Georges Moustaki ist gestorben
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Georges Moustaki ist gestorben
Ein Rebell ist er nie gewesen, kein Provokateur und auch kein Schmerzensmann: Ein Nachruf auf den Chansonnier Georges Moustaki, der im Alter von 79 Jahren in Nizza gestorben ist.
Wie schön Wehmut sein kann: Das konnte man bei keinem Sänger so erfahren wie bei Georges Moustaki. Als er vor dreizehn Jahren beim Freiburger Zelt-Musik-Festival gastierte und die große Arena bis zum letzten Platz füllte, dachte man während des gesamten Konzerts an nichts anderes als an verflossene Zeiten: der Jugend, der Liebe, des Glücks, der Frankreichsehnsucht. Vielleicht vor allem an dieses Gefühl appellierte der vollbärtige Barde mit der samtweichen Baritonstimme, der selbst nicht aus dem Herzland des Chansons stammte: heraus aus der deutschen Enge und Ordnungssucht, der Kälte und dem grauen Pflichtgefühl und hinein in die mediterrane Lebenslust; bloß weg von hier in das Land, das die Liebe, den Rotwein und die gute Küche erfunden hat.
So war das damals, in den Sechzigern und Siebzigern, als die Toskanafraktion noch nicht am Start war, dafür aber jemand wie Georges Moustaki sich in die schwergängige deutsche Seele schmeichelte und im immer mehr betonierten Wohlstandswunderland das Bedürfnis nach der Plein-Air-Idylle und dem unbeschwerten Freisein weckte: nicht fordernd, nicht leidenschaftlich, sondern zart und sanft. Ein Rebell ist Georges Moustaki nie gewesen, kein Provokateur und auch kein Schmerzensmann: Schon früh schien er auf der Bühne und in seinen Liedern in einem Zustand von Gelassenheit angekommen zu sein, der ihn viel älter erscheinen ließ, als er war. Es schien, als ob Moustaki sich mit dem Zuwachs an Jahren der Gemütslage seiner Chansons immer mehr annäherte. Die melancholische Rückschau, die Erinnerung machte schon immer ihr Wesen aus. Wenn der Schlachtruf der zur selben Zeit heranwachsenden Rockgeneration: "Forever Young" für einen nicht gilt, dann es das Georges Moustaki gewesen. Bei ihm müsste es eher heißen: "Never Young".
Vielleicht liegt das auch daran, dass er als junger Mensch gleich in eine alte etablierte Szene geriet: Als der 1934 in Alexandria geborene Sohn eines frankophilen jüdisch-griechischen Buchhändlers nach dem Besuch einer französischen Schule 1951 nach Paris kam und begann, erste Chansons zu schreiben, lernte er bald den 13 Jahre älteren großen George Brassens kennen. Der ermutigte ihn, eine Karriere als Musiker einzuschlagen.
In seinen letzten Lebensjahren trat er gerne ganz in Weiß auf
Zum Dank nahm Giuseppe Mustacchi den Vornamen Georges an. 1958 lernte er in der 18 Jahre älteren Edith Piaf ein anderes Idol seiner Jugend kennen und wurde für kurze Zeit ihr Liebhaber. Er schrieb den Text für ihren Welthit "Milord" und arbeitete als Komponist und Dichter auch für andere berühmte Interpreten: für Barbara, Serge Reggiani, Yves Montand und Juliette Gréco. Besonders eng arbeitete er Ende der 60er Jahre mit der Sängerin Barbara zusammen. Wenn sie während einer gemeinsamen Tournee nicht erkrankt wäre, hätte der verehrungsbereite Moustaki den Sprung auf die Bühne vielleicht nie vollzogen. So aber gab er 1968 sein erstes Solokonzert: Es war die Geburt des Sängers Georges Moustaki, der sich mit einigen Liedern in die Hall of Fame des französischen Chansons eingebracht hat. "Ma Liberté" gehört natürlich dazu, ebenso wie "Ma Solitude", "En Méditerranée" und "Le métèque", jenes Lied, in dem der aus Ägypten Eingewanderte seine Existenz als Ausländer besang.
Gern hat man auch immer die alten Kampflieder mitgesummt, "Marche de Sacco et Vanzetti" oder "Nous sommes deux". Georges Moustaki, der in seinen letzten Lebensjahrzehnten am liebsten ganz in Weiß (das Haupthaar eingeschlossen) auftrat, konnte ganze Säle in jene gelöste, nachgerade beseelte Schwingung versetzen, in der der Abschied von dem "Es war einmal" nicht oder nur noch ein ganz kleines bisschen weh tut: Es gibt ja immer noch ein letztes Glas, bevor man das Fenster schließen muss, um sich vor dem Winter zu schützen.
Er selbst wollte das Fenster so spät schließen, wie es eben geht. In seinem letzten Album "Moustaki" von 2004 wünscht er sich in "Je m’en irai (un jour peut-être)", sein letztes Glas im Bett zu trinken, um sich für das Paradies zu berauschen. Nun sind die Klammern des Titels überflüssig geworden. Georges Moustaki ist in Nizza mit gerade noch erreichten 79 Jahren gestorben. Es wäre schön, er wäre so gegangen, wie er es sich vorgestellt hat. Aber meistens bleibt die Wirklichkeit ja doch hinter den Träumen zurück.
Quelle
Wie schön Wehmut sein kann: Das konnte man bei keinem Sänger so erfahren wie bei Georges Moustaki. Als er vor dreizehn Jahren beim Freiburger Zelt-Musik-Festival gastierte und die große Arena bis zum letzten Platz füllte, dachte man während des gesamten Konzerts an nichts anderes als an verflossene Zeiten: der Jugend, der Liebe, des Glücks, der Frankreichsehnsucht. Vielleicht vor allem an dieses Gefühl appellierte der vollbärtige Barde mit der samtweichen Baritonstimme, der selbst nicht aus dem Herzland des Chansons stammte: heraus aus der deutschen Enge und Ordnungssucht, der Kälte und dem grauen Pflichtgefühl und hinein in die mediterrane Lebenslust; bloß weg von hier in das Land, das die Liebe, den Rotwein und die gute Küche erfunden hat.
So war das damals, in den Sechzigern und Siebzigern, als die Toskanafraktion noch nicht am Start war, dafür aber jemand wie Georges Moustaki sich in die schwergängige deutsche Seele schmeichelte und im immer mehr betonierten Wohlstandswunderland das Bedürfnis nach der Plein-Air-Idylle und dem unbeschwerten Freisein weckte: nicht fordernd, nicht leidenschaftlich, sondern zart und sanft. Ein Rebell ist Georges Moustaki nie gewesen, kein Provokateur und auch kein Schmerzensmann: Schon früh schien er auf der Bühne und in seinen Liedern in einem Zustand von Gelassenheit angekommen zu sein, der ihn viel älter erscheinen ließ, als er war. Es schien, als ob Moustaki sich mit dem Zuwachs an Jahren der Gemütslage seiner Chansons immer mehr annäherte. Die melancholische Rückschau, die Erinnerung machte schon immer ihr Wesen aus. Wenn der Schlachtruf der zur selben Zeit heranwachsenden Rockgeneration: "Forever Young" für einen nicht gilt, dann es das Georges Moustaki gewesen. Bei ihm müsste es eher heißen: "Never Young".
Vielleicht liegt das auch daran, dass er als junger Mensch gleich in eine alte etablierte Szene geriet: Als der 1934 in Alexandria geborene Sohn eines frankophilen jüdisch-griechischen Buchhändlers nach dem Besuch einer französischen Schule 1951 nach Paris kam und begann, erste Chansons zu schreiben, lernte er bald den 13 Jahre älteren großen George Brassens kennen. Der ermutigte ihn, eine Karriere als Musiker einzuschlagen.
In seinen letzten Lebensjahren trat er gerne ganz in Weiß auf
Zum Dank nahm Giuseppe Mustacchi den Vornamen Georges an. 1958 lernte er in der 18 Jahre älteren Edith Piaf ein anderes Idol seiner Jugend kennen und wurde für kurze Zeit ihr Liebhaber. Er schrieb den Text für ihren Welthit "Milord" und arbeitete als Komponist und Dichter auch für andere berühmte Interpreten: für Barbara, Serge Reggiani, Yves Montand und Juliette Gréco. Besonders eng arbeitete er Ende der 60er Jahre mit der Sängerin Barbara zusammen. Wenn sie während einer gemeinsamen Tournee nicht erkrankt wäre, hätte der verehrungsbereite Moustaki den Sprung auf die Bühne vielleicht nie vollzogen. So aber gab er 1968 sein erstes Solokonzert: Es war die Geburt des Sängers Georges Moustaki, der sich mit einigen Liedern in die Hall of Fame des französischen Chansons eingebracht hat. "Ma Liberté" gehört natürlich dazu, ebenso wie "Ma Solitude", "En Méditerranée" und "Le métèque", jenes Lied, in dem der aus Ägypten Eingewanderte seine Existenz als Ausländer besang.
Gern hat man auch immer die alten Kampflieder mitgesummt, "Marche de Sacco et Vanzetti" oder "Nous sommes deux". Georges Moustaki, der in seinen letzten Lebensjahrzehnten am liebsten ganz in Weiß (das Haupthaar eingeschlossen) auftrat, konnte ganze Säle in jene gelöste, nachgerade beseelte Schwingung versetzen, in der der Abschied von dem "Es war einmal" nicht oder nur noch ein ganz kleines bisschen weh tut: Es gibt ja immer noch ein letztes Glas, bevor man das Fenster schließen muss, um sich vor dem Winter zu schützen.
Er selbst wollte das Fenster so spät schließen, wie es eben geht. In seinem letzten Album "Moustaki" von 2004 wünscht er sich in "Je m’en irai (un jour peut-être)", sein letztes Glas im Bett zu trinken, um sich für das Paradies zu berauschen. Nun sind die Klammern des Titels überflüssig geworden. Georges Moustaki ist in Nizza mit gerade noch erreichten 79 Jahren gestorben. Es wäre schön, er wäre so gegangen, wie er es sich vorgestellt hat. Aber meistens bleibt die Wirklichkeit ja doch hinter den Träumen zurück.
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