Kaiserliche Marine
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Kaiserliche Marine
Kaiserliche Marine war von 1872 bis 1918 die offizielle Bezeichnung der Seestreitkräfte des Deutschen Kaiserreiches. Ursprünglich war sie auf die Küstenverteidigung hin ausgerichtet. Ab etwa 1900 entwickelte sie sich zu einer der größten und modernsten Kriegsflotten der Welt, was durch imperiale Bestrebungen und die (anglophile) Marinebegeisterung des deutschen Kaisers Wilhelm II. begünstigt wurde. 1914 war die Kaiserliche Marine nach der Royal Navy und vor der United States Navy die zweitstärkste Marine der Welt. Diese enorme Aufrüstung forderte Großbritannien als führende Seemacht heraus und führte zum Deutsch-Britischen Flottenwettrüsten. Es trug seinen Teil zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges bei.
Wilhelm II. als Großadmiral (Adolph Behrens, 1913)[1]
Bugzier mit Kaiserkrone, Hohenzollernwappen und unklarem Anker an der Marineschule Mürwik
Dass die Flotte weitgehend wirkungslos blieb, war vor allem der geopolitischen Lage der deutschen Küsten und dem Fehlen großer überseeischer Flottenstützpunkte geschuldet. Im Weltkrieg spielten die deutschen Überwasserkräfte daher keine große Rolle. Lediglich in der Skagerrakschlacht 1916 kam es zu einem großen Schlagabtausch mit der Royal Navy, der in einem strategischen Patt endete. Die U-Boot-Kriegführung hingegen fügte der britischen Handelsmarine schweren Schaden zu, begünstigte aber durch ihre rücksichtslose Führung den Kriegseintritt der USA auf Seiten der Gegner Deutschlands. Im November 1918 führten Untätigkeit und Unzufriedenheit an Bord der Großkampfschiffe – und der sinnlose Auslaufbefehl – zum Kieler Matrosenaufstand. Er brachte die Novemberrevolution und das Ende der Monarchie in Deutschland.
1871 bis 1890
Marineflaggen des Deutschen Kaiserreichs
Die Reichsverfassung vom 16. April 1871 bezeichnet die Marine des Reichs meist als Kriegsmarine, an einer Stelle aber auch als Kaiserliche Marine. Sie lag ausschließlich in der Zuständigkeit des Reichs, wobei der Oberbefehl dem Kaiser zustand (Art. 53). Ihr Aufbau geschah zunächst nur langsam. Für den Marinegebrauch wurde letztere Bezeichnung am 1. Februar 1872 eingeführt. Den Schiffsnamen der Kaiserlichen Marine wurde – vergleichbar der Tradition in der britischen Marine (HMS = His/Her Majesty's Ship) – das Kürzel S.M.S. (für „Seiner Majestät Schiff“) vorangestellt. Neben der aktiven Flotte bestand eine Seewehr als Teil der Reserve entsprechend der Landwehr beim Heer.[2]
Die Kaiserliche Marine ging aus der Marine des Norddeutschen Bundes hervor. Am 1. Februar 1872 wurden deren bisherige Marinebehörden zur Kaiserlichen Admiralität zusammengefasst, deren erster Chef General der Infanterie Albrecht von Stosch wurde. Den Oberbefehl hatte der Kaiser inne.
Die „kaiserliche“ Marine wurde aus dem vom Reichstag beschlossenen Haushalt finanziert. Für den Unterhalt der Landstreitkräfte waren dagegen die Bundesstaaten zuständig.
Anfangs bestand die Hauptaufgabe im Küstenschutz und im Schutz der deutschen Seehandelswege, obwohl schon bald erste Auslandsstationen gegründet wurden. In den 1880er Jahren beteiligte sich die Kaiserliche Marine an der Gewinnung von Kolonien in Afrika, Asien und Ozeanien. Kiel an der Ostsee und Wilhelmshaven an der Nordsee waren gemäß der Reichsverfassung Reichskriegshäfen.
Zu den Aufgaben der Marine gehörte auch die allgemeine Repräsentanz des Reiches im Ausland und vor allem in Übersee. Bereits die Preußische Marine hatte, wie in der damaligen Zeit üblich, Auslandskreuzer eingesetzt, die die diplomatische Interessenvertretung Preußens und später des Reiches insbesondere gegenüber kleineren Staaten zu unterstützen hatten. Ein besonderes Beispiel für diese Form der Zusammenarbeit von Diplomatie und Marine, der klassischen Kanonenbootdiplomatie, war die sogenannte Eisenstuck-Affäre in Nicaragua 1876–1878.
Entwicklung, Bau und Ablieferung der ersten deutschen Torpedoboote (1884)
Die Schichau-Werke hatten schon Erfahrungen mit dem Bau von Torpedobooten für den Export, als die deutschen Marine den Auftrag für die Entwicklung, Konstruktion und den Bau für sechs Torpedoboote erteilte. Das vom Reichsmarineamt ausgearbeitete anspruchsvolle Bauprogramm für eine Torpedobootflotte forderte außerordentlich seefähige Schiffe mit hoher Geschwindigkeit. Die Länge sollte 37 Meter nicht überschreiten, die Boote sollten mit vier Torpedos und zwei Schnellfeuergeschützen bewaffnet werden. Das Deplacement ergab sich bei Berücksichtigung von zweckmässigen Wohnräumen der Besatzung, der Größe des Maschinenraumes und der Bunker zu 85 Tonnen Kohle. Die Dreifach-Expansionsmaschine hatte die Leistung von 900 PSi und erfüllte die Erwartungen, denn bei den 1884 in der Eckernförder Bucht durchgeführten Erprobungen von Torpedobooten verschiedener Werften schnitten die „S-Boote“ von Schichau am besten ab.
→ Hauptartikel: Großtorpedoboot
1890 bis 1914
Zur Erinnerung an die Südamerikareise der Schiffe Kaiser, König Albert und Straßburg im Februar 1914: Postkarte mit dem Teatro Municipal (Rio de Janeiro), Brasilien
Unter dem seefahrts- und flottenbegeisterten Kaiser Wilhelm II. (1888–1918) gewann die Marine an Bedeutung. Eine große maritime Rüstungsindustrie entstand. Der 1895 fertiggestellte Kaiser-Wilhelm-Kanal erlaubte eine schnelle Verlegung der Seestreitkräfte zwischen Nordsee und Ostsee.
Mit der Einrichtung von Marinekabinett, Oberkommando der Marine und Reichsmarineamt änderte sich ab 1889 die Führungsstruktur.[3] Staatssekretär des Reichsmarineamts wurde 1897 Alfred von Tirpitz.
1898 beschloss der Reichstag ein neues Flottengesetz, welches den weiteren Ausbau festlegte. Das Oberkommando wurde 1899 durch den Admiralstab abgelöst, und der Kaiser übernahm erneut den Oberbefehl. Tirpitz gelang es mit seinem „Propagandachef“ Ernst Levy von Halle und dem Deutschen Flottenverein, im Deutschen Reich eine große Begeisterung für die Flotte zu erzeugen. Für eine Kontinentalmacht wie Deutschland war das alles andere als selbstverständlich.
Matrose der Kaiserlichen Marine (um 1890)
Kaiser Wilhelm II. (Mitte) an Bord des Kleinen Kreuzers SMS Geier (1894)
Unter dem seefahrts- und flottenbegeisterten Kaiser Wilhelm II. (1888–1918) gewann die Marine an Bedeutung. Eine große maritime Rüstungsindustrie entstand. Der 1895 fertiggestellte Kaiser-Wilhelm-Kanal erlaubte eine schnelle Verlegung der Seestreitkräfte zwischen Nordsee und Ostsee.
Mit der Einrichtung von Marinekabinett, Oberkommando der Marine und Reichsmarineamt änderte sich ab 1889 die Führungsstruktur.[3] Staatssekretär des Reichsmarineamts wurde 1897 Alfred von Tirpitz.
1898 beschloss der Reichstag ein neues Flottengesetz, welches den weiteren Ausbau festlegte. Das Oberkommando wurde 1899 durch den Admiralstab abgelöst, und der Kaiser übernahm erneut den Oberbefehl. Tirpitz gelang es mit seinem „Propagandachef“ Ernst Levy von Halle und dem Deutschen Flottenverein, im Deutschen Reich eine große Begeisterung für die Flotte zu erzeugen. Für eine Kontinentalmacht wie Deutschland war das alles andere als selbstverständlich.
Die Flottenrüstung war, wie auch in den anderen Marinen der damaligen Zeit, von einer schnellen technischen Entwicklung gekennzeichnet. Nacheinander wurden neue Waffensysteme eingeführt, wie die Seemine, der Torpedo, das U-Boot und die Marineflieger mit Flugzeugen und Luftschiffen. Obwohl alle diese Entwicklungen bereits mit einfachen Modellen im amerikanischen Bürgerkrieg zum Einsatz gekommen waren, war ihre Bedeutung für künftige Seekriege zunächst kaum erkannt worden.
Eine Veränderung der Doktrin zu Verteidigungskrieg und Seeschlacht mündete mit dem Aufbau der Hochseeflotte in ein Deutsch-Britisches Wettrüsten. Die aus dem deutsch-englischen Gegensatz entstandene Isolierung des Deutschen Reiches hatte entscheidenden Einfluss auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Eines der wesentlichen Probleme der Kaiserlichen Marine war bis gegen Ende des Ersten Weltkriegs die mangelhafte interne Koordination. Da der Kaiser selber den Oberbefehl ausübte, fehlte es an der Koordination zwischen den diversen direkt unterstellten Marinedienststellen mit direktem Vorspracherecht beim Kaiser, den sogenannten Immediatstellen, von denen es zeitweise bis zu acht gab. Dazu gehörten der Staatssekretär des Reichsmarineamts, der Chef der Hochseeflotte, die Chefs der Marinestationen.
Organisatorisch bildete die Hochseeflotte ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts den Kern der Kaiserlichen Marine. Daneben gab es das Ostasiengeschwader, die Mittelmeerdivision und diverse Landdienststellen, wie etwa die Marinestationen der Nordsee und der Ostsee.
Hochseeflotte
Pfalz D.III der Marine-Jasta 2
U-Boothafen in Kiel (1914)
Hochseeflotte
Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es allgemein üblich, Flotten nur in den Sommermonaten aktiv zu halten, während im Winter die meisten Schiffe aufgelegt wurden. Nach der Aktivierung im Frühjahr bedurfte es großer Übungen, um die Schiffe einsatzfähig zu machen. Zu diesem Zweck wurde in der Kaiserlichen Marine alljährlich die sogenannte Übungs- oder Manöverflotte zusammengezogen, an deren Spitze ein Admiral als Flottenchef stand. Um 1900 wurde die Übungsflotte zunächst in Schlachtflotte und 1906 in Hochseeflotte umbenannt. Ihr erster Chef war der Bruder des Kaisers, Prinz Heinrich. Die Hochseeflotte bildete den Kern der Kaiserlichen Marine.
Bei Kriegsausbruch im August 1914 betrug ihre Stärke:
Kategorie Zahl
Großlinienschiffe 14
Linienschiffe 22
Küstenpanzerschiffe 8
Große Kreuzer (Schlachtkreuzer) 4
Große Kreuzer (Panzerkreuzer) 7
Kleine Kreuzer 12
Torpedoboote
(im Flottendienst) 89
U-Boote 19
Steuerbordseite der SMS Rheinland (1910)
Die Schlachtschiffe, Linienschiffe und Küstenpanzerschiffe bildeten zu dieser Zeit sechs Geschwader, die Kreuzer bildeten fünf Aufklärungsgruppen:
Flottenflaggschiff
SMS Friedrich der Große
I. Geschwader II. Geschwader III. Geschwader IV. Geschwader V. Geschwader VI. Geschwader
SMS Ostfriesland (Flaggschiff) SMS Preußen (Flaggschiff) SMS Prinzregent Luitpold (Flaggschiff) SMS Wittelsbach (Flaggschiff) SMS Kaiser Wilhelm II. (Flaggschiff) SMS Hildebrand (Flaggschiff)
SMS Helgoland SMS Deutschland SMS Kaiser SMS Wettin SMS Kaiser Wilhelm der Große SMS Heimdall
SMS Thüringen SMS Hannover SMS Kaiserin SMS Zähringen SMS Kaiser Barbarossa SMS Hagen
SMS Oldenburg SMS Pommern SMS König Albert SMS Schwaben SMS Kaiser Friedrich III. SMS Frithjof
SMS Nassau SMS Schleswig-Holstein SMS König SMS Mecklenburg SMS Kaiser Karl der Große SMS Odin
SMS Westfalen SMS Schlesien SMS Großer Kurfürst SMS Braunschweig SMS Wörth SMS Beowulf
SMS Rheinland SMS Hessen SMS Markgraf SMS Elsass SMS Brandenburg SMS Siegfried
SMS Posen
I. Aufklärungsgruppe II. Aufklärungsgruppe III. Aufklärungsgruppe IV. Aufklärungsgruppe V. Aufklärungsgruppe
SMS Seydlitz (Flaggschiff) SMS Cöln (Flaggschiff) SMS München (Flaggschiff) SMS Roon (Flaggschiff) SMS Hansa (Flaggschiff)
SMS Moltke SMS Mainz SMS Danzig SMS Yorck SMS Vineta
SMS Von der Tann SMS Stralsund SMS Stuttgart SMS Prinz Adalbert SMS Victoria Louise
SMS Blücher SMS Kolberg SMS Hela SMS Prinz Heinrich SMS Hertha
SMS Derfflinger SMS Rostock SMS Frauenlob
SMS Straßburg
SMS Graudenz
Ferner waren die Flottentorpedoboote in acht, die U-Boote in zwei Flottillen eingeteilt.
Während des Krieges wurden an großen Einheiten noch fertiggestellt:
SMS Baden, Linienschiff
SMS Bayern, Linienschiff
SMS Hindenburg, Großer Kreuzer
Zusätzlich zu den oben aufgeführten Einheiten gehörten zur Hochseeflotte vier Hafenflottillen mit Kleinen Kreuzern und Torpedobooten sowie 17 Sprengboote des Typs FL.
Ostasiengeschwader
→ Hauptartikel: Ostasiengeschwader
Das Ostasiengeschwader ging 1897 aus dem vormaligen Kreuzergeschwader der Kaiserlichen Marine hervor. Es war ein selbständiger Verband aus je zwei großen und kleinen Kreuzern, der in Tsingtau stationiert war und die Aufgabe hatte, deutsche Interessen im asiatisch-pazifischen Raum zu unterstützen. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs landeten japanische Truppen in China und begannen mit der Belagerung von Tsingtau. Daraufhin versuchte das Geschwader unter Vizeadmiral Graf Spee rund um Südamerika nach Deutschland durchzubrechen. Dabei kam es vor der chilenischen Küste am 1. November 1914 bei Coronel zu einem erfolgreichen Gefecht mit einem britischen Kreuzergeschwader Vize-Admiral Christopher Cradock, das weitgehend vernichtet wurde. Am 8. Dezember 1914 wurde das deutsche Geschwader bei den Falklandinseln durch überlegene Kräfte der Royal Navy gestellt und mit Ausnahme eines Kreuzers vernichtet.
Der Erste Weltkrieg
Anfangsphase (1914–1915)
Kapitän zur See Titus Türk
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Kaiserliche Marine aus ihrer Friedensstärke von fast 80.000 Mann mobilisiert. Dafür stand eine im Frieden gebildete Personalreserve (Marine-Reservisten, Seewehrleute, Marine-Ersatzreservisten) von 171.500 Mann zur Verfügung.[4]
Allerdings blieb der zunächst erwartete Zusammenstoß der deutschen und britischen Flotte in der Nordsee aus. Obwohl zahlenmäßig weit überlegen, mied die Royal Navy eine direkte Konfrontation mit der Kaiserlichen Marine, da keine strategische Notwendigkeit dazu bestand und darüber hinaus große eigene Verluste befürchtet wurden (das Seegefecht bei Coronel am 1. November 1914 hatte Aufsehen erregt).[5] Stattdessen verhängte die britische Admiralität eine Blockade über die gesamte Nordsee, um das Deutsche Reich von der überseeischen Zufuhr kriegswichtiger Güter sowie Lebensmitteln abzuschneiden. Diese „Hungerblockade“, die sich rasch als überaus wirksam erwies[6], war von der deutschen Marineführung so nicht erwartet worden. Lediglich das in Tsingtao stationierte Ostasiengeschwader unter Admiral Graf von Spee und die beiden auf ostamerikanischer bzw. ostafrikanischer Station befindlichen Kleinen Kreuzer SMS Karlsruhe und SMS Königsberg genossen zumindest in den ersten Wochen und Monaten des Krieges eine gewisse Bewegungsfreiheit. Diese Schiffe erzielten gegen die verhältnismäßig schwachen Kolonialflotten der Gegner einige – zum Teil Aufsehen erregende – Erfolge (Handelskrieg der SMS Emden im Indischen Ozean; Seegefecht bei Coronel), konnten sich aber auf Dauer nicht gegen die Übermacht insbesondere der britischen Marine durchsetzen. Mit der Vernichtung von Spees Geschwader im Seegefecht bei den Falklandinseln im Dezember 1914 wurde von der Kaiserlichen Marineleitung jede Hoffnung auf eine globale Seekriegführung aufgegeben. Im November war bereits mit dem Fall Tsingtaos der einzige vollwertige deutsche Flottenstützpunkt außerhalb der Heimatgewässer verloren gegangen.
Seltenes Bild – Große Kreuzer auf Kriegsmarsch
Die Situation in der Nordsee blieb währenddessen nahezu unverändert. Die Führung der deutschen Flotte spekulierte auf die Möglichkeit, durch provokante Vorstöße der Hochseeflotte Richtung Norden Teile der in Scapa Flow vor Anker liegenden britischen Grand Fleet herauszulocken und niederzukämpfen. Derartige Operationen blieben während des gesamten Krieges nahezu die einzigen Einsätze der großen Linienschiffsgeschwader, die in Wilhelmshaven ("Reichskriegshafen") stationiert waren. Zur ersten größeren Konfrontation zwischen schweren britischen und deutschen Verbänden kam es nach einem solchen Vorstoß bereits im August 1914 beim Seegefecht vor Helgoland, das mit einer deutschen Niederlage endete, die die deutsche Führung zu noch stärkerer Zurückhaltung bei offensiven Unternehmungen zwang.
Rekrutierungsplakat
Im Dezember 1914 stießen schnelle Große Kreuzer der I. Aufklärungsgruppe an die englische Ostküste vor und beschossen dort am 16. Dezember die Hafenstädte Scarborough, Hartlepool und Whitby. Die Angriffe erzielten wenig militärischen Nutzen. Es gab über hundert Tote und hunderte Verletzte. Auch blieb eine moralische Auswirkung auf die britische Bevölkerung aus. Im Gegenteil wuchs die öffentliche Meinung in England gegen Deutschland noch mehr, weil die meisten Opfer der Bombardements Zivilisten waren.
Im Januar 1915 wurde ein neuer Vorstoß gewagt, der im Gefecht auf der Doggerbank erneut mit einer deutschen Niederlage endete.
Zu den wenigen großen Erfolgsmeldungen der Kaiserlichen Marine der ersten Kriegsphase gehörte die Versenkung von drei britischen Panzerkreuzern vor der holländischen Küste durch das Unterseeboot SM U 9 im September 1914. Die Versenkung gelang insbesondere deswegen, weil U-Boote zu dieser Zeit noch nicht als Offensivwaffen galten und die erzielten Torpedotreffer von den britischen Mannschaften zunächst für die Auswirkungen eines Minenfeldes gehalten wurden. Der Kommandant von U 9, Otto Weddigen wurde rasch zum Kriegshelden stilisiert und die U-Boote wurden als neue „Wunderwaffe“ gegen die britische Blockade dargestellt. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt zeigte sich somit der geringe Wert der zwar hochgerüsteten, aber letztendlich unzureichend starken Hochseeflotte.
Einen eher indirekten Erfolg erzielte ein deutscher Verband, bestehend aus dem Großen Kreuzer SMS Goeben und dem Kleinen Kreuzer SMS Breslau, als er sich im Mittelmeer nach Beschießung französischer Häfen in Nordafrika seinen britischen Verfolgern entzog und nach Konstantinopel entkommen konnte. Das Auftauchen der deutschen Schiffe trug wesentlich zum Kriegseintritt des Osmanischen Reiches auf Seiten der Mittelmächte bei.
Als Reaktion auf die britische Blockade legte die Marineführung rasch große Hoffnungen in die Wirksamkeit der U-Boote. Diese begannen mit einem zunächst streng nach dem internationalen Prisenrecht geführten Handelskrieg gegen gegnerische Schiffe in den britischen Hoheitsgewässern. Im Februar 1915 entschloss sich die deutsche Führung, uneingeschränkten U-Boot-Krieg in den zum Kriegsgebiet erklärten Gewässern um die britischen Inseln zu führen. Gründe dafür waren die zunehmende Gefährdung der aufgetaucht angreifenden Boote durch „U-Boot-Fallen“ (bewaffnete Handelsschiffe) sowie die Hoffnung auf ein rasches Ende der Blockade. Als dann im Mai 1915 der britische Passagierdampfer RMS Lusitania einem deutschen U-Boot zum Opfer fiel, das getaucht und ohne Warnung einen Torpedo gefeuert hatte, kamen knapp 1.200 Menschen um Leben, darunter auch 128 US-Amerikaner. Die Lusitania-Affäre hatte weitreichende Konsequenzen: Zum Einen zwang sie aufgrund der massiven internationalen Proteste die deutsche Führung zur Einstellung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, zum Anderen drängte sie die neutralen USA zunehmend ins Lager der Kriegsgegner Deutschlands.
Weiter geht es in Teil 2
Wilhelm II. als Großadmiral (Adolph Behrens, 1913)[1]
Bugzier mit Kaiserkrone, Hohenzollernwappen und unklarem Anker an der Marineschule Mürwik
Dass die Flotte weitgehend wirkungslos blieb, war vor allem der geopolitischen Lage der deutschen Küsten und dem Fehlen großer überseeischer Flottenstützpunkte geschuldet. Im Weltkrieg spielten die deutschen Überwasserkräfte daher keine große Rolle. Lediglich in der Skagerrakschlacht 1916 kam es zu einem großen Schlagabtausch mit der Royal Navy, der in einem strategischen Patt endete. Die U-Boot-Kriegführung hingegen fügte der britischen Handelsmarine schweren Schaden zu, begünstigte aber durch ihre rücksichtslose Führung den Kriegseintritt der USA auf Seiten der Gegner Deutschlands. Im November 1918 führten Untätigkeit und Unzufriedenheit an Bord der Großkampfschiffe – und der sinnlose Auslaufbefehl – zum Kieler Matrosenaufstand. Er brachte die Novemberrevolution und das Ende der Monarchie in Deutschland.
1871 bis 1890
Marineflaggen des Deutschen Kaiserreichs
Die Reichsverfassung vom 16. April 1871 bezeichnet die Marine des Reichs meist als Kriegsmarine, an einer Stelle aber auch als Kaiserliche Marine. Sie lag ausschließlich in der Zuständigkeit des Reichs, wobei der Oberbefehl dem Kaiser zustand (Art. 53). Ihr Aufbau geschah zunächst nur langsam. Für den Marinegebrauch wurde letztere Bezeichnung am 1. Februar 1872 eingeführt. Den Schiffsnamen der Kaiserlichen Marine wurde – vergleichbar der Tradition in der britischen Marine (HMS = His/Her Majesty's Ship) – das Kürzel S.M.S. (für „Seiner Majestät Schiff“) vorangestellt. Neben der aktiven Flotte bestand eine Seewehr als Teil der Reserve entsprechend der Landwehr beim Heer.[2]
Die Kaiserliche Marine ging aus der Marine des Norddeutschen Bundes hervor. Am 1. Februar 1872 wurden deren bisherige Marinebehörden zur Kaiserlichen Admiralität zusammengefasst, deren erster Chef General der Infanterie Albrecht von Stosch wurde. Den Oberbefehl hatte der Kaiser inne.
Die „kaiserliche“ Marine wurde aus dem vom Reichstag beschlossenen Haushalt finanziert. Für den Unterhalt der Landstreitkräfte waren dagegen die Bundesstaaten zuständig.
Anfangs bestand die Hauptaufgabe im Küstenschutz und im Schutz der deutschen Seehandelswege, obwohl schon bald erste Auslandsstationen gegründet wurden. In den 1880er Jahren beteiligte sich die Kaiserliche Marine an der Gewinnung von Kolonien in Afrika, Asien und Ozeanien. Kiel an der Ostsee und Wilhelmshaven an der Nordsee waren gemäß der Reichsverfassung Reichskriegshäfen.
Zu den Aufgaben der Marine gehörte auch die allgemeine Repräsentanz des Reiches im Ausland und vor allem in Übersee. Bereits die Preußische Marine hatte, wie in der damaligen Zeit üblich, Auslandskreuzer eingesetzt, die die diplomatische Interessenvertretung Preußens und später des Reiches insbesondere gegenüber kleineren Staaten zu unterstützen hatten. Ein besonderes Beispiel für diese Form der Zusammenarbeit von Diplomatie und Marine, der klassischen Kanonenbootdiplomatie, war die sogenannte Eisenstuck-Affäre in Nicaragua 1876–1878.
Entwicklung, Bau und Ablieferung der ersten deutschen Torpedoboote (1884)
Die Schichau-Werke hatten schon Erfahrungen mit dem Bau von Torpedobooten für den Export, als die deutschen Marine den Auftrag für die Entwicklung, Konstruktion und den Bau für sechs Torpedoboote erteilte. Das vom Reichsmarineamt ausgearbeitete anspruchsvolle Bauprogramm für eine Torpedobootflotte forderte außerordentlich seefähige Schiffe mit hoher Geschwindigkeit. Die Länge sollte 37 Meter nicht überschreiten, die Boote sollten mit vier Torpedos und zwei Schnellfeuergeschützen bewaffnet werden. Das Deplacement ergab sich bei Berücksichtigung von zweckmässigen Wohnräumen der Besatzung, der Größe des Maschinenraumes und der Bunker zu 85 Tonnen Kohle. Die Dreifach-Expansionsmaschine hatte die Leistung von 900 PSi und erfüllte die Erwartungen, denn bei den 1884 in der Eckernförder Bucht durchgeführten Erprobungen von Torpedobooten verschiedener Werften schnitten die „S-Boote“ von Schichau am besten ab.
→ Hauptartikel: Großtorpedoboot
1890 bis 1914
Zur Erinnerung an die Südamerikareise der Schiffe Kaiser, König Albert und Straßburg im Februar 1914: Postkarte mit dem Teatro Municipal (Rio de Janeiro), Brasilien
Unter dem seefahrts- und flottenbegeisterten Kaiser Wilhelm II. (1888–1918) gewann die Marine an Bedeutung. Eine große maritime Rüstungsindustrie entstand. Der 1895 fertiggestellte Kaiser-Wilhelm-Kanal erlaubte eine schnelle Verlegung der Seestreitkräfte zwischen Nordsee und Ostsee.
Mit der Einrichtung von Marinekabinett, Oberkommando der Marine und Reichsmarineamt änderte sich ab 1889 die Führungsstruktur.[3] Staatssekretär des Reichsmarineamts wurde 1897 Alfred von Tirpitz.
1898 beschloss der Reichstag ein neues Flottengesetz, welches den weiteren Ausbau festlegte. Das Oberkommando wurde 1899 durch den Admiralstab abgelöst, und der Kaiser übernahm erneut den Oberbefehl. Tirpitz gelang es mit seinem „Propagandachef“ Ernst Levy von Halle und dem Deutschen Flottenverein, im Deutschen Reich eine große Begeisterung für die Flotte zu erzeugen. Für eine Kontinentalmacht wie Deutschland war das alles andere als selbstverständlich.
Matrose der Kaiserlichen Marine (um 1890)
Kaiser Wilhelm II. (Mitte) an Bord des Kleinen Kreuzers SMS Geier (1894)
Unter dem seefahrts- und flottenbegeisterten Kaiser Wilhelm II. (1888–1918) gewann die Marine an Bedeutung. Eine große maritime Rüstungsindustrie entstand. Der 1895 fertiggestellte Kaiser-Wilhelm-Kanal erlaubte eine schnelle Verlegung der Seestreitkräfte zwischen Nordsee und Ostsee.
Mit der Einrichtung von Marinekabinett, Oberkommando der Marine und Reichsmarineamt änderte sich ab 1889 die Führungsstruktur.[3] Staatssekretär des Reichsmarineamts wurde 1897 Alfred von Tirpitz.
1898 beschloss der Reichstag ein neues Flottengesetz, welches den weiteren Ausbau festlegte. Das Oberkommando wurde 1899 durch den Admiralstab abgelöst, und der Kaiser übernahm erneut den Oberbefehl. Tirpitz gelang es mit seinem „Propagandachef“ Ernst Levy von Halle und dem Deutschen Flottenverein, im Deutschen Reich eine große Begeisterung für die Flotte zu erzeugen. Für eine Kontinentalmacht wie Deutschland war das alles andere als selbstverständlich.
Die Flottenrüstung war, wie auch in den anderen Marinen der damaligen Zeit, von einer schnellen technischen Entwicklung gekennzeichnet. Nacheinander wurden neue Waffensysteme eingeführt, wie die Seemine, der Torpedo, das U-Boot und die Marineflieger mit Flugzeugen und Luftschiffen. Obwohl alle diese Entwicklungen bereits mit einfachen Modellen im amerikanischen Bürgerkrieg zum Einsatz gekommen waren, war ihre Bedeutung für künftige Seekriege zunächst kaum erkannt worden.
Eine Veränderung der Doktrin zu Verteidigungskrieg und Seeschlacht mündete mit dem Aufbau der Hochseeflotte in ein Deutsch-Britisches Wettrüsten. Die aus dem deutsch-englischen Gegensatz entstandene Isolierung des Deutschen Reiches hatte entscheidenden Einfluss auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Eines der wesentlichen Probleme der Kaiserlichen Marine war bis gegen Ende des Ersten Weltkriegs die mangelhafte interne Koordination. Da der Kaiser selber den Oberbefehl ausübte, fehlte es an der Koordination zwischen den diversen direkt unterstellten Marinedienststellen mit direktem Vorspracherecht beim Kaiser, den sogenannten Immediatstellen, von denen es zeitweise bis zu acht gab. Dazu gehörten der Staatssekretär des Reichsmarineamts, der Chef der Hochseeflotte, die Chefs der Marinestationen.
Organisatorisch bildete die Hochseeflotte ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts den Kern der Kaiserlichen Marine. Daneben gab es das Ostasiengeschwader, die Mittelmeerdivision und diverse Landdienststellen, wie etwa die Marinestationen der Nordsee und der Ostsee.
Hochseeflotte
Pfalz D.III der Marine-Jasta 2
U-Boothafen in Kiel (1914)
Hochseeflotte
Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es allgemein üblich, Flotten nur in den Sommermonaten aktiv zu halten, während im Winter die meisten Schiffe aufgelegt wurden. Nach der Aktivierung im Frühjahr bedurfte es großer Übungen, um die Schiffe einsatzfähig zu machen. Zu diesem Zweck wurde in der Kaiserlichen Marine alljährlich die sogenannte Übungs- oder Manöverflotte zusammengezogen, an deren Spitze ein Admiral als Flottenchef stand. Um 1900 wurde die Übungsflotte zunächst in Schlachtflotte und 1906 in Hochseeflotte umbenannt. Ihr erster Chef war der Bruder des Kaisers, Prinz Heinrich. Die Hochseeflotte bildete den Kern der Kaiserlichen Marine.
Bei Kriegsausbruch im August 1914 betrug ihre Stärke:
Kategorie Zahl
Großlinienschiffe 14
Linienschiffe 22
Küstenpanzerschiffe 8
Große Kreuzer (Schlachtkreuzer) 4
Große Kreuzer (Panzerkreuzer) 7
Kleine Kreuzer 12
Torpedoboote
(im Flottendienst) 89
U-Boote 19
Steuerbordseite der SMS Rheinland (1910)
Die Schlachtschiffe, Linienschiffe und Küstenpanzerschiffe bildeten zu dieser Zeit sechs Geschwader, die Kreuzer bildeten fünf Aufklärungsgruppen:
Flottenflaggschiff
SMS Friedrich der Große
I. Geschwader II. Geschwader III. Geschwader IV. Geschwader V. Geschwader VI. Geschwader
SMS Ostfriesland (Flaggschiff) SMS Preußen (Flaggschiff) SMS Prinzregent Luitpold (Flaggschiff) SMS Wittelsbach (Flaggschiff) SMS Kaiser Wilhelm II. (Flaggschiff) SMS Hildebrand (Flaggschiff)
SMS Helgoland SMS Deutschland SMS Kaiser SMS Wettin SMS Kaiser Wilhelm der Große SMS Heimdall
SMS Thüringen SMS Hannover SMS Kaiserin SMS Zähringen SMS Kaiser Barbarossa SMS Hagen
SMS Oldenburg SMS Pommern SMS König Albert SMS Schwaben SMS Kaiser Friedrich III. SMS Frithjof
SMS Nassau SMS Schleswig-Holstein SMS König SMS Mecklenburg SMS Kaiser Karl der Große SMS Odin
SMS Westfalen SMS Schlesien SMS Großer Kurfürst SMS Braunschweig SMS Wörth SMS Beowulf
SMS Rheinland SMS Hessen SMS Markgraf SMS Elsass SMS Brandenburg SMS Siegfried
SMS Posen
I. Aufklärungsgruppe II. Aufklärungsgruppe III. Aufklärungsgruppe IV. Aufklärungsgruppe V. Aufklärungsgruppe
SMS Seydlitz (Flaggschiff) SMS Cöln (Flaggschiff) SMS München (Flaggschiff) SMS Roon (Flaggschiff) SMS Hansa (Flaggschiff)
SMS Moltke SMS Mainz SMS Danzig SMS Yorck SMS Vineta
SMS Von der Tann SMS Stralsund SMS Stuttgart SMS Prinz Adalbert SMS Victoria Louise
SMS Blücher SMS Kolberg SMS Hela SMS Prinz Heinrich SMS Hertha
SMS Derfflinger SMS Rostock SMS Frauenlob
SMS Straßburg
SMS Graudenz
Ferner waren die Flottentorpedoboote in acht, die U-Boote in zwei Flottillen eingeteilt.
Während des Krieges wurden an großen Einheiten noch fertiggestellt:
SMS Baden, Linienschiff
SMS Bayern, Linienschiff
SMS Hindenburg, Großer Kreuzer
Zusätzlich zu den oben aufgeführten Einheiten gehörten zur Hochseeflotte vier Hafenflottillen mit Kleinen Kreuzern und Torpedobooten sowie 17 Sprengboote des Typs FL.
Ostasiengeschwader
→ Hauptartikel: Ostasiengeschwader
Das Ostasiengeschwader ging 1897 aus dem vormaligen Kreuzergeschwader der Kaiserlichen Marine hervor. Es war ein selbständiger Verband aus je zwei großen und kleinen Kreuzern, der in Tsingtau stationiert war und die Aufgabe hatte, deutsche Interessen im asiatisch-pazifischen Raum zu unterstützen. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs landeten japanische Truppen in China und begannen mit der Belagerung von Tsingtau. Daraufhin versuchte das Geschwader unter Vizeadmiral Graf Spee rund um Südamerika nach Deutschland durchzubrechen. Dabei kam es vor der chilenischen Küste am 1. November 1914 bei Coronel zu einem erfolgreichen Gefecht mit einem britischen Kreuzergeschwader Vize-Admiral Christopher Cradock, das weitgehend vernichtet wurde. Am 8. Dezember 1914 wurde das deutsche Geschwader bei den Falklandinseln durch überlegene Kräfte der Royal Navy gestellt und mit Ausnahme eines Kreuzers vernichtet.
Der Erste Weltkrieg
Anfangsphase (1914–1915)
Kapitän zur See Titus Türk
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Kaiserliche Marine aus ihrer Friedensstärke von fast 80.000 Mann mobilisiert. Dafür stand eine im Frieden gebildete Personalreserve (Marine-Reservisten, Seewehrleute, Marine-Ersatzreservisten) von 171.500 Mann zur Verfügung.[4]
Allerdings blieb der zunächst erwartete Zusammenstoß der deutschen und britischen Flotte in der Nordsee aus. Obwohl zahlenmäßig weit überlegen, mied die Royal Navy eine direkte Konfrontation mit der Kaiserlichen Marine, da keine strategische Notwendigkeit dazu bestand und darüber hinaus große eigene Verluste befürchtet wurden (das Seegefecht bei Coronel am 1. November 1914 hatte Aufsehen erregt).[5] Stattdessen verhängte die britische Admiralität eine Blockade über die gesamte Nordsee, um das Deutsche Reich von der überseeischen Zufuhr kriegswichtiger Güter sowie Lebensmitteln abzuschneiden. Diese „Hungerblockade“, die sich rasch als überaus wirksam erwies[6], war von der deutschen Marineführung so nicht erwartet worden. Lediglich das in Tsingtao stationierte Ostasiengeschwader unter Admiral Graf von Spee und die beiden auf ostamerikanischer bzw. ostafrikanischer Station befindlichen Kleinen Kreuzer SMS Karlsruhe und SMS Königsberg genossen zumindest in den ersten Wochen und Monaten des Krieges eine gewisse Bewegungsfreiheit. Diese Schiffe erzielten gegen die verhältnismäßig schwachen Kolonialflotten der Gegner einige – zum Teil Aufsehen erregende – Erfolge (Handelskrieg der SMS Emden im Indischen Ozean; Seegefecht bei Coronel), konnten sich aber auf Dauer nicht gegen die Übermacht insbesondere der britischen Marine durchsetzen. Mit der Vernichtung von Spees Geschwader im Seegefecht bei den Falklandinseln im Dezember 1914 wurde von der Kaiserlichen Marineleitung jede Hoffnung auf eine globale Seekriegführung aufgegeben. Im November war bereits mit dem Fall Tsingtaos der einzige vollwertige deutsche Flottenstützpunkt außerhalb der Heimatgewässer verloren gegangen.
Seltenes Bild – Große Kreuzer auf Kriegsmarsch
Die Situation in der Nordsee blieb währenddessen nahezu unverändert. Die Führung der deutschen Flotte spekulierte auf die Möglichkeit, durch provokante Vorstöße der Hochseeflotte Richtung Norden Teile der in Scapa Flow vor Anker liegenden britischen Grand Fleet herauszulocken und niederzukämpfen. Derartige Operationen blieben während des gesamten Krieges nahezu die einzigen Einsätze der großen Linienschiffsgeschwader, die in Wilhelmshaven ("Reichskriegshafen") stationiert waren. Zur ersten größeren Konfrontation zwischen schweren britischen und deutschen Verbänden kam es nach einem solchen Vorstoß bereits im August 1914 beim Seegefecht vor Helgoland, das mit einer deutschen Niederlage endete, die die deutsche Führung zu noch stärkerer Zurückhaltung bei offensiven Unternehmungen zwang.
Rekrutierungsplakat
Im Dezember 1914 stießen schnelle Große Kreuzer der I. Aufklärungsgruppe an die englische Ostküste vor und beschossen dort am 16. Dezember die Hafenstädte Scarborough, Hartlepool und Whitby. Die Angriffe erzielten wenig militärischen Nutzen. Es gab über hundert Tote und hunderte Verletzte. Auch blieb eine moralische Auswirkung auf die britische Bevölkerung aus. Im Gegenteil wuchs die öffentliche Meinung in England gegen Deutschland noch mehr, weil die meisten Opfer der Bombardements Zivilisten waren.
Im Januar 1915 wurde ein neuer Vorstoß gewagt, der im Gefecht auf der Doggerbank erneut mit einer deutschen Niederlage endete.
Zu den wenigen großen Erfolgsmeldungen der Kaiserlichen Marine der ersten Kriegsphase gehörte die Versenkung von drei britischen Panzerkreuzern vor der holländischen Küste durch das Unterseeboot SM U 9 im September 1914. Die Versenkung gelang insbesondere deswegen, weil U-Boote zu dieser Zeit noch nicht als Offensivwaffen galten und die erzielten Torpedotreffer von den britischen Mannschaften zunächst für die Auswirkungen eines Minenfeldes gehalten wurden. Der Kommandant von U 9, Otto Weddigen wurde rasch zum Kriegshelden stilisiert und die U-Boote wurden als neue „Wunderwaffe“ gegen die britische Blockade dargestellt. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt zeigte sich somit der geringe Wert der zwar hochgerüsteten, aber letztendlich unzureichend starken Hochseeflotte.
Einen eher indirekten Erfolg erzielte ein deutscher Verband, bestehend aus dem Großen Kreuzer SMS Goeben und dem Kleinen Kreuzer SMS Breslau, als er sich im Mittelmeer nach Beschießung französischer Häfen in Nordafrika seinen britischen Verfolgern entzog und nach Konstantinopel entkommen konnte. Das Auftauchen der deutschen Schiffe trug wesentlich zum Kriegseintritt des Osmanischen Reiches auf Seiten der Mittelmächte bei.
Als Reaktion auf die britische Blockade legte die Marineführung rasch große Hoffnungen in die Wirksamkeit der U-Boote. Diese begannen mit einem zunächst streng nach dem internationalen Prisenrecht geführten Handelskrieg gegen gegnerische Schiffe in den britischen Hoheitsgewässern. Im Februar 1915 entschloss sich die deutsche Führung, uneingeschränkten U-Boot-Krieg in den zum Kriegsgebiet erklärten Gewässern um die britischen Inseln zu führen. Gründe dafür waren die zunehmende Gefährdung der aufgetaucht angreifenden Boote durch „U-Boot-Fallen“ (bewaffnete Handelsschiffe) sowie die Hoffnung auf ein rasches Ende der Blockade. Als dann im Mai 1915 der britische Passagierdampfer RMS Lusitania einem deutschen U-Boot zum Opfer fiel, das getaucht und ohne Warnung einen Torpedo gefeuert hatte, kamen knapp 1.200 Menschen um Leben, darunter auch 128 US-Amerikaner. Die Lusitania-Affäre hatte weitreichende Konsequenzen: Zum Einen zwang sie aufgrund der massiven internationalen Proteste die deutsche Führung zur Einstellung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, zum Anderen drängte sie die neutralen USA zunehmend ins Lager der Kriegsgegner Deutschlands.
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Teil 2
Skagerrakschlacht und uneingeschränkter U-Boot-Krieg (1916–1917)
Abgesehen von einigen Lockvorstößen in die Nordsee hatte die Hochseeflotte bis zum Frühjahr 1916 keinerlei Wirkung auf den Seekrieg. Die gegenseitige Aufklärung mittels neuer Waffensysteme (Flugzeuge, Luftschiffe) verhinderte üblicherweise, dass größere gegnerische Verbände sich tatsächlich im Gefecht begegneten. Als jedoch bei einer Gelegenheit Ende Mai 1916 diese Art der Aufklärung aufgrund der Wetterbedingungen nicht wie erwartet funktionierte, stießen im Seegebiet des Skagerrak nahezu die vollständige deutsche Hochseeflotte unter Admiral Reinhard Scheer und die britische Grand Fleet unter Admiral John Jellicoe aufeinander. Die Seeschlacht vor dem Skagerrak (engl.: Battle of Jutland, Schlacht von Jütland), die überwiegend in den Abend- und Nachtstunden des 31. Mai/1. Juni 1916 ausgetragen wurde, gilt bis heute als die größte ausschließlich zwischen mit Geschützen bewaffneten Schiffen geführte Seeschlacht der Geschichte, an der mehr als 200 Schiffe beteiligt waren. Trotzdem konnte keine der beiden Seiten einen entscheidenden Vorteil erringen: Der deutschen Flotte gelang es, der Vernichtung zu entgehen und zudem den Briten hohe Verluste beizubringen, während die Briten ihrerseits die Blockade unverändert aufrechterhalten konnten. Der unentschiedene Ausgang der Schlacht belegte endgültig den geringen Wert der kostenintensiven Großkampfschiffe und lenkte das Augenmerk der Seekriegsleitung noch stärker auf die U-Boot-Waffe.
In der Hoffnung, durch eine radikale Verstärkung des U-Boot-Kriegs gegen England endlich eine Entscheidung zu erzwingen, entschloss sich die Führung, am 1. Februar 1917 erneut mit dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg zu beginnen: Jedes Schiff, ob feindlich oder neutral, wurde nun ohne Vorwarnung im Kriegsgebiet um Großbritannien angegriffen. Diese Art der Kriegführung führte in der Tat zu enorm hohen Schiffsverlusten (bis Jahresende 1917 über 7 Millionen BRT), aber zeitgleich auch zum Kriegseintritt der USA im April 1917 auf Seiten der Entente. Man hoffte allerdings, durch den uneingeschränkten U-Boot-Krieg eine Entscheidung zu erzwingen, bevor die wirtschaftliche und militärische Macht der Vereinigten Staaten voll zum Tragen kommen konnte.
Letzte Unternehmungen und Ausbruch der Revolution (1917/18)
Kreuzerverband (1917)
Nach der Februarrevolution 1917 in Russland verstärkte das Deutsche Reich seine Operationen gegen den Gegner im Osten. Das Unternehmen Albion im September und Oktober 1917 wurde zum letzten größeren Erfolg der deutsche Flotte. Im Zuge dieser Unternehmung kam es zur Schlacht im Moon-Sund, in der ein größerer russischer Flottenverband von deutschen Marineeinheiten besiegt wurde.
In den ersten Monaten des Jahres 1918 unternahm die Hochseeflotte letzte Vorstöße in die Nordsee, die jedoch ohne größere Feindberührung blieben. Gleichzeitig entwickelte die alliierte Führung das Geleitzugsystem, in dem die über den Atlantik fahrenden Handelsschiffe in großen, gegen U-Boot-Angriffe geschützten Verbänden zusammengefasst wurden. Dadurch gelang es, der Gefahr durch die U-Boote wirkungsvoll zu begegnen.
Als im Herbst 1918 feststand, dass der Krieg mit militärischen Mitteln nicht mehr erfolgreich beendet werden konnte, plante die Kaiserliche Marine, zu einer letzten großen Schlacht („ehrenvoller Untergang“) gegen die Royal Navy anzutreten (Flottenbefehl vom 24. Oktober 1918). Dieser „Opfergang“ wurde von den einfachen Seeleuten an Bord der Großkampfschiffe nicht mitgetragen und letztlich durch den Kieler Matrosenaufstand verhindert. Dieser mündete in die Novemberrevolution, die das Ende des Kaiserreiches bedeutete.
Die Verluste an Menschenleben der Kaiserlichen Marine im Ersten Weltkrieg werden mit 1.569 Offizieren, 8.067 Deck- und Unteroffizieren und 25.197 Mannschaften angegeben. An sie erinnert das 1936 am 20. Jahrestag der Skagerrakschlacht eingeweihte Marine-Ehrenmal Laboe bei Kiel.
Chefs der Hochseeflotte im Ersten Weltkrieg
1914–1915 Admiral Friedrich von Ingenohl
1915–1916 Admiral Hugo von Pohl
1916–1917 Admiral Reinhard Scheer
1917–1918 Admiral Franz Ritter von Hipper
Selbstversenkung der Hochseeflotte
Scapa Flow
Nach Ende der Kampfhandlungen wurde die Hochseeflotte gemäß den Waffenstillstandsbestimmungen im schottischen Scapa Flow interniert. Vergeblich hatten im Januar 1919 einige schon an den Matrosenaufständen von 1917 und 1918 beteiligte Kommunisten (u. a. Ernst Wollweber) versucht, die wichtigsten Kriegsschiffe in ihre Gewalt zu bringen und statt nach Großbritannien an Sowjetrussland auszuliefern.[7] In Scapa Flow waren die Schiffe entwaffnet worden und nur mit Notbesatzungen besetzt. Als im Sommer 1919 die Bedingungen des Versailler Vertrages und die damit verbundene Ablieferung großer Teile der Flotte an die Siegermächte bekannt wurde, ließ Konteradmiral Ludwig von Reuter die unter seinem Kommando befindliche Hochseeflotte am 21. Juni 1919 versenken. Damit war der Kern der Kaiserlichen Marine zerstört.
Mit der Selbstversenkung hatte die Marine zwar einen Teil des im Krieg und insbesondere während der Revolution verlorenen Ansehens zurückgewonnen, jedoch waren harte Konsequenzen zu tragen. Die Alliierten verlangten nicht nur die Übergabe anderer, zum Teil recht moderner Schiffe, die für die neue Reichsmarine hätten den Grundstock bilden sollen, sondern auch den größten Teil der noch bestehenden deutschen Handelsflotte.
Die durch die Versenkung unbrauchbar gewordenen Schiffe hatten noch einen großen Schrottwert. Außerdem blockierten sie die besten Ankerplätze in der Bucht von Scapa Flow. Deshalb wurden sie bis zum Zweiten Weltkrieg zum größten Teil gehoben und verschrottet. Im Wesentlichen liegen noch die Linienschiffe SMS König, SMS Kronprinz Wilhelm und SMS Markgraf sowie zwei kleine Kreuzer auf Grund. Aus den Wracks wurden mehrfach hochwertiger Stahl und NE-Metalle für medizinische Geräte geborgen. Da die Materialien während ihrer Herstellung und Verarbeitung durch Schmelzen und Walzen nicht radioaktiven Partikel während der Zeit der oberirdischen Nukleartests ausgesetzt waren, eignen sie sich gut zum Bau derartiger Messgeräte.
Bilanz
Hatte die Marine in den Einigungskriegen von 1866 und 1871 noch keine praktische Rolle gespielt, so wurde sie in den Folgejahren den Bedürfnissen des Reiches entsprechend aufgebaut. Nach Bismarcks Entlassung 1890 begann unter Kaiser Wilhelm II. und Tirpitz das große Flottenwettrüsten, das eine der wesentlichen, jedoch nicht die einzige Ursache des Ersten Weltkriegs war. Es war ein Element einer verfehlten Bündnis- und Rüstungspolitik. Tirpitz' Idee der sog. „Risikoflotte“ (ein Seekrieg mit Deutschland sollte für Großbritannien ein so großes Risiko darstellen, dass es einen solchen nicht wagen würde), war mit Kriegsausbruch gegenstandslos geworden. Für ein reales Kräftemessen mit der Royal Navy war die Hochseeflotte niemals stark genug. Paradoxerweise erwiesen sich die zu Kriegsbeginn 1914 schwächsten Teile der Marine letztlich als die wirkungsvollsten – nämlich die unabhängig operierenden Kleinen Kreuzer, das Ostasiengeschwader und die erst im Aufbau begriffene U-Boot-Waffe. Dass die deutsche Marineführung dies – zu spät – erkannt hatte, beweist die Tatsache, dass die während des Krieges begonnenen bzw. im Bau befindlichen schweren Einheiten (Schlachtschiffe der Bayern-Klasse; Schlachtkreuzer der Mackensen-Klasse) zugunsten des U-Boot-Baues nicht mehr fertiggestellt bzw. gar nicht mehr begonnen wurden.
Die geringe Einsatzreichweite der Großkampfschiffe, die strategische Enge von Nord- und Ostsee sowie der fehlende Risikowille der Führung beim Einsatz der Flotte führen in der Fachliteratur zu dem Urteil: Den Namen „Hochseeflotte“ verdiente die deutsche Flotte nicht.[8]
Technisch gesehen waren die moderneren Großkampfschiffe der Flotte zwar ihren britischen Pendants grundsätzlich ebenbürtig, wiesen aber entscheidende Schwächen auf: Sie waren deutlich schwerfälliger und ihre Geschütze verfügten noch über das im Verhältnis unzureichende Kaliber von 30,5 cm, als britische Schlachtschiffe längst mit 38-cm-Geschützen bewaffnet waren. Einen echten Vorsprung wiesen die Schiffe lediglich in ihrem äußerst effektiven Panzerschutz auf, der zum Markenzeichen des deutschen Großkampfschiffbaues wurde. Die Standfestigkeit war auch der Hauptgrund für die verhältnismäßig geringen Verluste der Kaiserlichen Marine in der Skagerrakschlacht. Der U-Boot-Bau hingegen führte rasch zu enormen technischen Weiterentwicklungen in den Bereichen Antrieb, Druckfestigkeit, Reichweite und Manövrierfähigkeit, was zur Effektivität der deutschen Boote in der zweiten Phase des Krieges entscheidend beitrug. Alliierten Unterseebooten waren die deutschen weit überlegen.
Max Reichpietsch auf einer DDR-Briefmarke (1967). Der Matrose des Großlinienschiffs SMS Friedrich der Große war im Herbst 1917 wegen Meuterei zum Tode verurteilt und erschossen worden.
Die in der Kaiserlichen Marine mit zunehmender Dauer des Krieges und Untätigkeit der Flotte wachsende Kluft zwischen Offizieren und Mannschaften resultierte bereits ab 1917 in zahlreichen Disziplinschwierigkeiten an Bord, die sich teilweise zu regelrechten Meutereien auswuchsen (Max Reichpietsch, Albin Köbis). Das in der Royal Navy selbstverständliche Bestreben der Schiffsführungen, den einfachen Seeleuten Erleichterungen und Abwechslungen im stupiden Bordalltag zu verschaffen, war der Kaiserlichen Marine völlig fremd.[9]
Einige Traditionslinien der Kaiserlichen Marine haben über Reichs- und Kriegsmarine hinaus Bestand bis heute: Dazu gehören die Benennung von Schiffen nach Regionen und Städten, Gemeinsamkeiten in der Uniformierung und die bewusste Erinnerung an einzelne Schiffe und Marineangehörige. Populärstes Beispiel ist der Kreuzer SMS Emden, der aufgrund seines Erfolges in der Kreuzerkriegführung im Indischen Ozean und vor allem der dabei dem Gegner erwiesenen Ritterlichkeit einen besonderen Bekanntheitsgrad besitzt.
Soziale und nationale Bedeutung
Aus dem Blick geraten ist die enorme Bedeutung der Kaiserlichen Marine für die soziale Entwicklung in Deutschland. Während die Führung der Preußischen Armee im Wesentlichen dem Adel vorbehalten war, brauchte die schon für damalige Verhältnisse hochtechnisierte Flotte „technische Intelligenz“, die der soldatische Adel nach Natur und Zahl nicht stellen konnte. So war das Offizierkorps der Kaiserlichen Marine von Anfang an eine bürgerliche Domäne – was Kaiser Wilhelm wusste und förderte. Mit der Ausbildung an der Marineakademie und -schule (Kiel) und ab 1910 an der Marineschule Mürwik wurden die Offiziere in die aristokratisch geprägte Führung der Streitkräfte hereingenommen. So war die Marine im Bürgertum wesentlich fester „verankert“ als die Armee.[10]
Hinzu kommt noch ein bedeutsamer Umstand: Die Marine stand auch im Frieden unter Allerhöchstem Befehl und sie allein war gesamtdeutsches Militär. Nicht das Reich, sondern die vier Königreiche hatten eine eigene Armee. Die Preußische Armee mit dem XIV. Armee-Korps im Großherzogtum Baden, die Bayerische Armee, die Sächsische Armee und die Württembergische Armee bildeten das Deutsche Heer. Im Krieg unterstand es dem Kaiser als Obersten Kriegsherrn. So förderte die Marine den nationalen Einheitsgedanken.
Siehe auch: Marineoffizier (Deutschland) und Liste deutscher Admirale
Siehe auch
Details zu Teilaspekten der Kaiserlichen Marine
Amphibische Kriegführung
Deutsche U-Boote im Ersten Weltkrieg
Dienstgrade der Kaiserlichen Marine
Marineflieger
Marineluftschiffe
Seekriegführung im Ersten Weltkrieg (ausführlich)
Uniformen der Kaiserlichen Marine
Kanonenbootpolitik
Listen und Kategorien
Liste der Schiffe der Kaiserlichen Marine
Liste deutscher Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer
Liste deutscher U-Boote (1906–1919)
Liste deutscher Kreuzer
Liste deutscher Großer Torpedoboote (1898–1919)
Liste der Küstentorpedoboote der A-Klassen
Sonstige interne Links
Geschichte der Deutschen Marine
Breitwimpel
Sektsteuer
Flottenhunderter
Admiralitätsrat
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Graf Dohna und seine Möwe
Der magische Gürtel
Quelle - literatur & Einzelnachweise
Abgesehen von einigen Lockvorstößen in die Nordsee hatte die Hochseeflotte bis zum Frühjahr 1916 keinerlei Wirkung auf den Seekrieg. Die gegenseitige Aufklärung mittels neuer Waffensysteme (Flugzeuge, Luftschiffe) verhinderte üblicherweise, dass größere gegnerische Verbände sich tatsächlich im Gefecht begegneten. Als jedoch bei einer Gelegenheit Ende Mai 1916 diese Art der Aufklärung aufgrund der Wetterbedingungen nicht wie erwartet funktionierte, stießen im Seegebiet des Skagerrak nahezu die vollständige deutsche Hochseeflotte unter Admiral Reinhard Scheer und die britische Grand Fleet unter Admiral John Jellicoe aufeinander. Die Seeschlacht vor dem Skagerrak (engl.: Battle of Jutland, Schlacht von Jütland), die überwiegend in den Abend- und Nachtstunden des 31. Mai/1. Juni 1916 ausgetragen wurde, gilt bis heute als die größte ausschließlich zwischen mit Geschützen bewaffneten Schiffen geführte Seeschlacht der Geschichte, an der mehr als 200 Schiffe beteiligt waren. Trotzdem konnte keine der beiden Seiten einen entscheidenden Vorteil erringen: Der deutschen Flotte gelang es, der Vernichtung zu entgehen und zudem den Briten hohe Verluste beizubringen, während die Briten ihrerseits die Blockade unverändert aufrechterhalten konnten. Der unentschiedene Ausgang der Schlacht belegte endgültig den geringen Wert der kostenintensiven Großkampfschiffe und lenkte das Augenmerk der Seekriegsleitung noch stärker auf die U-Boot-Waffe.
In der Hoffnung, durch eine radikale Verstärkung des U-Boot-Kriegs gegen England endlich eine Entscheidung zu erzwingen, entschloss sich die Führung, am 1. Februar 1917 erneut mit dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg zu beginnen: Jedes Schiff, ob feindlich oder neutral, wurde nun ohne Vorwarnung im Kriegsgebiet um Großbritannien angegriffen. Diese Art der Kriegführung führte in der Tat zu enorm hohen Schiffsverlusten (bis Jahresende 1917 über 7 Millionen BRT), aber zeitgleich auch zum Kriegseintritt der USA im April 1917 auf Seiten der Entente. Man hoffte allerdings, durch den uneingeschränkten U-Boot-Krieg eine Entscheidung zu erzwingen, bevor die wirtschaftliche und militärische Macht der Vereinigten Staaten voll zum Tragen kommen konnte.
Letzte Unternehmungen und Ausbruch der Revolution (1917/18)
Kreuzerverband (1917)
Nach der Februarrevolution 1917 in Russland verstärkte das Deutsche Reich seine Operationen gegen den Gegner im Osten. Das Unternehmen Albion im September und Oktober 1917 wurde zum letzten größeren Erfolg der deutsche Flotte. Im Zuge dieser Unternehmung kam es zur Schlacht im Moon-Sund, in der ein größerer russischer Flottenverband von deutschen Marineeinheiten besiegt wurde.
In den ersten Monaten des Jahres 1918 unternahm die Hochseeflotte letzte Vorstöße in die Nordsee, die jedoch ohne größere Feindberührung blieben. Gleichzeitig entwickelte die alliierte Führung das Geleitzugsystem, in dem die über den Atlantik fahrenden Handelsschiffe in großen, gegen U-Boot-Angriffe geschützten Verbänden zusammengefasst wurden. Dadurch gelang es, der Gefahr durch die U-Boote wirkungsvoll zu begegnen.
Als im Herbst 1918 feststand, dass der Krieg mit militärischen Mitteln nicht mehr erfolgreich beendet werden konnte, plante die Kaiserliche Marine, zu einer letzten großen Schlacht („ehrenvoller Untergang“) gegen die Royal Navy anzutreten (Flottenbefehl vom 24. Oktober 1918). Dieser „Opfergang“ wurde von den einfachen Seeleuten an Bord der Großkampfschiffe nicht mitgetragen und letztlich durch den Kieler Matrosenaufstand verhindert. Dieser mündete in die Novemberrevolution, die das Ende des Kaiserreiches bedeutete.
Die Verluste an Menschenleben der Kaiserlichen Marine im Ersten Weltkrieg werden mit 1.569 Offizieren, 8.067 Deck- und Unteroffizieren und 25.197 Mannschaften angegeben. An sie erinnert das 1936 am 20. Jahrestag der Skagerrakschlacht eingeweihte Marine-Ehrenmal Laboe bei Kiel.
Chefs der Hochseeflotte im Ersten Weltkrieg
1914–1915 Admiral Friedrich von Ingenohl
1915–1916 Admiral Hugo von Pohl
1916–1917 Admiral Reinhard Scheer
1917–1918 Admiral Franz Ritter von Hipper
Selbstversenkung der Hochseeflotte
Scapa Flow
Nach Ende der Kampfhandlungen wurde die Hochseeflotte gemäß den Waffenstillstandsbestimmungen im schottischen Scapa Flow interniert. Vergeblich hatten im Januar 1919 einige schon an den Matrosenaufständen von 1917 und 1918 beteiligte Kommunisten (u. a. Ernst Wollweber) versucht, die wichtigsten Kriegsschiffe in ihre Gewalt zu bringen und statt nach Großbritannien an Sowjetrussland auszuliefern.[7] In Scapa Flow waren die Schiffe entwaffnet worden und nur mit Notbesatzungen besetzt. Als im Sommer 1919 die Bedingungen des Versailler Vertrages und die damit verbundene Ablieferung großer Teile der Flotte an die Siegermächte bekannt wurde, ließ Konteradmiral Ludwig von Reuter die unter seinem Kommando befindliche Hochseeflotte am 21. Juni 1919 versenken. Damit war der Kern der Kaiserlichen Marine zerstört.
Mit der Selbstversenkung hatte die Marine zwar einen Teil des im Krieg und insbesondere während der Revolution verlorenen Ansehens zurückgewonnen, jedoch waren harte Konsequenzen zu tragen. Die Alliierten verlangten nicht nur die Übergabe anderer, zum Teil recht moderner Schiffe, die für die neue Reichsmarine hätten den Grundstock bilden sollen, sondern auch den größten Teil der noch bestehenden deutschen Handelsflotte.
Die durch die Versenkung unbrauchbar gewordenen Schiffe hatten noch einen großen Schrottwert. Außerdem blockierten sie die besten Ankerplätze in der Bucht von Scapa Flow. Deshalb wurden sie bis zum Zweiten Weltkrieg zum größten Teil gehoben und verschrottet. Im Wesentlichen liegen noch die Linienschiffe SMS König, SMS Kronprinz Wilhelm und SMS Markgraf sowie zwei kleine Kreuzer auf Grund. Aus den Wracks wurden mehrfach hochwertiger Stahl und NE-Metalle für medizinische Geräte geborgen. Da die Materialien während ihrer Herstellung und Verarbeitung durch Schmelzen und Walzen nicht radioaktiven Partikel während der Zeit der oberirdischen Nukleartests ausgesetzt waren, eignen sie sich gut zum Bau derartiger Messgeräte.
Bilanz
Hatte die Marine in den Einigungskriegen von 1866 und 1871 noch keine praktische Rolle gespielt, so wurde sie in den Folgejahren den Bedürfnissen des Reiches entsprechend aufgebaut. Nach Bismarcks Entlassung 1890 begann unter Kaiser Wilhelm II. und Tirpitz das große Flottenwettrüsten, das eine der wesentlichen, jedoch nicht die einzige Ursache des Ersten Weltkriegs war. Es war ein Element einer verfehlten Bündnis- und Rüstungspolitik. Tirpitz' Idee der sog. „Risikoflotte“ (ein Seekrieg mit Deutschland sollte für Großbritannien ein so großes Risiko darstellen, dass es einen solchen nicht wagen würde), war mit Kriegsausbruch gegenstandslos geworden. Für ein reales Kräftemessen mit der Royal Navy war die Hochseeflotte niemals stark genug. Paradoxerweise erwiesen sich die zu Kriegsbeginn 1914 schwächsten Teile der Marine letztlich als die wirkungsvollsten – nämlich die unabhängig operierenden Kleinen Kreuzer, das Ostasiengeschwader und die erst im Aufbau begriffene U-Boot-Waffe. Dass die deutsche Marineführung dies – zu spät – erkannt hatte, beweist die Tatsache, dass die während des Krieges begonnenen bzw. im Bau befindlichen schweren Einheiten (Schlachtschiffe der Bayern-Klasse; Schlachtkreuzer der Mackensen-Klasse) zugunsten des U-Boot-Baues nicht mehr fertiggestellt bzw. gar nicht mehr begonnen wurden.
Die geringe Einsatzreichweite der Großkampfschiffe, die strategische Enge von Nord- und Ostsee sowie der fehlende Risikowille der Führung beim Einsatz der Flotte führen in der Fachliteratur zu dem Urteil: Den Namen „Hochseeflotte“ verdiente die deutsche Flotte nicht.[8]
Technisch gesehen waren die moderneren Großkampfschiffe der Flotte zwar ihren britischen Pendants grundsätzlich ebenbürtig, wiesen aber entscheidende Schwächen auf: Sie waren deutlich schwerfälliger und ihre Geschütze verfügten noch über das im Verhältnis unzureichende Kaliber von 30,5 cm, als britische Schlachtschiffe längst mit 38-cm-Geschützen bewaffnet waren. Einen echten Vorsprung wiesen die Schiffe lediglich in ihrem äußerst effektiven Panzerschutz auf, der zum Markenzeichen des deutschen Großkampfschiffbaues wurde. Die Standfestigkeit war auch der Hauptgrund für die verhältnismäßig geringen Verluste der Kaiserlichen Marine in der Skagerrakschlacht. Der U-Boot-Bau hingegen führte rasch zu enormen technischen Weiterentwicklungen in den Bereichen Antrieb, Druckfestigkeit, Reichweite und Manövrierfähigkeit, was zur Effektivität der deutschen Boote in der zweiten Phase des Krieges entscheidend beitrug. Alliierten Unterseebooten waren die deutschen weit überlegen.
Max Reichpietsch auf einer DDR-Briefmarke (1967). Der Matrose des Großlinienschiffs SMS Friedrich der Große war im Herbst 1917 wegen Meuterei zum Tode verurteilt und erschossen worden.
Die in der Kaiserlichen Marine mit zunehmender Dauer des Krieges und Untätigkeit der Flotte wachsende Kluft zwischen Offizieren und Mannschaften resultierte bereits ab 1917 in zahlreichen Disziplinschwierigkeiten an Bord, die sich teilweise zu regelrechten Meutereien auswuchsen (Max Reichpietsch, Albin Köbis). Das in der Royal Navy selbstverständliche Bestreben der Schiffsführungen, den einfachen Seeleuten Erleichterungen und Abwechslungen im stupiden Bordalltag zu verschaffen, war der Kaiserlichen Marine völlig fremd.[9]
Einige Traditionslinien der Kaiserlichen Marine haben über Reichs- und Kriegsmarine hinaus Bestand bis heute: Dazu gehören die Benennung von Schiffen nach Regionen und Städten, Gemeinsamkeiten in der Uniformierung und die bewusste Erinnerung an einzelne Schiffe und Marineangehörige. Populärstes Beispiel ist der Kreuzer SMS Emden, der aufgrund seines Erfolges in der Kreuzerkriegführung im Indischen Ozean und vor allem der dabei dem Gegner erwiesenen Ritterlichkeit einen besonderen Bekanntheitsgrad besitzt.
Soziale und nationale Bedeutung
Aus dem Blick geraten ist die enorme Bedeutung der Kaiserlichen Marine für die soziale Entwicklung in Deutschland. Während die Führung der Preußischen Armee im Wesentlichen dem Adel vorbehalten war, brauchte die schon für damalige Verhältnisse hochtechnisierte Flotte „technische Intelligenz“, die der soldatische Adel nach Natur und Zahl nicht stellen konnte. So war das Offizierkorps der Kaiserlichen Marine von Anfang an eine bürgerliche Domäne – was Kaiser Wilhelm wusste und förderte. Mit der Ausbildung an der Marineakademie und -schule (Kiel) und ab 1910 an der Marineschule Mürwik wurden die Offiziere in die aristokratisch geprägte Führung der Streitkräfte hereingenommen. So war die Marine im Bürgertum wesentlich fester „verankert“ als die Armee.[10]
Hinzu kommt noch ein bedeutsamer Umstand: Die Marine stand auch im Frieden unter Allerhöchstem Befehl und sie allein war gesamtdeutsches Militär. Nicht das Reich, sondern die vier Königreiche hatten eine eigene Armee. Die Preußische Armee mit dem XIV. Armee-Korps im Großherzogtum Baden, die Bayerische Armee, die Sächsische Armee und die Württembergische Armee bildeten das Deutsche Heer. Im Krieg unterstand es dem Kaiser als Obersten Kriegsherrn. So förderte die Marine den nationalen Einheitsgedanken.
Siehe auch: Marineoffizier (Deutschland) und Liste deutscher Admirale
Siehe auch
Details zu Teilaspekten der Kaiserlichen Marine
Amphibische Kriegführung
Deutsche U-Boote im Ersten Weltkrieg
Dienstgrade der Kaiserlichen Marine
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Seekriegführung im Ersten Weltkrieg (ausführlich)
Uniformen der Kaiserlichen Marine
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Listen und Kategorien
Liste der Schiffe der Kaiserlichen Marine
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