Charles-Geneviève-Louis-Auguste-André-Timothée d’Éon de Beaumont
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Charles-Geneviève-Louis-Auguste-André-Timothée d’Éon de Beaumont
Charles-Geneviève-Louis-Auguste-André-Timothée d’Éon de Beaumont, auch: le Chevalier d’Éon (* 5. Oktober 1728 in Tonnerre (Frankreich); † 21. Mai 1810 in London) war ein französischer Diplomat, Soldat, Freimaurer, Schriftsteller und Degenfechter.
Berühmt wurde der Chevalier d’Èon, weil er weite Teile seines Lebens als Frau lebte und erst eine Leichenschau die Zweifel über sein tatsächliches körperliches Geschlecht endgültig ausräumte.
Leben
Der Sohn des Anwalts Louis d’Éon de Beaumont und der Françoise de Chavanson besuchte bis 1749 in Paris erfolgreich das Collège Mazarin, wo er den Doktor beider Rechte erwarb. Danach wurde er als Advokat am Parlament zugelassen und Sekretär der Finanzbehörde sowie königlicher Zensor. Da er geistreich und gebildet war, bewegte er sich bald in einflussreichen Kreisen, und einige seiner Denkschriften erregten die Aufmerksamkeit des Prinzen von Conti, der ihn Ludwig XV. empfahl. Bei beiden entstand die Idee, ihn im Rahmen ihrer Geheimdiplomatie („Secret du roi“) 1756 als Spion (offiziell als Sekretär des Botschafters Douglas) nach Russland zu schicken. Er sollte Elisabeth, Zarin von Russland, ohne Wissen ihres Großkanzlers Bestuscheff, der Frankreich hasste, treffen und so die brachliegenden diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern befördern. D'Éon erwarb erfolgreich das Vertrauen der Zarin,[1] die mit Ludwig XV. eine Korrespondenz begann. 1757 wurden die diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen und Russland auf die Seite Frankreichs und Österreichs in den Siebenjährigen Krieg gezogen.
1761 kehrte er nach Frankreich zurück und wurde 1762 zum Hauptmann der Elite-Dragoner ernannt. D’Èon hatte zeitlebens den Ruf eines exzellenten Fechters. Er kämpfte im Siebenjährigen Krieg unter Marschall de Broglie und wurde bei Ultrop an Kopf und Schenkel verwundet. Bei Osterwieck zwang seine Attacke ein preußisches Bataillon zur Kapitulation.
1763 wurde er als Sekretär des Botschafters de Nivernais, insgeheim aber als Diplomat mit Verhandlungsvollmachten (ministre plénipotentiaire), nach London gesandt. Er war in zahlreiche Intrigen verwickelt und knüpfte seine Kontakte in Kreise des britischen Adels gern durch Belieferung mit selbst angebauten Weinen. Georg III. wählte ihn als Überbringer der Ratifikationsurkunden für die Friedensschlüsse aus, und d’Éon erhielt darauf von Ludwig XV. den Orden vom Heiligen Ludwig, der ihn in den Rang eines Chevalier erhob. Da er in London in direktem geheimen Auftrag des Königs handelte, der seinen Außenminister nicht einweihte und offiziell jede Verbindung abstritt, geriet er mit diesem in Konflikt, als der neue Botschafter de Guerchy nach London entsandt wurde. Nachdem er sich dem Befehl widersetzt hatte, sein diplomatisches Amt abzugeben und London zu verlassen, blieb er als politischer Exilant in London, wobei er wichtige Staatspapiere in seinen Besitz brachte. Zu seiner Verteidigung ließ er 1764 die diplomatische Korrespondenz über seine Abberufung in London veröffentlichen.
Ab etwa 1763 lebte d'Éon zumindest zeitweise in weiblicher Identität – möglicherweise auch, um eine Auslieferung zu erschweren. In London wurde er Freimaurer in der La Loge de l’Immortalite No. 376, einer französischen Loge unter englischer Konstitution. 1769 wurde er im Januar zum Meister erhoben.[2]. 1766 erhielt er von Ludwig XV. eine jährliche Pension von 12.000 Livre und setzte seine Spionagetätigkeit fort.
Nach dem Tod Ludwigs XV. im Jahr 1774 bemühte sich d’Éon um eine Rückkehr nach Frankreich. Der König stimmte dem zu und setzte ihm für die Rückgabe geheimer Staatspapiere eine hohe Pension aus, machte aber ausdrücklich zur Bedingung, dass d’Éon Frauenkleider tragen müsse. 1777 kehrte Chevalier d’Éon als „Chevalière Charlotte d’Éon“ nach Frankreich zurück. Dazu soll ihn der nach London gesandte Theaterschriftsteller und Agent Beaumarchais überredet haben. Als er 1779 diese Rolle satt hatte und wieder als Mann auftrat, wurde er vom König inhaftiert und erst wieder freigelassen, als er zustimmte, erneut Frauenkleider zu tragen.
Schaugefecht zwischen dem Chevalier de Saint Georges und d'Éon in Frauenkleidern am 9. April 1787 in Carlton House
1785 übersiedelte er wiederum nach England. Infolge der französischen Revolution verlor d’Éon seine Pension, so dass er gezwungen war, seinen Lebensunterhalt durch Verkauf seiner wertvollen Bibliothek und durch öffentliche Fechtduelle in Frauenkleidern zu verdienen, die er bis zu einer schweren Verwundung im Jahre 1796 veranstaltete. Er erbot sich aber, zur Unterstützung der französischen Revolution ein Frauenregiment aufzustellen und zu führen, was trotz Lazare Carnots Fürsprache abgelehnt wurde. Seine letzten Jahre lebte er mit einer Witwe namens Cole zusammen[3]. 1779 ließ er Memoiren von einem Freund drucken. 1805 begann er mit dem Schreiben seiner Autobiographie, die aber erst postum erschien. Von der britischen Königin Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, die er schon seit seiner Fahrt 1756 nach Russland kannte, erhielt er eine Pension. Er starb 1810 in London im Alter von 83 Jahren.
Der Sexualforscher Havelock Ellis prägte Anfang des 20. Jahrhunderts unter Bezug auf Chevalier d’Eon den Begriff „Eonismus“ für damals so genannte „transvestitische Neigungen“; heute würde man den Begriff „Transgender“ dafür benutzen.
Werke
Éloge du comte d'Ons-en-Bray in: L'Année littéraire. 1753
Essai historique sur les différentes situations financières de la France sous le règne de Louis XIV. Ballard 1753.
Mémoire sur l'utilité de la culture des mûriers et de l'éducation des vers à soie en France. Paris 1758.
Les Loisirs du chevalier d'Éon de Beaumont, ancien ministre plénipotentiaire de France, ses divers sujets importants d'administration, etc. pendant son séjour en Angleterre, 13 volumes. Amsterdam 1774. 13 Bde.
Lettres, Mémoires & Négociations particulières du Chevalier d'Eon, Ministre Plénipotentiaire de France. London 1764.
Mémoires du chevalier d’Éon. Le mystère de sa vie. Hrsg. von Frédéric Gaillardet. 2 Bde. Paris 1836. Neuausgabe als Reprint Paris 1998.
Chevalier und Chevalière d’Èon. Der Diplomat in Frauenkleidern. Heidenheimer Verlagsanstalt, Heidenheim/Brenz 1971. (Abenteuerliche Lebensläufe. Bd. 10). ISBN 3-87971-039-2. Gekürzte Ausg. des vorigen Werks.
Quelle - literatur & Einzelnachweise
Berühmt wurde der Chevalier d’Èon, weil er weite Teile seines Lebens als Frau lebte und erst eine Leichenschau die Zweifel über sein tatsächliches körperliches Geschlecht endgültig ausräumte.
Leben
Der Sohn des Anwalts Louis d’Éon de Beaumont und der Françoise de Chavanson besuchte bis 1749 in Paris erfolgreich das Collège Mazarin, wo er den Doktor beider Rechte erwarb. Danach wurde er als Advokat am Parlament zugelassen und Sekretär der Finanzbehörde sowie königlicher Zensor. Da er geistreich und gebildet war, bewegte er sich bald in einflussreichen Kreisen, und einige seiner Denkschriften erregten die Aufmerksamkeit des Prinzen von Conti, der ihn Ludwig XV. empfahl. Bei beiden entstand die Idee, ihn im Rahmen ihrer Geheimdiplomatie („Secret du roi“) 1756 als Spion (offiziell als Sekretär des Botschafters Douglas) nach Russland zu schicken. Er sollte Elisabeth, Zarin von Russland, ohne Wissen ihres Großkanzlers Bestuscheff, der Frankreich hasste, treffen und so die brachliegenden diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern befördern. D'Éon erwarb erfolgreich das Vertrauen der Zarin,[1] die mit Ludwig XV. eine Korrespondenz begann. 1757 wurden die diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen und Russland auf die Seite Frankreichs und Österreichs in den Siebenjährigen Krieg gezogen.
1761 kehrte er nach Frankreich zurück und wurde 1762 zum Hauptmann der Elite-Dragoner ernannt. D’Èon hatte zeitlebens den Ruf eines exzellenten Fechters. Er kämpfte im Siebenjährigen Krieg unter Marschall de Broglie und wurde bei Ultrop an Kopf und Schenkel verwundet. Bei Osterwieck zwang seine Attacke ein preußisches Bataillon zur Kapitulation.
1763 wurde er als Sekretär des Botschafters de Nivernais, insgeheim aber als Diplomat mit Verhandlungsvollmachten (ministre plénipotentiaire), nach London gesandt. Er war in zahlreiche Intrigen verwickelt und knüpfte seine Kontakte in Kreise des britischen Adels gern durch Belieferung mit selbst angebauten Weinen. Georg III. wählte ihn als Überbringer der Ratifikationsurkunden für die Friedensschlüsse aus, und d’Éon erhielt darauf von Ludwig XV. den Orden vom Heiligen Ludwig, der ihn in den Rang eines Chevalier erhob. Da er in London in direktem geheimen Auftrag des Königs handelte, der seinen Außenminister nicht einweihte und offiziell jede Verbindung abstritt, geriet er mit diesem in Konflikt, als der neue Botschafter de Guerchy nach London entsandt wurde. Nachdem er sich dem Befehl widersetzt hatte, sein diplomatisches Amt abzugeben und London zu verlassen, blieb er als politischer Exilant in London, wobei er wichtige Staatspapiere in seinen Besitz brachte. Zu seiner Verteidigung ließ er 1764 die diplomatische Korrespondenz über seine Abberufung in London veröffentlichen.
Ab etwa 1763 lebte d'Éon zumindest zeitweise in weiblicher Identität – möglicherweise auch, um eine Auslieferung zu erschweren. In London wurde er Freimaurer in der La Loge de l’Immortalite No. 376, einer französischen Loge unter englischer Konstitution. 1769 wurde er im Januar zum Meister erhoben.[2]. 1766 erhielt er von Ludwig XV. eine jährliche Pension von 12.000 Livre und setzte seine Spionagetätigkeit fort.
Nach dem Tod Ludwigs XV. im Jahr 1774 bemühte sich d’Éon um eine Rückkehr nach Frankreich. Der König stimmte dem zu und setzte ihm für die Rückgabe geheimer Staatspapiere eine hohe Pension aus, machte aber ausdrücklich zur Bedingung, dass d’Éon Frauenkleider tragen müsse. 1777 kehrte Chevalier d’Éon als „Chevalière Charlotte d’Éon“ nach Frankreich zurück. Dazu soll ihn der nach London gesandte Theaterschriftsteller und Agent Beaumarchais überredet haben. Als er 1779 diese Rolle satt hatte und wieder als Mann auftrat, wurde er vom König inhaftiert und erst wieder freigelassen, als er zustimmte, erneut Frauenkleider zu tragen.
Schaugefecht zwischen dem Chevalier de Saint Georges und d'Éon in Frauenkleidern am 9. April 1787 in Carlton House
1785 übersiedelte er wiederum nach England. Infolge der französischen Revolution verlor d’Éon seine Pension, so dass er gezwungen war, seinen Lebensunterhalt durch Verkauf seiner wertvollen Bibliothek und durch öffentliche Fechtduelle in Frauenkleidern zu verdienen, die er bis zu einer schweren Verwundung im Jahre 1796 veranstaltete. Er erbot sich aber, zur Unterstützung der französischen Revolution ein Frauenregiment aufzustellen und zu führen, was trotz Lazare Carnots Fürsprache abgelehnt wurde. Seine letzten Jahre lebte er mit einer Witwe namens Cole zusammen[3]. 1779 ließ er Memoiren von einem Freund drucken. 1805 begann er mit dem Schreiben seiner Autobiographie, die aber erst postum erschien. Von der britischen Königin Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, die er schon seit seiner Fahrt 1756 nach Russland kannte, erhielt er eine Pension. Er starb 1810 in London im Alter von 83 Jahren.
Der Sexualforscher Havelock Ellis prägte Anfang des 20. Jahrhunderts unter Bezug auf Chevalier d’Eon den Begriff „Eonismus“ für damals so genannte „transvestitische Neigungen“; heute würde man den Begriff „Transgender“ dafür benutzen.
Werke
Éloge du comte d'Ons-en-Bray in: L'Année littéraire. 1753
Essai historique sur les différentes situations financières de la France sous le règne de Louis XIV. Ballard 1753.
Mémoire sur l'utilité de la culture des mûriers et de l'éducation des vers à soie en France. Paris 1758.
Les Loisirs du chevalier d'Éon de Beaumont, ancien ministre plénipotentiaire de France, ses divers sujets importants d'administration, etc. pendant son séjour en Angleterre, 13 volumes. Amsterdam 1774. 13 Bde.
Lettres, Mémoires & Négociations particulières du Chevalier d'Eon, Ministre Plénipotentiaire de France. London 1764.
Mémoires du chevalier d’Éon. Le mystère de sa vie. Hrsg. von Frédéric Gaillardet. 2 Bde. Paris 1836. Neuausgabe als Reprint Paris 1998.
Chevalier und Chevalière d’Èon. Der Diplomat in Frauenkleidern. Heidenheimer Verlagsanstalt, Heidenheim/Brenz 1971. (Abenteuerliche Lebensläufe. Bd. 10). ISBN 3-87971-039-2. Gekürzte Ausg. des vorigen Werks.
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