Der Schultheiß
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Der Schultheiß
Der Schultheiß oder Schuldheiß (von althochdeutsch sculdheizo ‚Leistung Befehlender‘, latinisiert (mittellat.) sculte(t)us) bezeichnet einen in vielen westgermanischen Rechtsordnungen vorgesehenen Beamten, der Schuld heischt: Er hatte im Auftrag seines Herren (Landesherrn, Stadtherrn, Grundherrn) die Mitglieder einer Gemeinde zur Leistung ihrer Schuldigkeit anzuhalten, also Abgaben einzuziehen oder für das Beachten anderer Verpflichtungen Sorge zu tragen. Sprachliche Varianten des Schultheißes sind Schulte, Schultes oder Schulze. Früher wurde zwischen dem Stadtschulzen und dem Dorfschulzen unterschieden. In der städtischen Gerichts- und Gemeindeverfassung war er ein vom städtischen Rat oder vom Landesherren Beauftragter zur Ausübung der Verwaltungshoheit und Rechtspflege.
Ein Schultheiß. Holzschnitt von Peter Flötner (16. Jahrhundert)
Der Schultheiß war meist auch Richter der niederen Gerichtsbarkeit. Im friesischen und fränkischen Recht war er ein Hilfsbeamter der Grafen, betraut mit der Einziehung von Geldern und der Vollstreckung von Urteilen, meist auch Hundertschaftsführer. Gleichartige oder ähnliche Amtsstellungen waren Amtmann, Fronbote, Meier, Vikar, Villicus, Vogt (in alphabetischer, nicht zeitlicher Reihenfolge).
Im Französischen entspricht dem Schultheiß der Écoutète, im Polnischen der Sołtys, im Slowakischen der Šoltýs, im Böhmischen der Rychtář, im Niederländischen der Schout, im Englischen der Bailiff oder Mayor.[1]
Geschichte
Dorfschulze aus dem Odenwald um 1847
Im Rahmen der Ostsiedlung erhielt der Siedlungsunternehmer (Lokator) regelmäßig unter anderen Rechten auch das Schulzenamt, wobei sich insbesondere im dörflichen Bereich neben richterlichen Befugnissen allgemein die Funktion der Dorfobrigkeit auch außerhalb der Gerichtsverfassung findet. Dabei gibt es alle Wahlmodalitäten: von der freien Wahl durch die Dorfgemeinde bis zur einseitigen Einsetzung durch den Dorfherren.
Das hohe Amt des städtischen Schultheißen geht auf das Schultheißentum im mittelalterlichen Gericht zurück. Im Sachsenspiegel aus der Zeit um 1230 heißt es: Es kann kein Richter (der bei Königsbann zum Thing lädt) echtes Thing abhalten ohne seinen Schultheißen, vor dem er sich zu Recht erbieten soll ... (Ssp. I/59,2). In den Städten besetzte die Bürgerschaft schon früh dieses Amt des stellvertretenden Richters, und als die Städte im späten Mittelalter auch die hohe Gerichtsbarkeit erwarben, wurde der Schultheiß zum höchsten Richter der Stadt und auf diesem Wege häufig zum Vorsteher der Stadt überhaupt.
Später konnte er auch der Vorsteher eines städtischen (Stadtschultheiß) oder dörflichen Gemeinwesens (Schulze) sein. Bei der ostdeutschen Kolonisation im Mittelalter hatten meist ritterliche Unternehmer diese Funktion als Erbschulze inne, wobei das Amt an Familie oder Güterbesitz gebunden war. Im Altsiedelgebiet und Ostthüringen hatte der von der Herrschaft eingesetzte Amts-Schulze (lat. centgreve) das Amt oft auf Lebenszeit inne.
Im altdeutschen Gerichtswesen (siehe Thing) hatte er den Vorsitz über die Schöffen im Hofgericht. Seit dem 15. Jhd. wurde die Amtsbezeichnung Schulze in verschiedenen Regionen (z. B. Sachsen) durch die Amtsbezeichnung Richter verdrängt, wobei der im Patrimonialgericht tätige Richter häufig auch den Titel Gerichts-Schulze trug.[2] Seine Aufgaben waren ursprünglich wohl die Teilnahme an Landgerichten, die Einnahme von Steuern und Leistungen sowie verschiedene Aufsichtsrechte (u. U. noch zugleich für den Bereich mehrerer Dörfer und regional differenziert). Seit dem 16. Jahrhundert wurden ihm zunehmend durch die Landesherrschaft Aufgaben aus der Dorf- und Gemeindeverwaltung übertragen, die ehemals von den von der Ortsgemeinde bestimmten Amtsträgern (Heimbürger) erfüllt wurden. Damit verschwand allmählich der Dualismus zwischen herrschaftlichen und genossenschaftlichen Amtsträgern.[2]
Als Schulze wurde er im 17. bis zum 19. Jh. weitgehend der Dorfvorsteher im Sinne eines Bürgermeisters. Der damalige „Bürgermeister“ hatte die Funktion des heutigen Gemeindepflegers. So wurden in Württemberg die Amtsbezeichnungen Schultheiß bzw. Stadtschultheiß für den Ortsvorsteher erst am 1. Dezember 1930 durch Bürgermeister und Oberbürgermeister ersetzt.[3]
Das Amt des Schultheißen, das in neuerer Zeit durch Wahl der Gemeindemitglieder übertragen wurde, die aber noch der obrigkeitlichen Bestätigung bedurfte, war früher auch oftmals mit dem Besitz bestimmter Güter (Schulzengut, Schulzenlehen, Bauermeisterlehen, in Schlesien Scholtisei, Erbscholtisei, Scholten- oder Scholzengut genannt) verbunden.[4] Die entsprechenden Bezeichnungen für diese landwirtschaftlichen Betriebe haben sich zum Teil bis ins 20. Jahrhundert erhalten. Je nachdem, ob der Besitz des Schulzenhofes mit bestimmten Verpflichtungen gegenüber dem Landes- oder Lehnsherrn verbunden war oder nicht, wurde zwischen dem dienstfreyen Schulzen, oder Freischulzen, und dem Dienstschulzen unterschieden (siehe auch: Freirichter). Der landwirtschaftliche Betrieb eines Freischulzen wurde Freischulzenhof genannt.
Bedeutung und Funktion in der Schweiz
In der Schweiz (Deutschschweiz) blieb die Bezeichnung Schultheiss für den Vorsitzenden der Stadtregierung über das Mittelalter hinaus erhalten, vor allem in den von aristokratischen Patriziaten regierten Kantonen (Stadt- und Standesoberhaupt der Republik), dann aber auch als Titel für den Vorsitzenden von Stadtgerichten und sonstigen Stadtämtern.[5]
Bis in die Gegenwart hinein war der Titel Schultheiss für den jährlich wechselnden Präsidenten der Regierung des Kantons Luzern (Regierungsrat) in Gebrauch. Mit der neuen Luzerner Kantonsverfassung von 2007, die 2008 in Kraft trat, wurde der Begriff Schultheiss durch den in der Mehrheit der deutschschweizerischen Kantone üblichen Terminus Regierungspräsident ersetzt (vergleiche Landammann). Der Stellvertreter des Schultheissen hiess bis 2008 Statthalter. Wahlgremium für Schultheiss und Statthalter war der Grosse Rat (neue Bezeichnung mit gleicher Kompetenz: Kantonsrat), das Parlament des Kantons Luzern.[6] Die Mitglieder des Regierungsrats hingegen werden vom Volk im Majorzverfahren gewählt.
Verwendung bei der Namensgebung
Schultheiß ist überdies Basisform eines der am weitesten verbreiteten deutschen Familiennamen, der auch in zahlreichen Varianten wie Schulz, Schulze, Schulte, Schult, Schultz, Schultze, Schulzeck, Schulten, Schuldt, Schulthess, Scholtes, Schotes, Schultheiss, Schultheis, Heiss oder Heiß vorkommt. Diese Schreibformen entsprechen der regionalen Aussprache und Schreibweise für die Funktion und das Amt des Schultheißen. Daneben die aus dem Schlesischen kommenden Varianten mit O: Scholz, Scholze etc. Im Schwäbischen wird aus dem Wort Schultheiß der Schultes. In der frühen Neuzeit wandelten etliche Personen den Namen latinisiert bzw. als Humanistenname um zu Scultetus, Sculteus oder Praetorius. Außerdem existiert eine tschechische Schreibweise des Namens: Šulc, außerhalb der Tschechischen Republik auch Sulc. In der Slowakei kommt der Name auch in der Form Šoltýs oder Šoltés (slowakische Schreibweise) vor. In Österreich gibt es sodann die Form Theißl. Eine weitere Schreibweise entstand im Banat der k.u.k. Zeit, als ungarische Standesbeamte Schulcz schrieben.
Die Form Schulte ist oftmals auch in Doppelnamen zu finden, wobei das zweite Namenglied ursprünglich ein Hofname war, z. B. Schulze Dalhoff, Schulze Dieckhoff, Schulze Elshoff, Schulte Renger, Schulte Mesum, Schulte Wermeling, Schulze Pellengahr, Bock-Schulz, Schulze-Behn-Bock usw. Eine andere Namensform ist noch Schulte-Bisping, wobei der zweite Name von Bischoff abstammt, welcher den örtlichen Ortsvorsteher einsetzte.
Bekannte Schultheiße
Herebord von Bismarck (ca. 1200–1280), Schultheiß von Stendal
Brunwart von Augheim (ca. 1250–ca. 1300), Schultheiß von Neuenburg am Rhein
Michael Beheim (1420–ca. 1480), Schultheiß von Sülzbach
Thüring von Ringoltingen (1415–1483), Schultheiß von Bern
Kaspar Mettelbach († 1484), Schultheiß von Heilbronn
Gottfried Schenkel († 1493), Schultheiß von Heilbronn
Johann Erer (ca. 1450–1503) Schultheiß von Heilbronn
Wolffgang Wesener (1494–1557), Schultheiß von Halle an der Saale
Peter Feurer (ca. 1510–1553), Schultheiß von Heilbronn
Leonhard Fronsperger (ca. 1520–1575), Feldgerichtsschultheiß
Samuel Frisching (I.) (1605–1683), Schultheiß von Bern
Christoph Fahrner (1616–1688), Schultheiß von Löchgau
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622–1676), Schultheiß von Renchen in den Diensten des Bischofs von Straßburg
Johann Georg Spitzer (um 1644), Schultheiß von Heilbronn
Johann Valentin Triebel († 1716) Schultheiß von Vesser im Thüringer Wald
Samuel Frisching (II.) (1638–1721), Schultheiß von Bern
Johann Friedrich von Willading (1641–1718), Schultheiß von Bern
Johann Parum Schultze (1677–1740), Dorfschultheiß von Süthen im Hannoverschen Wendland
Johann Wolfgang Textor (1693–1771), Schultheiß von Frankfurt am Main, Großvater von Johann Wolfgang von Goethe
Johann Christoph von Dreyhaupt (1699–1768), Schultheiß von Halle an der Saale
Christian Großbayer (1718–1782), Schultheiß von Haigerloch
Johann Peter Wültgens (1738–1787), Schultheiß von Kinzweiler
Gottlieb Friedrich Wagner (1774–1839), Schultheiß von Maichingen
Emanuel Friedrich von Fischer (1786–1870), Schultheiß von Bern
Heinrich Titot (1796–1871), Schultheiß von Heilbronn
Barnabas Mattes (1805–1881), Schultheiß von Nendingen
Julius Schad (1824–1900), Schultheiß von Tuttlingen
Eduard Fiechtner (1843–1922), letzter Schultheiß der selbstständigen Gemeinde Untertürkheim
Adolf Alter (1876–1933), Schultheiß von Böckingen
Namensträger
Agnes Schultheiß (1873–1953), Pädagogin, Sprachwissenschaftlerin und Stadträtin in Ulm
Franklin Schultheiß (1928-2006), geschäftsführender Direktor der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn
Heinrich von Schultheiß (1580–1646), deutscher Hexenrichter in Westfalen
Joachim Ludwig Schultheiß von Unfriedt (1678–1753), deutscher Architekt und Baumeister im Herzogtum Preußen und Königsberg
Michael Praetorius, eigentlich Michael Schultheiß (1571–1621), deutscher Komponist, Organist, Hofkapellmeister und Gelehrter
Paulus Praetorius (ursprünglich Schulheiß oder Schulze) (1521–1565), Pädagoge und Gelehrter
Walter Schultheiß (* 1924), deutscher Schauspieler, Autor und Maler
Namensvariante Schultheiss
Adrian Schultheiss (* 1988), schwedischer Eiskunstläufer
Dieter Schultheiss (* 1940), österreichischer Tennisspieler
Götz Schultheiss unter dem Schopf († 1408), Schultheiss von Winterthur
Matthias Schultheiss (* 1946), deutscher Comic-Zeichner und -Autor
Ulrich Schultheiss (* 1956), deutscher Komponist und Hochschullehrer
Wolfgang Schultheiss (* 1945), deutscher Diplomat
Siehe auch:
Schultheiss-Brauerei, ehemalige Berliner Brauerei
Siehe auch
Freirichter, Greve (Amt), Heimbürger, Meier, Villicus, Vogt
Liste der Schultheissen von Bern
Solothurner Schultheisse im Mittelalter
Sołectwo (deutsch Schulzenamt), eine der Gmina (Gemeinde) untergeordnete Verwaltungseinheit in Polen.
Der Landesoberschulheiß war der Stellvertreter der Amtmanns in den Ämtern des Herzogtums Nassau, siehe Amt (Herzogtum Nassau)
Quelle - literatur & einzelnachweise
Ein Schultheiß. Holzschnitt von Peter Flötner (16. Jahrhundert)
Der Schultheiß war meist auch Richter der niederen Gerichtsbarkeit. Im friesischen und fränkischen Recht war er ein Hilfsbeamter der Grafen, betraut mit der Einziehung von Geldern und der Vollstreckung von Urteilen, meist auch Hundertschaftsführer. Gleichartige oder ähnliche Amtsstellungen waren Amtmann, Fronbote, Meier, Vikar, Villicus, Vogt (in alphabetischer, nicht zeitlicher Reihenfolge).
Im Französischen entspricht dem Schultheiß der Écoutète, im Polnischen der Sołtys, im Slowakischen der Šoltýs, im Böhmischen der Rychtář, im Niederländischen der Schout, im Englischen der Bailiff oder Mayor.[1]
Geschichte
Dorfschulze aus dem Odenwald um 1847
Im Rahmen der Ostsiedlung erhielt der Siedlungsunternehmer (Lokator) regelmäßig unter anderen Rechten auch das Schulzenamt, wobei sich insbesondere im dörflichen Bereich neben richterlichen Befugnissen allgemein die Funktion der Dorfobrigkeit auch außerhalb der Gerichtsverfassung findet. Dabei gibt es alle Wahlmodalitäten: von der freien Wahl durch die Dorfgemeinde bis zur einseitigen Einsetzung durch den Dorfherren.
Das hohe Amt des städtischen Schultheißen geht auf das Schultheißentum im mittelalterlichen Gericht zurück. Im Sachsenspiegel aus der Zeit um 1230 heißt es: Es kann kein Richter (der bei Königsbann zum Thing lädt) echtes Thing abhalten ohne seinen Schultheißen, vor dem er sich zu Recht erbieten soll ... (Ssp. I/59,2). In den Städten besetzte die Bürgerschaft schon früh dieses Amt des stellvertretenden Richters, und als die Städte im späten Mittelalter auch die hohe Gerichtsbarkeit erwarben, wurde der Schultheiß zum höchsten Richter der Stadt und auf diesem Wege häufig zum Vorsteher der Stadt überhaupt.
Später konnte er auch der Vorsteher eines städtischen (Stadtschultheiß) oder dörflichen Gemeinwesens (Schulze) sein. Bei der ostdeutschen Kolonisation im Mittelalter hatten meist ritterliche Unternehmer diese Funktion als Erbschulze inne, wobei das Amt an Familie oder Güterbesitz gebunden war. Im Altsiedelgebiet und Ostthüringen hatte der von der Herrschaft eingesetzte Amts-Schulze (lat. centgreve) das Amt oft auf Lebenszeit inne.
Im altdeutschen Gerichtswesen (siehe Thing) hatte er den Vorsitz über die Schöffen im Hofgericht. Seit dem 15. Jhd. wurde die Amtsbezeichnung Schulze in verschiedenen Regionen (z. B. Sachsen) durch die Amtsbezeichnung Richter verdrängt, wobei der im Patrimonialgericht tätige Richter häufig auch den Titel Gerichts-Schulze trug.[2] Seine Aufgaben waren ursprünglich wohl die Teilnahme an Landgerichten, die Einnahme von Steuern und Leistungen sowie verschiedene Aufsichtsrechte (u. U. noch zugleich für den Bereich mehrerer Dörfer und regional differenziert). Seit dem 16. Jahrhundert wurden ihm zunehmend durch die Landesherrschaft Aufgaben aus der Dorf- und Gemeindeverwaltung übertragen, die ehemals von den von der Ortsgemeinde bestimmten Amtsträgern (Heimbürger) erfüllt wurden. Damit verschwand allmählich der Dualismus zwischen herrschaftlichen und genossenschaftlichen Amtsträgern.[2]
Als Schulze wurde er im 17. bis zum 19. Jh. weitgehend der Dorfvorsteher im Sinne eines Bürgermeisters. Der damalige „Bürgermeister“ hatte die Funktion des heutigen Gemeindepflegers. So wurden in Württemberg die Amtsbezeichnungen Schultheiß bzw. Stadtschultheiß für den Ortsvorsteher erst am 1. Dezember 1930 durch Bürgermeister und Oberbürgermeister ersetzt.[3]
Das Amt des Schultheißen, das in neuerer Zeit durch Wahl der Gemeindemitglieder übertragen wurde, die aber noch der obrigkeitlichen Bestätigung bedurfte, war früher auch oftmals mit dem Besitz bestimmter Güter (Schulzengut, Schulzenlehen, Bauermeisterlehen, in Schlesien Scholtisei, Erbscholtisei, Scholten- oder Scholzengut genannt) verbunden.[4] Die entsprechenden Bezeichnungen für diese landwirtschaftlichen Betriebe haben sich zum Teil bis ins 20. Jahrhundert erhalten. Je nachdem, ob der Besitz des Schulzenhofes mit bestimmten Verpflichtungen gegenüber dem Landes- oder Lehnsherrn verbunden war oder nicht, wurde zwischen dem dienstfreyen Schulzen, oder Freischulzen, und dem Dienstschulzen unterschieden (siehe auch: Freirichter). Der landwirtschaftliche Betrieb eines Freischulzen wurde Freischulzenhof genannt.
Bedeutung und Funktion in der Schweiz
In der Schweiz (Deutschschweiz) blieb die Bezeichnung Schultheiss für den Vorsitzenden der Stadtregierung über das Mittelalter hinaus erhalten, vor allem in den von aristokratischen Patriziaten regierten Kantonen (Stadt- und Standesoberhaupt der Republik), dann aber auch als Titel für den Vorsitzenden von Stadtgerichten und sonstigen Stadtämtern.[5]
Bis in die Gegenwart hinein war der Titel Schultheiss für den jährlich wechselnden Präsidenten der Regierung des Kantons Luzern (Regierungsrat) in Gebrauch. Mit der neuen Luzerner Kantonsverfassung von 2007, die 2008 in Kraft trat, wurde der Begriff Schultheiss durch den in der Mehrheit der deutschschweizerischen Kantone üblichen Terminus Regierungspräsident ersetzt (vergleiche Landammann). Der Stellvertreter des Schultheissen hiess bis 2008 Statthalter. Wahlgremium für Schultheiss und Statthalter war der Grosse Rat (neue Bezeichnung mit gleicher Kompetenz: Kantonsrat), das Parlament des Kantons Luzern.[6] Die Mitglieder des Regierungsrats hingegen werden vom Volk im Majorzverfahren gewählt.
Verwendung bei der Namensgebung
Schultheiß ist überdies Basisform eines der am weitesten verbreiteten deutschen Familiennamen, der auch in zahlreichen Varianten wie Schulz, Schulze, Schulte, Schult, Schultz, Schultze, Schulzeck, Schulten, Schuldt, Schulthess, Scholtes, Schotes, Schultheiss, Schultheis, Heiss oder Heiß vorkommt. Diese Schreibformen entsprechen der regionalen Aussprache und Schreibweise für die Funktion und das Amt des Schultheißen. Daneben die aus dem Schlesischen kommenden Varianten mit O: Scholz, Scholze etc. Im Schwäbischen wird aus dem Wort Schultheiß der Schultes. In der frühen Neuzeit wandelten etliche Personen den Namen latinisiert bzw. als Humanistenname um zu Scultetus, Sculteus oder Praetorius. Außerdem existiert eine tschechische Schreibweise des Namens: Šulc, außerhalb der Tschechischen Republik auch Sulc. In der Slowakei kommt der Name auch in der Form Šoltýs oder Šoltés (slowakische Schreibweise) vor. In Österreich gibt es sodann die Form Theißl. Eine weitere Schreibweise entstand im Banat der k.u.k. Zeit, als ungarische Standesbeamte Schulcz schrieben.
Die Form Schulte ist oftmals auch in Doppelnamen zu finden, wobei das zweite Namenglied ursprünglich ein Hofname war, z. B. Schulze Dalhoff, Schulze Dieckhoff, Schulze Elshoff, Schulte Renger, Schulte Mesum, Schulte Wermeling, Schulze Pellengahr, Bock-Schulz, Schulze-Behn-Bock usw. Eine andere Namensform ist noch Schulte-Bisping, wobei der zweite Name von Bischoff abstammt, welcher den örtlichen Ortsvorsteher einsetzte.
Bekannte Schultheiße
Herebord von Bismarck (ca. 1200–1280), Schultheiß von Stendal
Brunwart von Augheim (ca. 1250–ca. 1300), Schultheiß von Neuenburg am Rhein
Michael Beheim (1420–ca. 1480), Schultheiß von Sülzbach
Thüring von Ringoltingen (1415–1483), Schultheiß von Bern
Kaspar Mettelbach († 1484), Schultheiß von Heilbronn
Gottfried Schenkel († 1493), Schultheiß von Heilbronn
Johann Erer (ca. 1450–1503) Schultheiß von Heilbronn
Wolffgang Wesener (1494–1557), Schultheiß von Halle an der Saale
Peter Feurer (ca. 1510–1553), Schultheiß von Heilbronn
Leonhard Fronsperger (ca. 1520–1575), Feldgerichtsschultheiß
Samuel Frisching (I.) (1605–1683), Schultheiß von Bern
Christoph Fahrner (1616–1688), Schultheiß von Löchgau
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622–1676), Schultheiß von Renchen in den Diensten des Bischofs von Straßburg
Johann Georg Spitzer (um 1644), Schultheiß von Heilbronn
Johann Valentin Triebel († 1716) Schultheiß von Vesser im Thüringer Wald
Samuel Frisching (II.) (1638–1721), Schultheiß von Bern
Johann Friedrich von Willading (1641–1718), Schultheiß von Bern
Johann Parum Schultze (1677–1740), Dorfschultheiß von Süthen im Hannoverschen Wendland
Johann Wolfgang Textor (1693–1771), Schultheiß von Frankfurt am Main, Großvater von Johann Wolfgang von Goethe
Johann Christoph von Dreyhaupt (1699–1768), Schultheiß von Halle an der Saale
Christian Großbayer (1718–1782), Schultheiß von Haigerloch
Johann Peter Wültgens (1738–1787), Schultheiß von Kinzweiler
Gottlieb Friedrich Wagner (1774–1839), Schultheiß von Maichingen
Emanuel Friedrich von Fischer (1786–1870), Schultheiß von Bern
Heinrich Titot (1796–1871), Schultheiß von Heilbronn
Barnabas Mattes (1805–1881), Schultheiß von Nendingen
Julius Schad (1824–1900), Schultheiß von Tuttlingen
Eduard Fiechtner (1843–1922), letzter Schultheiß der selbstständigen Gemeinde Untertürkheim
Adolf Alter (1876–1933), Schultheiß von Böckingen
Namensträger
Agnes Schultheiß (1873–1953), Pädagogin, Sprachwissenschaftlerin und Stadträtin in Ulm
Franklin Schultheiß (1928-2006), geschäftsführender Direktor der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn
Heinrich von Schultheiß (1580–1646), deutscher Hexenrichter in Westfalen
Joachim Ludwig Schultheiß von Unfriedt (1678–1753), deutscher Architekt und Baumeister im Herzogtum Preußen und Königsberg
Michael Praetorius, eigentlich Michael Schultheiß (1571–1621), deutscher Komponist, Organist, Hofkapellmeister und Gelehrter
Paulus Praetorius (ursprünglich Schulheiß oder Schulze) (1521–1565), Pädagoge und Gelehrter
Walter Schultheiß (* 1924), deutscher Schauspieler, Autor und Maler
Namensvariante Schultheiss
Adrian Schultheiss (* 1988), schwedischer Eiskunstläufer
Dieter Schultheiss (* 1940), österreichischer Tennisspieler
Götz Schultheiss unter dem Schopf († 1408), Schultheiss von Winterthur
Matthias Schultheiss (* 1946), deutscher Comic-Zeichner und -Autor
Ulrich Schultheiss (* 1956), deutscher Komponist und Hochschullehrer
Wolfgang Schultheiss (* 1945), deutscher Diplomat
Siehe auch:
Schultheiss-Brauerei, ehemalige Berliner Brauerei
Siehe auch
Freirichter, Greve (Amt), Heimbürger, Meier, Villicus, Vogt
Liste der Schultheissen von Bern
Solothurner Schultheisse im Mittelalter
Sołectwo (deutsch Schulzenamt), eine der Gmina (Gemeinde) untergeordnete Verwaltungseinheit in Polen.
Der Landesoberschulheiß war der Stellvertreter der Amtmanns in den Ämtern des Herzogtums Nassau, siehe Amt (Herzogtum Nassau)
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