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Schulenberg: Ein Ort versinkt im See

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Schulenberg: Ein Ort versinkt im See Empty Schulenberg: Ein Ort versinkt im See

Beitrag  checker Fr Aug 29, 2014 1:31 am

Schulenberg 1954: In dem Oberharzer Dorf leben fast 300 Menschen, die meisten in kleinen Holzhäusern. Aber das ist bald Vergangenheit, die Abrissbagger rücken an. Das sogenannte Weißwassertal soll einem Stausee weichen. Eine dringend erforderliche Maßnahme, sagen Politiker, Ingenieure und Wasserbauexperten.

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Ein beschauliches Örtchen im Oberharz - so sah das alte Schulenberg aus.

Die Schneeschmelze der vergangenen Winter hat erhebliche Wassermassen aus dem Mittelgebirge in die umliegenden Orte gespült und verheerende Überschwemmungen verursacht, unter anderem in Wolfenbüttel und Braunschweig. Deshalb soll die Oker mit einer 75 Meter hohen Betonmauer kurz hinter Schulenberg gestaut werden. Im Sommer ist die Oker ein plätscherndes Flüsschen, aber im Winter und Frühjahr kann sie sich in einen reißenden Strom verwandeln.

Der große Umzug

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Festakt: Tausende Gäste und eine Blaskapelle geleiten die Schulenberger in ihr neues Dorf.

Am Sonntag, den 29. August, verlassen die Umsiedler das Waldarbeiterdorf im Kreis Goslar. Der Umzug ist von großem Medien-Interesse. Rund 10.000 Gäste begleiteten ihn - an der Spitze marschiert der Bürgermeister. Reporter und Kamerateams aus ganz Europa sind dabei. Ihr neues Zuhause beziehen die Schulenberger westlich ihrer alten Wohnstätte auf dem "Kleinen Wiesenberg". Das neue Schulenberg liegt rund 60 Meter über dem Stausee auf 490 Metern Höhe und mit schönem Blick über den See sowie auf den Brocken.

Schon seit 1928 Baustopp im Dorf

Das "Sterben" des alten Schulenbergs hat aber bereits viel früher begonnen und mehr als 40 Jahre gedauert. Als 1912 Landvermesser im Tal gesichtet werden, gibt es schon erste Vorahnungen. Im Jahr 1928 erhält der Gemeindevorsteher ein amtliches Schreiben, in dem ihm mitgeteilt wird, welches Schicksal den aus Unter-, Mittel- und Ober-Schulenberg bestehenden Ort erwartet. Von da an dürfen die Bewohner nicht mehr bauen. Ihre Häuser müssen so bleiben, wie sie sind - denn Entschädigung gibt es nur für jene Werte, die am Tage der Hiobsbotschaft schon vorhanden waren. Obwohl mehrere Jahre nichts passiert, traut sich niemand, das Bauverbot zu missachten. Im Sommer 1938 rücken dann Arbeiterkolonnen an. Während des Zweiten Weltkriegs ruhen die Arbeiten.

30.000 Kubikmeter Hochwald fallen der Talsperre zum Opfer

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Die Okertalsperre kann bis zu 47.000 Kubikmeter Wasser stauen - der See hat dann 255 Hektar Oberfläche.

1949 werden die Arbeiten an der Talsperre fortgesetzt. An den Berghängen werden neue Straßen gebaut, an zwei Stellen müssen Brücken errichtet werden. Die Harzwasserwerke, die für den Bau der Talsperre zuständig sind, erwerben die Häuser im Tal. Die Gebäude werden bis auf die Grundmauern abgerissen. Die früheren Besitzer bekommen neue Grundstücke auf dem Wiesenberg. 1956 ist die Talsperre fertig, am 24. März wird erstmals Wasser eingestaut. Insgesamt werden dafür knapp 30.000 Kubikmeter Hochwald abgeholzt. Etliche Hänge rund um den Ort sind plötzlich kahl.

Tourismus löst Berg- und Holzbau ab

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Das heutige Schulenberg bietet Urlaubern diverse Freizeitmögichkeiten - vom Golfen bis zum Wandern.

Seit dem 16. Jahrhundert haben die Schulenberger in den tiefen Stollen der Harzer Bergwerke gearbeitet. Gefördert wurden vor allem Silber, Kupfer und Blei. Nach der Aufgabe der Gruben im Jahr 1904 war der Hauptwirtschaftszweig der Holzbau. Heute lebt die knapp 300-Seelen-Gemeinde Schulenberg vom Tourismus. Urlauber können klettern, wandern und im Winter Ski fahren. Im sogenannten Racepark werden Mountainbiker auf den 645 Meter hohen Wiesenberg gebracht. Von dort geht es über vier verschiedene Abfahrten talwärts.

Die Sage von der Kirchturmspitze

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Bei Niedrigwasser, wie hier im Sommer 2012, tauchen Mauerreste aus dem Stausee auf.

"In den alten Kuhställen leben heute sicher dicke Forellen", sagt ein Tourist beim Blick in den Okerstausee - was durchaus wahr sein kann. Indes hält sich noch hartnäckig die Mär, dass bei niedrigem Wasserstand die Kirchturmspitze Schulenbergs unter der Wasseroberfläche des Okerstausees zu sehen und manchmal Glockengeläut zu hören sei - in dem Dorf hat es vor der Umsiedlung aber kein Gotteshaus gegeben. Eine Kirchturmspitze im See war aber tatsächlich zeitweise zu sehen. Ein Kapitän der Okersee-Schifffahrt GmbH hatte sich einen Spaß erlaubt: Er hatte eine Kirchturmspitze nachgebaut und sie im Stausee verankert.

Ein Gebirge voller Talsperren

Schulenberg: Ein Ort versinkt im See Okertal105_v-contentgross
Die Okertalsperre ist mit 75 Metern Höhe die höchste im Westharz.

Insgesamt gibt es im Harz heute mehr als 50 Talsperren. Das Mittelgebirge ist damit der größte Trinkwasserspeicher Norddeutschlands. Einige Talsperren, wie etwa die Oberharzer Teiche, wurden bereits im 16. Jahrhundert angelegt, die meisten in den 1950er- und 60er-Jahren, als es einen regelrechten Bauboom gab. Diesem Boom fiel auch das alte Schulenberg zum Opfer. Die Schulenberger sind die einzigen Harz-Bewohner, die wegen des Baus eines Stausees ihren Ort verlassen mussten. Den Einwohnern von Sieber im Südharz drohte das gleiche Schicksal, doch sie konnten sich erfolgreich dagegen wehren.
Ausflugsziel Okertalsperre

Die Staumauer der Okertalsperre ist 75 Meter hoch und 260 Meter lang. Das 225 Hektar große Gewässer kann bis zu 47 Millionen Kubikmeter Wasser stauen und dient der Stromerzeugung, Wasserregulierung und indirekt auch zur Trinkwassergewinnung. Aufgrund der vielen Buchten wird der Stausee auch "Vierwaldstättersee des Harzes" oder "Blaues Ypsilon" genannt.

Der bis zu 65 Meter tiefe Stausee ist ein beliebtes Ausflugsziel. Außerhalb abgesperrter Bereiche ist das Baden und Tauchen erlaubt. Man kann zudem segeln, rudern, surfen und Tretboot fahren. Von Anfang März bis Anfang Januar verkehrt ein Linienschiff (in der Nebensaison nur am Wochenende). Im Winter finden bei tragfähiger Eisdicke Eisbadeveranstaltungen statt. Eine Attraktion ist auch eine Führung im Inneren des Staudamm-Bauwerks.

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