** Lemuria **
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Lemuria bezeichnet einen hypothetischen bzw. fiktiven versunkenen Kontinent oder eine Landbrücke, die entweder zwischen Madagaskar und Indien oder zwischen Australien und Amerika gelegen haben soll. Lemuria spielt heute vor allem in der Science-Fiction-Literatur oder Esoterik eine Rolle. Die Annahme solcher Landbrücken war bis zur Anerkennung der Plattentektonik weitverbreitet.
Angenommene Lage Lemurias, in der Vorstellung tamilischer Nationalisten
Biologie und Geologie
1864 spekulierte der Zoologe und Tiergeograph Philip Sclater in einem Artikel „The Mammals of Madagascar“ über Lemuren und weitere verwandte Primatenarten, der in The Quarterly Journal of Science erschien, über Lemuria, welches ein Kontinent im Indischen Ozean gewesen sei. Dieser Kontinent sei in Inseln zerbrochen, von denen eine Madagaskar sei. Aus dem Fehlen von Fossilien dieser Primatengruppen auf dem afrikanischen Kontinent schloss er, dass die Verbreitung anders erfolgt sein müsse.[1]
Der Evolutionsbiologe Ernst Haeckel spekulierte in seiner populären Natürlichen Schöpfungsgeschichte (1868) über eine versunkene Landbrücke zwischen Madagaskar und Indien und den geographischen Ursprung des Menschen:
„Vielleicht war aber auch das östliche Afrika der Ort, an welchem zuerst die Entstehung des Urmenschen aus den menschenähnlichen Affen erfolgte; vielleicht auch ein jetzt unter den Spiegel des indischen Oceans versunkener Kontinent, welcher sich im Süden des jetzigen Asiens einerseits östlich bis nach den Sunda-Inseln, andrerseits westlich bis nach Madagaskar und Afrika erstreckte.“
– Ernst Haeckel: Natürliche Schöpfungsgeschichte. (1868)[2]
1874 erwähnt Haeckel in seiner Anthropogenie unter dem Registereintrag „Lemurien“, dass er in seiner Natürlichen Schöpfungsgeschichte, im 23. Vortrag auf Tafel 15 über den geographischen Ursprung der Menschheit spekuliert habe, was er als „ersten Versuch“, „einer hypothetischen Skitzze“ begriffen habe, insofern sei die später daran geäußerte Kritik gegenstandslos. Die Karte greift er in der Anthropogenie nicht wieder auf.[3]
In der neunten Auflage der Natürlichen Schöpfungsgeschichte von 1897 bezeichnet Haeckel die Idee von Lemuria, nun mit dem ausdrücklichen Bezug auf Sclater, als aufgrund der neusten geologischen Erkenntnisse überholt. Er bevorzugte nun als wahrscheinlichste Hypothese den Ursprung des Menschen im westlichen Hinterindien.[4]
Auch Eduard Suess propagierte die Landbrücken-Hypothese und gab dem vermuteten Lemuria den Namen Gondwana.[5]
Lemuria, wie auch weitere hypothetische Landbrücken, etwa zwischen Südostasien und Südamerika, die aus der disjunkten Verbreitung von Tier- und Pflanzengruppen abgeleitet wurden, haben sich generell als Irrtum herausgestellt.[6] Weder die heute gültige Theorie der Plattentektonik oder die in der Tiergeographie bekannten Ausbreitungsbewegungen noch die Geologie und Geographie des Meeresbodens dieser Region bieten heute noch Spielraum für solche Spekulationen.
Esoterische Theorien und tamilische Geschichtsschreibung
Karte von Lemuria über die heutigen Kontinente gezeichnet. Nach dem amerikanischen Theosophen William Scott-Elliot aus The Story of Atlantis and Lost Lemuria (1896)
Haeckels Spekulationen wurden von Esoterikern stark rezipiert. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde das Motiv eines den Indischen Ozean ausfüllenden und später versunkenen Kontinents vermittelt durch theosophisches Schriftgut von einer populär-nationalistisch orientierten Richtung der tamilischen Geschichtsschreibung unter dem Namen Ilemuriya bzw. Kumarikkandam („Kontinent [angrenzend an das indische Südkap] (Kanniya-)Kumari“) übernommen, mit älteren, legendenhaften Flutberichten (v. a. aus der mittelalterlichen Kommentarliteratur zur alttamilischen Sangam-Dichtung) in Verbindung gebracht und so zu einem zentralen Bestandteil eines neo-mythologisch-nationalistischen tamilischen Geschichtsentwurfs gemacht.
Literarische Umsetzung
Die Lage von Lemuria in der SF-Welt von Perry Rhodan, dort ist der Kontinent 52.000 v. Chr. untergegangen
In der Fantasy- und Science-Fiction-Literatur dient der „versunkene Kontinent Lemuria“ verschiedentlich als Schauplatz, so bei Robert E. Howard, H. P. Lovecraft und Lin Carter. Richard Sharpe Shaver behauptete, das lemurische Alphabet, von ihm Mantong genannt, entschlüsselt zu haben.
In der SF-Serie Perry Rhodan, die im sogenannten Perryversum spielt, ist Lemuria ein bis 52.000 v. Chr. existenter Kontinent zwischen Asien und Amerika, der von der „Ersten Menschheit“, den Lemurern, bewohnt wurde. Als Folge eines verheerenden Krieges mit dem außerirdischen Volk der Haluter versank der Kontinent im Pazifik.[7]
In Thomas Pynchons postmodernen Detektivroman Inherent Vice aus dem Jahr 2009 (deutsch 2010 unter dem Titel Natürliche Mängel) erscheint Lemuria in Phantasie und Drogenrausch des Protagonisten als ein Fluchtpunkt der Handlung.
Siehe auch
Atlantis
Mu
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Angenommene Lage Lemurias, in der Vorstellung tamilischer Nationalisten
Biologie und Geologie
1864 spekulierte der Zoologe und Tiergeograph Philip Sclater in einem Artikel „The Mammals of Madagascar“ über Lemuren und weitere verwandte Primatenarten, der in The Quarterly Journal of Science erschien, über Lemuria, welches ein Kontinent im Indischen Ozean gewesen sei. Dieser Kontinent sei in Inseln zerbrochen, von denen eine Madagaskar sei. Aus dem Fehlen von Fossilien dieser Primatengruppen auf dem afrikanischen Kontinent schloss er, dass die Verbreitung anders erfolgt sein müsse.[1]
Der Evolutionsbiologe Ernst Haeckel spekulierte in seiner populären Natürlichen Schöpfungsgeschichte (1868) über eine versunkene Landbrücke zwischen Madagaskar und Indien und den geographischen Ursprung des Menschen:
„Vielleicht war aber auch das östliche Afrika der Ort, an welchem zuerst die Entstehung des Urmenschen aus den menschenähnlichen Affen erfolgte; vielleicht auch ein jetzt unter den Spiegel des indischen Oceans versunkener Kontinent, welcher sich im Süden des jetzigen Asiens einerseits östlich bis nach den Sunda-Inseln, andrerseits westlich bis nach Madagaskar und Afrika erstreckte.“
– Ernst Haeckel: Natürliche Schöpfungsgeschichte. (1868)[2]
1874 erwähnt Haeckel in seiner Anthropogenie unter dem Registereintrag „Lemurien“, dass er in seiner Natürlichen Schöpfungsgeschichte, im 23. Vortrag auf Tafel 15 über den geographischen Ursprung der Menschheit spekuliert habe, was er als „ersten Versuch“, „einer hypothetischen Skitzze“ begriffen habe, insofern sei die später daran geäußerte Kritik gegenstandslos. Die Karte greift er in der Anthropogenie nicht wieder auf.[3]
In der neunten Auflage der Natürlichen Schöpfungsgeschichte von 1897 bezeichnet Haeckel die Idee von Lemuria, nun mit dem ausdrücklichen Bezug auf Sclater, als aufgrund der neusten geologischen Erkenntnisse überholt. Er bevorzugte nun als wahrscheinlichste Hypothese den Ursprung des Menschen im westlichen Hinterindien.[4]
Auch Eduard Suess propagierte die Landbrücken-Hypothese und gab dem vermuteten Lemuria den Namen Gondwana.[5]
Lemuria, wie auch weitere hypothetische Landbrücken, etwa zwischen Südostasien und Südamerika, die aus der disjunkten Verbreitung von Tier- und Pflanzengruppen abgeleitet wurden, haben sich generell als Irrtum herausgestellt.[6] Weder die heute gültige Theorie der Plattentektonik oder die in der Tiergeographie bekannten Ausbreitungsbewegungen noch die Geologie und Geographie des Meeresbodens dieser Region bieten heute noch Spielraum für solche Spekulationen.
Esoterische Theorien und tamilische Geschichtsschreibung
Karte von Lemuria über die heutigen Kontinente gezeichnet. Nach dem amerikanischen Theosophen William Scott-Elliot aus The Story of Atlantis and Lost Lemuria (1896)
Haeckels Spekulationen wurden von Esoterikern stark rezipiert. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde das Motiv eines den Indischen Ozean ausfüllenden und später versunkenen Kontinents vermittelt durch theosophisches Schriftgut von einer populär-nationalistisch orientierten Richtung der tamilischen Geschichtsschreibung unter dem Namen Ilemuriya bzw. Kumarikkandam („Kontinent [angrenzend an das indische Südkap] (Kanniya-)Kumari“) übernommen, mit älteren, legendenhaften Flutberichten (v. a. aus der mittelalterlichen Kommentarliteratur zur alttamilischen Sangam-Dichtung) in Verbindung gebracht und so zu einem zentralen Bestandteil eines neo-mythologisch-nationalistischen tamilischen Geschichtsentwurfs gemacht.
Literarische Umsetzung
Die Lage von Lemuria in der SF-Welt von Perry Rhodan, dort ist der Kontinent 52.000 v. Chr. untergegangen
In der Fantasy- und Science-Fiction-Literatur dient der „versunkene Kontinent Lemuria“ verschiedentlich als Schauplatz, so bei Robert E. Howard, H. P. Lovecraft und Lin Carter. Richard Sharpe Shaver behauptete, das lemurische Alphabet, von ihm Mantong genannt, entschlüsselt zu haben.
In der SF-Serie Perry Rhodan, die im sogenannten Perryversum spielt, ist Lemuria ein bis 52.000 v. Chr. existenter Kontinent zwischen Asien und Amerika, der von der „Ersten Menschheit“, den Lemurern, bewohnt wurde. Als Folge eines verheerenden Krieges mit dem außerirdischen Volk der Haluter versank der Kontinent im Pazifik.[7]
In Thomas Pynchons postmodernen Detektivroman Inherent Vice aus dem Jahr 2009 (deutsch 2010 unter dem Titel Natürliche Mängel) erscheint Lemuria in Phantasie und Drogenrausch des Protagonisten als ein Fluchtpunkt der Handlung.
Siehe auch
Atlantis
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