** Die Mikwe **
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** Die Mikwe **
Mikwe (hebräisch Mikweh, מִקְוֶה oder מקווה, Mehrzahl Mikwaot מִקְוֶוֹת oder מִקְוָאות, von קוה zusammenfließen), deutsch früher Judenbad, bezeichnet im Judentum das Tauchbad, das der Reinigung von ritueller Unreinheit durch Ablution dient.
Historische Mikwe in Köln,
erbaut um 1170
Das Wasser einer Mikwe muss lebendiges Wasser sein. Daher wurden vielerorts Grundwassermikwaot gebaut, die meist unter der Erde auf der Höhe des lokalen Grundwasserspiegels lagen. Heute wird oft auch Regenwasser verwendet.
Geschichte
Früher gehörte zu jeder jüdischen Gemeinde ein rituelles Tauchbad. In Deutschland lassen sich heute noch an über 400 Orten – beispielsweise in Andernach, Busenberg, Friedberg (Hessen), Erfurt, Köln, Petershagen, Sondershausen, Speyer, Worms – Mikwaot nachweisen. In der Mikwe in Rotenburg an der Fulda fand man neben einem neuzeitlichen Badebassin (1835/1925) ein Grundwassertauchbad aus dem 17. Jahrhundert und einen separaten Schacht zum Kaschern von Küchengeräten.[1] Eine von mehreren erhaltenen Mikwaot in Fürth, das auch „Fränkisches Jerusalem“ genannt wurde, ist im Jüdischen Museum Franken zu besichtigen.[2] Die Kellermikwe aus dem 13. Jahrhundert, die in Sondershausen gefunden wurde, gilt als eines der ältesten Zeugnisse des Judentums in Thüringen.[3]
Vorschriften und Brauchtum
Die Mikwe dient nicht der Hygiene, mit dem Untertauchen im Tauchbad soll nicht Sauberkeit, sondern die rituelle, eigentlich kultische Reinheit hergestellt werden. Als rituell unrein gelten nach jüdischer Tradition zum Beispiel Tote. Wer mit einem Toten in Berührung kommt, wird dadurch unrein und musste, zur Zeit des Tempels in Jerusalem, sich von dieser Unreinheit reinigen. Auch gewisse Körperflüssigkeiten verursachen Unreinheit.
Becken der Mikwe in Speyer, erbaut um 1128
Kellermikwe von Sondershausen, erbaut um 1300
Orthodoxes, konservatives und liberales Judentum
Im orthodoxen und konservativen Judentum ist der Besuch der Mikwe vorgeschrieben, wenn eine verheiratete Frau ihre Menstruation oder eine Entbindung hinter sich hat. Den ersten Besuch in der Mikwe absolviert die Frau als Braut, meistens am Vorabend des Hochzeitstages. Dieses Ereignis feiert sie traditionellerweise mit Freundinnen und weiblichen Mitgliedern der Familie. Das Gebot „Nidda we’ Twila“ (Trennungszeit und Untertauchen in der Mikwe) gilt, sobald eine jüdische Frau Verkehr mit einem Mann hat bzw. haben will – unabhängig vom Status der Beziehung.
Das Untertauchen in der Mikwe ist für eine Konversion zum Judentum der orthodoxen, konservativen und liberalen Richtung sowohl für Männer wie Frauen Bedingung. Hiervon leitet sich historisch auch die christliche Taufe ab.
Bei der rituellen Reinigung darf nichts Fremdes am Körper sein. Den vollständigen Kontakt des reinen Wassers mit dem Körper darf nichts verhindern, so sind jegliche Art von Bekleidung und auch Schmuck, Lippenstift, Nagellack und Ähnliches vor dem Baden abzulegen. Es muss auch darauf geachtet werden, dass der gesamte Körper mitsamt den Haaren untergetaucht wird. Den Vorgang des vollständigen Untertauchens bezeichnet man als Tewila oder Twila (hebr. טְבִילָה).
Ein Sofer (Schreiber religiöser Schriften) ist verpflichtet, sich durch Untertauchen in der Mikwe in einen Zustand vollständiger ritueller Reinheit zu versetzen, bevor er in einer Torarolle den Gottesnamen schreibt. Ansonsten ist der Besuch der Mikwe heute nur für Frauen vorgeschrieben. Im ultraorthodoxen Judentum wird die Mikwe jedoch teilweise auch von Männern vor Beginn des Sabbats oder Feiertagen, besonders vor dem Versöhnungstag, zum Untertauchen benutzt.[4]
Daneben wird die Mikwe auch zum kaschern von Geschirr verwendet, üblicherweise in einem gesonderten Becken.
Ist keine Mikwe vorhanden, kann die Pflicht zum Untertauchen auch im Meer, in einem See, einem Fluss oder einem tieferen Bach erfüllt werden.
Reformjudentum
Obwohl der Besuch der Mikwe auch im konservativen bzw. liberalen Judentum für Frauen vorgeschrieben ist, wird der Brauch praktisch nur von strikt orthodoxen Frauen befolgt. In jüngster Zeit gibt es Anstrengungen, den Besuch der Mikwe auch unter nicht streng religiösen Frauen zu propagieren – selbst im Reformjudentum amerikanischer Prägung, das traditionellerweise keine Mikwe kennt.[5] Auch werden neue, nicht in der Halacha begründete Verwendungen der Mikwe geschaffen, was mancherorts zum Bau von neuen Mikwaot führt.[6]
Heutige Situation in Deutschland
Moderne Mikwe
Die heutigen Mikwen sind moderne beheizte Badeanlagen, von denen es in den über 100 jüdischen Gemeinden Deutschlands gegenwärtig knapp 30 gibt.
In Berlin gibt es zwei funktionierende Mikwen, eine neben der orthodoxen Synagoge in der Joachimstaler Straße, bei der das Wasser aus 42 m Tiefe heraufgepumpt wird, und eine in der Oranienburger Straße, die ihr Wasser aus einem Wassertank auf dem Dach erhält.[7]
Die in jüngerer Zeit neu errichteten Synagogen haben meist auch ein Tauchbad. In Bad Segeberg in Schleswig-Holstein, mit einer jüdischen Gemeinde von 150 Mitgliedern, besteht seit 2002 eine Synagoge mit einer Mikwe. Ermöglicht wurde der Bau durch die Stiftung „Holsteins Herz“.[8] Betrieben wird die Mikwe nicht mit Grund-, sondern mit Regenwasser.[9] In Konstanz, wo früher die Gemeindemitglieder den Bodensee für ihre Ritualtauchbäder nutzten, wurde im Sommer 2008 eine Mikwe eingeweiht. Der 300.000 Euro teure Bau wurde privat finanziert. Das Wasser kommt aus einem Auffangbecken für Regenwasser auf dem Dach des Gebäudes.[10]
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Historische Mikwe in Köln,
erbaut um 1170
Das Wasser einer Mikwe muss lebendiges Wasser sein. Daher wurden vielerorts Grundwassermikwaot gebaut, die meist unter der Erde auf der Höhe des lokalen Grundwasserspiegels lagen. Heute wird oft auch Regenwasser verwendet.
Geschichte
Früher gehörte zu jeder jüdischen Gemeinde ein rituelles Tauchbad. In Deutschland lassen sich heute noch an über 400 Orten – beispielsweise in Andernach, Busenberg, Friedberg (Hessen), Erfurt, Köln, Petershagen, Sondershausen, Speyer, Worms – Mikwaot nachweisen. In der Mikwe in Rotenburg an der Fulda fand man neben einem neuzeitlichen Badebassin (1835/1925) ein Grundwassertauchbad aus dem 17. Jahrhundert und einen separaten Schacht zum Kaschern von Küchengeräten.[1] Eine von mehreren erhaltenen Mikwaot in Fürth, das auch „Fränkisches Jerusalem“ genannt wurde, ist im Jüdischen Museum Franken zu besichtigen.[2] Die Kellermikwe aus dem 13. Jahrhundert, die in Sondershausen gefunden wurde, gilt als eines der ältesten Zeugnisse des Judentums in Thüringen.[3]
Vorschriften und Brauchtum
Die Mikwe dient nicht der Hygiene, mit dem Untertauchen im Tauchbad soll nicht Sauberkeit, sondern die rituelle, eigentlich kultische Reinheit hergestellt werden. Als rituell unrein gelten nach jüdischer Tradition zum Beispiel Tote. Wer mit einem Toten in Berührung kommt, wird dadurch unrein und musste, zur Zeit des Tempels in Jerusalem, sich von dieser Unreinheit reinigen. Auch gewisse Körperflüssigkeiten verursachen Unreinheit.
Becken der Mikwe in Speyer, erbaut um 1128
Kellermikwe von Sondershausen, erbaut um 1300
Orthodoxes, konservatives und liberales Judentum
Im orthodoxen und konservativen Judentum ist der Besuch der Mikwe vorgeschrieben, wenn eine verheiratete Frau ihre Menstruation oder eine Entbindung hinter sich hat. Den ersten Besuch in der Mikwe absolviert die Frau als Braut, meistens am Vorabend des Hochzeitstages. Dieses Ereignis feiert sie traditionellerweise mit Freundinnen und weiblichen Mitgliedern der Familie. Das Gebot „Nidda we’ Twila“ (Trennungszeit und Untertauchen in der Mikwe) gilt, sobald eine jüdische Frau Verkehr mit einem Mann hat bzw. haben will – unabhängig vom Status der Beziehung.
Das Untertauchen in der Mikwe ist für eine Konversion zum Judentum der orthodoxen, konservativen und liberalen Richtung sowohl für Männer wie Frauen Bedingung. Hiervon leitet sich historisch auch die christliche Taufe ab.
Bei der rituellen Reinigung darf nichts Fremdes am Körper sein. Den vollständigen Kontakt des reinen Wassers mit dem Körper darf nichts verhindern, so sind jegliche Art von Bekleidung und auch Schmuck, Lippenstift, Nagellack und Ähnliches vor dem Baden abzulegen. Es muss auch darauf geachtet werden, dass der gesamte Körper mitsamt den Haaren untergetaucht wird. Den Vorgang des vollständigen Untertauchens bezeichnet man als Tewila oder Twila (hebr. טְבִילָה).
Ein Sofer (Schreiber religiöser Schriften) ist verpflichtet, sich durch Untertauchen in der Mikwe in einen Zustand vollständiger ritueller Reinheit zu versetzen, bevor er in einer Torarolle den Gottesnamen schreibt. Ansonsten ist der Besuch der Mikwe heute nur für Frauen vorgeschrieben. Im ultraorthodoxen Judentum wird die Mikwe jedoch teilweise auch von Männern vor Beginn des Sabbats oder Feiertagen, besonders vor dem Versöhnungstag, zum Untertauchen benutzt.[4]
Daneben wird die Mikwe auch zum kaschern von Geschirr verwendet, üblicherweise in einem gesonderten Becken.
Ist keine Mikwe vorhanden, kann die Pflicht zum Untertauchen auch im Meer, in einem See, einem Fluss oder einem tieferen Bach erfüllt werden.
Reformjudentum
Obwohl der Besuch der Mikwe auch im konservativen bzw. liberalen Judentum für Frauen vorgeschrieben ist, wird der Brauch praktisch nur von strikt orthodoxen Frauen befolgt. In jüngster Zeit gibt es Anstrengungen, den Besuch der Mikwe auch unter nicht streng religiösen Frauen zu propagieren – selbst im Reformjudentum amerikanischer Prägung, das traditionellerweise keine Mikwe kennt.[5] Auch werden neue, nicht in der Halacha begründete Verwendungen der Mikwe geschaffen, was mancherorts zum Bau von neuen Mikwaot führt.[6]
Heutige Situation in Deutschland
Moderne Mikwe
Die heutigen Mikwen sind moderne beheizte Badeanlagen, von denen es in den über 100 jüdischen Gemeinden Deutschlands gegenwärtig knapp 30 gibt.
In Berlin gibt es zwei funktionierende Mikwen, eine neben der orthodoxen Synagoge in der Joachimstaler Straße, bei der das Wasser aus 42 m Tiefe heraufgepumpt wird, und eine in der Oranienburger Straße, die ihr Wasser aus einem Wassertank auf dem Dach erhält.[7]
Die in jüngerer Zeit neu errichteten Synagogen haben meist auch ein Tauchbad. In Bad Segeberg in Schleswig-Holstein, mit einer jüdischen Gemeinde von 150 Mitgliedern, besteht seit 2002 eine Synagoge mit einer Mikwe. Ermöglicht wurde der Bau durch die Stiftung „Holsteins Herz“.[8] Betrieben wird die Mikwe nicht mit Grund-, sondern mit Regenwasser.[9] In Konstanz, wo früher die Gemeindemitglieder den Bodensee für ihre Ritualtauchbäder nutzten, wurde im Sommer 2008 eine Mikwe eingeweiht. Der 300.000 Euro teure Bau wurde privat finanziert. Das Wasser kommt aus einem Auffangbecken für Regenwasser auf dem Dach des Gebäudes.[10]
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