Der Kindermord in Betlehem
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Der Kindermord in Betlehem
Als Kindermord in Betlehem bezeichnet die christliche Tradition die in der Weihnachtsgeschichte des Matthäusevangeliums (Mt 2 EU) überlieferte Tötung aller männlichen Kleinkinder in Bethlehem, die von König Herodes des Großen angeordnet wurde, um den neugeborenen König Israels, Jesus von Nazaret, zu beseitigen.
Darstellung des betlehemitischen Kindermords in der barocken Krippe von Gutenzell
Biblische Darstellung
Das zweite Kapitel des Matthäusevangeliums (Mt 2 EU) berichtet im Rahmen der Erzählung von der Geburt Jesu Christi in Bethlehem über die Verehrung des Neugeborenen durch Sterndeuter (später bekannt geworden als die Heiligen Drei Könige) aus dem Osten. Dort heißt es:
„Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“
– Mt 2,1-2 EU
Mt 2 erzählt davon, dass der herrschende König Herodes "erschrickt" und die Schriftgelehrten Israels befragt, wo diese Geburt stattgefunden habe. Diese nennen Betlehem als Geburtsort. Betlehem gilt als Stadt Davids, dem Gott verheißen hatte, sein Nachkomme werde auf ewig den Thron erben (2 Sam 7,16 EU). Damit schlägt Matthäus den Bogen zum ersten Kapitel, in dem die Abstammung Jesu über Josef auf David zurückgeführt wird (Mt 1,1-17 EU), und zitiert den Propheten Micha. (Mi 5,1 EU)
Für Herodes ist ein Thronanwärter, der sich auf eine Abstammung von David beruft gefährlich. Dementsprechend gibt er den Sterndeutern den Auftrag, nachzuforschen, dann zurückzukommen und Bericht zu erstatten, vorgeblich, um ihm selbst huldigen zu können. (Mt 2,8 EU) Die Sterndeuter finden das neugeborene Kind Jesus in Bethlehem, werden aber durch einen Traum davor gewarnt, wieder zu Herodes zu gehen (Mt 2,12 EU). Auch Josef wird in einem Traum von Gott gewarnt und aufgefordert, das Land zu verlassen und mit seiner Frau Maria und dem Kind nach Ägypten zu fliehen (Flucht nach Ägypten) (Mt 2,13-15 EU). So entgeht Jesus dem Zorn des Herodes:
„Als Herodes merkte, dass ihn die Sterndeuter getäuscht hatten, wurde er sehr zornig und er ließ in Betlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten, genau der Zeit entsprechend, die er von den Sterndeutern erfahren hatte.“
– Mt 2,16 EU
Mt sieht darin ein Zitat des Propheten Jeremia als erfüllt an:
„Damals erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist: Ein Geschrei war in Rama zu hören, lautes Weinen und Klagen: Rahel weinte um ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn sie waren dahin.“
– Mt 2,17-18 EU
Schätzungen des Ausmaßes
Während die griechische Liturgie 14.000 ermordete Knaben nennt und mittelalterliche Autoren bis zu 144.000 Opfer annahmen, sprachen spätere Theologen (Joseph Knabenbauer, August Bisping) auf Grund der anzunehmenden Größe des Ortes Betlehem zu biblischen Zeiten nur noch von etwa sechs bis zwanzig erschlagenen Kindern.[1]
Frühe Rezeption
Ältestes Zeugnis für die Rezeption des biblischen Berichts vom Betlehemitischen Kindermord ist eine Predigt des Bischofs Optatus von Mileve aus der Zeit um 360. Auch Augustinus († 430) und Caesarius von Arles († 542) rühmen die kindlichen Märtyrer, denen es vergönnt war, nicht nur als Zeugen für Jesus, sondern stellvertretend für ihn zu sterben.
Der Codex Egberti (10. Jahrhundert) enthält eine der ältesten bildlichen Darstellungen des Kindermordes.
Codex Egberti, fol. 15v: Der Betlehemitische Kindermord (Meister des Registrum Gregorii)
Belege für den Kindermord
Neben dem Bericht des Matthäus gibt es eine weitere Überlieferung, die ein Hinweis auf diesen Kindermord sein könnte. Um 400 n. Chr. berichtet der römische Philosoph Ambrosius Theodosius Macrobius in seiner Schrift Saturnalia davon, dass Augustus, als er davon gehört hatte, dass Herodes, König der Juden, alle Knaben in Syrien unter dem Alter von zwei Jahren töten ließ und dabei auch sein eigener Sohn umgebracht worden sei, kundtat: „Bei Herodes ist es besser, sein Schwein (hyn) zu sein als sein Sohn (hyión).“[2] Macrobius war kein Christ, sondern neuplatonischer Heide. Sein Bericht über die Äußerung des Augustus stützte sich kaum auf Matthäus,[3] darf also als eigenständiger Beleg gelten.[4] Das Wortspiel des Augustus hebt auf die Ähnlichkeit der griechischen Worte für Schwein und Sohn (hyn - hyión) ab.
Herodes der Große führte ein striktes Regiment. Er ließ neben Dutzenden politischer Gegner auch einige seiner Verwandten ermorden. Der jüdisch-römische Historiker Flavius Josephus stellte die Verbrechen des Herodes besonders ausführlich dar; er berichtet allerdings nichts von einem Kindermord in Betlehem.
Das Lukas-Evangelium (2,2 EU) erwähnt, dass Jesus während der ersten römischen Volkszählung in Judäa auf die Welt kam. Die erste nachweisbare Provinzzählung unter Publius Sulpicius Quirinius in der Provinz Judäa fand jedoch erst im Jahr 6 n. Chr. statt, also ein Jahrzehnt nach dem Tod des Herodes. Zu dessen Lebzeiten war Judäa noch nicht Teil der römischen Provinzialordnung.
Ähnlichkeiten in der Mythologie
Etliche Exegeten (Ausleger) gehen von einem mythologischen Motiv des Kindermords anlässlich der Ankunft eines heiligen Königs aus. Die Vorstellung einer Gefährdung eines heranwachsenden Heilsbringers bereits kurz nach seiner Geburt ist weit verbreitet. So soll ein König von Bhojas namens Kamsa versucht haben, den Aufwuchs Krishnas zu verhindern, indem er etliche Kinder hinschlachten ließ. Auch dem mythischen König Arthur (Artus) war von Merlin geweissagt, einst würde ihn ein an einem 1. Mai geborenes Kind ablösen. Darum ließ er alle im fraglichen Zeitpunkt geborenen Kinder edler Herkunft, die als Prinzen in Frage kamen, einsammeln und auf ein Schiff verfrachten, das auf hoher See versenkt wurde. Ein weiteres Beispiel bietet die griechische Mythologie: Laios, der König von Theben, will seinen Sohn Ödipus umbringen lassen, um einem Orakelspruch zu entgehen. Wie in solchen Geschichten üblich, nützte weder Arthur noch Laios ein solches Aufbegehren gegen das Schicksal, denn sowohl Mordred im Falle Arthurs als auch Ödipus entkamen glücklich und wurden aufgezogen.
Sind die vorgenannten Motive rein phänomenologisch vergleichbar, so könnte ein im Alten Testament berichteter Kindermord als Vorlage gedient haben: Der Pharao ließ alle neugeborenen Knaben der Israeliten töten. Allerdings war hier das Motiv nicht die Ausschaltung eines persönlichen Konkurrenten, sondern die demographische Schwächung eines versklavten Volkes. Damals entging Mose dem Kindermord.
Fest der Unschuldigen Kinder
Altar der Unschuldigen Kinder in der Basilika Altötting
Die römisch-katholische, anglikanische und orthodoxe Kirche begehen das Fest der unschuldigen Kinder. Im Evangelischen Gottesdienstbuch ist er als besonderer Gedenktag der Kirche verzeichnet. Das Fest erscheint im Sacramentarium Leonianum und 505 in einem liturgischen Kalender aus Nordafrika. Der Festtag differiert heute in den verschiedenen Konfessionen:
römisch-katholische und evangelische Kirche: 28. Dezember
syrische und chaldäische Kirchen: 27. Dezember
orthodoxe Kirchen: 29. Dezember
anglikanische Kirche: 1. Dezember/28. Dezember
Brauchtum
689/90 wurde das Festum puerorum auf dem 6. Konzil von Konstantinopel verboten, weil sich dieses Fest der Kinder mit einem „Narrenfest“ verbunden hatte, das möglicherweise in der Tradition orientalischer Narrenkönige, römischer Saturnalien und eventuell auch keltischer Tiervermummung stand. Dieses Brauchtum erfreute sich unter Laien großer Beliebtheit. Er wurde trotz kirchlicher Verbote weiterhin mit Narrenspielen wie der „Eselsmesse“ begangen.
Die Reformation schaffte diesen Brauch ab, in den meisten katholischen Gegenden Deutschlands starb er im 18. Jahrhundert aus. Allerdings hält sich bis heute in Teilen Österreichs der Brauch, Kinder an diesem Tag die Erlaubnis zu erteilen, den Erwachsenen durch Rutenschläge Glück und Gesundheit fürs kommende Jahr zu wünschen; dazu sagen die Kinder beim Schlagen, genannt „Schappen“, Verse auf, und erhalten als Dank von den gesegneten Erwachsenen kleine Geschenke oder Geld. In der Steiermark und in Kärnten sind folgende Verse in Verwendung:
„Frisch und g’sund, frisch und g’sund,
Lang leben und g’sund bleibe
und a glücklichs Neujahr!
Frisch und g’sund, frisch und g’sund
long lebm und g’sund bleibm
nix klunzn und nix klogn
bis i wieda kum schlogn!“
oder im Klagenfurter Raum
„Schapp Schapp frisch und gsund,
lång lebn gsund bleibn,
Wünsch a glücklichs neigs johr,
nix klunzn nix klågn,
bis i wieda kum schlågn!“
In der Oststeiermark ist folgender Spruch üblich:
„Frisch und g’sund, Frisch und g’sund
ganzes Jahr pumperlg’sund,
gern geb’n, lang leb’n, glückselig sterb’n,
Christkindl am Hochaltar,
des wünsch i dir zum neuen Jahr.“
In einigen Regionen Bayerns hielt sich dieser als „Fetzeln“ benannte Brauch bis ins 20. Jahrhundert; der 28.12. erhielt mitunter die volkstümliche Bezeichnung „Fetzeltag“.
In Spanien und Teilen Lateinamerikas hat er sich dagegen bis heute gehalten. Dort ist der Día de los Santos Inocentes der Anlass, seine Mitmenschen zu veräppeln, wie man es in Deutschland, Frankreich, Italien und in den angelsächsischen Ländern am 1. April zu tun pflegt. Dies steht in Zusammenhang mit der Mehrdeutigkeit des Adjektivs inocente, was nicht nur „unschuldig“, sondern auch „naiv“ oder „dumm“ heißen kann. Aus diesem Grunde trat angeblich auch die spanische Verfassung erst am 29. Dezember 1978 in Kraft, einen Tag später als ursprünglich vorgesehen.
Am Fest der Unschuldigen Kinder wurde bis ins Mittelalter hinein in Klosterschulen der Jüngste für einen Tag auf den Stuhl des Abtes gesetzt, ein Brauch, der sich im Mittelalter (etwa seit dem 13. Jahrhundert) dann allerdings auf den Nikolaustag verschob.
Ebenfalls im Mittelalter wurden die Kinder am Nikolaustag (6. Dezember) oder am Tag der unschuldigen Kinder (28. Dezember) beschenkt; die Bescherung am Heiligabend bzw. am ersten Weihnachtsfeiertag, wie sie heute üblich ist, gab es damals noch nicht.
Heute ist es in vielen Gemeinden der römisch-katholischen Kirche Brauch, am oder um den Gedenktag der Unschuldigen Kinder die Kinder zu segnen. Das Benediktionale bietet dazu ein eigenes Formular.
Widmungen
Unter anderem ist ihnen die Kapelle des heiligen Blasius und der Unschuldigen Kindlein in München geweiht. Siehe auch: Church of the Holy Innocents.
Der betlehemitische Kindermord in der Kunst
Dieses Bildmotiv wurde immer wieder von zahlreichen Malern aufgegriffen.
In der frühchristlichen Kunst tritt es selten auf, so zum Beispiel in den Mosaiken von Santa Maria Maggiore in Rom.
Die mittelalterliche Kunst stellt es häufiger dar, etwa im Egbert-Codex; im Kanzelrelief von S. Andrea in Pistoia gestaltet von Giovanni Pisano; auf einem Fresko von Giotto di Bondone in der Cappella degli Scrovegni in Padua.
Auch in der Renaissance- und Barockmalerei kommt das Motiv häufiger vor. Unter anderem bei Fra Angelico, Lucas Cranach dem Älteren, Pieter Lastman oder Guido Reni. Das Thema wurde im übertragenen Sinn auch von Pieter Bruegel dem Älteren gestaltet, mit Bezug auf die Greueltaten der spanischen Besatzer gegen die Niederländer im 16. Jahrhundert.
Peter Paul Rubens: Der Kindermord von Bethlehem, um 1609/11
Der betlehemitische Kindermord (Rubens)
Der Maler Rubens malte das Thema gleich mehrfach:
Das Massaker der Unschuldigen, auch Kindermord von Betlehem genannt, wurde 1609/11 gemalt. Bei einer Versteigerung im Londoner Auktionshaus Sotheby’s wurde es am 10. Juli 2002 für die damalige Rekordsumme von 76,7 Mio $ versteigert. (Siehe auch: Liste der teuersten Gemälde). Es hängt heute in der Art Gallery of Ontario.
Der bethlehemische Kindermord im Format von 162,5 x 232 cm ist seit 1902 im Besitz der Königlichen Museen in Brüssel. Es wird dort allerdings unter dem Namen von Anton Sallaert geführt.[5]
Der bethlehemische Kindermord aus der Alten Pinakothek in München entstand um 1638 auf Eichenholz mit einem Format von 198,5 × 302,2 cm.[6]
Siehe auch
Gewalt in der Bibel
Quelle - Literatur & einzelnachweise
Darstellung des betlehemitischen Kindermords in der barocken Krippe von Gutenzell
Biblische Darstellung
Das zweite Kapitel des Matthäusevangeliums (Mt 2 EU) berichtet im Rahmen der Erzählung von der Geburt Jesu Christi in Bethlehem über die Verehrung des Neugeborenen durch Sterndeuter (später bekannt geworden als die Heiligen Drei Könige) aus dem Osten. Dort heißt es:
„Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“
– Mt 2,1-2 EU
Mt 2 erzählt davon, dass der herrschende König Herodes "erschrickt" und die Schriftgelehrten Israels befragt, wo diese Geburt stattgefunden habe. Diese nennen Betlehem als Geburtsort. Betlehem gilt als Stadt Davids, dem Gott verheißen hatte, sein Nachkomme werde auf ewig den Thron erben (2 Sam 7,16 EU). Damit schlägt Matthäus den Bogen zum ersten Kapitel, in dem die Abstammung Jesu über Josef auf David zurückgeführt wird (Mt 1,1-17 EU), und zitiert den Propheten Micha. (Mi 5,1 EU)
Für Herodes ist ein Thronanwärter, der sich auf eine Abstammung von David beruft gefährlich. Dementsprechend gibt er den Sterndeutern den Auftrag, nachzuforschen, dann zurückzukommen und Bericht zu erstatten, vorgeblich, um ihm selbst huldigen zu können. (Mt 2,8 EU) Die Sterndeuter finden das neugeborene Kind Jesus in Bethlehem, werden aber durch einen Traum davor gewarnt, wieder zu Herodes zu gehen (Mt 2,12 EU). Auch Josef wird in einem Traum von Gott gewarnt und aufgefordert, das Land zu verlassen und mit seiner Frau Maria und dem Kind nach Ägypten zu fliehen (Flucht nach Ägypten) (Mt 2,13-15 EU). So entgeht Jesus dem Zorn des Herodes:
„Als Herodes merkte, dass ihn die Sterndeuter getäuscht hatten, wurde er sehr zornig und er ließ in Betlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten, genau der Zeit entsprechend, die er von den Sterndeutern erfahren hatte.“
– Mt 2,16 EU
Mt sieht darin ein Zitat des Propheten Jeremia als erfüllt an:
„Damals erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist: Ein Geschrei war in Rama zu hören, lautes Weinen und Klagen: Rahel weinte um ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn sie waren dahin.“
– Mt 2,17-18 EU
Schätzungen des Ausmaßes
Während die griechische Liturgie 14.000 ermordete Knaben nennt und mittelalterliche Autoren bis zu 144.000 Opfer annahmen, sprachen spätere Theologen (Joseph Knabenbauer, August Bisping) auf Grund der anzunehmenden Größe des Ortes Betlehem zu biblischen Zeiten nur noch von etwa sechs bis zwanzig erschlagenen Kindern.[1]
Frühe Rezeption
Ältestes Zeugnis für die Rezeption des biblischen Berichts vom Betlehemitischen Kindermord ist eine Predigt des Bischofs Optatus von Mileve aus der Zeit um 360. Auch Augustinus († 430) und Caesarius von Arles († 542) rühmen die kindlichen Märtyrer, denen es vergönnt war, nicht nur als Zeugen für Jesus, sondern stellvertretend für ihn zu sterben.
Der Codex Egberti (10. Jahrhundert) enthält eine der ältesten bildlichen Darstellungen des Kindermordes.
Codex Egberti, fol. 15v: Der Betlehemitische Kindermord (Meister des Registrum Gregorii)
Belege für den Kindermord
Neben dem Bericht des Matthäus gibt es eine weitere Überlieferung, die ein Hinweis auf diesen Kindermord sein könnte. Um 400 n. Chr. berichtet der römische Philosoph Ambrosius Theodosius Macrobius in seiner Schrift Saturnalia davon, dass Augustus, als er davon gehört hatte, dass Herodes, König der Juden, alle Knaben in Syrien unter dem Alter von zwei Jahren töten ließ und dabei auch sein eigener Sohn umgebracht worden sei, kundtat: „Bei Herodes ist es besser, sein Schwein (hyn) zu sein als sein Sohn (hyión).“[2] Macrobius war kein Christ, sondern neuplatonischer Heide. Sein Bericht über die Äußerung des Augustus stützte sich kaum auf Matthäus,[3] darf also als eigenständiger Beleg gelten.[4] Das Wortspiel des Augustus hebt auf die Ähnlichkeit der griechischen Worte für Schwein und Sohn (hyn - hyión) ab.
Herodes der Große führte ein striktes Regiment. Er ließ neben Dutzenden politischer Gegner auch einige seiner Verwandten ermorden. Der jüdisch-römische Historiker Flavius Josephus stellte die Verbrechen des Herodes besonders ausführlich dar; er berichtet allerdings nichts von einem Kindermord in Betlehem.
Das Lukas-Evangelium (2,2 EU) erwähnt, dass Jesus während der ersten römischen Volkszählung in Judäa auf die Welt kam. Die erste nachweisbare Provinzzählung unter Publius Sulpicius Quirinius in der Provinz Judäa fand jedoch erst im Jahr 6 n. Chr. statt, also ein Jahrzehnt nach dem Tod des Herodes. Zu dessen Lebzeiten war Judäa noch nicht Teil der römischen Provinzialordnung.
Ähnlichkeiten in der Mythologie
Etliche Exegeten (Ausleger) gehen von einem mythologischen Motiv des Kindermords anlässlich der Ankunft eines heiligen Königs aus. Die Vorstellung einer Gefährdung eines heranwachsenden Heilsbringers bereits kurz nach seiner Geburt ist weit verbreitet. So soll ein König von Bhojas namens Kamsa versucht haben, den Aufwuchs Krishnas zu verhindern, indem er etliche Kinder hinschlachten ließ. Auch dem mythischen König Arthur (Artus) war von Merlin geweissagt, einst würde ihn ein an einem 1. Mai geborenes Kind ablösen. Darum ließ er alle im fraglichen Zeitpunkt geborenen Kinder edler Herkunft, die als Prinzen in Frage kamen, einsammeln und auf ein Schiff verfrachten, das auf hoher See versenkt wurde. Ein weiteres Beispiel bietet die griechische Mythologie: Laios, der König von Theben, will seinen Sohn Ödipus umbringen lassen, um einem Orakelspruch zu entgehen. Wie in solchen Geschichten üblich, nützte weder Arthur noch Laios ein solches Aufbegehren gegen das Schicksal, denn sowohl Mordred im Falle Arthurs als auch Ödipus entkamen glücklich und wurden aufgezogen.
Sind die vorgenannten Motive rein phänomenologisch vergleichbar, so könnte ein im Alten Testament berichteter Kindermord als Vorlage gedient haben: Der Pharao ließ alle neugeborenen Knaben der Israeliten töten. Allerdings war hier das Motiv nicht die Ausschaltung eines persönlichen Konkurrenten, sondern die demographische Schwächung eines versklavten Volkes. Damals entging Mose dem Kindermord.
Fest der Unschuldigen Kinder
Altar der Unschuldigen Kinder in der Basilika Altötting
Die römisch-katholische, anglikanische und orthodoxe Kirche begehen das Fest der unschuldigen Kinder. Im Evangelischen Gottesdienstbuch ist er als besonderer Gedenktag der Kirche verzeichnet. Das Fest erscheint im Sacramentarium Leonianum und 505 in einem liturgischen Kalender aus Nordafrika. Der Festtag differiert heute in den verschiedenen Konfessionen:
römisch-katholische und evangelische Kirche: 28. Dezember
syrische und chaldäische Kirchen: 27. Dezember
orthodoxe Kirchen: 29. Dezember
anglikanische Kirche: 1. Dezember/28. Dezember
Brauchtum
689/90 wurde das Festum puerorum auf dem 6. Konzil von Konstantinopel verboten, weil sich dieses Fest der Kinder mit einem „Narrenfest“ verbunden hatte, das möglicherweise in der Tradition orientalischer Narrenkönige, römischer Saturnalien und eventuell auch keltischer Tiervermummung stand. Dieses Brauchtum erfreute sich unter Laien großer Beliebtheit. Er wurde trotz kirchlicher Verbote weiterhin mit Narrenspielen wie der „Eselsmesse“ begangen.
Die Reformation schaffte diesen Brauch ab, in den meisten katholischen Gegenden Deutschlands starb er im 18. Jahrhundert aus. Allerdings hält sich bis heute in Teilen Österreichs der Brauch, Kinder an diesem Tag die Erlaubnis zu erteilen, den Erwachsenen durch Rutenschläge Glück und Gesundheit fürs kommende Jahr zu wünschen; dazu sagen die Kinder beim Schlagen, genannt „Schappen“, Verse auf, und erhalten als Dank von den gesegneten Erwachsenen kleine Geschenke oder Geld. In der Steiermark und in Kärnten sind folgende Verse in Verwendung:
„Frisch und g’sund, frisch und g’sund,
Lang leben und g’sund bleibe
und a glücklichs Neujahr!
Frisch und g’sund, frisch und g’sund
long lebm und g’sund bleibm
nix klunzn und nix klogn
bis i wieda kum schlogn!“
oder im Klagenfurter Raum
„Schapp Schapp frisch und gsund,
lång lebn gsund bleibn,
Wünsch a glücklichs neigs johr,
nix klunzn nix klågn,
bis i wieda kum schlågn!“
In der Oststeiermark ist folgender Spruch üblich:
„Frisch und g’sund, Frisch und g’sund
ganzes Jahr pumperlg’sund,
gern geb’n, lang leb’n, glückselig sterb’n,
Christkindl am Hochaltar,
des wünsch i dir zum neuen Jahr.“
In einigen Regionen Bayerns hielt sich dieser als „Fetzeln“ benannte Brauch bis ins 20. Jahrhundert; der 28.12. erhielt mitunter die volkstümliche Bezeichnung „Fetzeltag“.
In Spanien und Teilen Lateinamerikas hat er sich dagegen bis heute gehalten. Dort ist der Día de los Santos Inocentes der Anlass, seine Mitmenschen zu veräppeln, wie man es in Deutschland, Frankreich, Italien und in den angelsächsischen Ländern am 1. April zu tun pflegt. Dies steht in Zusammenhang mit der Mehrdeutigkeit des Adjektivs inocente, was nicht nur „unschuldig“, sondern auch „naiv“ oder „dumm“ heißen kann. Aus diesem Grunde trat angeblich auch die spanische Verfassung erst am 29. Dezember 1978 in Kraft, einen Tag später als ursprünglich vorgesehen.
Am Fest der Unschuldigen Kinder wurde bis ins Mittelalter hinein in Klosterschulen der Jüngste für einen Tag auf den Stuhl des Abtes gesetzt, ein Brauch, der sich im Mittelalter (etwa seit dem 13. Jahrhundert) dann allerdings auf den Nikolaustag verschob.
Ebenfalls im Mittelalter wurden die Kinder am Nikolaustag (6. Dezember) oder am Tag der unschuldigen Kinder (28. Dezember) beschenkt; die Bescherung am Heiligabend bzw. am ersten Weihnachtsfeiertag, wie sie heute üblich ist, gab es damals noch nicht.
Heute ist es in vielen Gemeinden der römisch-katholischen Kirche Brauch, am oder um den Gedenktag der Unschuldigen Kinder die Kinder zu segnen. Das Benediktionale bietet dazu ein eigenes Formular.
Widmungen
Unter anderem ist ihnen die Kapelle des heiligen Blasius und der Unschuldigen Kindlein in München geweiht. Siehe auch: Church of the Holy Innocents.
Der betlehemitische Kindermord in der Kunst
Dieses Bildmotiv wurde immer wieder von zahlreichen Malern aufgegriffen.
In der frühchristlichen Kunst tritt es selten auf, so zum Beispiel in den Mosaiken von Santa Maria Maggiore in Rom.
Die mittelalterliche Kunst stellt es häufiger dar, etwa im Egbert-Codex; im Kanzelrelief von S. Andrea in Pistoia gestaltet von Giovanni Pisano; auf einem Fresko von Giotto di Bondone in der Cappella degli Scrovegni in Padua.
Auch in der Renaissance- und Barockmalerei kommt das Motiv häufiger vor. Unter anderem bei Fra Angelico, Lucas Cranach dem Älteren, Pieter Lastman oder Guido Reni. Das Thema wurde im übertragenen Sinn auch von Pieter Bruegel dem Älteren gestaltet, mit Bezug auf die Greueltaten der spanischen Besatzer gegen die Niederländer im 16. Jahrhundert.
Peter Paul Rubens: Der Kindermord von Bethlehem, um 1609/11
Der betlehemitische Kindermord (Rubens)
Der Maler Rubens malte das Thema gleich mehrfach:
Das Massaker der Unschuldigen, auch Kindermord von Betlehem genannt, wurde 1609/11 gemalt. Bei einer Versteigerung im Londoner Auktionshaus Sotheby’s wurde es am 10. Juli 2002 für die damalige Rekordsumme von 76,7 Mio $ versteigert. (Siehe auch: Liste der teuersten Gemälde). Es hängt heute in der Art Gallery of Ontario.
Der bethlehemische Kindermord im Format von 162,5 x 232 cm ist seit 1902 im Besitz der Königlichen Museen in Brüssel. Es wird dort allerdings unter dem Namen von Anton Sallaert geführt.[5]
Der bethlehemische Kindermord aus der Alten Pinakothek in München entstand um 1638 auf Eichenholz mit einem Format von 198,5 × 302,2 cm.[6]
Siehe auch
Gewalt in der Bibel
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