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~ Otto Hahn ~

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Beitrag  Andy So Sep 28, 2014 9:29 pm

Otto Hahn (* 8. März 1879 in Frankfurt am Main; † 28. Juli 1968 in Göttingen) war ein deutscher Chemiker, Pionier der Radiochemie, Entdecker zahlreicher Isotope, heute Nuklide genannt (1905–1921), des radioaktiven Rückstoßes (1909), des Protactiniums (1917), der Kernisomerie beim „Uran Z“ (1921) und der Kernspaltung des Urans (1938), wofür ihm 1944 der Nobelpreis für Chemie verliehen wurde.

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Otto Hahn (1938)

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Briefmarke der Deutschen Bundespost, 1979

Er gilt allgemein als einer der bedeutendsten Chemiker der Geschichte und insbesondere als „Vater der Kernchemie“ – ein Begriff, der u. a. von Glenn T. Seaborg und amerikanischen Wissenschaftlern geprägt wurde.[1]

Von 1928 bis 1946 war Otto Hahn Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts (KWI) für Chemie in Berlin, von 1946 bis 1948 der letzte Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) sowie Gründer und von 1948 bis 1960 erster Präsident der aus der KWG hervorgegangenen Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Seit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki 1945 gehörte er zu den schärfsten Kritikern der nuklearen Aufrüstung der Großmächte und der durch unkontrollierte Atomtests fortschreitenden radioaktiven Verseuchung der Erde. Dagegen setzte er sich wiederholt für die friedliche Nutzung der Kernenergie ein.[2] Otto Hahn wurde zudem einer der einflussreichsten Vorkämpfer für globale Völkerverständigung und internationale Entspannungspolitik, für seinen aktiven Pazifismus wurde er seit 1957 mehrfach für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.[3]

Kindheit

Otto Hahn wurde am 8. März 1879 als jüngster Sohn des Glasermeisters und Unternehmers Heinrich Hahn (1845–1922, „Glasbau Hahn“) und dessen Frau Charlotte Hahn geb. Giese (1845–1905) in Frankfurt am Main geboren. Er verlebte zusammen mit seinen Brüdern Karl, Heiner und Julius eine behütete Kindheit. Mit etwa 15 Jahren begann er sich in besonderer Weise für Chemie zu interessieren und unternahm zusammen mit einem Schulkameraden in der Waschküche seiner Mutter einfache chemische Experimente.

„Ich lernte Wasserstoff herzustellen, mit Sauerstoff Kohle zu verbrennen, mit Natriummetall, gelbem Phosphor und Kaliumchlorat zu experimentieren. An Formelgleichungen wagten wir uns allerdings noch nicht heran. In den höheren Klassen wurde es ein bißchen besser. Ein Freund meines älteren Bruders Karl, der selbst Chemie studierte, schenkte mir das Lehrbuch "Die Schule der Chemie" von Stöckhardt, und in der Oberprima hörten wir sogar ein Kolleg über organische Farbstoffe bei Professor Martin Freund, dem späteren Ordinarius für Chemie an der Frankfurter Universität. Er zeigte uns sehr schöne Farbreaktionen. So verdichtete sich langsam bei mir der Wunsch, Chemiker zu werden.“[4]

Der Vater, durch innovative Ideen, Fleiß und Sparsamkeit zu Wohlstand gekommen, hätte Otto Hahn gern als Architekten gesehen, da er mehrere Wohn- und Geschäftshäuser gebaut oder erworben hatte. Aber er ließ sich überzeugen, dass sein Sohn Otto beabsichtigte, die Laufbahn eines Industriechemikers einzuschlagen.
Ausbildung

Nach dem Abitur an der Klinger-Oberrealschule in Frankfurt am Main begann Hahn 1897 an der Philipps-Universität Marburg sein Studium der Chemie und Mineralogie, als Nebenfächer belegte er Physik bei Franz Melde und Philosophie bei den Neukantianern Hermann Cohen und Paul Natorp, die einen entscheidenden Einfluss auf sein bereits empirisch geprägtes wissenschaftliches Denken und Handeln haben sollten. Da sein Vater den Beitritt zu einer schlagenden Verbindung ablehnte, wurde Hahn Mitglied im 'Naturwissenschaftlich-Medizinischen Verein Studierender' zu Marburg, einer damals nicht schlagenden Studentenverbindung und Vorläuferin der heutigen Landsmannschaft Nibelungia.

Das dritte und vierte Semester verbrachte er bei Adolf von Baeyer an der Universität München, wo er sich, angeregt durch Besuche der Alten Pinakothek, nebenher auch mit wachsendem Interesse der Kunstgeschichte widmete. Im Juli 1901 promovierte Hahn in Marburg magna cum laude mit einer Dissertation über „Bromderivate des Isoeugenols“, ein Thema aus der klassischen organischen Chemie. Nach Ende seines einjährigen Militärdienstes im 81. Infanterieregiment in Frankfurt am Main entschloss sich der junge Chemiker, für zwei Jahre als Assistent seines Doktorvaters, Geheimrat Theodor Zincke, an die Universität Marburg zurückzukehren.
Frühe Erfolge in London und Montreal (1904–1906)
Entdeckung von Isotopen

Hahn strebte eine Tätigkeit in der Industrie an. Aus diesem Grund und zur Verbesserung seiner Sprachkenntnisse wechselte er 1904 an das University College London und wurde Mitarbeiter von Sir William Ramsay, dem berühmten Entdecker der Edelgase. Hier beschäftigte sich Hahn mit dem seinerzeit noch jungen Gebiet der Radiochemie. Bei der Arbeit mit Salzen des Elements Radium entdeckte Hahn 1905 das 'Radiothorium', nach damaligen Vorstellungen ein neues radioaktives chemisches Element. Ramsay war begeistert und führte Hahn in die wissenschaftlichen Kreise Londons und der Royal Society ein, wo er seine Entdeckung in einem Vortrag erklären und anschließend in den Proceedings of the Royal Society publizieren konnte. Es ist – abgesehen von der Dissertation – die erste von über 250 wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Am 8. März erschien bereits ein zusammenfassender Bericht über 'A new Element' in einer Londoner Tageszeitung, dem Daily Telegraph. Tatsächlich war das Radiothorium aber ein damals noch unbekanntes Isotop des schon bekannten Elements Thorium, 228Th. Die Begriffe Isotopie und Isotop wurden aber erst 1913 von Frederick Soddy geprägt und setzten sich international durch.

Im Herbst 1905 wechselte Hahn an die McGill-Universität in Montreal, Kanada, um bei Ernest Rutherford seine Kenntnisse zu vertiefen. Hier erlernte Hahn unter anderem die Analyse der Alphastrahlen, die Messung der Gasionisation, der Reichweite und der elektromagnetischen Ablenkung, und konnte mit diesen neuen Methoden die (nach damaliger Terminologie) radioaktiven chemischen Elemente Thorium C (heute: das Poloniumisotop 212Po), Radium D (das Bleiisotop 210Pb) und Radioactinium (das Thoriumisotop 227Th) entdecken, was Rutherford zu der Bemerkung veranlasste: „Hahn has a special nose for discovering new elements“.[5]
Forschung in Berlin (1906–1944)

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Otto Hahn und Lise Meitner im Labor, KWI für Chemie, Berlin, 1913

Entdeckung des Mesothoriums

Im Sommer 1906 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde Mitarbeiter am I. Chemischen Institut der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin bei Emil Fischer, der Hahn eine „Holzwerkstatt“ im Chemischen Institut als eigenes Labor zur Verfügung stellte.[6] Dort entdeckte Hahn in wenigen Monaten – mit äußerst primitiven Apparaturen – das Mesothorium I, das Mesothorium II und – unabhängig von Boltwood – die Muttersubstanz des Radiums, das Ionium. Das Mesothorium I (das Radiumisotop 228Ra) erlangte in den folgenden Jahren eine große Bedeutung, da es sich – ähnlich dem Curieschen Radiumisotop 226Ra – hervorragend für die medizinische Strahlentherapie eignete, mit dem großen Vorteil, dass es in der Herstellung nur die Hälfte kostete. Für die Entdeckung des Mesothoriums I wurde Otto Hahn 1914 erstmals von Adolf von Baeyer für den Chemie-Nobelpreis vorgeschlagen.
Entdeckung des radioaktiven Rückstoßes

Im Juni 1907 habilitierte sich Hahn an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Am 28. September 1907 lernte er im Physikalischen Institut bei Heinrich Rubens die fast gleichaltrige Physikerin Lise Meitner kennen, die von Wien nach Berlin gewechselt war. Hier begann die 30 Jahre lang dauernde Zusammenarbeit und lebenslange innige Freundschaft der beiden Wissenschaftler. Die im Mai 1908 in der Physikalischen Zeitschrift erschienene Abhandlung Über die Absorption der Beta-Strahlen einiger Radioelemente ist die erste gemeinsame Publikation (von insgesamt 50), und bereits kurze Zeit später veröffentlichten Hahn und Meitner die Entdeckung eines neuen kurzlebigen Produktes des Actiniums, des Actinium C.

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Gedenktafel am Haus, Hessische Straße 1, in Berlin-Mitte

Nachdem die Physikerin Harriet Brooks 1904 zum ersten Mal den radioaktiven Rückstoß beobachtet, aber falsch gedeutet hatte, gelang es erst Otto Hahn 1908/09, den Rückstoß bei der \alpha-Umwandlung nachzuweisen und richtig zu interpretieren. Otto Hahn formuliert das so:

„Der Zerfall eines radioaktiven Atoms geschieht bekanntlich explosionsartig, die Alphastrahlen erreichen eine Geschwindigkeit bis zu 1/10, die Elektronen nahezu volle Lichtgeschwindigkeit.

Zerplatzt nun ein derartig radioaktives Atom, so wird das übrigbleibende Rest-Atom durch das Ausschleudern der Elektronen oder mehr noch der Alphastrahlen einen Rückstoß bekommen, ähnlich wie die Kanone, wenn das Geschoss den Lauf verlässt. Die Geschwindigkeit des Rest-Atoms bestimmt sich daher nach dem Schwerpunktsatz.“[7]

Der Physiker Walther Gerlach kommentierte hierzu rückblickend:

„… eine grundsätzliche, bedeutungsvolle physikalische Entdeckung mit weittragenden Folgen für die weitere Klärung der radioaktiven Umwandlung. – Der radioaktive Rückstoss brachte nicht nur den Beweis, dass für den damals prinzipiell noch nicht verstehbaren radioaktiven Zerfallsvorgang (man wusste noch nichts von einem Atomkern!), welchen Hahn nun so anschaulich ein ‚Zerplatzen eines Atoms‘ nennt, die mechanischen Grundsätze von Energie und Impuls gelten.“[8]

In der Folgezeit wurden von Hahn und Meitner mit der von ihnen neu entwickelten „Rückstoßmethode“ mehrere neue radioaktive Substanzen entdeckt, unter anderem die Isotope 214Po, 207Tl, 208Tl und 210Tl.

Vom 13. bis 15. September 1910 nahm Hahn als Vertreter Deutschlands am ‚1. Internationalen Radium-Kongress‘ in Brüssel teil und wurde Mitglied der dort neugegründeten ‚Radiumstandard-Kommission‘, zusammen mit Bertram B. Boltwood, Marie Curie, Stefan Meyer, Ernest Rutherford und Frederick Soddy. Ende März 1912 tagte die Kommission erneut, diesmal in Paris, im Institut und in der Wohnung von Marie Curie, die ein Radiumstandardpräparat aus reinstem wasserfreien Chlorid hergestellt hatte.[9] Lise Meitner schrieb an Hahn, der sich anschließend noch in der Schweiz aufhielt:

„Ich bin schon neugierig, was Sie von Paris erzählen werden. Dass Sie so vielerlei zu tun haben, darf Sie nicht ärgern, umsonst ist man nicht berühmt.“[10]

Am 10. Oktober 1910 wurde Otto Hahn von der Preußischen Staatsregierung in Rücksicht auf seine anerkennenswerten wissenschaftlichen Leistungen der Titel „Professor“ verliehen, aber erst 1919 erhielt Hahn den Lehrauftrag für Radioaktivität an der Berliner Universität.[11]
Hochzeit mit Edith Junghans

1912 wurde Hahn die Leitung der radiochemischen Abteilung im neugeschaffenen Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin-Dahlem übertragen (heute „Hahn-Meitner-Bau“ der Freien Universität Berlin, Thielallee 63). Als Nachfolger von Alfred Stock war er dann von 1928 bis 1946 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie, das er schon sei 1926 kommissarisch geleitet hatte. Bereits 1924 erfolgte Hahns Ernennung zum Ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin (auf Vorschlag von Einstein, Haber, Planck, Schlenk und von Laue).

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Marmortafel zur Erinnerung an Otto Hahns Hochzeitsreise, Punta San Vigilio, Gardasee, 1913

Nachdem Otto Hahn anlässlich einer Tagung in Stettin im Juni 1911 die Kunststudentin Edith Junghans kennengelernt hatte, heiratete das Paar am 22. März 1913 in Ediths Geburtsstadt Stettin, wo der Vater, Justizrat Paul Junghans, bis zu seinem frühen Tode 1915 Präsident des Stadtparlamentes war. Aus der Ehe ging 1922 als einziger Sohn der spätere Kunsthistoriker und Architekturforscher (an der Hertziana in Rom) Hanno Hahn hervor, der 1960 zusammen mit seiner Frau und Assistentin Ilse Hahn auf einer Studienreise in Frankreich tödlich verunglückte. Sie hinterließen einen 14-jährigen Sohn, Dietrich Hahn. Zum Gedächtnis an Hanno und Ilse Hahn und zur Förderung junger begabter Kunsthistoriker(innen) wurde im Jahre 1990 der inzwischen international angesehene Hanno-und-Ilse-Hahn-Preis für hervorragende Verdienste um die italienische Kunstgeschichte geschaffen, der alle zwei Jahre vom Kuratorium der Bibliotheca Hertziana in Rom verliehen wird.
Erster Weltkrieg und Entdeckung des Protactiniums

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Otto Hahn zum Militärdienst einberufen. Zunächst diente er von August bis Dezember 1914 als Offiziersstellvertreter in zwei Regimentern an der Westfront, danach wurde er Offizier (Leutnant) und Mitglied der von Fritz Haber geleiteten Spezialeinheit für chemische Kriegsführung (u. a. mit James Franck, Gustav Hertz und Wilhelm Westphal).[12] Diese entwickelte, testete und produzierte Giftgas für Kriegszwecke, schulte das Militär für den Umgang mit Giftgas, bereitete den Einsatz an der Front vor und überwachte die Gasangriffe.[12][13]

„Hahn hatte zunächst Bedenken, da er glaubte, dass die Verwendung giftiger Gase im Krieg gegen die 'Haager Konvention' verstieß. Aber er ließ sich von Haber überreden. Das seine persönliche wie die staatsbürgerliche Erziehung bestimmende Pflicht- und Pflichterfüllungsprinzip und dazu die so 'humane' Begründung, Gas verkürze den Krieg, erhalte also Menschenleben – der unselige Satz, dass der Zweck die Mittel heiligt – hatte seine Wirkung getan. 30 Jahre später, als mit der gleichen Argumentation der Abwurf der Atombomben in Japan gerechtfertigt werden sollte, musste Otto Hahn schwerer als sonst irgend jemand darunter leiden.“

– Walther Gerlach[14]



Hahn diente dem Gasregiment vom Januar 1915 bis Kriegsende mit nur wenigen längeren Unterbrechungen. Er pendelte dabei ständig zwischen Ost-, West- und Süd-Front, Habers Institut für Physikalische Chemie in Berlin und den Bayer-Werken in Leverkusen.

Für seine militärischen Verdienste erhielt Hahn die Hessische Tapferkeitsmedaille, das Eiserne Kreuz 1. und 2. Klasse, den Königlich Sächsischen Albrechtsorden mit Schwertern und das Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern.

Ab Dezember 1916 wurde Hahn Mitglied des ‚Hauptquartiers Seiner Majestät‘ in Berlin und konnte sich daher zwischen Januar und September 1917 an seinem Institut wieder verstärkt der Radiumforschung widmen.[12] 1917 isolierte er mit Lise Meitner eine langlebige Aktivität, sie nannten das Element 'Proto-Actinium' und veröffentlichten ihre Arbeit 1918 unter dem Titel Die Muttersubstanz des Actiniums; ein neues radioaktives Element von langer Lebensdauer in der Physikalischen Zeitschrift. 1913 hatten Fajans und Göhring eine kurzlebige Aktivität aus Uran isoliert (UX2) und das Element Brevium genannt. Die beiden Aktivitäten sind unterschiedliche Isotope des gleichen Elements Nr. 91, das 1949 von der IUPAC endgültig Protactinium genannt wurde und Hahn und Meitner als alleinige Entdecker bestätigte. Bereits in den Jahren 1924 und 1925 wurden sie für ihre Entdeckung von mehreren Kollegen für den Chemie-Nobelpreis vorgeschlagen, unter anderem von Max Bergmann, Viktor Moritz Goldschmidt und sogar von Kasimir Fajans selbst, der die entscheidende Veröffentlichung von Hahn und Meitner neidlos anerkannte.[15]
Entdeckung der Kernisomerie

Im Februar 1921 veröffentlichte Otto Hahn die erste Mitteilung über seine Entdeckung des Uran Z (234Pa). Es ist die Entdeckung der Kernisomerie, die Walther Gerlach rückblickend so beschrieb:

„War die Entdeckung der Isotopie Hahn entgangen, weil er den Schritt vom experimentell nachweisbaren chemisch-nicht-unterscheidbar zu dem extrapolierten chemisch-gleich nicht wagte, so gelang ihm 1921 eine für die Kernphysik viel später sehr bedeutungsvoll werdende, damals unverständliche Entdeckung: die Kern-Isomerie. Das Wort enstammt der allgemeinen Chemie. Moleküle, welche die gleiche atomare Zusammensetzung haben, sich aber dennoch wegen verschiedener Strukturen in ihren Eigenschaften unterscheiden, nennt man isomere Moleküle. […] Wieder beruht die Hahnsche Entdeckung auf dem zähen Suchen nach der Ursache einer geringfügigen Abweichung vom Normalen. – Wie er zu dieser Entdeckung kam und diese gegen jeden Einwand sicherstellte, das hielt Hahn für seine beste Arbeit.“[16]

Erst 15 Jahre später, 1936, gelang es dem jungen Carl Friedrich von Weizsäcker, das Phänomen der Kernisomerie als „metastabile Zustände der Atomkerne“ theoretisch zu erklären. Auch für diese Entdeckung, deren volle Bedeutung doch einige wenige erkannten, wurde Otto Hahn 1923, unter anderem von Max Planck, für den Chemie-Nobelpreis vorgeschlagen.
Angewandte Radiochemie

In den 1920er Jahren schuf sich Otto Hahn ein neues Arbeitsgebiet: Mit der von ihm neuentwickelten „Emaniermethode“ und dem „Emaniervermögen“ begründete er die „Angewandte Radiochemie“ zur Erforschung allgemeiner chemischer und physikalisch-chemischer Fragen. „Applied Radiochemistry“ ist der Titel seines 1936 in englischer (und später in russischer) Sprache erschienenen Lehrbuches, das die 1933 von Hahn während seiner Gastprofessur an der Cornell University in Ithaca, New York (USA), gehaltenen Vorlesungen enthält. Diese Publikation hatte einen bedeutenden Einfluss auf praktisch alle Nuklearwissenschaftler in den 1930er und 1940er Jahren, vor allem in den USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion.

Glenn T. Seaborg, der Mitentdecker zahlreicher Transuran-Elemente und damalige Präsident der United States Atomic Energy Commission, schrieb 1966 im Vorwort der amerikanischen Ausgabe von Hahns wissenschaftlicher Autobiographie:

„Mitte der 30er Jahre, sowie in Verbindung mit unserer Arbeit mit Plutonium einige Jahre später, benutzte ich sein Buch ‚Applied Radiochemistry‘ als meine Bibel.
[…]
Ich denke, es ist gerecht, Otto Hahn als den Vater der Radiochemie und der daraus entstandenen modernen Kernchemie zu bezeichnen.“[1]

Die Entdeckung der Kernspaltung (1938)
→ Hauptartikel: Entdeckung der Kernspaltung

Gemeinsam mit Lise Meitner und seinem Assistenten Fritz Straßmann setzte Hahn die Forschungsarbeiten fort, die der italienische Physiker Enrico Fermi durch den Beschuss von Uran mit Neutronen 1934 begonnen hatte. Bis 1938 glaubten alle Wissenschaftler, dass die Elemente mit Ordnungszahlen größer als 92 (die sogenannten Transurane) entstehen, wenn man Uranatome mit Neutronen beschießt. Eine Ausnahme stellte die Chemikerin Ida Noddack dar. Sie nahm den Paradigmenwechsel von 1938/39 vorweg, indem sie in Angewandte Chemie (Nr. 47, Jg. 1934) mutmaßte:

„Es wäre denkbar, dass bei der Beschießung schwerer Kerne mit Neutronen diese Kerne in mehrere größere Bruchstücke zerfallen, die zwar Isotope bekannter Elemente, aber nicht Nachbarn der bestrahlten Elemente sind.“

Aber kein Physiker griff die noddacksche Hypothese auf und überprüfte sie, auch Ida Noddack selbst nicht. Der Zerfall schwerer Atomkerne in leichtere Elemente galt als ausgeschlossen.

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Taschenkalender Otto Hahns, 1938.

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Versuchsapparaturen, mit denen Otto Hahn und Fritz Strassmann am 17. Dezember 1938 in Berlin die Kernspaltung entdeckten (Deutsches Museum, München)

Am 13. Juli 1938 emigrierte Lise Meitner mit Hahns Hilfe und in Begleitung des holländischen Chemikers Dirk Coster von Berlin illegal über die Niederlande nach Schweden, da sie durch den Anschluss Österreichs an Deutschland im März 1938 ihre österreichische Staatsbürgerschaft verloren hatte und wegen ihrer jüdischen Abstammung in besonderer Weise gefährdet war. Als Otto Hahn und Fritz Straßmann im Dezember 1938 in einer mit Neutronen bestrahlten Uranprobe nach Transuranen suchten, fanden sie Spuren des Elements Barium. Zum Nachweis diente ein organisches Bariumsalz des jüdischen Chemikers Wilhelm Traube, dessen spätere Verhaftung und Ermordung Hahn vergeblich zu verhindern suchte. Aufgrund des entscheidenden Experiments am 17. Dezember 1938 – der berühmten „Radium-Barium-Mesothorium-Fraktionierung“ – schloss Otto Hahn auf ein „Zerplatzen“ des Urankerns in mittelschwere Atomkerne. Dies war die Entdeckung der Kernspaltung. Hahns und Straßmanns radiochemische Ergebnisse wurden am 6. Januar 1939 in der Zeitschrift Die Naturwissenschaften veröffentlicht und waren der unwiderlegbare Beweis (der durch Berechnungen der bei der Reaktion beteiligten Energien bestätigt wurde), dass das Uran in kleinere, aus leichteren Elementen bestehende Bruchstücke gespalten worden war.[3]

In ihrer zweiten Veröffentlichung vom 10. Februar 1939,[17] in der sie erstmals den Begriff „Uranspaltung“ verwendeten, sagten Hahn und Straßmann voraus, dass bei dem Spaltungsvorgang „mehrere zusätzliche Neutronen freigesetzt werden könnten“ – ein Vorgang, der später von Frédéric Joliot, Hans von Halban und Lew Kowarski experimentell bestätigt und als „Kettenreaktion“ verifiziert wurde. Am 11. Februar 1939 – Otto Hahn hatte, ohne die Physiker in seinem Institut zu informieren, Lise Meitner als einzige über seine radiochemischen Experimente brieflich vorab in Kenntnis gesetzt – lieferten Lise Meitner und ihr inzwischen ebenfalls nach Schweden emigrierter Neffe Otto Robert Frisch eine erste theoretisch-physikalische Erklärung der Kernspaltung in der englischen Zeitschrift Nature. Frisch schätzte darin die entstehende Energie auf ca. 200 Millionen Elektronenvolt und prägte dabei den Begriff „nuclear fission“ (Kernspaltung), der in der Folgezeit international anerkannt wurde.

„Dass Otto Hahn seine Kollegin und lebenslange Freundin Lise Meitner als erste und zunächst exklusiv über die große Entdeckung informiert hat, dazu gehörte sehr viel Mut. Man bedenke: Ein deutscher Institutsdirektor informiert im Jahr 1938 über eine Jahrhundert-Entdeckung zuerst seine emigrierte jüdischstämmige Kollegin! Das hätte ihn leicht ins KZ Sachsenhausen bringen können. Diese Tat ist eines der vielen Beispiele für den unverdrossenen Mut, die unerschütterliche Freundestreue, die Ehrlichkeit und Geradlinigkeit des großen Gelehrten.“

– Gerd Brosowski[18]


~ Otto Hahn ~ Freie_Universitaet_Berlin_-_Gedenktafel_fuer_Otto_Hahn_und_Fritz_Strassmann
Gedenktafel zur Entdeckung der Kernspaltung am früheren KWI für Chemie, enthüllt 1956

In einer späteren Würdigung schrieb Lise Meitner:

„Die Entdeckung der Kernspaltung durch Otto Hahn und Fritz Straßmann hat ein neues Zeitalter in der Geschichte der Menschheit eröffnet. Die dieser Entdeckung zugrunde liegende wissenschaftliche Leistung scheint mir darum so bewundernswert, weil sie ohne jede theoretische Wegweisung auf rein chemischem Weg erreicht worden ist.“

In einem ARD-Interview (am 8. März 1959) ergänzte sie:

„Es gelang mit einer ungewöhnlich guten Chemie von Hahn und Straßmann, mit einer phantastisch guten Chemie, die zu dieser Zeit wirklich niemand anderer gekonnt hat. Später haben’s die Amerikaner gelernt. Aber damals waren wirklich Hahn und Straßmann die einzigen, die das überhaupt machen konnten, weil sie so gute Chemiker waren. Sie haben wirklich mit der Chemie einen physikalischen Prozeß sozusagen nachgewiesen.“[19]

Fritz Straßmann erwiderte in demselben Interview präzisierend:

„Frau Professor Meitner hat erklärt, daß der Erfolg auf die Chemie zurückzuführen ist. Ich muß sie etwas korrigieren. Denn die Chemie hat lediglich zustande gebracht eine Isolierung der einzelnen Substanzen, aber nicht eine genaue Identifizierung. Um das durchzuführen, war die Methode von Herrn Professor Hahn notwendig. Das ist also sein Verdienst.“[3]

Und in ihrem Artikel ‚Otto Hahn – der Entdecker der Uranspaltung‘ (1955) hob Lise Meitner explizit hervor:

„Hahns folgenreichste Leistung ist zweifellos die Entdeckung der Uranspaltung, die zur Erschliessung einer fast unerschöpflichen Energiequelle mit sehr eingreifenden Anwendungsmöglichkeiten – zum Guten oder Bösen – geführt hat. Wie sehr Hahn die Beschränkung auf friedliche Ausnutzung der Atomenergie am Herzen liegt, geht aus vielen seiner Reden und Vorträge hervor.“[20]


Dennoch wird von einigen Historikern kontrovers diskutiert, welchen Anteil Lise Meitner an dem radiochemischen Nachweis der Kernspaltung hatte. Zum Beispiel bezeichnete Ernst Peter Fischer, Physiker und Wissenschaftshistoriker der Universität Konstanz, die Tatsache, dass Lise Meitner keinen Nobelpreis erhielt, sogar drastisch als „Dummheit der schwedischen Akademie“.[21]

Während des Krieges arbeitete Otto Hahn – zusammen mit den Mitarbeitern Hans Joachim Born, Siegfried Flügge, Hans Götte, Walter Seelmann-Eggebert und Fritz Straßmann – an den Spaltreaktionen des Urans und stellte bis 1945 eine Liste von nachgewiesenen 25 Elementen und 100 Isotopen auf – eine erstaunliche Leistung unter den durch den Krieg stark eingeschränkten Arbeitsbedingungen.
Tailfingen (1944–1945)

In der Nacht vom 11. zum 12. Februar 1944 wurde das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie von einer schweren Bombe getroffen, sodass eine konstruktive Forschungsarbeit kaum mehr weitergeführt werden konnte. An seinen Bruder Heiner in Frankfurt am Main schrieb Otto Hahn:

„Mein Institut hat einen Volltreffer, der wohl gerade in meinem Direktorenzimmer explodiert ist. Die Hälfte des schönen Instituts wurde damit restlos zerstört. Alle meine Dokumente, Sonderdrucke, Manuskripte, Briefwechsel etc. sind atomisiert! Wertvolle und jetzt nicht wieder herstellbare Apparaturen, die im Frieden viele Tausende kosteten, sind dahin.“[22]

Hahn entschloss sich daher, sein Institut nach Süddeutschland auszulagern, das von alliierten Bombenangriffen noch weitgehend verschont blieb. In Tailfingen (Württemberg) konnten drei leerstehende Textilfabriken gefunden werden und in diese die noch intakten Reste des Instituts, insbesondere die stark aktiven Präparate und die Beryllium-Neutronenquellen, integriert werden. Otto Hahn und seine Frau bezogen zwei Zimmer in der Villa des Fabrikanten Ludwig Hakenmüller in der Panoramastrasse 20, in denen sie bis zum Kriegsende untergebracht waren.
In der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945)

Durch sein energisches und konsequentes Auftreten gegenüber den NS-Behörden konnte Otto Hahn, der von Anbeginn ein Gegner der Nazi-Diktatur war und sich immer wieder erfolgreich der Aufforderung zur Mitgliedschaft in der NSDAP widersetzte, zusammen mit seiner couragierten Frau Edith vielen gefährdeten oder verfolgten Institutsangehörigen und Privatpersonen beistehen und sie vor Fronteinsatz oder gar der Deportation in ein Konzentrationslager bewahren.

„In den Kriegsjahren wurde er für viele der Bewahrer des Lebens. Er war immer bereit, zu helfen und zu stützen, wenn ernste Schwierigkeiten drohten. Nur schnell Fertigem trat er mit ernster, auch ironischer Mahnung entgegen.“

– Hans Joachim Born und Fritz Strassmann[23]

„Zahllos sind die Fälle, in welchen das Ehepaar Hahn Bedrängten und Verfolgten half, offen und noch mehr im verborgenen, ohne Rücksicht auf die eigene Gefährdung.“

– Walther Gerlach[24]


Auch praktische humanitäre Überlebenshilfe für untergetauchte Mitbürger hat das Ehepaar Hahn geleistet, insbesondere Edith Hahn, wie aus einem Bericht hervorgeht:

„Hahns waren einmal bei uns, und Frau Hahn erzählte, dass sie Hunderte von illegal in Berlin untergetaucht lebenden Juden kenne, die in Kohlekellern und Dachböden verborgen würden, aber dass sie langsam verhungerten, weil sie ja keine Lebensmittelkarten bekamen, keine Fleischmarken, keine Brotmarken. Da muss ich ungefähr 16 gewesen sein, das war, glaube ich, Anfang 1943 oder Ende 1942. Und während sich Hahns und meine Eltern darüber unterhielten, auch über die Gefahr bei Luftangriffen, dass die illegal in Berlin lebenden Juden ja immer in den Dachböden bleiben müssten – der Luftschutzkeller wegen – hatte ich den Eindruck, da müsste man doch etwas tun und habe dann eine Reihe von Freunden gewonnen. Wir sammelten teils eigene, teils fremde Lebensmittelkarten – haben natürlich niemand kennengelernt von den Empfängern – sondern ich brachte die nach Lichterfelde, wo Hahns wohnten, zu Frau Hahn, und sie hatte den Verteilungsmechanismus.“

– Wolf Jobst Siedler[25]


Schon Anfang 1934 war Hahn aus Protest gegen die Entlassung jüdischer Kollegen, darunter Lise Meitner, James Franck und Fritz Haber, aus dem Lehrkörper der Berliner Universität ausgetreten.[26]

Max von Laue erinnert sich in einem Brief an seinen Freund Otto Hahn:

„Die Feuerprobe hatte unsere Freundschaft erst 1933 und danach zu bestehen. Über Hitler und den Nationalsozialismus dachten wir … dasselbe. Und wir setzten, was wir dachten, soweit möglich auch in Taten um. Wie oft hast Du, wie oft habe ich jüdischen Bekannten und anderen Verfolgten seelisch geholfen, indem wir sie allen Verboten zum Trotz besuchten oder in unsere Häuser einluden. Auch praktischer Unterstützung wissen wir uns zu erinnern, indem wir, meist unabhängig voneinander, ihnen die Auswanderung erleichterten. In der Preußischen Akademie konnten wir mehrmals den Braunen einen Strich durch die Rechnung machen, zum Beispiel bei Wahlen. Dies hatte, gegenüber dem Umfang des grauenvollen Geschehens, wenig zu bedeuten; für Weiteres reichte unser Einfluss nicht aus. Dein Meisterstück war es jedenfalls, als der Lise Meitner, für die wir alle gebangt hatten, die Flucht nach Holland gelang.“[27]

Im November 1944 intervenierte Otto Hahn „im Falle der Jüdin Maria Sara von Traubenberg, geborene Rosenfeld“, wie es in der damaligen Nazi-Terminologie hieß. In einem Brief an den SS-Hauptscharführer Dobberke schrieb Hahn, dass „Frau Dr. von Traubenberg als Physikerin und Mitarbeiterin ihres Mannes an den ‚Geheimarbeiten über das Uran‘ beteiligt gewesen sei. Nur sie könne die wichtigen Forschungsergebnisse ihres verstorbenen Mannes übersehen.“ Die Gestapo ließ sich von Hahns übertriebenen, aber wirkungsvollen Worten täuschen und deportierte Maria von Traubenberg nicht nach Auschwitz, sondern nach Theresienstadt, wo sie ein eigenes Zimmer bekam, um den Nachlass ihres Mannes zu bearbeiten. Sie war damit gerettet und überlebte. Ende 1945 verließ sie Deutschland und zog zu Verwandten nach England.[28]
Internierung in England (1945)

Bei Kriegsende, im April 1945, wurde Otto Hahn von alliierten Spezialeinheiten der Alsos-III-Mission in Tailfingen (heute: Albstadt) festgenommen und mit neun deutschen Physikern (darunter Max von Laue, Walther Gerlach, Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker) in dem Landhaus Farm Hall, nahe Cambridge (England), interniert. Dort erfuhren die deutschen Wissenschaftler vom Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August. Otto Hahn war am Rande der Verzweiflung und – wie seine Gefährten berichteten – dem Suizid nahe, da er sich als Entdecker der Kernspaltung mitverantwortlich fühlte für den Tod und das Leiden hunderttausender japanischer Zivilisten.

Carl Friedrich von Weizsäcker erinnert sich:

„Otto Hahns Reaktion auf Hiroshima war schrecklich. Denn Hahn war von früh an ein entschlossener Gegner des Nationalsozialismus. Er war ein guter, klassischer Liberaler. Seine ganze Hoffnung hatte er auf einen Sieg des Westens gesetzt, also auf einen Sieg Amerikas. Und nun erfuhr er, dass die Leute, auf die er seine Hoffnung gesetzt hatte, diese Waffe entwickelt und auch tatsächlich eingesetzt hatten. Das hat ihn erschüttert. Diese Erschütterung von Otto Hahn am Tage von Hiroshima hat ihn mir noch einmal ein ganz großes Stück menschlich nähergebracht, gerade weil evident war, dass er sich für etwas verantwortlich fühlte, das er nach jeder normalen Regel nicht zu verantworten hatte. Denn Otto Hahn war ein wirklich moralischer und reifer Mensch, und so waren die Toten von Hiroshima für sein Empfinden auf seinem Gewissen. Und für dieses Empfinden habe ich ihn verehrt.“[29]


Und Werner Heisenberg schreibt in seinen Erinnerungen:

„Am tiefsten getroffen war begreiflicherweise Otto Hahn. Die Uranspaltung war seine bedeutendste wissenschaftliche Entdeckung, sie war der entscheidende und von niemandem vorhergesehene Schritt in die Atomtechnik gewesen. Und dieser Schritt hatte jetzt einer Großstadt und ihrer Bevölkerung, unbewaffneten Menschen, von denen die meisten sich am Kriege unschuldig fühlten, ein schreckliches Ende bereitet. Hahn zog sich erschüttert und verstört in sein Zimmer zurück, und wir waren ernstlich in Sorge, dass er sich etwas antun könnte.“[30]

In diesen schweren Stunden erwuchs Hahns aktiver Pazifismus, der ihn in den nachfolgenden Jahren zu einem der engagiertesten und bedeutendsten Vorkämpfer für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung werden ließ.[19]

Anfang Januar 1946 durfte die Gruppe der zehn Internierten wieder nach Deutschland zurückkehren, und nach einem Aufenthalt in Alswede (Westfalen) wurden Hahn, Heisenberg und von Laue nach Göttingen in die britische Zone entlassen.

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Beitrag  Andy So Sep 28, 2014 9:38 pm

Der Nobelpreis für Chemie 1944

Nachdem Hahn 1943 als auswärtiges Mitglied von der Königlich Schwedischen Akademie aufgenommen worden war,[31] zeichnete sie ihn im Jahre 1945 mit dem Nobelpreis für Chemie 1944 aus – „für seine Entdeckung der Spaltung schwerer Atomkerne“, so die offizielle Begründung. Der Nobelpreis konnte ihm, da er sich im Dezember 1945 noch in englischer Internierung befand, erst am 10. Dezember 1946 von König Gustav V. von Schweden in Stockholm überreicht werden.

Lise Meitner schrieb Ende November 1945 an ihre Freundin Eva von Bahr-Bergius:

„Hahn hat sicher den Nobelpreis für Chemie voll verdient, da ist wirklich kein Zweifel. Aber ich glaube, daß Frisch und ich etwas nicht Unwesentliches zur Aufklärung des Uranspaltungsprozesses beigetragen haben – wie er zustande kommt und daß er mit einer so großen Energieentwicklung verbunden ist, lag Hahn ganz fern.“


Carl Friedrich von Weizsäcker, Lise Meitners ehemaliger Assistent, ergänzte später:

„Er hat in der Tat diesen Nobelpreis verdient, hätte ihn auch verdient, ohne daß er diese Entdeckung gemacht hätte. Aber daß für die Kernspaltung ein Nobelpreis fällig war, das war wohl jedermann klar.“[19]

Otto Robert Frisch schrieb 1956:

„Das ist auch nach meiner Meinung ganz richtig. Die Entdeckung der Uranspaltung […] war die entscheidende Beobachtung, aus der sich alles weitere sehr rasch entwickeln musste.[32]“

Und Elizabeth Rona, die ab 1919 am KWI für Chemie gearbeitet hatte und 1938 emigrieren musste, schrieb über Hahn in ihren Erinnerungen:

„Ich habe oft gedacht, dass er einen zweiten Nobelpreis verdient hätte – den Friedensnobelpreis.“[33]

Göttingen: Die Gründung der Max-Planck-Gesellschaft (1948)

Von 1948 bis 1960 amtierte Otto Hahn als Gründungspräsident der neugeschaffenen Max-Planck-Gesellschaft (MPG) zur Förderung der Wissenschaften, die durch sein Wirken und seine weltweit geachtete Persönlichkeit das frühere Ansehen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zurückgewinnen konnte.

„Noch in England erreichte ihn die Bitte des greisen Max Planck, die Präsidentschaft der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zu übernehmen. Im Februar 1946 übertrug man Otto Hahn die schwere Aufgabe, die aus dem Kriege noch geretteten Reste der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zu sammeln, um Bestand und Organisation der Gesellschaft zu erhalten und ihre Institute wieder mit wissenschaftlichem Leben zu erfüllen. Nur ein Mann seiner Größe, seines wissenschaftlichen Ansehens, seines untadeligen Charakters und seines gütigen Wesens, der bei jedem einzelnen seiner Weggefährten zwischen Schuld und Irrtum zu unterscheiden vermochte, konnte den Wiederaufbau der Gesellschaft unter dem Namen Max Plancks durchsetzen und der deutschen Wissenschaft einen neuen Anfang und ein neues Ziel setzen. […]

Vierzehn Jahre lang stand er als Präsident an ihrer Spitze, und als er im Jahre 1960 sein Amt abgab, gehörten der Max-Planck-Gesellschaft wieder 40 Institute und Forschungsstellen an, die 840 Wissenschaftlern Arbeitsmöglichkeiten boten. Die Finanzierung der Max-Planck-Gesellschaft wurde in den Jahren seiner Präsidentschaft durch das Königsteiner Staatsabkommen der Länder und durch laufende Zuschüsse des Bundes gesichert.“

– Adolf Butenandt[34]


Kampf gegen Kernwaffen und Atomversuche

Schon unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg trat Hahn unter dem Eindruck der amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki entschieden gegen den Einsatz der Kernenergie für militärische Zwecke auf. Er sah diese Art der Nutzung seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse als Missbrauch, ja sogar als Verbrechen an. So verstärkte er in den 1950er und 1960er Jahren sein Engagement in zahlreichen Aufrufen für Abrüstung, Frieden und Völkerverständigung, ohne sich allerdings von kommunistisch gesteuerten Initiativen vereinnahmen zu lassen. Eine an ihn mehrfach herangetragene Mitgliedschaft in dem von Frédéric Joliot-Curie gegründeten Weltfriedensrat lehnte Hahn ebenso strikt ab wie die Teilnahme an dessen diversen Kongressen oder die Unterzeichnung von prosowjetisch orientierten Manifesten, wie z. B. in Warschau 1950, Stockholm 1951, oder in Wien und Ost-Berlin 1952.
Rundfunk-Appell: Cobalt 60 (1955)

Weithin bekannt wurden Hahns Ausführungen in seiner Rundfunk-Rede vom 13. Februar 1955 „Cobalt 60 – Gefahr oder Segen für die Menschheit?“, die zeitgleich in Deutschland, Dänemark, Österreich und Norwegen, wenige Tage später auch über die BBC in London weltweit übertragen wurde. Darin sagte er unter anderem:

„In der Hand der politischen Führer liegt heute eine ungeheure Verantwortung. Wenn auch die gewöhnlichen Atombomben, wenn selbst die Wasserstoffbomben nur örtlich begrenzte, dort aber schreckliche Wirkungen haben, dann kommt doch darüber hinaus noch die Möglichkeit der Erzeugung des Cobalts 60 mit diesen Wasserstoffbomben. Ein geisteskranker oder machtbesessener Diktator könnte dann, nach dem Vorbilde ‚après nous le déluge‘ die zivilisierte Welt, damit aber auch sein eigenes Land, dem Strahlentod übergeben. Auch ohne Cobalt entstehen bei der Explosion durch die dabei freiwerdenden Neutronen gefährliche radioaktive Staubteilchen, die auf große Entfernungen fortgetragen werden können. Diese Möglichkeit darf niemals eintreten, und darum die Notwendigkeit einer wahrhaft internationalen Kontrolle über die Entwicklung der Atomwaffen, oder besser eines friedlichen Zusammenlebens der Völker. […]

Einem vereinten Appell aller verantwortungsbewussten Wissenschaftler, denen die Gefahren der Anwendung eines die Welt bedrohenden Kriegsmittels bekannt sind, sollte es doch gelingen, die Verantwortlichen der großen Politik auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs an einen Verhandlungstisch zu bringen.

Heute ist der Krieg nicht mehr ‚die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln‘. In einem Bombenkrieg gibt es nicht mehr Sieger und Besiegte. Die großen Bomben zerstören in einem Augenblick die Stätten der Zivilisation. Die tödlichen Strahlungen tun dann ihr Vernichtungswerk langsamer, aber umfassend. Sollten nicht die vielen Möglichkeiten für Frieden und Wohlstand der Völker den Sieg davontragen können, wenn die Menschen wirklich erfahren, um was es geht?“[35]


Die international große positive Resonanz auf diesen Appell, sogar seitens der Ostblock-Staaten, nutzte Otto Hahn zu zahlreichen weiteren Aktionen mit vergleichbarem friedenspolitischem Inhalt.[3]

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Denkmal in Berlin-Dahlem, Otto-Hahn-Platz

Mainauer Kundgebung (1955 und 1956)

So war er, unter anderem, der Initiator der Mainauer Kundgebung vom 15. Juli 1955, in der zunächst 18 und ein Jahr später dann 52 Nobelpreisträger auf die Gefahren der Atombombe aufmerksam machten und die Staaten der Welt eindringlich vor der Anwendung von Kernwaffen jeglicher Art warnten. Darin heißt es unter anderem:

„Wir sehen mit Entsetzen, dass die Wissenschaft der Menschheit Mittel in die Hand gibt, sich selbst zu zerstören.
[…]
Voller kriegerischer Einsatz der heute möglichen Waffen kann die Erde so stark radioaktiv verseuchen, dass ganze Länder und Völker vernichtet würden. Dieser Tod kann die Neutralen ebenso treffen wie die Kriegführenden. – Wenn ein Krieg zwischen den Großmächten entstünde, wer könnte garantieren, dass er sich nicht zu einem solchen tödlichen Kampf entwickelte? So ruft eine Nation, die sich auf einen totalen Krieg einlässt, ihren eigenen Untergang herbei und gefährdet die ganze Welt.
[…]
Alle Nationen müssen zu der Entscheidung kommen, freiwillig auf die Gewalt als letztes Mittel der Politik zu verzichten. Sind sie dazu nicht bereit, so werden sie aufhören zu existieren.“[36]


Einige Wochen zuvor hatte Bertrand Russell bei Otto Hahn angefragt, ob er bereit sei, ein von ihm, Russell, vorbereitetes Manifest zu unterzeichnen, in dem auf die Auswirkungen von Atomwaffen hingewiesen werden sollte. Dieses sogenannte Russell-Einstein-Manifest wurde am 9. Juli, wenige Tage vor der Mainauer Kundgebung veröffentlicht und später weithin bekannt. Dazu schrieb Otto Hahn in seinem Notizbuch am 12. Juli 1955: „Der Russell-Aufruf in den Zeitungen bringt etwa den Inhalt unseres Manifestes. Aber wegen der einseitig linken Tendenz hatte ich Russell abgelehnt zu unterschreiben.“[37]

Im selben Jahr appellierte Otto Hahn in seiner Rede auf der Hauptversammlung der Max-Planck-Gesellschaft an das gegenseitige Verständnis der Völker:

„Wir fordern die Völker der Erde und ihre Staatsmänner auf, die Wege zu vermeiden, die zu der Zerstörung unserer Erde führen. Zunächst kann dies wohl kaum durch ein allgemeines Verbot der Atomwaffen geschehen. Heute verhindert noch der beiderseitige Besitz dieser Waffe ihre Anwendung. Aber die Formen des Austrags menschlicher Spannungen müssen sich grundsätzlich ändern. Wenn wir auch unserer eigenen Überzeugung gegenüber kritisch bleiben und dabei bereit sind, die Ansicht des Gegners zu verstehen, dann kommt vielleicht doch einmal die Zeit, in der die Kriege nicht durch Besitz einer genügend großen Anzahl von Massenvernichtungsmitteln verhindert werden, sondern durch das gegenseitige Verständnis der Völker, auch wenn ihre Ideologien so verschieden sind, wie heute die von Ost und West.“[38]

Göttinger Erklärung der 18 Atomforscher (1957)

Ein Jahr später gehörte Otto Hahn zu den Verfassern der Göttinger Erklärung, in der er sich am 12. April 1957 zusammen mit 17 führenden westdeutschen Atomwissenschaftlern gegen die nukleare Aufrüstung der deutschen Bundeswehr wandte. Der damalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß, der die nukleare Bewaffnung energisch vorantrieb, äußerte sich daraufhin vor Journalisten abfällig und beleidigend über Hahn („… Ein alter Trottel, der die Tränen nicht halten und nachts nicht schlafen kann, wenn er an Hiroshima denkt! …“).[39] Bundeskanzler Konrad Adenauer entschärfte die Situation einige Tage später bei einer Aussprache mit Otto Hahn und vier führenden Wissenschaftlern der Göttinger Achtzehn im Kanzleramt.

Am 28. Juni, während der Hauptversammlung der Max-Planck-Gesellschaft, hob Otto Hahn in seiner Rede nochmals alle ihn bewegenden wesentlichen Punkte hervor:

„Diese Achtzehn haben, und zwar jeder für sich, im Bewusstsein ihrer besonderen Verantwortung auf Grund ihrer Sachkenntnis gehandelt. Dass der Aufruf vor allem von Seiten der Ostzone und der westdeutschen politischen Opposition ein so starkes Echo gefunden hat, hatten wir in diesem Umfang nicht erwartet. Dass wir mit einigen westdeutschen Regierungsstellen zunächst in einen gewissen Konflikt kommen mussten, war uns klar. Aber wir konnten es nicht ändern, wenn es wirklich endlich einmal zu einer ernsthaften Diskussion kommen sollte.

Deshalb halten wir unser jetziges Vorgehen für berechtigt und wir stehen zu ihm. Wir glauben, damit der Weltöffentlichkeit einen Dienst erwiesen zu haben. Die zahlreichen persönlichen Zustimmungen, auch aus westlichen Ländern, bestätigen dies. Es sieht jetzt so aus, als ob wirklich allmählich Gedanken über eine Rüstungskontrolle ernsthaft diskutiert werden, und wir waren bei unserem Gespräch mit dem Herrn Bundeskanzler am 17. April tief beeindruckt von seiner Sorge vor dem Wettrüsten in der Welt und seiner Hoffnung auf eine allmähliche Abrüstung.

Es war doch ein unerträglicher Zustand, dass die Schrecken eines heißen Atomkrieges immer wieder an die Wand gemalt wurden. Wenn die eine Seite sich brüstet, dass sie mit Super-Wasserstoffbomben das Polareis zum Schmelzen bringen kann, so dass die Kontinente überflutet werden, dann hätte die andere Seite daran erinnern können, dass sie Todesstaub mit Strontium 90 oder Cobalt 60 über die feindliche Welt rieseln lassen und alles Leben dort für die Dauer unmöglich machen kann.

Statt dieses Aufpeitschens in Furcht werden nun hoffentlich Wege gefunden, eine allmähliche Entspannung einzuleiten, auch auf das Risiko hin, dass die eine Seite ein Opfer bringt, ohne zu wissen, wie sich die andere Seite zunächst dazu stellt. Aber wir müssen zu einer allmählichen Einschränkung des Rüstungswettlaufs kommen!

Die dauernde Fortführung der H-Versuche ist dabei allerdings eine wenig angenehme Begleitmusik. Darum der Wunsch der Physiker nach Einstellung weiterer Versuche, die ja durch Versuche der Gegenseite immer wieder übertrumpft werden. Daher auch unsere Hoffnung, dass kleinere Länder keine Bomben herstellen sollten. Was können diese nützen? Sie können nur die Gefahr vermehren, dass plötzlich einmal eine Bombe explodiert und die weltweite Auseinandersetzung dann einsetzt.

Ich denke, ich gehe mit meinen Kollegen von der Physik einig, wenn ich eine wirklich internationale, nicht von Parteien abhängige Aussprache der führenden Sachverständigen der USA und Europa, aber auch der russischen Physiker für einen sehr nützlichen Beitrag zur Verständigung halte; zunächst wäre dies die Stelle, die die Methoden zur Kontrolle der Rüstungsvorbereitungen ausarbeiten könnte, und solche Methoden bestehen. Damit hoffen wir, oder sind sogar überzeugt, unseren Regierungen im Bemühen um eine allmähliche Abrüstung einen wirklichen Dienst erweisen zu können.

Der Genfer Kongress über die friedliche Verwendung der Atomenergie vor zwei Jahren stand im Zeichen freundschaftlicher Diskussionen zwischen Ost und West. Er hat die Tür zu manchem bis dahin gehüteten Geheimnis geöffnet. Warum nicht ein Kongress derselben Menschen zur friedlichen Verminderung und vielleicht Verhinderung eines Wettrüstens, das die Welt nicht mehr zur Ruhe kommen lässt?

Ich bin kein Politiker, aber ich spreche hier nicht nur im Namen der 18 Atomphysiker, sondern ich bin überzeugt, ich spreche auch im Namen der ungezählten Menschen, die nicht in der Lage sind, dem Druck ihres Gewissens öffentlich Ausdruck zu verleihen.“[40]


Wiener Appell gegen A- und H-Bomben-Experimente (1957)

Am 13. November 1957 folgte Otto Hahns „Wiener Appell gegen die A- und H-Bomben-Experimente“ und am 28. Dezember 1957 sein Aufruf über den bulgarischen Rundfunk in Sofia für eine „dringende internationale Entspannungspolitik und allgemeine atomare Abrüstung“. Beide Appelle schloss Hahn mit den beschwörenden Worten:

„Möge die Erkenntnis wachsen, dass bei der heute bestehenden Möglichkeit der Zerstörung alles irdischen Lebens ein großer Krieg nicht mehr die 'Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln' ist.“[3]

Am 6. Dezember 1957 brachte die DDR-Tageszeitung Neues Deutschland die folgende Meldung:

„In einem Interview mit der Kopenhagener Zeitung Politiken äußerte der deutsche Atomphysiker Prof. Hahn die Hoffnung, dass es den 18 Göttingern gelingen werde, jetzt eine breite internationale Bewegung von Wissenschaftlern zum Kampf gegen das Atomwettrüsten ins Leben zu rufen. Prof. Hahn warnte mit Nachdruck vor den Plänen der USA, in allen westeuropäischen NATO-Ländern Atomraketenstützpunkte zu errichten und die Armeen dieser Länder mit Atomwaffen auszurüsten. Ein „kleiner Hitler“ könnte damit die Möglichkeit bekommen, ganz Europa ins Verderben zu stürzen.“[41]


Im Januar 1958 unterzeichnete Otto Hahn gemeinsam mit Albert Schweitzer den „Pauling-Appell an die Vereinten Nationen“ in New York zum „sofortigen Abschluß eines internationalen Abkommens zur weltweiten Einstellung der Kernwaffenversuche“ und im Oktober, zusammen mit Clement Attlee, Edgar Faure, Tetsu Katayama u. a. das „Abkommen, eine Versammlung zur Ausarbeitung einer Weltverfassung“ einzuberufen.

Noch im selben Jahr wurde Hahn für herausragende Verdienste um die Verbreitung des Völkerrechts die „Hugo-Grotius-Medaille mit dem Ölzweig“ der Internationalen Grotius-Stiftung in Den Haag verliehen.
Moskauer Vertrag zur Einstellung von Atomtests (1963)

Am 5. August 1963, nach Inkrafttreten des in Moskau beschlossenen Atomversuchstopps, des sogenannten 'Moskauer Vertrages' zwischen der Sowjetunion, den USA und Großbritannien, begrüßte Otto Hahn in einem Brief an den ADN das Abkommen und plädierte für den baldigen Beitritt der Bundesrepublik Deutschland:[42]

In einem Interview mit CTK, Prag, ergänzte er:

„Ich betrachte jedes Gespräch, das zu einer wirklichen Entspannung zwischen Ost und West führen kann, als wünschenswert. Deshalb begrüße ich wärmstens die Einstellung der Kernwaffenversuche in der Atmosphäre, im Kosmos und unter Wasser. Es ist bewiesen, dass die ständig wachsende Zahl solcher Tests auch die Radioaktivität der Luft und des Wassers anwachsen lassen. Ebenso bekannt ist die Tatsache, dass davon ein ungünstiger Einfluss auf die menschliche Gesundheit ausgeht, der sogar zu ernsten erblichen Schäden führen kann. Ich betrachte jeden Schritt zur Verhütung dessen als etwas Gutes.“


Bereits zwei Wochen später, am 19. August 1963, trat die Bundesrepublik Deutschland dem 'Moskauer Vertrag' bei und setzte somit umgehend Hahns Empfehlung in die Tat um.

Bis zu seinem Tode wurde er nicht müde, eindringlich in Wort und Schrift vor den Gefahren des nuklearen Wettrüstens der Großmächte und einer radioaktiven Verseuchung der Erde zu warnen.

Seit 1957 wurde Otto Hahn von internationalen Organisationen mehrfach für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen (u. a. von der größten französischen Gewerkschaft CGT, der Confédération générale du travail). Der Friedensnobelpreisträger von 1962 Linus Pauling, bezeichnete einmal Otto Hahn als „eines meiner Vorbilder“.[3]
Die 1. UN-Konferenz 'Atome für den Frieden' in Genf (1955)

Am 17. Dezember 1954 schrieb Otto Hahn in einem Brief an den Präsidenten der UN-Generalversammlung, den früheren niederländischen Außenminister Eelco van Kleffens:

„Wie ich aus amerikanischen Zeitungen und auch aus Paris erfahren habe, planen die Vereinten Nationen in New York eine allgemeine Aussprache über die Verwendung der Atomenergie für den Frieden. Dies ist ja ein Thema, das die ganze Welt interessiert, und es ist sehr zu begrüßen, dass die vielen Hemmungen, die einer allgemeinen internationalen Aussprache bisher entgegengestanden haben, allmählich gelockert werden.

Meine persönliche Meinung ist nun die, dass man der Tagung eine möglichst große Resonanz dadurch verleihen könnte, dass man eine Anzahl international anerkannter Wissenschaftler zu den Besprechungen der Vereinten Nationen hinzuzieht. Ich denke dabei an solche Persönlichkeiten, die einerseits als wirkliche Sachverständige gelten können, aber auch an andere, denen die moralischen und ethischen Zukunftsmöglichkeiten der Verwendung der Atomenergie am Herzen liegen.“[43]


Im Juni 1955 wurde Otto Hahn von Außenminister Heinrich von Brentano gebeten, die Bundesrepublik Deutschland auf der ersten UN-Konferenz 'Atome für den Frieden' in Genf zu vertreten und die Leitung der deutschen Delegation zu übernehmen. Am 8. August wurde die zwölftägige Konferenz in Anwesenheit der Abordnungen aus 73 Nationen unter dem Vorsitz von Homi Jehangir Bhabha eröffnet.

„Die Genfer Konferenz wurde für viele zu einem unvergeßlichen Erlebnis. Hunderte von Teilnehmern wurden sich zum ersten Mal des tieferen Sinnes einer Entdeckung bewusst, die nun 17 Jahre zurücklag und die durch Hiroshima und Nagasaki mit so entsetzlicher Deutlichkeit in das Weltbild unserer Zeit eingedrungen war. […]

Vorträge, deren Inhalt zuweilen sensationell war, lösten sich mit Empfängen und Einzelgesprächen ab. Die Repräsentanten der Atommächte wetteiferten miteinander in der Preisgabe bisher geheimgehaltener Informationen. Aus den gesamten Einsendungen hatten die Vereinten Nationen 450 für den mündlichen Vortrag und die Diskussion auf der Tagung selbst ausgewählt. […]

Es war denkbar bescheiden, was die deutsche Delegation an praktischer Erfahrung zum Sachgebiet der Konferenz in den Händen hielt. Indessen saß mitten unter den Teilnehmern jener Mann, der gerade in bezug auf das Motto der Konferenz – Atoms for Peace – im Jahre 1938 den ersten, den entscheidenden Schritt getan hatte: Otto Hahn. Er war gewiß der allerletzte, dem nach der Uranspaltung auch nur ein Gedanke gekommen wäre, diese neue, noch weithin unübersehbare Kraft kriegerisch zu nutzen. […]

Mit seinem Humor und seiner großen menschlichen Sicherheit gewann Otto Hahn auf der Konferenz schnell an Terrain, was uns übrigen Mitgliedern der deutschen Delegation sehr zugute kam. Wir gingen sogar zu dem offiziellen sowjetischen Empfang, auf dem wir uns ebenfalls im wissenschaftlichen Ruhm Hahns sonnen konnten. Dieser Besuch fand allerdings gegen den Widerstand des Repräsentanten des Auswärtigen Amtes statt, denn die Bundesrepublik unterhielt mit Moskau noch keine diplomatischen Beziehungen.“

– Karl Winnacker[44]


„Atomium-Rede“ in Brüssel (1958)

Im März 1958 erhielt Otto Hahn die Einladung der belgischen Regierung, auf der ersten Weltausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg, der Expo 58 in Brüssel, einen Vortrag über Atomenergie zu halten. Er sagte zu. – Zuvor hatte er ein „Gespräch mit Hübinger, Innenministerium, über Vortrag in Brüssel. Ich verspreche, nicht politisch zu werden, also nicht über unsere Ablehnung von Atomwaffen zu sprechen, nur über die friedliche internationale Zusammenarbeit.“[45]

Das Motto der Brüsseler Expo lautete „Fortschritt der Menschheit durch Fortschritt der Technik“, dazu passend wurden die neuen Zukunftstechnologien Atomkraft und Raumfahrt erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt.

Am 18. Juni hielt Otto Hahn vor großem Auditorium seine sogenannte Atomium-Rede (Originaltitel: Atomium – Symbol internationaler Zusammenarbeit in der Wissenschaft). Darin führte er unter anderem aus:

„Die große Ausstellung, auf der auch wir Deutsche zu Gast sind, zeigt uns als Haupt-Attraktion das 'Atomium'. Das Wunderwerk ist das vielmilliardenfach vergrößerte Bild eines einzelnen Atoms. Die Anlage ist sozusagen das Symbol für das moderne, ins Gewaltige gewachsene Gebiet der Atomforschung. Die frühe geschichtliche Entwicklung war meist an einzelne Namen gebunden. Man könnte fast sagen, aus der Literatur kannte jeder jeden. Mit der Kettenreaktion, dem Uran-Pile, dem Kernreaktor, wurde dies anders. In den USA sind seit 1939 etwa 40.000 Arbeiten durchgeführt worden, die als offizielle Arbeiten der AEC gelten. Die Zahl der jährlich auf der ganzen Welt erscheinenden Arbeiten über naturwissenschaftliche und technologische Fragen der Atomkernenergie wird man heute mit etwa 20.000 angeben können. Aber die Ausmaße der Anlagen werden immer größer, die finanzielle Belastung für die einzelne Arbeitsgruppe, ja für ein ganzes Land wird zu groß, und so erleben wir jetzt in der Atomwissenschaft allmählich den Übergang vom einzelnen Land zu der Ländergemeinschaft. Die Geheimhaltung weicht der Aussprache, das Misstrauen dem Vertrauen.“


Für seine sachlich-neutralen, unpolitischen Worte erhielt Hahn allgemeine Zustimmung, unter anderem auch von König Baudouin, der ihm zu Ehren einen Empfang und ein Abendessen gab, bei dem Hahn in einer kurzen Ansprache dann doch politisch wurde und seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, die „internationale Atomforschung möge sich ausschließlich auf friedfertige Anwendungen beschränken und auf jegliche Mitarbeit an militärischen Entwicklungen verzichten“.[46]

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Beitrag  Andy So Sep 28, 2014 9:49 pm

Reise nach Israel (1959)

Im November 1959 besuchte Otto Hahn mit einer Delegation der Max-Planck-Gesellschaft, der der Biochemiker Feodor Lynen, der Kernphysiker Wolfgang Gentner und Hahns Sohn Hanno als Vertreter der Geisteswissenschaften angehörten, in offizieller Mission erstmals Israel, vornehmlich das Weizmann Institute of Science, um die ersten wissenschaftlichen Kontakte zu israelischen Kollegen zu knüpfen – u. a. mit Abba Eban, dem damaligen Präsidenten des Instituts und späteren Außenminister, als auch mit den Professoren Yigael Yadin, Giulio Racah und Yehuda Hirshberg von der Hebrew University in Jerusalem. Auch Vera Weizmann, die Witwe des Staatsgründers und ersten israelischen Präsidenten Chaim Weizmann, gab in Rehovot ein Essen und einen Empfang zu Ehren Otto Hahns, auf dem dieser eine weithin beachtete Ansprache hielt. Das Auftreten Otto Hahns und seiner Delegation, sechs Jahre vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, markierte einen Wendepunkt im Verhältnis zwischen Israel und Deutschland und konnte wesentlich zur Überwindung der durch den Holocaust und die Nazi-Verbrechen verursachten tiefen Gräben zwischen beiden Staaten beitragen. Seit 1989 wurde diese Reise in mehreren Gedenkveranstaltungen in Israel und Deutschland als 'historisches Ereignis' gewürdigt - jeweils in Anwesenheit des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und des Präsidenten des Weizmann-Instituts Haim Harari.[47]
Südafrika (1965)

1965 lehnte Otto Hahn die Einladung der südafrikanischen Regierung Verwoerd ab, das erste Kernforschungszentrum des Landes und den ersten Atomreaktor des afrikanischen Kontinents (SAFARI 1) in Pelindaba nahe der Hauptstadt Pretoria einzuweihen. Er begründete diese Entscheidung mit dem Hinweis, es sei für ihn „unmöglich das rassistische Apartheids-Regime und die Diskriminierung und Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung in irgendeiner Weise zu unterstützen“.[48] Als Miriam Makeba, die 2001 für ihren Kampf gegen die Apartheid und für ihre Verdienste um die Menschenrechte in Südafrika mit der Otto-Hahn-Friedensmedaille ausgezeichnet wurde, davon erfuhr, reagierte sie spontan mit emotionaler Anerkennung: „Oh, I would have loved him! A great man! He was really my brother!“[49]
Reise in die CSSR (1966)

Im Juli 1966 besuchte Otto Hahn auf Einladung der dortigen Stadtverwaltung die tschechische Stadt Jáchymov, das frühere St. Joachimsthal, um an der Enthüllung eines Denkmals zu Ehren des Ehepaares Marie und Pierre Curie teilzunehmen und eine Ansprache zu halten. Es wurde seine letzte Auslandsreise. In Jáchymov traf er auch mit Frantisek Behounek, einem Schüler von Marie Curie, zusammen, der seinerzeit Experimente mit Hahns Mesothorium I (Radium 228) unternommen hatte.

„Otto Hahn war am 10. Juli mit einiger Skepsis aus Göttingen abgereist, denn er fühlte sich als Angehöriger einer Nation, die dem tschechoslowakischen Volk während der Nazizeit schweres Leid zugefügt hatte. Die Regierung seines Landes lehnte es zudem damals noch ab, mit der CSSR diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Um so erfreuter war Hahn über den außerordentlich gastfreundlichen Empfang. „Ich habe mich noch nicht von der Überraschung erholt über die freundschaftliche Aufnahme, der ich überall begegnet bin“ äußerte er sich gegenüber der Zeitung ‚Lidová Demokracie‘. „Meiner Meinung nach sind persönliche Begegnungen dieser Art der beste Weg zur Beseitigung aller Missverständnisse und zur Schaffung von guten Beziehungen, die mit Sicherheit zu einem dauerhaften Frieden führen.“

Als Gast der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften folgte Otto Hahn zum Abschluss seiner Reise einer Einladung nach Prag. In einer Ansprache über den tschechoslowakischen Rundfunk nahm Hahn auch Stellung zu den Beziehungen der beiden Länder zueinander. Einem zeitgenössischen Bericht zufolge bewies Hahn ‚ein erstaunliches Gespür für reale und ideale Werte, die Völker miteinander verbinden können‘. Otto Hahn habe Worte gefunden, die manchem Politiker gut zu Gesicht stehen würden.“[50]


Bei einem Essen wurde Hahn von Oberbürgermeister Ludvík Cerný der „Ehrenschlüssel der Stadt Prag“ überreicht, zum Dank und als Anerkennung seiner unermüdlichen internationalen Friedensarbeit.

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Otto Hahn im Juni 1966 auf einer Dampferfahrt nach Speyer

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Urkunde des Enrico-Fermi-Preises 1966

Otto Hahn, seit 1960 Ehrenpräsident der Max-Planck-Gesellschaft, war einer der meistgeehrten und höchstdekorierten Wissenschaftler aller Zeiten. Er erhielt viele bedeutende akademische und staatliche Auszeichnungen auf der ganzen Welt. So war er Ehrendoktor zahlreicher Universitäten, ferner Mitglied oder Ehrenmitglied von 45 Akademien und Wissenschaftlichen Gesellschaften – darunter die University of Cambridge, die Physical Society (heute Institute of Physics), die Royal Society und das University College London, das CSIC in Madrid, die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina[51] in Halle sowie die Akademien in Allahabad (Indien), Bangalore (Indien), Berlin, Boston (USA), Bukarest, Göttingen, Helsinki, Kopenhagen, Lissabon, Madrid, Mainz, München, Rom, Stockholm, Vatikan, Wien – und erhielt im Laufe seines Lebens 37 höchste nationale und internationale Orden und Medaillen, darunter die Emil-Fischer-Medaille in Gold, die Cannizzaro-Medaille, die Kopernikus-Medaille, die Cothenius-Medaille in Gold der Leopoldina, die Goethe-Plakette, die Paracelsus-Medaille in Gold der Schweizerischen Chemischen Gesellschaft, die Fritz Haber-Medaille, die Max-Planck-Medaille, die Faraday Medaille der Royal Society of Chemistry, die Wilhelm-Exner-Medaille, die Ernst-Reuter-Plakette, die Helmholtz-Medaille, die Becquerel-Medaille, die Harnack-Medaille in Gold, die Marie Curie-Medaille, die Goldmedaille des Massachusetts General Hospital in Boston, die Medaille bene merenti und der rumänische Kultur-Verdienstorden, die Friedensklasse des Ordens Pour le Mérite, der griechische Erlöser-Orden, der belgische Leopoldsorden, der Order of the British Empire und von Frankreichs Präsident Charles de Gaulle der Rang eines Offiziers der Ehrenlegion.

Im Jahr 1954 erhielt Otto Hahn von Bundespräsident Theodor Heuss das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband und 1959 das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. 1961 überreichte ihm Papst Johannes XXIII. in Rom die Goldmedaille der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, und 1966 verliehen ihm US-Präsident Lyndon B. Johnson und die United States Atomic Energy Commission in Washington, D.C. den Enrico-Fermi-Preis, zusammen mit Lise Meitner und Fritz Straßmann. Bis heute sind sie die einzigen Ausländer, die mit dem Fermi-Preis ausgezeichnet wurden.

Bereits 1957 wurde Hahn die Ehrenbürgerschaft der Stadt Magdeburg (damals DDR) angetragen und 1958 die Ehrenmitgliedschaft der Sowjetischen, heute Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Beide Ehrungen lehnte Hahn ab.

Am 8. März 1959, anlässlich seines 80. Geburtstages, wurde Otto Hahn zum Ehrenbürger von Frankfurt am Main und seiner langjährigen Wirkungsstätte Göttingen ernannt. Die erstere von beiden Urkunden fasst zusammen:

„Die Vaterstadt Frankfurt ehrt damit einen Gelehrten von internationalem Ruf, der durch bahnbrechende Entdeckungen auf dem Gebiet der Atomforschung, der Radioaktivität und der Radiochemie überragendes Ansehen in der Welt genießt. Sie würdigt zugleich ihre Verbundenheit mit einer Persönlichkeit von ungewöhnlicher Begabung und Schaffenskraft, deren wissenschaftliche und administrative Arbeit dem Fortschritt und dem Wohl der ganzen Menschheit dient.“[52]

Und Lise Meitner, die eigens aus Stockholm angereist war, um ihrem Freund Otto Hahn zu gratulieren, schrieb in einer öffentlichen Glückwunschadresse:

„Dein 80. Geburtstag wird Dir Beweise aus der ganzen Welt dafür bringen, dass Du als Mensch und Wissenschaftler die Liebe, Verehrung und Dankbarkeit von mindestens zwei Generationen der Menschen erworben hast und ein sehr schwer erreichbares Vorbild der jüngsten Generation bist. Mögest Du das noch lange in Gesundheit und Freude geniessen. - In alter Freundschaft, Deine Lise.“[53]

Bevor Theodor Heuss 1959 seine zehnjährige Amtszeit beendet hatte, wurde Otto Hahn von mehreren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, denen sich auch die Freie Demokratische Partei (FDP) anschloss, als Nachfolger von Heuss für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen. Aber er lehnte aus Altersgründen ab – mit den berühmten ironischen Worten „Das käme sowieso nie in Frage. Zwei Achtziger in Bonn? Einer reicht schon voll und janz …“.[54] (Bundeskanzler Adenauer war damals bereits 83.)

Am 17. Juni 1968, dem 'Tag der deutschen Einheit', ernannten Senat und Abgeordnetenhaus Otto Hahn zum Ehrenbürger des Landes und der Stadt Berlin. Senator Werner Stein erklärte zur Begründung:

„Sein Name ist viel zu groß, um nur einer Stadt, ja einer Nation allein zu gehören. Wir wussten das, als wir ihm am Ende seines Lebens einen Titel antrugen, der unsere Hochachtung und Dankbarkeit nur unvollkommen ausdrücken kann. Es ist eine Ehre für Berlin, seinen Namen auf diese Weise besonders fest mit der Geschichte der Stadt verbinden zu dürfen. Berlin verneigt sich vor Leben und Werk Otto Hahns. Auch diese Stadt ist ihm tief verpflichtet.“[55]

Tod

Nach einem viermonatigen Klinikaufenthalt infolge einer Verletzung der Halswirbelsäule, die er sich durch einen Sturz beim Aussteigen aus seinem Automobil zugezogen hatte, starb Otto Hahn am 28. Juli 1968 in Göttingen. Einen Tag später veröffentlichte die Max-Planck-Gesellschaft in allen großen Zeitungen eine Todesanzeige:

„Unser Ehrenpräsident Otto Hahn ist in seinem 90. Lebensjahr am 28. Juli entschlafen. Als Begründer des Atomzeitalters wird er in die Geschichte der Menschheit eingehen. Deutschland verliert mit ihm einen Gelehrten, der sich durch aufrechte Haltung und innere Bescheidenheit in gleicher Weise auszeichnete. Die Max-Planck-Gesellschaft trauert um ihren Gründer, der die Aufgaben und die Tradition der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft nach dem Kriege fortführte, und um einen gütigen und geliebten Menschen, der allen unvergessen bleibt, die ihm begegnen durften. Sein Werk wird fortbestehen. Wir gedenken seiner in großer Dankbarkeit und Verehrung.“


Am 1. August fand in der Göttinger Universitätskirche St. Nicolai die Trauerfeier für Otto Hahn statt, an der rund 600 Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur teilnahmen, darunter der Bundespräsident, der Bundesratspräsident, der niedersächsische Ministerpräsident und mehrere Bundesminister als Vertreter der Bundesregierung der großen Koalition unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger und Außenminister Willy Brandt, die Bürgermeister von Frankfurt am Main, Göttingen und Berlin, die Präsidenten zahlreicher Akademien und Universitäten, die Botschafter von Belgien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Schweden und den USA, zwei Gesandte der israelischen Regierung und des Weizmann-Instituts, sowie der Apostolische Nuntius Erzbischof Corrado Bafile als Vertreter von Papst Paul VI., ferner Max Born, Manfred Eigen, Walther Gerlach, Werner Heisenberg, Fritz Strassmann, Carl Friedrich von Weizsäcker und zahlreiche mit Hahn befreundete Wissenschaftler, Bankiers und Industrielle, unter ihnen Hermann Josef Abs, Clemens Plassmann und Karl Winnacker. Das Zweite Deutsche Fernsehen übertrug die Feier ungekürzt in seinem Abendprogramm.

Landesbischof Hanns Lilje hielt die Trauerpredigt und MPG-Präsident Adolf Butenandt würdigte Hahn in seiner Gedenkrede als „Großen im Geiste“, „Genius der Wissenschaft“ und „Unsterblichen der Menschheit“.[56]

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Otto Hahns Grab in Göttingen

Walther Gerlach, Otto Hahns Freund, erinnert sich: „Am 1. August geleiteten ihn Freunde und Wissenschaftler aus aller Welt, der Bundespräsident, der Landesbischof und die ganze Bevölkerung Göttingens zum Ehrengrab auf dem Göttinger Friedhof neben Max Planck und Max von Laue. Der einfache Grabstein trägt nur seinen Namen und die Formel der Uranspaltung.“[57]

In einem Nachruf in der 'Süddeutschen Zeitung' schrieb Werner Heisenberg:

„Seine berühmteste Entdeckung hat in ihren Folgen das politische und wirtschaftliche Bild der Welt von Grund auf umgestaltet. Vielleicht war diese Entdeckung in ihren Auswirkungen umstrittener als irgendein anderer wissenschaftlicher Fortschritt vorher. Aber es hat, wenn man an die Persönlichkeit Otto Hahns denkt, auch kaum je einen Forscher gegeben, der so wenig umstritten, so allgemein geachtet und geliebt gewesen wäre, wie er. Vielleicht war die tiefste Wurzel für seinen überragenden menschlichen und wissenschaftlichen Erfolg der Umstand, dass er allen Schwierigkeiten zum Trotz ohne Vorbehalt zum Leben 'ja' sagte, und dass er dieses fröhliche Ja auch auf seine Mitarbeiter und Freunde übertragen konnte.

Die große Entdeckung Otto Hahns wird auch in viel späteren Zeiten noch als der Beginn einer völlig neuen Epoche der Weltgeschichte erscheinen, in der Naturwissenschaft und Technik, und das hinter ihnen stehende rationale Denken das Leben der Menschen in einem bisher ungekannten Ausmaß beherrschen – eine Epoche, von der wir einstweilen nur mit Bangen hoffen können, dass sie glücklicher sein werde als die schwierige Vergangenheit, in der doch Otto Hahn mit Freude gewirkt hat.“[58]


Sein Grab befindet sich am sogenannten 'Nobelpreisträger-Rondell' auf dem Stadtfriedhof Göttingen, auf dem auch Max Born, Walther Nernst, Max von Laue, Max Planck, Otto Wallach, Adolf Windaus und Richard Zsigmondy bestattet sind.

Nachruhm und Vermächtnis

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Hahn-Denkmal am Ort des Geburtshauses an der „Kleinmarkthalle“ in Frankfurt, enthüllt 1978

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Büste des Denkmals von Knud Knudsen

Zwei Jahre nach seinem Tod schlugen amerikanische Forscher vor, das neu synthetisierte Element Nr. 105 ihm zu Ehren Hahnium zu nennen, 1997 wurde es jedoch von der IUPAC nach dem russischen Forschungszentrum in Dubna endgültig Dubnium genannt. Ferner wurde 1964 das einzige nuklear angetriebene europäische Schiff, der Atomfrachter NS Otto Hahn, nach ihm benannt, ebenso wie 1971 zwei Intercity-Züge der Deutschen Bundesbahn (Strecke Hamburg-Altona – Basel SBB). Ihm zu Ehren und zu seinem Gedächtnis wurden folgende Auszeichnungen geschaffen: Otto-Hahn-Preis, Otto Hahn Award, Otto-Hahn-Medaille und Otto-Hahn-Friedensmedaille.

Zahlreiche Städte und Gemeinden im deutschsprachigen Raum benannten Gesamtschulen, Realschulen und Gymnasien nach ihm, und unzählige Straßen, Plätze, Brücken und Wege in Europa tragen seinen Namen. Mehrere Staaten ehrten Otto Hahn mit Medaillen-, Münzen- und Briefmarken-Editionen (u. a. die Bundesrepublik Deutschland, die DDR, die USA, Portugal, Österreich, Angola, Ungarn, Ghana, Guinea-Bissau, Madagaskar, Somalia, Rumänien, Moldavien, der Tschad, Kuba, Dominica, St. Vincent und die Grenadinen).

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5-DM-Münze, Bundesrepublik Deutschland, 1979

Otto Hahn ist auf der Frankfurter Treppe verewigt. An der Stätte seines Geburtshauses neben dem westlichen Eingang der Kleinmarkthalle Frankfurt befindet sich heute ein Denkmal. Eine Insel in der Antarktis (Hahn Island, nahe dem Mount Discovery) wurde ebenso auf seinen Namen getauft wie die Otto-Hahn-Bibliothek in Göttingen und das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz (Otto-Hahn-Institut). Im März 1959 wurde in Berlin – in Anwesenheit der Namensgeber – das Hahn-Meitner-Institut für Kernforschung (HMI) vom Regierenden Bürgermeister Willy Brandt eingeweiht. 1974 erhielt – in Würdigung der besonderen Verdienste Otto Hahns um die deutsch-israelischen Beziehungen – ein Flügel des Weizmann Institute of Science in Rehovot (Israel) den Namen Otto Hahn Wing. Ferner benannte die Saint Louis Universität in Baguio City (Philippinen) eines ihrer Forschungsgebäude als Otto Hahn Building. In mehreren Städten und Gemeinden wurden ihm zu Ehren Büsten, Denkmäler und Gedenktafeln enthüllt, unter anderem in Albstadt-Tailfingen, Berlin (Ost und West), Boston (USA), Frankfurt/Main, Göttingen, Gundersheim (Rheinhessen), Mainz, Marburg, München (im Ehrensaal des Deutschen Museums), Punta San Vigilio (Gardasee), Rehovot (Israel) und Wien (im Foyer der IAEA). In der Stadt Göttingen und der Gemeinde Ottobrunn (bei München) wurden 'Otto-Hahn-Zentren' geschaffen. Auch in Frankfurt am Main ist ein Otto-Hahn-Zentrum geplant, das unter anderem eine Dauerausstellung über Hahns Leben und Wirken beherbergen soll. Seit 2011 befindet sich außerdem in Albstadt-Tailfingen eine 'Otto-Hahn-Gedenkstätte' in der dort ansässigen Akademie der IHK Reutlingen, die insbesondere an Hahns Arbeit in Tailfingen von 1944 bis 1945 erinnert.

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Hahn-Briefmarke der DDR, 1979

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Karikatur von Gheorghe Manu, Rumänien

Die Internationale Astronomische Union (IAU) ehrte Hahn durch die Benennung eines Mondkraters (zusammen mit Graf Friedrich II. von Hahn) und Marskraters, ferner, auf Vorschlag des Astronomen Freimut Börngen, des Kleinplaneten (19126) Ottohahn. Eine besondere Ehrung wurde Otto Hahn in den Niederlanden zuteil: Nachdem bereits eine Azalee (Rhododendron luteum Otto Hahn) und ein Kaktus (Trichocereus echinopsis hybride Otto Hahn) seinen Namen trugen, wurde von holländischen Rosenzüchtern eine neue Rose auf seinen Namen getauft, die Rosa ottohahniana. Sogar ein vor allem in den 1950er und 1960er Jahren populärer Cocktail wurde nach ihm benannt: Der „Otto Hahn“ besteht aus zwei gleichen Teilen Whisky (z. B. Balvenie, oder Macallan) und Rich Golden Sherry (z. B. Osborne oder Sandeman) und wird in vorher angewärmten Cognac-Gläsern serviert. Im Stadtzentrum von Rotterdam gibt es ferner seit Jahren ein vielbesuchtes Restaurant und Musiklokal, das seinen Namen trägt: das Café Otto Hahn.

Ende 1999 veröffentlichte das Nachrichtenmagazin FOCUS das Ergebnis einer Umfrage unter 500 führenden Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Medizinern nach den wichtigsten Forscherpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, in der Otto Hahn als experimenteller Chemiker – nach den theoretischen Physikern Albert Einstein und Max Planck – mit 81 Punkten auf den dritten Platz und somit zum bedeutendsten empirischen Naturforscher seiner Zeit gewählt wurde.[59]

Der dienstliche Nachlass Otto Hahns befindet sich im Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft.
Veröffentlichungen (Auswahl)

Die Muttersubstanz des Actiniums, ein neues radioaktives Element von langer Lebensdauer. 1918 (gemeinsam mit Lise Meitner).
Angewandte Radiochemie. 1936.
Künstliche Atomumwandlungen und die Spaltung schwerer Kerne. Reihe: Veröffentlichungen des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts (DWI) Stockholm, Reihe 3: Naturwissenschaften, Nr. 1. Almquist & Wiksells, Stockholm 1944 (Heft)[60]
Von der natürlichen Umwandlung des Urans zu seiner künstlichen Zerspaltung. 1948.
Die Kettenreaktion des Urans und ihre Bedeutung. 1948.
Künstliche neue Elemente. 1948.
Die Nutzbarmachung der Energie der Atomkerne. 1950.
Vom Radiothor zur Uranspaltung. Eine wissenschaftliche Selbstbiographie. 1962.
Mein Leben. 1968.

Filme

Dokumentarfilme

Otto Hahn. (Reihe: Träume, die keine blieben.) Regie: Ernst von Khuon. SDR/ARD 1983 (30 Min.).
Lise Meitner. (Reihe: Träume, die keine blieben.) Regie: Ernst von Khuon. SDR/ARD 1984 (30 Min.).
Otto Hahn. Regie: Wilfried Viebahn. WDR/ARD 1988 (45 Min.).
Otto Hahn. Regie: Wilfried Viebahn. WDR 1988 (15 Min.).
Otto Hahn. Regie: Klaus Dexel. SDR 1988 (45 Min.).
Otto Hahn 1879–1968. Regie: Peter Regenyi. Transtel/Deutsche Welle 1989 (30 Min.). In fünf Synchronfassungen – englisch, spanisch, französisch, portugiesisch und arabisch – weltweit gesendet.
Otto Hahn und die Kernspaltung. (Reihe: Meilensteine der Naturwissenschaft und Technik.) Regie: Werner Kiefer. Target/ARD 1992 (15 Min.).
Otto Hahn – 25. Todestag. (Reihe: Das historische Stichwort.) Regie: Joachim G. Schmidt. BR 1993 (5 Min.).
Otto Hahn und Lise Meitner – Von der Kernspaltung zur Atombombe. Regie: Rhan Gunderlach. Zebra/Deutsche Welle 1995 (30 Min.).
Lise Meitner und Otto Hahn. Regie: Rosemary Reed. BBC 2005. Deutsche Fassung: ZDF 2006 (45 Min.).
Otto Hahn – Aus dem Leben eines Nobelpreisträgers in Göttingen 1946–1968. Regie: Matthias Heinzel. Göttinger Tageblatt 2007 (45 Min.).

Spielfilm

Ende der Unschuld. Deutschland 1991 (ARD, 2 Teile, 180 Min.). Regie: Frank Beyer. Buch: Wolfgang Menge. Mit Rolf Hoppe (Otto Hahn), Hanne Hiob (Lise Meitner) u. a.

Zeugnisse über Otto Hahn

Alle folgenden Original-Zitate entstammen dem Buch Dietrich Hahn (Hrsg.): Lise Meitner: Erinnerungen an Otto Hahn. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2005. S. 1–4. ISBN 3-7776-1380-0.

Einer der Wenigen, die aufrecht geblieben sind und ihr Bestes taten während dieser bösen Jahre.
Albert Einstein, Princeton (USA), 1949, über Hahns Wirken von 1933 bis 1945.

Otto Hahn verstand es, mit den einfachsten Hilfsmitteln an die schwierigsten Probleme heranzugehen, geleitet von seiner ungewöhnlichen intuitiven Begabung und seinen ebenso ungewöhnlichen, vielseitigen chemischen Kenntnissen. Wie oft habe ich nicht in den langen Jahren unserer Zusammenarbeit gesehen, daß er Probleme, die der Physiker sich durch mathematische Formeln klar macht, rein intuitiv und anschaulich erfaßt hat.
Lise Meitner, Stockholm, 1949.

Hähnchen, von Physik verstehst Du nichts, geh nach oben!
Lise Meitner, im persönlichen Gespräch zu Otto Hahn.[61]

Einer der nobelsten und feinsten Menschen, denen ich je begegnet bin.
Max Born, Bad Pyrmont, 1955.

Die große Zuverlässigkeit seines Charakters, seine natürliche Liebenswürdigkeit und Freude am Scherzen haben ihn auch bei etwaigen schwierigen Diskussionen, wissenschaftlicher oder menschlicher Art, nie verlassen.
Lise Meitner, Stockholm, 1959.

Obwohl Otto Hahn einer der wenigen Wissenschaftler war, die Geschichte gemacht und eine ganze Ära der Weltpolitik bestimmt haben, hat er sich doch nie als eine Persönlichkeit der Weltpolitik gefühlt.
Manfred Eigen, Göttingen, 1968.

Die Zahl derer, die sich neben Otto Hahn stellen könnten, ist klein. Für ihn war seine eigene Handlungsweise zwar selbstverständlich, aber für die kommenden Generationen kann sie Vorbild sein, gleichgültig, ob man in der Haltung Otto Hahns sein menschliches und wissenschaftliches Verantwortungsbewußtsein oder seinen persönlichen Mut bewundert. Beides zusammen war selten in einer Person vereinigt anzutreffen, und so hat diese seltene Gabe Otto Hahn die Liebe und die Verehrung seiner Freunde und Schüler erworben und gesichert, und sie wird über seinen Tod hinaus hoffentlich das erstrebte Ziel vieler junger Menschen werden.
Fritz Straßmann, Mainz, 1968.

Otto Hahn hat sein so schweres menschliches Schicksal mit unvergleichlicher Haltung getragen. Stets blieb er äußerlich heiter, den Mitmenschen zugewandt in nie versiegender Herzensgüte, ein wunderbares Vorbild an sittlicher Kraft. Alle, die ihm begegnen durften, werden die Erinnerung an seine einzigartige Persönlichkeit als unverlierbaren inneren Besitz empfinden.
Berta Karlik, Wien, 1969.

Jeder, der Otto Hahn kannte, mußte ihn als Forscher in seiner Arbeit sowie als Mensch in seinem Tun und Denken verehren. Er war Vorbild in seiner Gewissenhaftigkeit, zugleich die Herzen gewinnend in seiner Güte und Bescheidenheit.
Manfred von Ardenne, Dresden, 1978.

Ich habe oft gedacht, daß er einen zweiten Nobelpreis verdient hätte – den Friedensnobelpreis.
Elizabeth Rona, Miami (USA), 1978.

So wie er nie die Verfolgung der Juden im Dritten Reich vergessen konnte, benutzte er auch die erste Gelegenheit, Beziehungen zum neuen Staate Israel aufzunehmen. Es war seine letzte große Reise, die unvergeßlichen Eindruck auf ihn machte.
Wolfgang Gentner, Heidelberg, 1979.

Ich muß einfach sagen, daß er der bewundernswerteste Mensch ist, der mir unter den Wissenschaftlern bekannt ist. Seine charakterliche Größe, seine Schärfe des Verstandes und diese absolute Redlichkeit und Zurücksetzung seiner Person findet man so rasch nicht wieder.
Otto Haxel, Heidelberg, 1987.

Die Menschheit kann nicht auf die Dauer zugleich mit der Kenntnis der Kernspaltung und der Institution des Krieges leben. Dieses Wissen beschattete die letzten Lebensjahrzehnte Otto Hahns. Es bewußt getragen zu haben, war sein Beitrag zum unerläßlichen Bewußtseinswandel unserer Zeit. Es war sein Geschenk an die Menschheit.
Carl Friedrich von Weizsäcker, Starnberg, 1988.

Siehe auch

Atomkeller-Museum in Haigerloch (Württemberg)
Deutsche Atomkommission






Quelle - Literatur & Einzelnachweise


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