Die bayerische Staatsangehörigkeit
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Die bayerische Staatsangehörigkeit
Die bayerische Staatsangehörigkeit ist im seither unveränderten Artikel 6 der Verfassung des Freistaates Bayern (BV) von 1946 geregelt.
Erwerbstatbestände der bayerischen Staatsangehörigkeit
Artikel 6 BV legt die Erwerbstatbestände der bayerischen Staatsangehörigkeit fest, Artikel 7, wer als bayerischer Staatsbürger anzusehen ist, und Artikel 8 regelt das Verhältnis des bayerischen Staatsvolkes zu den Angehörigen der anderen deutschen Länder. Die Bestimmungen lauten im Einzelnen:
Artikel 6
(1) Die Staatsangehörigkeit wird erworben
durch Geburt;
durch Legitimation;
durch Eheschließung;
durch Einbürgerung.
(2) Die Staatsangehörigkeit kann nicht aberkannt werden.
(3) Das Nähere regelt ein Gesetz über die Staatsangehörigkeit.
Artikel 7
(1) Staatsbürger ist ohne Unterschied der Geburt, der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens und des Berufs jeder Staatsangehörige, der das 18. Lebensjahr vollendet hat.
(2) Der Staatsbürger übt seine Rechte aus durch Teilnahme an Wahlen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sowie Volksbegehren und Volksentscheiden.
(3) Die Ausübung dieser Rechte kann von der Dauer eines Aufenthalts bis zu einem Jahr abhängig gemacht werden.
Artikel 8
Alle deutschen Staatsangehörigen, die in Bayern ihren Wohnsitz haben, besitzen die gleichen Rechte und haben die gleichen Pflichten wie die bayerischen Staatsangehörigen.
Aus Art. 8 BV geht hervor, dass die bayerische Staatsangehörigkeit keine Ausgrenzung von Deutschen aus anderen Bundesländern bezweckt. Deutsche ohne bayerische Staatsangehörigkeit, die in Bayern leben, haben dieselben Rechte und Pflichten wie Personen, die die bayerische Staatsangehörigkeit besitzen. Diese Sichtweise deckt sich mit dem später in Kraft getretenen Art. 33 Abs. 1 GG.
Geschichte
Mit dem „Entwurf eines Gesetzes über die bayerische Staatsangehörigkeit“ sollte Art. 6 Abs. 3 BV 1946 umgesetzt werden. Justizminister Wilhelm Hoegner leitete den Entwurf am 14. September 1946 dem Präsidenten der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung, Michael Horlacher, zu. Der Gesetzentwurf durchlief den Ausschuss, und wurde am 15. Oktober von der Landesversammlung angenommen und der Erlass dieses Gesetzes der Staatsregierung empfohlen. Bei Inkrafttreten des Gesetzes hätten die Flüchtlinge in Bayern nicht die bayerische Staatsangehörigkeit erworben, da der Stichtag der 1. Januar 1934 war. Mit Schreiben vom 24. Oktober verweigerte Lucius D. Clay die Genehmigung des Gesetzes insoweit, als eine bayerische Staatsangehörigkeit nicht zugleich eine deutsche ist. Das Gesetz ist daraufhin zurückgestellt und nicht verkündet worden. Am 3. April 1952 beschloss der Bayerische Landtag fast einstimmig, „in Bälde einen Gesetzentwurf über die Regelung der bayerischen Staatsangehörigkeit […] in Vorschlag zu bringen“.[1] Die Staatsregierung erklärte, man müsse abwarten, bis das „Staatsangehörigkeitsbereinigungsgesetz“ in Bonn verabschiedet sei um dem Landtagsbeschluss zu entsprechen.[2] 1958 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Ausweises über den Besitz der bayerischen Staatsangehörigkeit vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und die anschließende Verfassungsbeschwerde 1959 zurückgewiesen.[3]
Im Sommer 1962 fragte Landtagsabgeordneten Max Ludwig Lallinger (BP), ob nach dem Verlangen von 1952 bereits ein bayerisches Staatsangehörigkeitsgesetz ausgearbeitet wurde. Der damalige Innenstaatssekretär Heinrich Junker (CSU) antwortete, es sei ein Entwurf 1956 entstanden. „Der Entwurf ist seither im Innenministerium nicht mehr verfolgt worden, weil die bayerische Staatsangehörigkeit keine rechtliche und darum wohl auch keine praktische Bedeutung erlangt“. Lallinger entgegnete, dass Art. 44 BV für die Wahl eines bayerischen Ministerpräsidenten eine rechtsverbindliche Feststellung seiner Eigenschaft als Bayer voraussetze.[4]
Der Verfassungsgerichtshof belehrte 1965 den klagenden Abgeordneten Lallinger, die einzelnen Bürger hätten keinen Anspruch darauf, dass ein in der Verfassung vorgesehenes Gesetz erlassen wird, somit ihm das subjektive Recht fehle.[5]
Im Juni 2012 scheiterte ein in Westfalen gebürtiger BR-Reporter damit, sich vom Bayerischen Staatsminister des Innern, Joachim Herrmann, einbürgern zu lassen.[6]
Verhältnis von Art. 6 Bay. Verf. zum Staatsangehörigkeitsgesetz des Bundes
Titelseite des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1913
Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit vom 5. Februar 1934
Die Frage der Staatsangehörigkeit ist keine aus der Natur der Sache ausschließlich dem Bund zustehende Regelungsmaterie. Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht ist vielmehr seit jeher von einem Nebeneinander der Staatsangehörigkeit im Bunde und der Staatsangehörigkeit in einem Lande geprägt. § 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1870 bestimmte: „Die Reichsangehörigkeit wird durch die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate erworben und erlischt mit deren Verlust.“ § 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes in seiner Urfassung vom 22. Juli 1913 (RGBl. S. 93) lautete: „Deutscher ist, wer die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat (§§ 3 bis 32) oder die unmittelbare Reichsangehörigkeit (§§ 33 bis 35) besitzt“.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Nebeneinander von Bundes- und Landesstaatsangehörigkeit aufgegeben, indem § 1 der Verordnung vom 5. Februar 1934 (RGBl. I S. 85) anordnete, dass die Staatsangehörigkeit in den Ländern fortfalle (Abs. 1) und es künftig nur noch eine deutsche Staatsangehörigkeit (Reichsangehörigkeit) gäbe (Abs. 2).
Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches stellte das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland das frühere Modell zweier konkurrierender Staatsangehörigkeiten wieder her: Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 2 GG fiel die „Staatsangehörigkeit im Bunde“ in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, während die „Staatsangehörigkeit in den Ländern“ Teil der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit wurde (Art. 74 Abs. 1 Nr. 8 GG). Hiernach waren die Länder für die Gesetzgebung zuständig, sofern nicht der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch machte. Der Bund hätte in dieser Zeit durch Bundesgesetz die Landesstaatsangehörigkeiten regeln können und damit Art. 6 BV außer Kraft setzen können. Von seinem Gesetzgebungsrecht hat der Bund jedoch nie Gebrauch gemacht.
Vielmehr wurde Art. 74 Abs. 1 Nr. 8 GG mit Wirkung vom 31. Dezember 1994[7] aufgehoben. An dem grundsätzlichen Nebeneinander zweier Staatsangehörigkeiten sollte dadurch jedoch nichts geändert werden. Ausweislich der amtlichen Begründung zur Grundgesetzänderung sollte die Entscheidung über die Begründung einer Landesstaatsangehörigkeit nunmehr ausschließlich den Ländern überlassen werden.[8] Der Bund hat also lediglich auf sein Gesetzgebungsrecht verzichtet und die Materie in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder (Art. 70 Abs. 1 GG) überführt, nicht aber Landesstaatsangehörigkeitsgesetze künftig ausschließen wollen.
Das Staatsangehörigkeitsgesetz des Bundes regelt hiernach nur die (gesamt)deutsche Staatsangehörigkeit. Art. 6 Bay. Verfassung ist nicht nach Art. 31 des Grundgesetzes („Bundesrecht bricht Landesrecht.“) außer Kraft getreten, sondern gilt de jure als Landesverfassungsrecht weiter.[9]
Praktischer Nutzen der bayerischen Staatsangehörigkeit heute
Die bayerische Staatsangehörigkeit hat derzeit – anders als im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bayerischen Verfassung am 8. Dezember 1946, als es an einem deutschen Gesamtstaat noch fehlte – keine praktische Bedeutung; sie ist also de facto erloschen. Bayern existiert heute nur noch als Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland und dessen Staatsbürgerschaft ist für Bayern im Ausland maßgeblich. Die Pflege der auswärtigen Beziehungen steht unter der Geltung des Grundgesetzes dem Bund zu (Art. 32 Abs. 1 GG). Völkerrechtlich wird der Bund durch den Bundespräsidenten vertreten (Art. 59 Abs. 1 GG).
Auch innerstaatlich hat die bayerische Staatsangehörigkeit keine Bedeutung mehr. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 12. März 1986[10] entschieden, dass die bayerische Staatsangehörigkeit durch Art. 6 Bay. Verf. zwar als Institution wieder eingeführt worden sei. Eine konkrete Zuerkennung der bayerischen Staatsangehörigkeit an bestimmte Personen sei aber nicht möglich, solange das in Art. 6 Abs. 3 BV vorgesehene Gesetz über die bayerische Staatsangehörigkeit nicht erlassen sei. Zugleich wies das Gericht darauf hin, dass ein etwaiges bayerisches Gesetz die bayerische Staatsangehörigkeit nicht Personen zuerkennen dürfe, die nicht zugleich Deutsche im Sinne des Grundgesetzes seien. Das im Grundgesetz verankerte bundesstaatliche Prinzip schlösse es aus, dass der Kreis der Landesangehörigen insgesamt größer sein könne als der Kreis der Deutschen. Ein Gesetz über die bayerische Staatsangehörigkeit könne nur eingrenzende Regelungen darüber enthalten, welche Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG zugleich bayerische Staatsangehörige im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Bay. Verf. seien und welche nicht.
In einem anderen Fall, in dem der Beschwerdeführer für sich die deutsche und die bayerische Staatsangehörigkeit in Anspruch nahm, entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof, es erübrige sich, hierauf näher einzugehen. Denn der Beschwerdeführer könne sich auf keinen Fall auf jene Verfassungsnorm berufen, weil sich aus ihr, jedenfalls solange das in Art. 6 Abs. 3 BV vorgesehene Staatsangehörigkeitsgesetz noch nicht erlassen sei, keine subjektiven Rechte ableiten ließen.[11] Diese Entscheidung macht deutlich, dass der Einzelne vorerst keine Möglichkeit hat, Nutzen aus dem formalen Fortbestehen der bayerischen Staatsangehörigkeit zu ziehen.
2013 befand der Verfassungsgerichtshof, dass Erwerb (oder Verlust) der bayerischen Staatsangehörigkeit „nicht vollziehbar [sei], da das in Art. 6 Abs. 3 BV vorgesehene Gesetz zur näheren Regelung nicht erlassen wurde. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Bestimmungen der Bayerischen Verfassung von 1946 über die bayerische Staatsangehörigkeit mit der Einbeziehung Bayerns in die Bundesrepublik Deutschland an Bedeutung verloren haben (…).“ Weiter: „Staatsbürger im Sinn der Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 Satz 1 BV ist danach jeder, der die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß Art. 16, 116 GG besitzt und in Bayern wohnhaft ist. Ausländer können nach dieser Rechtsprechung nicht Staatsbürger sein (…).“[12]
Entwicklung der Landesstaatsangehörigkeit in den anderen Bundesländern
Art. 53 der Verfassung des Landes Baden vom 18. Mai 1947[13] enthielt Regelungen über die badische Staatsangehörigkeit. Auch die Verfassung für Württemberg-Hohenzollern vom 18. Mai 1947 sah in Artikel 6 eine Regelung der Staatsangehörigkeit vor.[14] Mit dem Inkrafttreten der Verfassung des Landes Baden-Württemberg am 11. November 1953 wurden diese Verfassungen aufgehoben.[15]
Im Übrigen hat keines der anderen Bundesländer Regelungen über die Landesstaatsangehörigkeit in seine Verfassung aufgenommen, obwohl viele Länderverfassungen noch vorkonstitutionell sind (vor Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassen). Es sind auch keine Landesstaatsangehörigkeitsgesetze ergangen. In der amtlichen Begründung zur Abschaffung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 8 GG wurde darauf hingewiesen, dass die aufgehobene Vorschrift keine praktische Bedeutung besessen habe und negative Auswirkungen für den Bund durch die Abschaffung der Regelung nicht zu befürchten seien, da die Länder in keinem Fall die Staatsangehörigkeit im Bund regeln könnten.[16]
Quelle - literatur & Einzelnachweise
Erwerbstatbestände der bayerischen Staatsangehörigkeit
Artikel 6 BV legt die Erwerbstatbestände der bayerischen Staatsangehörigkeit fest, Artikel 7, wer als bayerischer Staatsbürger anzusehen ist, und Artikel 8 regelt das Verhältnis des bayerischen Staatsvolkes zu den Angehörigen der anderen deutschen Länder. Die Bestimmungen lauten im Einzelnen:
Artikel 6
(1) Die Staatsangehörigkeit wird erworben
durch Geburt;
durch Legitimation;
durch Eheschließung;
durch Einbürgerung.
(2) Die Staatsangehörigkeit kann nicht aberkannt werden.
(3) Das Nähere regelt ein Gesetz über die Staatsangehörigkeit.
Artikel 7
(1) Staatsbürger ist ohne Unterschied der Geburt, der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens und des Berufs jeder Staatsangehörige, der das 18. Lebensjahr vollendet hat.
(2) Der Staatsbürger übt seine Rechte aus durch Teilnahme an Wahlen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sowie Volksbegehren und Volksentscheiden.
(3) Die Ausübung dieser Rechte kann von der Dauer eines Aufenthalts bis zu einem Jahr abhängig gemacht werden.
Artikel 8
Alle deutschen Staatsangehörigen, die in Bayern ihren Wohnsitz haben, besitzen die gleichen Rechte und haben die gleichen Pflichten wie die bayerischen Staatsangehörigen.
Aus Art. 8 BV geht hervor, dass die bayerische Staatsangehörigkeit keine Ausgrenzung von Deutschen aus anderen Bundesländern bezweckt. Deutsche ohne bayerische Staatsangehörigkeit, die in Bayern leben, haben dieselben Rechte und Pflichten wie Personen, die die bayerische Staatsangehörigkeit besitzen. Diese Sichtweise deckt sich mit dem später in Kraft getretenen Art. 33 Abs. 1 GG.
Geschichte
Mit dem „Entwurf eines Gesetzes über die bayerische Staatsangehörigkeit“ sollte Art. 6 Abs. 3 BV 1946 umgesetzt werden. Justizminister Wilhelm Hoegner leitete den Entwurf am 14. September 1946 dem Präsidenten der Bayerischen Verfassunggebenden Landesversammlung, Michael Horlacher, zu. Der Gesetzentwurf durchlief den Ausschuss, und wurde am 15. Oktober von der Landesversammlung angenommen und der Erlass dieses Gesetzes der Staatsregierung empfohlen. Bei Inkrafttreten des Gesetzes hätten die Flüchtlinge in Bayern nicht die bayerische Staatsangehörigkeit erworben, da der Stichtag der 1. Januar 1934 war. Mit Schreiben vom 24. Oktober verweigerte Lucius D. Clay die Genehmigung des Gesetzes insoweit, als eine bayerische Staatsangehörigkeit nicht zugleich eine deutsche ist. Das Gesetz ist daraufhin zurückgestellt und nicht verkündet worden. Am 3. April 1952 beschloss der Bayerische Landtag fast einstimmig, „in Bälde einen Gesetzentwurf über die Regelung der bayerischen Staatsangehörigkeit […] in Vorschlag zu bringen“.[1] Die Staatsregierung erklärte, man müsse abwarten, bis das „Staatsangehörigkeitsbereinigungsgesetz“ in Bonn verabschiedet sei um dem Landtagsbeschluss zu entsprechen.[2] 1958 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Ausweises über den Besitz der bayerischen Staatsangehörigkeit vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und die anschließende Verfassungsbeschwerde 1959 zurückgewiesen.[3]
Im Sommer 1962 fragte Landtagsabgeordneten Max Ludwig Lallinger (BP), ob nach dem Verlangen von 1952 bereits ein bayerisches Staatsangehörigkeitsgesetz ausgearbeitet wurde. Der damalige Innenstaatssekretär Heinrich Junker (CSU) antwortete, es sei ein Entwurf 1956 entstanden. „Der Entwurf ist seither im Innenministerium nicht mehr verfolgt worden, weil die bayerische Staatsangehörigkeit keine rechtliche und darum wohl auch keine praktische Bedeutung erlangt“. Lallinger entgegnete, dass Art. 44 BV für die Wahl eines bayerischen Ministerpräsidenten eine rechtsverbindliche Feststellung seiner Eigenschaft als Bayer voraussetze.[4]
Der Verfassungsgerichtshof belehrte 1965 den klagenden Abgeordneten Lallinger, die einzelnen Bürger hätten keinen Anspruch darauf, dass ein in der Verfassung vorgesehenes Gesetz erlassen wird, somit ihm das subjektive Recht fehle.[5]
Im Juni 2012 scheiterte ein in Westfalen gebürtiger BR-Reporter damit, sich vom Bayerischen Staatsminister des Innern, Joachim Herrmann, einbürgern zu lassen.[6]
Verhältnis von Art. 6 Bay. Verf. zum Staatsangehörigkeitsgesetz des Bundes
Titelseite des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1913
Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit vom 5. Februar 1934
Die Frage der Staatsangehörigkeit ist keine aus der Natur der Sache ausschließlich dem Bund zustehende Regelungsmaterie. Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht ist vielmehr seit jeher von einem Nebeneinander der Staatsangehörigkeit im Bunde und der Staatsangehörigkeit in einem Lande geprägt. § 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1870 bestimmte: „Die Reichsangehörigkeit wird durch die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate erworben und erlischt mit deren Verlust.“ § 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes in seiner Urfassung vom 22. Juli 1913 (RGBl. S. 93) lautete: „Deutscher ist, wer die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat (§§ 3 bis 32) oder die unmittelbare Reichsangehörigkeit (§§ 33 bis 35) besitzt“.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Nebeneinander von Bundes- und Landesstaatsangehörigkeit aufgegeben, indem § 1 der Verordnung vom 5. Februar 1934 (RGBl. I S. 85) anordnete, dass die Staatsangehörigkeit in den Ländern fortfalle (Abs. 1) und es künftig nur noch eine deutsche Staatsangehörigkeit (Reichsangehörigkeit) gäbe (Abs. 2).
Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches stellte das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland das frühere Modell zweier konkurrierender Staatsangehörigkeiten wieder her: Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 2 GG fiel die „Staatsangehörigkeit im Bunde“ in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, während die „Staatsangehörigkeit in den Ländern“ Teil der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit wurde (Art. 74 Abs. 1 Nr. 8 GG). Hiernach waren die Länder für die Gesetzgebung zuständig, sofern nicht der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch machte. Der Bund hätte in dieser Zeit durch Bundesgesetz die Landesstaatsangehörigkeiten regeln können und damit Art. 6 BV außer Kraft setzen können. Von seinem Gesetzgebungsrecht hat der Bund jedoch nie Gebrauch gemacht.
Vielmehr wurde Art. 74 Abs. 1 Nr. 8 GG mit Wirkung vom 31. Dezember 1994[7] aufgehoben. An dem grundsätzlichen Nebeneinander zweier Staatsangehörigkeiten sollte dadurch jedoch nichts geändert werden. Ausweislich der amtlichen Begründung zur Grundgesetzänderung sollte die Entscheidung über die Begründung einer Landesstaatsangehörigkeit nunmehr ausschließlich den Ländern überlassen werden.[8] Der Bund hat also lediglich auf sein Gesetzgebungsrecht verzichtet und die Materie in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder (Art. 70 Abs. 1 GG) überführt, nicht aber Landesstaatsangehörigkeitsgesetze künftig ausschließen wollen.
Das Staatsangehörigkeitsgesetz des Bundes regelt hiernach nur die (gesamt)deutsche Staatsangehörigkeit. Art. 6 Bay. Verfassung ist nicht nach Art. 31 des Grundgesetzes („Bundesrecht bricht Landesrecht.“) außer Kraft getreten, sondern gilt de jure als Landesverfassungsrecht weiter.[9]
Praktischer Nutzen der bayerischen Staatsangehörigkeit heute
Die bayerische Staatsangehörigkeit hat derzeit – anders als im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bayerischen Verfassung am 8. Dezember 1946, als es an einem deutschen Gesamtstaat noch fehlte – keine praktische Bedeutung; sie ist also de facto erloschen. Bayern existiert heute nur noch als Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland und dessen Staatsbürgerschaft ist für Bayern im Ausland maßgeblich. Die Pflege der auswärtigen Beziehungen steht unter der Geltung des Grundgesetzes dem Bund zu (Art. 32 Abs. 1 GG). Völkerrechtlich wird der Bund durch den Bundespräsidenten vertreten (Art. 59 Abs. 1 GG).
Auch innerstaatlich hat die bayerische Staatsangehörigkeit keine Bedeutung mehr. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 12. März 1986[10] entschieden, dass die bayerische Staatsangehörigkeit durch Art. 6 Bay. Verf. zwar als Institution wieder eingeführt worden sei. Eine konkrete Zuerkennung der bayerischen Staatsangehörigkeit an bestimmte Personen sei aber nicht möglich, solange das in Art. 6 Abs. 3 BV vorgesehene Gesetz über die bayerische Staatsangehörigkeit nicht erlassen sei. Zugleich wies das Gericht darauf hin, dass ein etwaiges bayerisches Gesetz die bayerische Staatsangehörigkeit nicht Personen zuerkennen dürfe, die nicht zugleich Deutsche im Sinne des Grundgesetzes seien. Das im Grundgesetz verankerte bundesstaatliche Prinzip schlösse es aus, dass der Kreis der Landesangehörigen insgesamt größer sein könne als der Kreis der Deutschen. Ein Gesetz über die bayerische Staatsangehörigkeit könne nur eingrenzende Regelungen darüber enthalten, welche Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG zugleich bayerische Staatsangehörige im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Bay. Verf. seien und welche nicht.
In einem anderen Fall, in dem der Beschwerdeführer für sich die deutsche und die bayerische Staatsangehörigkeit in Anspruch nahm, entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof, es erübrige sich, hierauf näher einzugehen. Denn der Beschwerdeführer könne sich auf keinen Fall auf jene Verfassungsnorm berufen, weil sich aus ihr, jedenfalls solange das in Art. 6 Abs. 3 BV vorgesehene Staatsangehörigkeitsgesetz noch nicht erlassen sei, keine subjektiven Rechte ableiten ließen.[11] Diese Entscheidung macht deutlich, dass der Einzelne vorerst keine Möglichkeit hat, Nutzen aus dem formalen Fortbestehen der bayerischen Staatsangehörigkeit zu ziehen.
2013 befand der Verfassungsgerichtshof, dass Erwerb (oder Verlust) der bayerischen Staatsangehörigkeit „nicht vollziehbar [sei], da das in Art. 6 Abs. 3 BV vorgesehene Gesetz zur näheren Regelung nicht erlassen wurde. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Bestimmungen der Bayerischen Verfassung von 1946 über die bayerische Staatsangehörigkeit mit der Einbeziehung Bayerns in die Bundesrepublik Deutschland an Bedeutung verloren haben (…).“ Weiter: „Staatsbürger im Sinn der Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 Satz 1 BV ist danach jeder, der die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß Art. 16, 116 GG besitzt und in Bayern wohnhaft ist. Ausländer können nach dieser Rechtsprechung nicht Staatsbürger sein (…).“[12]
Entwicklung der Landesstaatsangehörigkeit in den anderen Bundesländern
Art. 53 der Verfassung des Landes Baden vom 18. Mai 1947[13] enthielt Regelungen über die badische Staatsangehörigkeit. Auch die Verfassung für Württemberg-Hohenzollern vom 18. Mai 1947 sah in Artikel 6 eine Regelung der Staatsangehörigkeit vor.[14] Mit dem Inkrafttreten der Verfassung des Landes Baden-Württemberg am 11. November 1953 wurden diese Verfassungen aufgehoben.[15]
Im Übrigen hat keines der anderen Bundesländer Regelungen über die Landesstaatsangehörigkeit in seine Verfassung aufgenommen, obwohl viele Länderverfassungen noch vorkonstitutionell sind (vor Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassen). Es sind auch keine Landesstaatsangehörigkeitsgesetze ergangen. In der amtlichen Begründung zur Abschaffung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 8 GG wurde darauf hingewiesen, dass die aufgehobene Vorschrift keine praktische Bedeutung besessen habe und negative Auswirkungen für den Bund durch die Abschaffung der Regelung nicht zu befürchten seien, da die Länder in keinem Fall die Staatsangehörigkeit im Bund regeln könnten.[16]
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