Axiomatische Mengenlehre
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Axiomatische Mengenlehre
Als axiomatische Mengenlehre gilt jede Axiomatisierung der Mengenlehre, die die bekannten Antinomien der naiven Mengenlehre vermeidet. Die verbreitetste Axiomatisierung in der modernen Mathematik ist die Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre mit Auswahlaxiom (ZFC). Zusätzlich wird in der Kategorientheorie und bestimmten Teilen der Algebra oft das Universenaxiom angenommen.
Geschichte und Ausprägungen
Erste Axiomatisierungen der Mengenlehre wurden schon vor der Entdeckung der Mengen-Antinomien versucht, nämlich 1889 von Giuseppe Peano und 1893 von Gottlob Frege, die beide die Arithmetik auf einem Mengen- oder Klassen-Kalkül aufbauten. Da sich aber beide Kalküle - wegen Axiomen, die unbegrenzte Mengenbildung ermöglichen - als inkonsistent erwiesen, rechnet man sie zur naiven Mengenlehre. Unter axiomatischer Mengenlehre versteht man also nur solche Axiomatisierungen, die durch restriktivere Mengenbildung diese Widersprüche der naiven Mengenlehre zu vermeiden suchen.
Zur Vermeidung von Widersprüchen schlug Bertrand Russell einen stufenweisen Aufbau der Mengenlehre vor und entwickelte 1903–1908 seine Typentheorie, die auch als Basis der Principia Mathematica 1910 diente. In ihr hat eine Menge stets einen höheren Typ als ihre Elemente. Aussagen wie „diese Menge enthält sich selbst als Element“, mit der die Russellsche Antinomie gebildet wird, lassen sich in dieser Theorie gar nicht formulieren. Die Typentheorie versucht also, durch eine eingeschränkte Syntax der zulässigen Klassen-Aussagen die Probleme zu lösen. Sie hat bei Russell selbst noch keine axiomatische Form, sondern wurde erst später zu einer relativ komplizierten axiomatischen Theorie ausgebaut. Ihre Widerspruchsfreiheit wurde von Paul Lorenzen nachgewiesen. Die Widerspruchsfreiheit der auf der Typentheorie aufbauenden Principia Mathematica ist aber aufgrund Gödels Unvollständigkeitssatz nicht beweisbar. Die Typentheorie der Principia Mathematica war in der Logik lange Zeit maßgebend, konnte sich aber in der Mathematikpraxis nicht durchsetzen, einerseits wegen ihrer Kompliziertheit und andererseits wegen ihrer Unzulänglichkeit. Sie genügt nämlich nicht, um Cantors Mengenlehre und die Mathematik zu begründen, da ihre sprachlichen Mittel zu schwach sind.
In der Mathematikpraxis setzte sich vielmehr im 20. Jahrhundert nach und nach die von Ernst Zermelo initiierte Form der axiomatischen Mengenlehre durch. Die Zermelo-Mengenlehre von 1907 ist sowohl die Grundlage der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre (ZFC) als auch alternativer Axiomensysteme. ZFC ergibt sich durch Ergänzung von Abraham Fraenkels Ersetzungsaxiom von 1921 und Zermelos Fundierungsaxiom von 1930. Die ursprünglich verbalen Mengenaxiome von Zermelo-Fraenkel wurden unter dem Einfluss von Hilberts Programm, das die Widerspruchsfreiheit grundlegender Axiomensysteme der Mathematik sichern sollte, später streng formalisiert. Die erste Formalisierung (ZFC ohne Fundierung) von Thoralf Skolem aus dem Jahr 1929[1] gab den Anstoß für moderne prädikatenlogische ZFC-Axiomensysteme. In ZFC konnte bisher kein Widerspruch mehr abgeleitet werden. Nachweislich widerspruchsfrei ist aber nur die allgemeine Mengenlehre, das ist nach Fraenkel die ZFC-Mengenlehre ohne Unendlichkeitsaxiom,[2] also die Mengenlehre mit endlichen Mengen; für sie gab Zermelo 1930 ein Modell an.[3] Für die komplette Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ließ sich Hilberts Programm aber nicht durchführen, da Gödels Unvollständigkeitssatz auch für sie gilt, so dass ihre Widerspruchsfreiheit unbeweisbar innerhalb der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ist.
Die Widerspruchsfreiheit relativ zur Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ist auch für viele Erweiterungen, Verallgemeinerungen und Modifikationen gesichert. Zu ihnen gehört die Mengenlehre von John von Neumann von 1925, die auf dem Funktionsbegriff statt auf dem Mengenbegriff aufbaut und nicht nur Mengen, sondern auch echte Klassen einbezieht.[4] Sie bildete den Ausgangspunkt für die Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre, die ZFC für Klassen verallgemeinert und mit endlich vielen Axiomen auskommt, während ZFC Axiomenschemata benötigt. Noch allgemeiner ist die Ackermann-Mengenlehre von 1955, die Cantors Mengendefinition präzise axiomatisch zu interpretieren versucht. Arnold Oberschelp bettete 1974 ZFC in eine allgemeine axiomatische Klassenlogik ein, so dass seine Mengenlehre eine bequeme syntaktisch korrekte Darstellung mit beliebigen Klassentermen erlaubt.
Zu den bekannten Axiomatisierungen, die sich nicht an Cantor oder Zermelo-Fraenkel orientieren, sondern an der Typentheorie, gehört die Mengenlehre von Willard Van Orman Quine, insbesondere dessen New Foundations (NF) aus dem Jahr 1937.
Siehe auch
Scottsches Axiomensystem, eine Alternative zur Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Geschichte und Ausprägungen
Erste Axiomatisierungen der Mengenlehre wurden schon vor der Entdeckung der Mengen-Antinomien versucht, nämlich 1889 von Giuseppe Peano und 1893 von Gottlob Frege, die beide die Arithmetik auf einem Mengen- oder Klassen-Kalkül aufbauten. Da sich aber beide Kalküle - wegen Axiomen, die unbegrenzte Mengenbildung ermöglichen - als inkonsistent erwiesen, rechnet man sie zur naiven Mengenlehre. Unter axiomatischer Mengenlehre versteht man also nur solche Axiomatisierungen, die durch restriktivere Mengenbildung diese Widersprüche der naiven Mengenlehre zu vermeiden suchen.
Zur Vermeidung von Widersprüchen schlug Bertrand Russell einen stufenweisen Aufbau der Mengenlehre vor und entwickelte 1903–1908 seine Typentheorie, die auch als Basis der Principia Mathematica 1910 diente. In ihr hat eine Menge stets einen höheren Typ als ihre Elemente. Aussagen wie „diese Menge enthält sich selbst als Element“, mit der die Russellsche Antinomie gebildet wird, lassen sich in dieser Theorie gar nicht formulieren. Die Typentheorie versucht also, durch eine eingeschränkte Syntax der zulässigen Klassen-Aussagen die Probleme zu lösen. Sie hat bei Russell selbst noch keine axiomatische Form, sondern wurde erst später zu einer relativ komplizierten axiomatischen Theorie ausgebaut. Ihre Widerspruchsfreiheit wurde von Paul Lorenzen nachgewiesen. Die Widerspruchsfreiheit der auf der Typentheorie aufbauenden Principia Mathematica ist aber aufgrund Gödels Unvollständigkeitssatz nicht beweisbar. Die Typentheorie der Principia Mathematica war in der Logik lange Zeit maßgebend, konnte sich aber in der Mathematikpraxis nicht durchsetzen, einerseits wegen ihrer Kompliziertheit und andererseits wegen ihrer Unzulänglichkeit. Sie genügt nämlich nicht, um Cantors Mengenlehre und die Mathematik zu begründen, da ihre sprachlichen Mittel zu schwach sind.
In der Mathematikpraxis setzte sich vielmehr im 20. Jahrhundert nach und nach die von Ernst Zermelo initiierte Form der axiomatischen Mengenlehre durch. Die Zermelo-Mengenlehre von 1907 ist sowohl die Grundlage der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre (ZFC) als auch alternativer Axiomensysteme. ZFC ergibt sich durch Ergänzung von Abraham Fraenkels Ersetzungsaxiom von 1921 und Zermelos Fundierungsaxiom von 1930. Die ursprünglich verbalen Mengenaxiome von Zermelo-Fraenkel wurden unter dem Einfluss von Hilberts Programm, das die Widerspruchsfreiheit grundlegender Axiomensysteme der Mathematik sichern sollte, später streng formalisiert. Die erste Formalisierung (ZFC ohne Fundierung) von Thoralf Skolem aus dem Jahr 1929[1] gab den Anstoß für moderne prädikatenlogische ZFC-Axiomensysteme. In ZFC konnte bisher kein Widerspruch mehr abgeleitet werden. Nachweislich widerspruchsfrei ist aber nur die allgemeine Mengenlehre, das ist nach Fraenkel die ZFC-Mengenlehre ohne Unendlichkeitsaxiom,[2] also die Mengenlehre mit endlichen Mengen; für sie gab Zermelo 1930 ein Modell an.[3] Für die komplette Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ließ sich Hilberts Programm aber nicht durchführen, da Gödels Unvollständigkeitssatz auch für sie gilt, so dass ihre Widerspruchsfreiheit unbeweisbar innerhalb der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ist.
Die Widerspruchsfreiheit relativ zur Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre ist auch für viele Erweiterungen, Verallgemeinerungen und Modifikationen gesichert. Zu ihnen gehört die Mengenlehre von John von Neumann von 1925, die auf dem Funktionsbegriff statt auf dem Mengenbegriff aufbaut und nicht nur Mengen, sondern auch echte Klassen einbezieht.[4] Sie bildete den Ausgangspunkt für die Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre, die ZFC für Klassen verallgemeinert und mit endlich vielen Axiomen auskommt, während ZFC Axiomenschemata benötigt. Noch allgemeiner ist die Ackermann-Mengenlehre von 1955, die Cantors Mengendefinition präzise axiomatisch zu interpretieren versucht. Arnold Oberschelp bettete 1974 ZFC in eine allgemeine axiomatische Klassenlogik ein, so dass seine Mengenlehre eine bequeme syntaktisch korrekte Darstellung mit beliebigen Klassentermen erlaubt.
Zu den bekannten Axiomatisierungen, die sich nicht an Cantor oder Zermelo-Fraenkel orientieren, sondern an der Typentheorie, gehört die Mengenlehre von Willard Van Orman Quine, insbesondere dessen New Foundations (NF) aus dem Jahr 1937.
Siehe auch
Scottsches Axiomensystem, eine Alternative zur Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre
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