinen Humor zugetraut. Bei Jeff Bridges als machtversessenem Obadiah Stane im ersten Teil war die Überraschung schon größer; immerhin hatte der Mann mal den Big Lebowski gespielt.
Beinharte Fans des Comics mögen nun ein paar Tränen darüber vergießen, wie gnadenlos Ben Kingsleys Mandarin durch den Kakao gezogen wird. Regisseur Shane Black, der mit Downey Jr. schon für sein Spielfilmdebüt "Kiss Kiss Bang Bang" zusammenarbeitete und der den Iron-Man-Franchise vom bisherigen Regisseur Jon Favreau übernommen hat, macht Kingsleys Charakter zu einer bedenkenswerten Witzfigur.
Der Mandarin sieht aus wie Osama bin Laden
Ungefähr um die Mitte des Films stellt sich heraus, dass gar nicht der Mandarin selbst so eiskalt ist, dass einen beim Zusehen fröstelt, sondern nur das Bier, das er eins nach dem anderen aufmacht.
Dieser Mandarin sieht aus wie Osama bin Laden und spricht wie eine Mischung aus arabischem Diktator und Baptistenprediger. Von den klassischen James-Bond-Schurken hat er sich den Hang zur Überlagerung von Sendefrequenzen abgeschaut. Gleichzeitig bedient er sich des Internets mit einer Eleganz, dass jedes zufällig im Kino sitzende Anonymous-Mitglied hinter seiner Guy-Fawkes-Maske vor Neid erblassen wird.
Der Mandarin stellt unmögliche Bedingungen und hält sich nicht an die eigenen Versprechen; ein im Fernsehen übertragener Kopfschuss ist dann einfach doch zu verlockend, auch wenn der Präsident doof genug war, die eigene Position in der Air Force One per Telefonanruf zu verraten.
Kingsley räumt mit Terroristen-Klischees auf
Zwar rührt besonders eine Szene, die einem Bombenattentat mitten in einer belebten amerikanischen Großstadt täuschend ähnlich sieht, schmerzhaft an die frische Erinnerung des Anschlags von Boston. Doch auch deshalb hat Kingsleys Figur ein beträchtliches kathartisches und analytisches Potenzial: Gerade indem sie sämtliche Terroristen-Klischees auf sich vereinigt, räumt sie radikal mit ihnen auf.
Schon weil hier alles andauernd in Schutt und Asche gelegt wird, unter anderem Tony Starks Traumvilla in Malibu, besteht größerer Bedarf an aufräumenden und aufgeräumten Personen. So eine ist Gwyneth Paltrow, gerade zur schönsten Frau der Welt gewählt, was oft nicht so ganz einleuchten will, aber eben doch und unbedingt in ihrer Rolle als Starks Privatsekretärin und Liebhaberin Pepper Potts.
Das grandiose Schauspieler-Quartett komplettiert übrigens Guy Pearce als böser Wissenschaftler Aldrich Killian, dessen Firma "Advanced Idea Mechanics" Teile des menschlichen Körpers nachwachsen lässt. Das klappt nicht besonders, weshalb sie sich stattdessen auf Teile der Iron-Man-Serie verlegen sollte. Da stören spontane Explosionen auch nicht so, ganz im Gegenteil.
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