Geschichte der Bochumer Vöde
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Geschichte der Bochumer Vöde
1. Einleitung
Da der erste Teil der Geschichte der Bochumer Vöde vor zwanzig Jahren erschienen ist (Bochumer Heimatbuch Bd. 3) und nur wenige Bochumer dieses Buch infolge der Kriegsereignisse noch besitzen werden, sei ein kurzer Überblick über die ältere Vödegeschichte vorausgeschickt.
Unter Vöden verstand man Ländereien, die eine Reihe von Jahren unter Flurzwang beackert wurden, dann aber eine gleiche Anzahl von Jahren für die gemeinsame Weide brach (dreisch) liegen bleiben mußten. Diese primi-tive Form der Bodennutzung ist wohl schon mit der ältesten Besiedlung eingeführt worden. Die alten Bauernschaften Bochum (Buchheim), Altenbochum und Grumme (Grumheim) hatten gemeinsame Vödeländereien. Aus praktischen Gründen hatte man zwei Vöden. Während die eine als Weide (Hude) benutzt wurde, wurde die andere als Ackerland bestellt. Nach einer Reihe von Jahren wechselte man die Benutzung der beiden Vöden. Da das in diesen liegende Ackerland also nur zeitweise als solches gebraucht wurde, wurde es im 17. Jahrhundert auch nur zur Hälfte zur Grundsteuer herangezogen, weshalb man diese Ländereien auch Halbländereien nannte. Die Vöden waren Gemeinheitsgründe, bei denen die an ihnen haftenden Eigentums- und Nutzungsrechte zeitlich miteinander wechselten.
Der doppelte Verwendungszweck als Acker- und Weideland hatte auch die Eigentumsverhältnisse verschieden gestaltet. Während in den Weidejahren alle Viehhalter ihr Vieh auf die Vöde treiben durften, beschränkte sich in den Ackerjahren das Recht der Feldbestellung auf eine kleine Zahl von Eigentümern am Grund und Boden. Die Hofbesitzer von Grumme und Altenbochum waren mit großem Landbesitz in den Vöden berechtigt, sie besaßen fast 300 Morgen der Vöden, durften aber in den Weidejahren die Vöden nicht benutzen. Diese Einschränkung ist offenbar vom Landesherrn mit der Entwicklung Bochums zur Stadt den Bauern auferlegt worden, um den Bochumer Bürgern genügend Weideland für ihr Vieh zu geben. Schon in der ältesten Stadturkunde von 1928 blieben den Bürgern ihre Rechte an der Vöde (pascuis suis, que vewede dicuntur, utantur) gewahrt. Auch die alten Höfe, auf denen die Stadt erbaut wurde, waren in der Vöde mit Eigentum am Ackerland berechtigt. So haben wir das eigentümliche Verhältnis, daß die alten Hofesbesitzer Eigentumsrechte an der Vöde besaßen, die hudeberechtigte Bürgerschaft aber nur Weiderecht hatte.
Ursprünglich war das Weiderecht ein Ausfluß des Bürgerrechts, so daß jeder, der In die Bürgerschaft aufgenommen war, damit die Befugnis erhalten hatte, sein Vieh in die Stadtweiden zu treiben. Im Laufe der Zeit war aber eine Änderung eingetreten, indem das Weiderecht mit dem Besitz eines Hauses verknüpft wurde; da nun früher jeder Vollbürger gewöhnlich auch im eigenen Hause wohnte, merkte man den Unterschied nicht so sehr, bis die Frage nach dem Recht zur Weide wieder akut wurde bei den weiter unten zu erörternden Verhandlungen über die Teilung der Vöden.
Die Bochumer Vöden umfaßten fast den ganzen nördlichen und östlichen Teil der Feldmark. Von den Schmechtingswiesen an der Herner Straße zog sich über das heutige Stadtparkviertel bis zu den Sportplätzen an der Castroper Straße die kleine Vöde. Die große Vöde umfaßte das Gelände zwischen Castroper Straße und der Rheinischen Eisenbahn. In diese Vödeländereien schob sich hinter dem Diekmannshof an der Castroper Straße (östlich davon) die lüttke Vöde ein, ein Gelände, das nur als Acker, nicht als Weide benutzt wurde. Ursprünglich ein Teil der Gemeindeweiden war die Krümmede, in dem Wort steckt das alte „ede" = hede, Heide, es bedeutet Teil einer (größeren) Heide. Hinter der großen Vöde, zu beiden Seiten der Castroper Straße bis zur Stadtgrenze (Landwehr) lagen noch private Äcker.
Diese großen Vöden wurden seit der ältesten Zeit stets im Wechsel als Weide und Ackerland benutzt. Hatte man 6 Jahre die große Vöde als Weide, die kleine als Acker gebraucht, so war es in den folgenden 6 Jahren umgekehrt. Damit nach 6 Jahren am Ende des letzten Ackerjahres sofort die Weide benutzbar war, mußte im letzten Ackerjahr ins Ackerland Klee eingesät werden. Der Zugang zur kleinen Vöde erfolgte von beiden Seiten der Bergstraße, in die große Vöde trieb man das Vieh über die im unteren Teil hohe Gate (gate = Viehtriftweg) genannte Castroper Straße bis zur heutigen Hagenstraße, dem eigentlichen Zugangsweg zu diesem Teil der Vöde.
Die Hütung auf der Vöde stand jedem Bürger frei. Das Vieh wurde von dem Hirten täglich zur gewissen Stunde gesammelt, das Blasen auf einem Horn gab der Bürgerschaft das Zeichen zum Heraustreiben des Viehes auf die Straße, wo der Hirte es in die Herde aufnahm.
Da die Bewirtschaftung der Vöden rückständig war, wurde unter Friedrich dem Großen nach dem Teiledikt vom 18. 6. 1765 ihre Teilung d. h. die Befreiung der Ackerländereien von der Hude und die endgültige Zuweisung des Ackers an die Bauern in Angriff genommen. Im Februar 1775 forderte die Kriegs- und Domänenkammer-Deputation in Hamm vom Magistrat Bericht über die Zweckmäßigkeit der Teilung der Vöden. Dieser sprach sich in einem scharf gehaltenen Schreiben gegen die Teilung aus, worauf der ganze Magistrat „wegen seiner invektiven Schreibart" in eine Strafe von 2 Reichstalern genommen wurde. In erneuten Eingaben wandte sich die Bürgerschaft an die Kammer in Kleve, die darauf die Teilung aufschob. Als im Jahre 1822 in Münster die Generalkommission errichtet wurde, deren Aufgabe Aufhebung der Gemeinheiten und Verbesserung der Bodenkultur war, wandten sich die Altenbochumer Landwirte an sie und verlangten die Teilung der Vöden in Bochum. Ein Spezialkommissar verhandelte mit den Bürgern. Man vermaß die Vöden, schätzte die Güte des Bodens ab und legte im Juli 1824 den Teilungsplan den Bauern wie der Bürgerschaft vor. Hiernach sollte die Hudschaft dadurch abgelöst werden, daß die Eigentümer 3/8 ihres Bodens an die Hudeberechtigten abtraten, jeder hudeberechtigte Hausbesitzer sollte also ein Stück Land als Abfindung erhalten. Mit diesem Plan waren die Bürger nicht einverstanden, da sie ohne Hude für ihre Kühe nicht lebensfähig seien. In langen Eingaben an alle behördlichen Stellen bis zum König protestierte man und drohte, so lange prozessieren zu wollen, bis die Gegenseite ermüden und den Teilungsantrag zurücknehmen würde. Bis in das Jahr 1835 dauerten die Verhandlungen über die Fragen: wer ist zur Hude berechtigt, jeder Viehhalter oder nur der Hauseigentümer? Lag bei dem Weiderecht Servitut oder Miteigentum vor? Man prozessierte jahrelang mit den Bauern, bis schließlich sich der Bürgermeister einmischte und erklärte, nicht der Hausbesitzer habe Rechte an der Vöde, sondern jeder Bürger, die Abfindung für Aufgabe der Hude müsse der Bürgerschaft, also der Stadt zufließen. Inzwischen hatten einige Bürger Klage erhoben auf Feststellung, daß sie Miteigentum an den Vöden hätten und den Hude-berechtigten anteilmäßig ein Teil der Abfindung an Boden zustehe. Dieser Prozeß ging in allen Instanzen verloren. Jetzt begann man gegen die Stadt zu prozessieren, man bestritt der Stadt das Recht für die Hudeberechtigten aufzutreten und verlangte die Beteiligung an der Abfindung. Auch dieser Prozeß ging ver-loren. Die Stadt hatte also mit Erfolg in den ganzen Streit eingegriffen und zu Gunsten der ganzen Bürgerschaft entgegen den Belangen der Hausbesitzer ihre Rechte an der alten Gemeindehude zu wahren gewußt Jetzt endlich war der Teilungsplan zur Ausführung reif. Er sah in seiner am 24.6.1846 vorgelegten Fassung vor, daß die Abfindung der Hudeberechtigten als Ganzes für die Bürgerschaft ausgeschieden werden sollte, und eine neue Hudewirtschaft ohne die ausgeschiedenen Vödeeigentümer in Erwägung gezogen wurde.
2. Die „Vöderevolution", die Teilung der Vöde durch Abfindung der bäuerlichen Grundeigentümer.
Die jahrelangen Streitigkeiten über die Teilung der Vöde mit den Behörden und dem Teilungskommissar hatten allmählich die Stimmung der Bürgerschaft zur Siedehitze gebracht. Man schrieb das Jahr 1848 und die Pariser Revolution, die zum Sturze des Bürgerkönigs Louis Philippe geführt hatte, wirkte in Deutschland wie ein elektrischer Schlag, man verlangte eine Anteilnahme des Volkes an der Gesetzgebung. Nach dem blutigen Barrikadenkampf in Berlin am 18. März zog der König die Truppen zurück und verfügte die Einrichtung der Bürgerwehr zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Eine „Extrabeilage" des Bochumer Kreisblattes - wohl die erste Sonderausgabe in Bochum überhaupt - brachte am 21. März die Nachricht aus Berlin von der beschleunigten Einberufung des Vereinigten Landtages, am 23. erließ der Magistrat einen Aufruf zur Bildung einer Bürgerwehr und schon am 28. hatten sich 530 Bürger eingeschrieben. Diese Wehr wurde in vier Kompagnien eingeteilt, Führer derselben waren Wirt M. Scharpenseel, Auktions-Kommissar Parpat, Apotheker Hager und Gerichtsassessor Bölling.
Die Wehr führte eine schwarz-rot-goldene Fahne, in die das Stadtwappen eingezeichnet war. Ihr lag die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in der Stadt ob. Sie hat diese Aufgabe gut erfüllt. Ihre Notwendigkeit sollte sie aber erst im August dieses Jahres anläßlich der „Vöderevolution" zeigen. Am 15. August hatte der Teilungskommissar die tatsächliche Teilung der kleinen und großen Vöde in Aussicht gestellt. Vergeblich warnte der Landrat Graf von der Recke-Volmarstein den Kommissar, in diesen erregten Zeiten den armen Bürgern den Weideplatz für ihr einziges Stück Milchvieh zu nehmen, auch der Magistrat wies darauf bin, daß die ge-36 plante Teilung gar nicht auszuführen sei in den gegenwärtigen erregten Zeiten ohne Beistand einer bedeutenden Militärmacht, aber auch dann nicht ohne Blutvergießen. „Es haben bereits in der hier so gut gesinnten und bisher so ruhigen Stadt bedeutende Demonstrationen stattgehabt und es wäre wirklich zu bedauern, wenn hier wirklich Exzesse hervorgerufen würden, ohne daß es nötig sei", berichtete der Landrat am 9. August der Generalkommission in Münster, die als staatliche Behörde für die Landeskultur die Teilung durchzuführen hatte, mit der Bitte, die Teilung auf ein Jahr zu verschieben. „Die hiesige Vöde" - so berichtet er weiter - „zerfällt in zwei Teile, die große und kleine Vöde, die alternierend 6 Jahre beackert und 6 Jahre beweidet werden. Jetzt ist die große Vöde Weide- und die kleine Vöde Ackerland. Der sechsjährige Turnus läuft erst im künftigen Jahre ab und die jetzt als Acker benutzte kleine Vöde, von der soeben die Früchte geerntet werden, ist daher auch gar nicht zur Weide geschickt. Wenn daher die Teilung jetzt vorgenommen wird, so erhalten die Hudeberechtigten keineswegs ein Weideland wieder, sondern, soweit die Abfindung auf der kleinen Vöde statthat, nur ein Stoppelfeld, auf dem nicht die mindeste Weide für Milchvieh vorhanden ist. Es ist deshalb auch ganz richtig, wie ich es in meiner Eingabe vom 1. dieses Monats angegeben, daß am Tage nach der Teilung alles Vieh der ärmeren Klasse ganz ohne Nahrung sein wird und daher abgeschafft werden muß. Wenn nun auch bereits nach Publikation des Apellationserkenntnisses vom 3. März die Teilung vorausgesehen werden konnte, so war es teils da nicht mehr möglich, den der Stadt zufallenden mit Getreide bestellten Teil der kleinen Vöde zur Weide für den Monat August schon zu bestimmen, teils auch waren die Hudeberechtigten bei der schon vorgerückten Jahreszeit überhaupt nicht imstand, noch Einrichtungen zur Sommerfütterung für Milchvieh zu treffen. Dem Vernehmen nach wird zwar die Stadt von der großen jetzt beweideten Vöde ungefähr 120 Morgen behalten, allein darauf kann noch nicht der dritte Teil der Kühe und Ziegen ernährt werden.
. . . Der sofortigen Teilung der Vöden muß ich aus wohlfahrtspolizeilichen Gründen widersprechen, weil der Nahrungszustand eines großen Teils der Einwohnerschaft der Stadt gänzlich zerstört wird, aber auch aus sicherheitspolizeilichen Rücksichten, weil die sofortige Teilung in jetzigen Zeiten und bei der deshalb in der Stadt herrschenden verzweiflungsvollen Aufregung ohne die größten Exzesse nicht stattfinden kann. Es ist ganz gewiß, daß die Teilung nicht geduldet werden wird, und wenn auch Militärmacht herangezogen werden möchte, so wird selbst, wenn dasselbe in so großer Zahl anwesend sein möchte, doch der Angriff der Hudeberechtigten nicht verhindern können, indem dieselben in solcher Stimmung sind, daß sie keine Gefahr achten. Die Gelegenheit zu solchen Ausschreitungen kann ich aber nicht geben und werde daher mich auch nicht dazu entschließen, Militär heranzuziehen. In der vorigen Nacht um 11 Uhr waren mehrere Hundert der Hudeberechtigten aus der Stadt mit Trommeln und Fahnen bei mir auf meinem Gute (Haus Overdyk in Ramme), um bei mir Hülfe zu suchen. Nur durch die Zusage, mich für sie zu verwenden, habe ich dieselben, die In der größten Aufregung waren, beschwichtigen können und nur dadurch, daß ich dem Geometer Gierlich, welcher, weil er sich am Tage nicht sicher hielt, während der Nacht die Abpfählung vornahm, die Einstellung des Vermessens bis zur näheren Entscheidung aufgegeben habe, habe ich von denselben das Versprechen des Ruhigverhaltens erhalten„. Aber die erregte Volksmenge blieb nicht ruhig. Nachdem der nächtliche Zug zum Landrat nicht ohne Wirkung geblieben war und mit ihm die „Vöderevolution" begonnen hatte, zog am folgenden Tage die Bochumer Bürgerschaft aus dem Gerberstraßenviertel, „mit allen möglichen Wehrgerätschaften, Forken, Schüppen und sonstigen Instrumenten bewaffnet" nach dem Gehöft des Landwirts Schulte-Ladbeck (der Hof lag an der heutigen Brücke an der Akademiestraße) und suchte unter Drohworten gegen diesen Deputierten der Grundbesitzer gewaltsam vorzugehen. Ein anderer Trupp streifte die Vöde ab und zerschlug die gerade angefahrenen Grenzsteine.
An diesen Ausschreitungen beteiligte sich größtenteils die geringe Klasse der Bochumer Eingesessenen, von denen nur wenige Kuhbesitzer waren; Weiber und halbwüchsige Burschen umrahmten das Bild dieser Bochu-mer Vöderevolution. Ganz Bochum war in Aufregung. Der Magistrat setzte sofort die Bürgerwehr in Tätigkeit, sie sollte durch eine Nachtwache den nächtlichen wüsten Katzenmusiklärm in der Gerberstraße unterdrücken. Der arme Schulte-Ladbeck. dem man drohte, seinen Hof anzuzünden, mußte mehrere wehrhafte Nachbarn aufbieten, um die Tumultuanten am Abend zum Abzuge zu veranlassen. Noch in der Nacht fuhr er mit dem Landwirt Gördt nach Münster und berichtete der Generalkommission von dem Treiben der Bürgerschaft gegen die Bauern. Seine Vorstellung, unterstützt von der Generalkommission, hatte Erfolg. Nur zu auffällig war, daß bei dem ganzen Aufruhr nicht die hütungsberechtigten Bürger demonstriert hatten, sondern es sich um eine ausgesprochene staatsfeindliche Hetze rauf- und tumultlustiger Elemente ge-handelt hatte. Das Oberpräsidium verfügte deshalb am 12. August auf Ersuchen der Generalkommission an den Landrat, die Teilung nicht durch irgendwelche Maßnahmen zu behindern, bei Widerstand, der sich nicht durch die am 15. Mai unter dem Namen „Landsturm" völlig organisierte ländliche Sicherheitswehr brechen ließe, sollte ein starkes Militärkommando überwiesen werden.
Die Aufregung in der Stadt ließ aber nicht nach. Noch bevor die Entscheidung in Münster ergangen war, hatte der Landrat zum Schutze der Bauernschaften Grumme und Altenbochum am 11. August 50 Mann, am nächstfolgenden Tage 200 Mann von dem in Hattingen stehenden Füsilier-Bataillon des 15. Infanterie-Regiments (Major Hülsen), das dort zur Unterdrückung etwaiger Ruhestörungen lag, requiriert, sodaß der Geometer Gierlich, der sich eine Woche lang nicht auf die Vöde wagen durfte, unter dem Schutze des Militärs seine Messungen fortsetzen konnte. „Mit den vorhandenen Gendarmen und Polizeidienern war derselbe vor Mißhandlungen nicht zu schützen und die Bürgerwehr ist in dieser städtischen Angelegenheit nicht zu gebrauchen" (!)‚ berichtete der Landrat unterm 12. 8. „Ich hätte gewünscht, noch Zeit zu gewinnen, um vielleicht noch einen Vergleich zu Stande zu bringen, da dies aber allen Bemühungen ungeachtet nicht zu bewirken gewesen ist so nehme ich meine bisherigen Anträge (auf Aufschiebung der Teilung) zurück, da die Sache so weit gediehen ist, daß dieselbe, so unglücklich dieselbe auch für die Hudeberechtigten ist, nunmehr doch ihren Fortgang wird haben müssen". Natürlich konnte infolge der Ereignisse der Teilungstermin vom 15. August nicht innegehalten werden. Die Arnsberger Regierung entsandte am 19. August den Regierungsrat Schmidt zur Leitung der bei der Teilung etwa erforderlichen militärischen Maßregeln nach Bochum. Am Abend des 20. August wurde er vor dem Gasthofe, wo er abgestiegen war, mit einer „Katzenmusik" von der aufgeregten Volksmenge bewillkommnet, wie er am 22. August der Regierung berichtete. „Gerüchte, wie sie hier in der Stadt zirkulieren, wonach von den Gegnern der Teilung Schießmunition in großartigem Maße angekauft sein sollte, (man sprach von mehreren Zentnern Pulver und 2 Ohmfässern voll Kugeln), sind natürlich handgreiflich unwahr; so viel ist indessen leider richtig, daß bei Errichtung der hiesigen Bürgerwehr gerade die jetzt opponierende Einwohnerklasse mit Schußwaffen versehen worden ist. Obgleich ich nun nicht glaube, daß ein ernstlicher Exzeß irgend zu befürchten steht, so haben wir doch, um keine Gelegenheit zur gütlichen Beilegung der Sache zu versäumen und auf dringendes Begehren des Magistrats, Landrats und vieler angesehener Einwohner gestern (21. 8.) den Versuch einer gütlichen Einigung gemacht. Ein großer Teil der auswärtigen Vöde-Eigentümer war bereit, die Ausführung der Vödeteilung bis Johanni künftigen Jahres auszusetzen; die Gemeinde Altenbochum, die sich wegen mehrerer von den hiesigen Einwohnern erlittenen Unbilden und Eigentumsbeeinträchtigungen in vorzugsweise übler Stimmung befand, hat jedoch den Vergleich anfänglich ganz abgelehnt, später um Bedenkzeit bis heute gebeten. So unangenehm dieser neue Aufschub auch war, so mußten wir dem Verlangen natürlich doch nachgeben, und haben wir daher heute einen wiederholten Termin zum Versuche einer gütlichen Einigung anberaumt. Schlägt auch dieser fehl, wie ich fest befürchte, so wird morgen unbedingt mit der Ausführung der Teilung begonnen.
Der Kommandeur des hier stehenden Militärs, Hauptmann Mauschering versichert, daß er stark genug sei, um etwaigen Exzessen wirksam zu begegnen. Ich kann nur nochmals wiederholen, daß ich nicht befürchte, daß es zu ernsthaften Exzessen kommt; es wird wohl bei einigen Demonstrationen bleiben". Dieser interessante Bericht des Justitiars der Arnsberger Regierung, der mit dem Oekonomierat Kunitz zusammen die Bochumer Bürgerschaft beschwichtigen und zur Vernunft bringen sollte, zeigt wie ernsthaft die zahlreiche Klasse der ärmeren Viehbesitzer in der Stadt, die für den täglichen Lebensunterhalt am meisten zu fürchten hat-ten, der Verlust der Weideplätze in der Vöde treffen mußte. Die Bemühungen des Regierungskommissars um Herbeiführung eines Vergleichs, der am 21. noch zu scheitern drohte, wurden am folgenden Tage endlich von Erfolg gekrönt. „Nach einem fruchtlosen Versuche einer gütlichen Einigung der Parteien hatte ich auf heute (23. 8.) morgen den Beginn der Abmessung der Vödeanteile angeordnet und im Einverständnisse mit dem Kommandeur des hierzu beorderten Militärkommandos die nötig scheinende Sicherheitsmaßregel getroffen. Glücklicherweise ist es gestern abend spät noch gelungen, einer von einigen hiesigen Teilnehmern erneut gestellten Vergleichsproposition Eingang zu verschaffen. Ihre Hauptbestimmungen gehen dahin, daß die bäuerlichen Interessenten von Grumme und Altenbochum, gegen welche sich der Volksunwille hauptsächlich gerichtet hatte, ihre Anteile zwar zugemessen erhalten, jedoch noch eine bedeutende Geldsumme von zirka 1 000 Thalern an die städtischen Hudeinteressenten zahlen. Dagegen werden die den Hudeinteressenten und den städtischen Vödeeigentümern zugeteilten Abfindungen, also der bei weitem größte Anteil beider Vöden, zu einer neuen Vödewirtschaft zusammengeworfen. Hierdurch schwindet nicht nur alle Besorgnis, daß die unbemittelte Bürgerklasse gegenwärtig ihrer nötigen Weide beraubt werden würde, sondern sie wird auch für die Zukunft sogar eine weit ergiebigere Weide erhalten. Wir haben es für angemessen gehalten, die in einer neulichen Volksversammlung von der niederen Klasse gewählten Sprecher zu der Vergleichsverhandlung zuzuziehen. Sie haben uns einstimmig die Versicherung gegeben, daß ihre Wähler mit diesem Vergleiche völlig einverstanden sein würden, und der zum Kommandanten der Bürgerwehr erwählte, bei den niederen Ständen sehr beliebte Oberlandesgerichtsassessor Bölling war sogar bereit, sich mit seinem ganzen Vermögen persönlich dafür zu verbürgen, daß keine Exzesse weiter vorkommen würden. Unter diesen Umständen zweifle ich nicht daß die Sache jetzt als völlig beigelegt anzusehen ist Dennoch war man, namentlich seitens der bei der Verhandlung anwesenden Magistratsmitglieder, der Ansicht, daß die Abmessung der den bäuerlichen Interessenten zufallenden Anteile wenigstens für heute noch auszusetzen sein müßte, einesteils, um den Vergleich im Publikum noch mehr bekannt werden zu lassen, anderenteils, um bei dem gerade heute stattfindenden Jahrmarkt allen etwaigen Exzessen vorzubeugen."
Der im letzten Augenblick zustande gekommene Vergleich über die Teilung hatte folgenden Inhalt:
Die festgesetzten Abfindungen an Land in der großen Vöde sollten sofort abgemessen und den Landwirten von Grumme und Altenbochum zur Ackerbestellung übergeben werden. In der kleinen Vöde sollten diese Abfindun-gen erst im nächsten Jahre übergeben und der Boden (65 Morgen) bis dahin mit Roggen besät, der Ertrag unter die Hudeberechtigten geteilt werden. Die einheimischen Grundbesitzer verzichteten auf Hudefreilegung ihrer Ländereien und wollten die Vödewirtschaft fortsetzen, wobei sie Wert darauf legten, daß die neuen ihnen zugeteilten Landstücke möglichst je zur Hälfte in einer der beiden Vöden zu liegen kämen.
Diese Vereinbarung wurde in einer öffentlichen Versammlung am 25. August der gesamten Bürgerschaft vorgelegt, am gleichen Tage befaßte sich auch eine außerordentliche Sitzung der Stadtverordneten mit dem Ver-gleichsvorschlag. In beiden Versammlungen stimmte man der Abfindung der auswärtigen Vödeeigentümer und der Fortsetzung der Hudewirtschaft zu. Gleichzeitig beschloß man, die Beaufsichtigung und Leitung des gesamten Hudewesens den Bürgern zu überlassen und diese dazu eine Kommission von 9 Mitgliedern wählen zu lassen, was am 27. 8. 1848 geschah. Diese Kommission bestand aus den Bürgern: Staatsanwalt zur Nedden, Kassenkontrolleur Röken, Kaufmann F. D. Cramer, Kaufmann L. Kenzler, Gerichtsbote Franke, Schuster Gantenberg, Sattler Theodor Hakkert, Fabrikant Moritz Viefhaus und Bäcker Haverkamp. Mittlerweile hatte auch die Regierungskommission Bochum verlassen. In seinem Schlußbericht vom 26. August bat der Kommissar aber doch noch, das Militär während der Abmessung an Ort und Stelle zu belassen. „Wenn ich auch vollständig der Ansicht bin, daß es eines militärischen Einschreitens nicht bedürfen wird, so hat uns doch ein am Donnerstag, dem 24. d. M., vorgekommener Zwischenfall, so durch einen meistenteils aus Weibern und Kindern bestehenden Menschenschwarm die Vermessungsarbeiten gehindert wurden, gezeigt, daß es im Volk, namentlich unter der Klasse der Einlieger, noch Elemente gibt, die mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Sind sie auch jetzt in der Minderheit, so möchten sie durch das Zurückziehen des Militärs leicht kühner gemacht werden, und meine Ansicht geht deshalb dahin, daß während der Dauer der Vermessung und Landüberweisung, die noch die ganze nächste Woche ausfüllen wird, noch Militär hier bleiben muß." Schon am folgenden Tage begab sich der Landrat nach Münster, um bei dem Generalkommando des 7. Armeekorps den Abmarsch des Militärs zu veranlassen, weil keine Störungen der Ruhe weiter zu befürchten seien. Jedoch der Oberpräsident war anderer Ansicht. „Des Landrats Grafen von der Recke ungeeignetes Benehmen in der Teilungs-Angelegenheit und seine übergroße Geneigtheit, sich den Kreiseingesessenen willfähig zu zeigen selbst dann, wenn bestimmtes Entgegentreten geboten erscheint, mußten mich veranlassen, die so bedauerlich gesteigerten und nicht rechtzeitig ernst gedämpften Zusammenrottungen durch einen Kommissar der Regierung in Arnsberg zu beseitigen zu suchen, und konnte ich, nachdem dies geschehen und erwünschten Erfolg gehabt, auch auf seine Berichte und nicht mehr auf den des Landrats meine Wünsche wegen Belassung von Militär bei resp. in Bochum gründen. . . . Wenn letzterer auch mir seine entgegengesetzte Ansicht entwickelte, so konnte ich bei seiner Persönlichkeit und bei der Unhaltbarkeit der dafür geltenden Gründe ihn nur zurückweisen und ihm die große Verantwortlichkeit klarzumachen versuchen, die daraus entspringe, wenn nochmals während der Teilungsausführung die Ruhe ernstlich gestört werden sollte, was die Kommission für den Fall des Zurückziehens des Militärs sehr möglich erachtet." Aus diesen Erwägungen bat der Oberpräsident das Generalkommando um Belassung des Militärs. Jenes gab aber auf den Bericht des Hauptmanns Mauschering den Befehl zum Abmarsch, so daß die beiden Kompagnien Altenbochum am 1. September verließen, nachdem der Landrat in wiederholten Eingaben sich für die Aufrechterhaltung der Ruhe verbürgt hatte. Damit hatten die Unruhen, die ein späterer Bericht des Magistrats. der Stimmung der Zeit entsprechend als „Vöderevolution" bezeichnet ihr Ende gefunden. Nachdem so eine Einigung zwischen den hudeberechtigten Bürgern und den Eigentümern der Vödegrundstücke endlich erzielt war, konnte der Teilungskomissar daran gehen, die beiden Vöden aufzuteilen. Schon in den Jahren 1824 - 25 hatten Sachverständige den Grund und Boden abgeschätzt und nach seinem Werte in drei Klassen eingeteilt, auch war der auf zahlreichen Grundstücken lastende alte landesherrliche Zehnten und der auf anderen Grundstücken ruhende Rechensche Zehnten durch eine Geldrente abgelöst worden.
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Da der erste Teil der Geschichte der Bochumer Vöde vor zwanzig Jahren erschienen ist (Bochumer Heimatbuch Bd. 3) und nur wenige Bochumer dieses Buch infolge der Kriegsereignisse noch besitzen werden, sei ein kurzer Überblick über die ältere Vödegeschichte vorausgeschickt.
Unter Vöden verstand man Ländereien, die eine Reihe von Jahren unter Flurzwang beackert wurden, dann aber eine gleiche Anzahl von Jahren für die gemeinsame Weide brach (dreisch) liegen bleiben mußten. Diese primi-tive Form der Bodennutzung ist wohl schon mit der ältesten Besiedlung eingeführt worden. Die alten Bauernschaften Bochum (Buchheim), Altenbochum und Grumme (Grumheim) hatten gemeinsame Vödeländereien. Aus praktischen Gründen hatte man zwei Vöden. Während die eine als Weide (Hude) benutzt wurde, wurde die andere als Ackerland bestellt. Nach einer Reihe von Jahren wechselte man die Benutzung der beiden Vöden. Da das in diesen liegende Ackerland also nur zeitweise als solches gebraucht wurde, wurde es im 17. Jahrhundert auch nur zur Hälfte zur Grundsteuer herangezogen, weshalb man diese Ländereien auch Halbländereien nannte. Die Vöden waren Gemeinheitsgründe, bei denen die an ihnen haftenden Eigentums- und Nutzungsrechte zeitlich miteinander wechselten.
Der doppelte Verwendungszweck als Acker- und Weideland hatte auch die Eigentumsverhältnisse verschieden gestaltet. Während in den Weidejahren alle Viehhalter ihr Vieh auf die Vöde treiben durften, beschränkte sich in den Ackerjahren das Recht der Feldbestellung auf eine kleine Zahl von Eigentümern am Grund und Boden. Die Hofbesitzer von Grumme und Altenbochum waren mit großem Landbesitz in den Vöden berechtigt, sie besaßen fast 300 Morgen der Vöden, durften aber in den Weidejahren die Vöden nicht benutzen. Diese Einschränkung ist offenbar vom Landesherrn mit der Entwicklung Bochums zur Stadt den Bauern auferlegt worden, um den Bochumer Bürgern genügend Weideland für ihr Vieh zu geben. Schon in der ältesten Stadturkunde von 1928 blieben den Bürgern ihre Rechte an der Vöde (pascuis suis, que vewede dicuntur, utantur) gewahrt. Auch die alten Höfe, auf denen die Stadt erbaut wurde, waren in der Vöde mit Eigentum am Ackerland berechtigt. So haben wir das eigentümliche Verhältnis, daß die alten Hofesbesitzer Eigentumsrechte an der Vöde besaßen, die hudeberechtigte Bürgerschaft aber nur Weiderecht hatte.
Ursprünglich war das Weiderecht ein Ausfluß des Bürgerrechts, so daß jeder, der In die Bürgerschaft aufgenommen war, damit die Befugnis erhalten hatte, sein Vieh in die Stadtweiden zu treiben. Im Laufe der Zeit war aber eine Änderung eingetreten, indem das Weiderecht mit dem Besitz eines Hauses verknüpft wurde; da nun früher jeder Vollbürger gewöhnlich auch im eigenen Hause wohnte, merkte man den Unterschied nicht so sehr, bis die Frage nach dem Recht zur Weide wieder akut wurde bei den weiter unten zu erörternden Verhandlungen über die Teilung der Vöden.
Die Bochumer Vöden umfaßten fast den ganzen nördlichen und östlichen Teil der Feldmark. Von den Schmechtingswiesen an der Herner Straße zog sich über das heutige Stadtparkviertel bis zu den Sportplätzen an der Castroper Straße die kleine Vöde. Die große Vöde umfaßte das Gelände zwischen Castroper Straße und der Rheinischen Eisenbahn. In diese Vödeländereien schob sich hinter dem Diekmannshof an der Castroper Straße (östlich davon) die lüttke Vöde ein, ein Gelände, das nur als Acker, nicht als Weide benutzt wurde. Ursprünglich ein Teil der Gemeindeweiden war die Krümmede, in dem Wort steckt das alte „ede" = hede, Heide, es bedeutet Teil einer (größeren) Heide. Hinter der großen Vöde, zu beiden Seiten der Castroper Straße bis zur Stadtgrenze (Landwehr) lagen noch private Äcker.
Diese großen Vöden wurden seit der ältesten Zeit stets im Wechsel als Weide und Ackerland benutzt. Hatte man 6 Jahre die große Vöde als Weide, die kleine als Acker gebraucht, so war es in den folgenden 6 Jahren umgekehrt. Damit nach 6 Jahren am Ende des letzten Ackerjahres sofort die Weide benutzbar war, mußte im letzten Ackerjahr ins Ackerland Klee eingesät werden. Der Zugang zur kleinen Vöde erfolgte von beiden Seiten der Bergstraße, in die große Vöde trieb man das Vieh über die im unteren Teil hohe Gate (gate = Viehtriftweg) genannte Castroper Straße bis zur heutigen Hagenstraße, dem eigentlichen Zugangsweg zu diesem Teil der Vöde.
Die Hütung auf der Vöde stand jedem Bürger frei. Das Vieh wurde von dem Hirten täglich zur gewissen Stunde gesammelt, das Blasen auf einem Horn gab der Bürgerschaft das Zeichen zum Heraustreiben des Viehes auf die Straße, wo der Hirte es in die Herde aufnahm.
Da die Bewirtschaftung der Vöden rückständig war, wurde unter Friedrich dem Großen nach dem Teiledikt vom 18. 6. 1765 ihre Teilung d. h. die Befreiung der Ackerländereien von der Hude und die endgültige Zuweisung des Ackers an die Bauern in Angriff genommen. Im Februar 1775 forderte die Kriegs- und Domänenkammer-Deputation in Hamm vom Magistrat Bericht über die Zweckmäßigkeit der Teilung der Vöden. Dieser sprach sich in einem scharf gehaltenen Schreiben gegen die Teilung aus, worauf der ganze Magistrat „wegen seiner invektiven Schreibart" in eine Strafe von 2 Reichstalern genommen wurde. In erneuten Eingaben wandte sich die Bürgerschaft an die Kammer in Kleve, die darauf die Teilung aufschob. Als im Jahre 1822 in Münster die Generalkommission errichtet wurde, deren Aufgabe Aufhebung der Gemeinheiten und Verbesserung der Bodenkultur war, wandten sich die Altenbochumer Landwirte an sie und verlangten die Teilung der Vöden in Bochum. Ein Spezialkommissar verhandelte mit den Bürgern. Man vermaß die Vöden, schätzte die Güte des Bodens ab und legte im Juli 1824 den Teilungsplan den Bauern wie der Bürgerschaft vor. Hiernach sollte die Hudschaft dadurch abgelöst werden, daß die Eigentümer 3/8 ihres Bodens an die Hudeberechtigten abtraten, jeder hudeberechtigte Hausbesitzer sollte also ein Stück Land als Abfindung erhalten. Mit diesem Plan waren die Bürger nicht einverstanden, da sie ohne Hude für ihre Kühe nicht lebensfähig seien. In langen Eingaben an alle behördlichen Stellen bis zum König protestierte man und drohte, so lange prozessieren zu wollen, bis die Gegenseite ermüden und den Teilungsantrag zurücknehmen würde. Bis in das Jahr 1835 dauerten die Verhandlungen über die Fragen: wer ist zur Hude berechtigt, jeder Viehhalter oder nur der Hauseigentümer? Lag bei dem Weiderecht Servitut oder Miteigentum vor? Man prozessierte jahrelang mit den Bauern, bis schließlich sich der Bürgermeister einmischte und erklärte, nicht der Hausbesitzer habe Rechte an der Vöde, sondern jeder Bürger, die Abfindung für Aufgabe der Hude müsse der Bürgerschaft, also der Stadt zufließen. Inzwischen hatten einige Bürger Klage erhoben auf Feststellung, daß sie Miteigentum an den Vöden hätten und den Hude-berechtigten anteilmäßig ein Teil der Abfindung an Boden zustehe. Dieser Prozeß ging in allen Instanzen verloren. Jetzt begann man gegen die Stadt zu prozessieren, man bestritt der Stadt das Recht für die Hudeberechtigten aufzutreten und verlangte die Beteiligung an der Abfindung. Auch dieser Prozeß ging ver-loren. Die Stadt hatte also mit Erfolg in den ganzen Streit eingegriffen und zu Gunsten der ganzen Bürgerschaft entgegen den Belangen der Hausbesitzer ihre Rechte an der alten Gemeindehude zu wahren gewußt Jetzt endlich war der Teilungsplan zur Ausführung reif. Er sah in seiner am 24.6.1846 vorgelegten Fassung vor, daß die Abfindung der Hudeberechtigten als Ganzes für die Bürgerschaft ausgeschieden werden sollte, und eine neue Hudewirtschaft ohne die ausgeschiedenen Vödeeigentümer in Erwägung gezogen wurde.
2. Die „Vöderevolution", die Teilung der Vöde durch Abfindung der bäuerlichen Grundeigentümer.
Die jahrelangen Streitigkeiten über die Teilung der Vöde mit den Behörden und dem Teilungskommissar hatten allmählich die Stimmung der Bürgerschaft zur Siedehitze gebracht. Man schrieb das Jahr 1848 und die Pariser Revolution, die zum Sturze des Bürgerkönigs Louis Philippe geführt hatte, wirkte in Deutschland wie ein elektrischer Schlag, man verlangte eine Anteilnahme des Volkes an der Gesetzgebung. Nach dem blutigen Barrikadenkampf in Berlin am 18. März zog der König die Truppen zurück und verfügte die Einrichtung der Bürgerwehr zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Eine „Extrabeilage" des Bochumer Kreisblattes - wohl die erste Sonderausgabe in Bochum überhaupt - brachte am 21. März die Nachricht aus Berlin von der beschleunigten Einberufung des Vereinigten Landtages, am 23. erließ der Magistrat einen Aufruf zur Bildung einer Bürgerwehr und schon am 28. hatten sich 530 Bürger eingeschrieben. Diese Wehr wurde in vier Kompagnien eingeteilt, Führer derselben waren Wirt M. Scharpenseel, Auktions-Kommissar Parpat, Apotheker Hager und Gerichtsassessor Bölling.
Die Wehr führte eine schwarz-rot-goldene Fahne, in die das Stadtwappen eingezeichnet war. Ihr lag die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in der Stadt ob. Sie hat diese Aufgabe gut erfüllt. Ihre Notwendigkeit sollte sie aber erst im August dieses Jahres anläßlich der „Vöderevolution" zeigen. Am 15. August hatte der Teilungskommissar die tatsächliche Teilung der kleinen und großen Vöde in Aussicht gestellt. Vergeblich warnte der Landrat Graf von der Recke-Volmarstein den Kommissar, in diesen erregten Zeiten den armen Bürgern den Weideplatz für ihr einziges Stück Milchvieh zu nehmen, auch der Magistrat wies darauf bin, daß die ge-36 plante Teilung gar nicht auszuführen sei in den gegenwärtigen erregten Zeiten ohne Beistand einer bedeutenden Militärmacht, aber auch dann nicht ohne Blutvergießen. „Es haben bereits in der hier so gut gesinnten und bisher so ruhigen Stadt bedeutende Demonstrationen stattgehabt und es wäre wirklich zu bedauern, wenn hier wirklich Exzesse hervorgerufen würden, ohne daß es nötig sei", berichtete der Landrat am 9. August der Generalkommission in Münster, die als staatliche Behörde für die Landeskultur die Teilung durchzuführen hatte, mit der Bitte, die Teilung auf ein Jahr zu verschieben. „Die hiesige Vöde" - so berichtet er weiter - „zerfällt in zwei Teile, die große und kleine Vöde, die alternierend 6 Jahre beackert und 6 Jahre beweidet werden. Jetzt ist die große Vöde Weide- und die kleine Vöde Ackerland. Der sechsjährige Turnus läuft erst im künftigen Jahre ab und die jetzt als Acker benutzte kleine Vöde, von der soeben die Früchte geerntet werden, ist daher auch gar nicht zur Weide geschickt. Wenn daher die Teilung jetzt vorgenommen wird, so erhalten die Hudeberechtigten keineswegs ein Weideland wieder, sondern, soweit die Abfindung auf der kleinen Vöde statthat, nur ein Stoppelfeld, auf dem nicht die mindeste Weide für Milchvieh vorhanden ist. Es ist deshalb auch ganz richtig, wie ich es in meiner Eingabe vom 1. dieses Monats angegeben, daß am Tage nach der Teilung alles Vieh der ärmeren Klasse ganz ohne Nahrung sein wird und daher abgeschafft werden muß. Wenn nun auch bereits nach Publikation des Apellationserkenntnisses vom 3. März die Teilung vorausgesehen werden konnte, so war es teils da nicht mehr möglich, den der Stadt zufallenden mit Getreide bestellten Teil der kleinen Vöde zur Weide für den Monat August schon zu bestimmen, teils auch waren die Hudeberechtigten bei der schon vorgerückten Jahreszeit überhaupt nicht imstand, noch Einrichtungen zur Sommerfütterung für Milchvieh zu treffen. Dem Vernehmen nach wird zwar die Stadt von der großen jetzt beweideten Vöde ungefähr 120 Morgen behalten, allein darauf kann noch nicht der dritte Teil der Kühe und Ziegen ernährt werden.
. . . Der sofortigen Teilung der Vöden muß ich aus wohlfahrtspolizeilichen Gründen widersprechen, weil der Nahrungszustand eines großen Teils der Einwohnerschaft der Stadt gänzlich zerstört wird, aber auch aus sicherheitspolizeilichen Rücksichten, weil die sofortige Teilung in jetzigen Zeiten und bei der deshalb in der Stadt herrschenden verzweiflungsvollen Aufregung ohne die größten Exzesse nicht stattfinden kann. Es ist ganz gewiß, daß die Teilung nicht geduldet werden wird, und wenn auch Militärmacht herangezogen werden möchte, so wird selbst, wenn dasselbe in so großer Zahl anwesend sein möchte, doch der Angriff der Hudeberechtigten nicht verhindern können, indem dieselben in solcher Stimmung sind, daß sie keine Gefahr achten. Die Gelegenheit zu solchen Ausschreitungen kann ich aber nicht geben und werde daher mich auch nicht dazu entschließen, Militär heranzuziehen. In der vorigen Nacht um 11 Uhr waren mehrere Hundert der Hudeberechtigten aus der Stadt mit Trommeln und Fahnen bei mir auf meinem Gute (Haus Overdyk in Ramme), um bei mir Hülfe zu suchen. Nur durch die Zusage, mich für sie zu verwenden, habe ich dieselben, die In der größten Aufregung waren, beschwichtigen können und nur dadurch, daß ich dem Geometer Gierlich, welcher, weil er sich am Tage nicht sicher hielt, während der Nacht die Abpfählung vornahm, die Einstellung des Vermessens bis zur näheren Entscheidung aufgegeben habe, habe ich von denselben das Versprechen des Ruhigverhaltens erhalten„. Aber die erregte Volksmenge blieb nicht ruhig. Nachdem der nächtliche Zug zum Landrat nicht ohne Wirkung geblieben war und mit ihm die „Vöderevolution" begonnen hatte, zog am folgenden Tage die Bochumer Bürgerschaft aus dem Gerberstraßenviertel, „mit allen möglichen Wehrgerätschaften, Forken, Schüppen und sonstigen Instrumenten bewaffnet" nach dem Gehöft des Landwirts Schulte-Ladbeck (der Hof lag an der heutigen Brücke an der Akademiestraße) und suchte unter Drohworten gegen diesen Deputierten der Grundbesitzer gewaltsam vorzugehen. Ein anderer Trupp streifte die Vöde ab und zerschlug die gerade angefahrenen Grenzsteine.
An diesen Ausschreitungen beteiligte sich größtenteils die geringe Klasse der Bochumer Eingesessenen, von denen nur wenige Kuhbesitzer waren; Weiber und halbwüchsige Burschen umrahmten das Bild dieser Bochu-mer Vöderevolution. Ganz Bochum war in Aufregung. Der Magistrat setzte sofort die Bürgerwehr in Tätigkeit, sie sollte durch eine Nachtwache den nächtlichen wüsten Katzenmusiklärm in der Gerberstraße unterdrücken. Der arme Schulte-Ladbeck. dem man drohte, seinen Hof anzuzünden, mußte mehrere wehrhafte Nachbarn aufbieten, um die Tumultuanten am Abend zum Abzuge zu veranlassen. Noch in der Nacht fuhr er mit dem Landwirt Gördt nach Münster und berichtete der Generalkommission von dem Treiben der Bürgerschaft gegen die Bauern. Seine Vorstellung, unterstützt von der Generalkommission, hatte Erfolg. Nur zu auffällig war, daß bei dem ganzen Aufruhr nicht die hütungsberechtigten Bürger demonstriert hatten, sondern es sich um eine ausgesprochene staatsfeindliche Hetze rauf- und tumultlustiger Elemente ge-handelt hatte. Das Oberpräsidium verfügte deshalb am 12. August auf Ersuchen der Generalkommission an den Landrat, die Teilung nicht durch irgendwelche Maßnahmen zu behindern, bei Widerstand, der sich nicht durch die am 15. Mai unter dem Namen „Landsturm" völlig organisierte ländliche Sicherheitswehr brechen ließe, sollte ein starkes Militärkommando überwiesen werden.
Die Aufregung in der Stadt ließ aber nicht nach. Noch bevor die Entscheidung in Münster ergangen war, hatte der Landrat zum Schutze der Bauernschaften Grumme und Altenbochum am 11. August 50 Mann, am nächstfolgenden Tage 200 Mann von dem in Hattingen stehenden Füsilier-Bataillon des 15. Infanterie-Regiments (Major Hülsen), das dort zur Unterdrückung etwaiger Ruhestörungen lag, requiriert, sodaß der Geometer Gierlich, der sich eine Woche lang nicht auf die Vöde wagen durfte, unter dem Schutze des Militärs seine Messungen fortsetzen konnte. „Mit den vorhandenen Gendarmen und Polizeidienern war derselbe vor Mißhandlungen nicht zu schützen und die Bürgerwehr ist in dieser städtischen Angelegenheit nicht zu gebrauchen" (!)‚ berichtete der Landrat unterm 12. 8. „Ich hätte gewünscht, noch Zeit zu gewinnen, um vielleicht noch einen Vergleich zu Stande zu bringen, da dies aber allen Bemühungen ungeachtet nicht zu bewirken gewesen ist so nehme ich meine bisherigen Anträge (auf Aufschiebung der Teilung) zurück, da die Sache so weit gediehen ist, daß dieselbe, so unglücklich dieselbe auch für die Hudeberechtigten ist, nunmehr doch ihren Fortgang wird haben müssen". Natürlich konnte infolge der Ereignisse der Teilungstermin vom 15. August nicht innegehalten werden. Die Arnsberger Regierung entsandte am 19. August den Regierungsrat Schmidt zur Leitung der bei der Teilung etwa erforderlichen militärischen Maßregeln nach Bochum. Am Abend des 20. August wurde er vor dem Gasthofe, wo er abgestiegen war, mit einer „Katzenmusik" von der aufgeregten Volksmenge bewillkommnet, wie er am 22. August der Regierung berichtete. „Gerüchte, wie sie hier in der Stadt zirkulieren, wonach von den Gegnern der Teilung Schießmunition in großartigem Maße angekauft sein sollte, (man sprach von mehreren Zentnern Pulver und 2 Ohmfässern voll Kugeln), sind natürlich handgreiflich unwahr; so viel ist indessen leider richtig, daß bei Errichtung der hiesigen Bürgerwehr gerade die jetzt opponierende Einwohnerklasse mit Schußwaffen versehen worden ist. Obgleich ich nun nicht glaube, daß ein ernstlicher Exzeß irgend zu befürchten steht, so haben wir doch, um keine Gelegenheit zur gütlichen Beilegung der Sache zu versäumen und auf dringendes Begehren des Magistrats, Landrats und vieler angesehener Einwohner gestern (21. 8.) den Versuch einer gütlichen Einigung gemacht. Ein großer Teil der auswärtigen Vöde-Eigentümer war bereit, die Ausführung der Vödeteilung bis Johanni künftigen Jahres auszusetzen; die Gemeinde Altenbochum, die sich wegen mehrerer von den hiesigen Einwohnern erlittenen Unbilden und Eigentumsbeeinträchtigungen in vorzugsweise übler Stimmung befand, hat jedoch den Vergleich anfänglich ganz abgelehnt, später um Bedenkzeit bis heute gebeten. So unangenehm dieser neue Aufschub auch war, so mußten wir dem Verlangen natürlich doch nachgeben, und haben wir daher heute einen wiederholten Termin zum Versuche einer gütlichen Einigung anberaumt. Schlägt auch dieser fehl, wie ich fest befürchte, so wird morgen unbedingt mit der Ausführung der Teilung begonnen.
Der Kommandeur des hier stehenden Militärs, Hauptmann Mauschering versichert, daß er stark genug sei, um etwaigen Exzessen wirksam zu begegnen. Ich kann nur nochmals wiederholen, daß ich nicht befürchte, daß es zu ernsthaften Exzessen kommt; es wird wohl bei einigen Demonstrationen bleiben". Dieser interessante Bericht des Justitiars der Arnsberger Regierung, der mit dem Oekonomierat Kunitz zusammen die Bochumer Bürgerschaft beschwichtigen und zur Vernunft bringen sollte, zeigt wie ernsthaft die zahlreiche Klasse der ärmeren Viehbesitzer in der Stadt, die für den täglichen Lebensunterhalt am meisten zu fürchten hat-ten, der Verlust der Weideplätze in der Vöde treffen mußte. Die Bemühungen des Regierungskommissars um Herbeiführung eines Vergleichs, der am 21. noch zu scheitern drohte, wurden am folgenden Tage endlich von Erfolg gekrönt. „Nach einem fruchtlosen Versuche einer gütlichen Einigung der Parteien hatte ich auf heute (23. 8.) morgen den Beginn der Abmessung der Vödeanteile angeordnet und im Einverständnisse mit dem Kommandeur des hierzu beorderten Militärkommandos die nötig scheinende Sicherheitsmaßregel getroffen. Glücklicherweise ist es gestern abend spät noch gelungen, einer von einigen hiesigen Teilnehmern erneut gestellten Vergleichsproposition Eingang zu verschaffen. Ihre Hauptbestimmungen gehen dahin, daß die bäuerlichen Interessenten von Grumme und Altenbochum, gegen welche sich der Volksunwille hauptsächlich gerichtet hatte, ihre Anteile zwar zugemessen erhalten, jedoch noch eine bedeutende Geldsumme von zirka 1 000 Thalern an die städtischen Hudeinteressenten zahlen. Dagegen werden die den Hudeinteressenten und den städtischen Vödeeigentümern zugeteilten Abfindungen, also der bei weitem größte Anteil beider Vöden, zu einer neuen Vödewirtschaft zusammengeworfen. Hierdurch schwindet nicht nur alle Besorgnis, daß die unbemittelte Bürgerklasse gegenwärtig ihrer nötigen Weide beraubt werden würde, sondern sie wird auch für die Zukunft sogar eine weit ergiebigere Weide erhalten. Wir haben es für angemessen gehalten, die in einer neulichen Volksversammlung von der niederen Klasse gewählten Sprecher zu der Vergleichsverhandlung zuzuziehen. Sie haben uns einstimmig die Versicherung gegeben, daß ihre Wähler mit diesem Vergleiche völlig einverstanden sein würden, und der zum Kommandanten der Bürgerwehr erwählte, bei den niederen Ständen sehr beliebte Oberlandesgerichtsassessor Bölling war sogar bereit, sich mit seinem ganzen Vermögen persönlich dafür zu verbürgen, daß keine Exzesse weiter vorkommen würden. Unter diesen Umständen zweifle ich nicht daß die Sache jetzt als völlig beigelegt anzusehen ist Dennoch war man, namentlich seitens der bei der Verhandlung anwesenden Magistratsmitglieder, der Ansicht, daß die Abmessung der den bäuerlichen Interessenten zufallenden Anteile wenigstens für heute noch auszusetzen sein müßte, einesteils, um den Vergleich im Publikum noch mehr bekannt werden zu lassen, anderenteils, um bei dem gerade heute stattfindenden Jahrmarkt allen etwaigen Exzessen vorzubeugen."
Der im letzten Augenblick zustande gekommene Vergleich über die Teilung hatte folgenden Inhalt:
Die festgesetzten Abfindungen an Land in der großen Vöde sollten sofort abgemessen und den Landwirten von Grumme und Altenbochum zur Ackerbestellung übergeben werden. In der kleinen Vöde sollten diese Abfindun-gen erst im nächsten Jahre übergeben und der Boden (65 Morgen) bis dahin mit Roggen besät, der Ertrag unter die Hudeberechtigten geteilt werden. Die einheimischen Grundbesitzer verzichteten auf Hudefreilegung ihrer Ländereien und wollten die Vödewirtschaft fortsetzen, wobei sie Wert darauf legten, daß die neuen ihnen zugeteilten Landstücke möglichst je zur Hälfte in einer der beiden Vöden zu liegen kämen.
Diese Vereinbarung wurde in einer öffentlichen Versammlung am 25. August der gesamten Bürgerschaft vorgelegt, am gleichen Tage befaßte sich auch eine außerordentliche Sitzung der Stadtverordneten mit dem Ver-gleichsvorschlag. In beiden Versammlungen stimmte man der Abfindung der auswärtigen Vödeeigentümer und der Fortsetzung der Hudewirtschaft zu. Gleichzeitig beschloß man, die Beaufsichtigung und Leitung des gesamten Hudewesens den Bürgern zu überlassen und diese dazu eine Kommission von 9 Mitgliedern wählen zu lassen, was am 27. 8. 1848 geschah. Diese Kommission bestand aus den Bürgern: Staatsanwalt zur Nedden, Kassenkontrolleur Röken, Kaufmann F. D. Cramer, Kaufmann L. Kenzler, Gerichtsbote Franke, Schuster Gantenberg, Sattler Theodor Hakkert, Fabrikant Moritz Viefhaus und Bäcker Haverkamp. Mittlerweile hatte auch die Regierungskommission Bochum verlassen. In seinem Schlußbericht vom 26. August bat der Kommissar aber doch noch, das Militär während der Abmessung an Ort und Stelle zu belassen. „Wenn ich auch vollständig der Ansicht bin, daß es eines militärischen Einschreitens nicht bedürfen wird, so hat uns doch ein am Donnerstag, dem 24. d. M., vorgekommener Zwischenfall, so durch einen meistenteils aus Weibern und Kindern bestehenden Menschenschwarm die Vermessungsarbeiten gehindert wurden, gezeigt, daß es im Volk, namentlich unter der Klasse der Einlieger, noch Elemente gibt, die mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Sind sie auch jetzt in der Minderheit, so möchten sie durch das Zurückziehen des Militärs leicht kühner gemacht werden, und meine Ansicht geht deshalb dahin, daß während der Dauer der Vermessung und Landüberweisung, die noch die ganze nächste Woche ausfüllen wird, noch Militär hier bleiben muß." Schon am folgenden Tage begab sich der Landrat nach Münster, um bei dem Generalkommando des 7. Armeekorps den Abmarsch des Militärs zu veranlassen, weil keine Störungen der Ruhe weiter zu befürchten seien. Jedoch der Oberpräsident war anderer Ansicht. „Des Landrats Grafen von der Recke ungeeignetes Benehmen in der Teilungs-Angelegenheit und seine übergroße Geneigtheit, sich den Kreiseingesessenen willfähig zu zeigen selbst dann, wenn bestimmtes Entgegentreten geboten erscheint, mußten mich veranlassen, die so bedauerlich gesteigerten und nicht rechtzeitig ernst gedämpften Zusammenrottungen durch einen Kommissar der Regierung in Arnsberg zu beseitigen zu suchen, und konnte ich, nachdem dies geschehen und erwünschten Erfolg gehabt, auch auf seine Berichte und nicht mehr auf den des Landrats meine Wünsche wegen Belassung von Militär bei resp. in Bochum gründen. . . . Wenn letzterer auch mir seine entgegengesetzte Ansicht entwickelte, so konnte ich bei seiner Persönlichkeit und bei der Unhaltbarkeit der dafür geltenden Gründe ihn nur zurückweisen und ihm die große Verantwortlichkeit klarzumachen versuchen, die daraus entspringe, wenn nochmals während der Teilungsausführung die Ruhe ernstlich gestört werden sollte, was die Kommission für den Fall des Zurückziehens des Militärs sehr möglich erachtet." Aus diesen Erwägungen bat der Oberpräsident das Generalkommando um Belassung des Militärs. Jenes gab aber auf den Bericht des Hauptmanns Mauschering den Befehl zum Abmarsch, so daß die beiden Kompagnien Altenbochum am 1. September verließen, nachdem der Landrat in wiederholten Eingaben sich für die Aufrechterhaltung der Ruhe verbürgt hatte. Damit hatten die Unruhen, die ein späterer Bericht des Magistrats. der Stimmung der Zeit entsprechend als „Vöderevolution" bezeichnet ihr Ende gefunden. Nachdem so eine Einigung zwischen den hudeberechtigten Bürgern und den Eigentümern der Vödegrundstücke endlich erzielt war, konnte der Teilungskomissar daran gehen, die beiden Vöden aufzuteilen. Schon in den Jahren 1824 - 25 hatten Sachverständige den Grund und Boden abgeschätzt und nach seinem Werte in drei Klassen eingeteilt, auch war der auf zahlreichen Grundstücken lastende alte landesherrliche Zehnten und der auf anderen Grundstücken ruhende Rechensche Zehnten durch eine Geldrente abgelöst worden.
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Teil 2
Langwierige Verhandlungen über die Zuteilung des Bodens in die einzelnen Güteklassen waren schließlich durch Erkenntnis des königl. Revisionskollegiums zu Berlin vom 3. 3. 1848 definitiv erledigt worden. So war der ganze Boden in Geld abgeschätzt worden. Für die Freilegung von der Hude mußten nun die Eigentümer der Vödegrundstücke, die nicht in die neue Vödewirtschaft mit übernommen werden wollten, an die Hudeberechtigten eine Abfindung von 50 Talern 1 Silbergr. 8 Pfennigen in Land für jeden Morgen ihres Besitzes leisten, ferner mußten sie noch eine Abfindung von 5 Talern pro Morgen als Kapitalabfindung geben, worüber die Vödeverwaltungskommission am 1. 7. 1849 quittierte. Der Teilungskommissar setzte nun nach diesen Grundsätzen für jeden Eigentümer den Wert seines Bodens und die darauf entfallende Abfindung an Land fest. Er bestimmte ferner für die Eigentümer der neuen Vödewirtschaft den Weidewert ihrer Grundstücke. Für den Landwirt Karl Schulte-Ladbeck, der auch Weiderechte nachweisen konnte, erfolgte hierfür eine Abfindung auch in Land, da er aus der Vödewirtschaft ausscheiden wollte. Vermessen war die kleine Vöde (Kataster Flur I,1) auf 230 Morgen 176 Ruten 65 Fuß, die große auf 347 Morgen 90 Ruten 91 Fuß (Kataster Flur II, 55). Es schieden aus der Vödewirtschaft folgende Eigentümer aus (hauptsächlich die beteiligten Landwirte von Grumme und Altenbochum und von Bochum diejenigen Bürger, die keine eigene Viehhaltung mehr hatten):
Name der Eigentümer Flächeninhalt ihrer Vödegrundstücke
Theodor Blumberg zu Grumme 15 Morgen 84 Ruten 60 Fuß
Georg Heinrich Bußmann zu Grumme und dessen Ehefrau Anna Margarete, geb. Surmann, genannt Dördelmann 50 Morgen 53 Ruten 23 Fuß
Heinrich Wilhelm Dieckmann zu Grumme und seine Ehefrau Maria Christ geb. Hesing 7 Morgen 18 Ruten 58 Fuß
Witwe Posthalter Gottfried Ecker zu Bochum für sich und ihre Kinder (als Zubehör des Schultheißenhofes) 50 Morgen 110 Ruten 97 Fuß
Wilhelm Feldhege zu Altenbochum und seine Ehefrau Elisabeth, geb. Blankenstein 2 Morgen 110 Ruten 85 Fuß
Georg Heinrich Friemann zu Altenbochum 11 Morgen 79 Ruten 38 Fuß
Johann Wilhelm Goerdt zu Altenbochum und seine Ehefrau Anna Cath. geb. Wintermann 14 Morgen 144 Ruten 9 Fuß
Wilhelm Helf gen. Dördelmann zu Grumme 30 Morgen 71 Ruten 45 Fuß
Johann Heinrich Höhne zu Grumme und seine Ehefrau Gertrud geb. Kabeisemann 24 Morgen 25 Ruten 35 Fuß
Diedrich Wilhelm Kellermann, genannt Kost zu Havkenscheid und seine Ehefrau Anna Elisabeth geb. Schmidtmann 5 Morgen 6 Ruten 14 Fuß
Theodor Heinrich Kleeberg zu Grumme 14 Morgen 157 Ruten 82 Fuß
Heinrich Peters zu Altenbochum und seine zweite Ehefrau Anna Maria geb. Schulte im Vels 11 Morgen 110 Ruten 71 Fuß
Heinrich Peters genannt Winkelmann und seine Ehefrau Anna Marg. Kleeberg 7 Morgen 32 Ruten 71 Fuß
Johann Wilhelm Peters u. s. Ehefrau Anna Maria geb. Blankenstein zu Altenbochum 5 Morgen 66 Ruten 16 Fuß
Friedrich Plümer zu Steele und dessen Ehefrau Helene geb. Hemmerich, jetzt Karl Schulte-Ladbeck 4 Morgen 130 Ruten 18 Fuß
Johann Heinrich Kracht genannt Püttmann zu Altenbochum u. seine Ehefrau Anna Cath. geb. Lenners, jetzt Karl Schulte-Ladbeck 12 Morgen 56 Ruten 37 Fuß
Theodor Joh. Heinr. Willi. Surmann genannt Rehlinghaus zu Grumme 15 Morgen 171 Ruten 16 Fuß
Die Erben des Wilh. Rehlinghaus zu Bochum, jetzt Heinr. Wilh. Vierhaus zu Grumme 3 Morgen 112 Ruten 71 Fuß
Justizrat Friedrich Schmieding u. seine Ehefrau Joh. Marie Cath. geb. Reinhold zu Münster 5 Morgen 6 Ruten 17 Fuß
Karl Schulte-Ladbeck in der Ladbeck bei Altenbochum u. s. Ehefrau Anna Maria Cath. geb. Tosse 22 Morgen 145 Ruten 25 Fuß
Gerichtsrat Franz Ludwig Surmann zu Essen (als Zubehör des ehemaligen Blankensteinhofs in Bochum) 9 Morgen 32 Ruten 7 Fuß
Heinrich Wilhelm Tenthoff jun. zu Grumme 3 Morgen 61 Ruten 40 Fuß
Witwe Hermann Vennemann zu Bochum, jetzt Bernh. Heinr. Vennemann 1 Morgen 11 Ruten 76 Fuß
Heinrich Wilhelm Vierhaus zu Grumme und seine Ehefrau Anna Christ geb. Rehlinghaus 21 Morgen 90 Ruten 7 Fuß
Heinrich Goerdt genannt Wintermann und seine Ehefrau geb. Wintermann 14 Morgen 105 Ruten 15 Fuß
Diese ausscheidenden Eigentümer mußten 3/8 ihrer Ländereien als Abfindung für die Hudefreilegung ihrer Grundstücke an die Hudeberechtigten abtreten. Im Umlegungsverfahren erhielten sie dann nach Wunsch in einer der beiden Vöden neue zusammenhängende Landstücke, während sie früher zahlreiche kleine Landstücke besessen hatten. Von dem gesamten Vödeland von insgesamt rund 577 Morgen schieden so rund 229 Morgen aus und rund 130 Morgen gingen als Abfindung an die Hudeberechtigten über, deren Rechte die Stadt als Bürgervermögen später wahrnahm. Die Bochumer Vödeeigentümer, die sich zum größten Teil nicht hatten abfinden lassen, setzten auf den neuen zusammengelegten Grundstücken mit den anderen Hudeberechtigten, wozu der größere Teil der Hausbesitzer gehörte, weil diese durchweg bei den damaligen ländlichen Verhältnissen in Bochum ein Stück Milchvieh hielten, die Vödewirtschaft fort.
3. Die neue Vödewirtschaft (1848 - 1870)
Als Hudeabfindung wurden der Bürgerschaft als Hudegemeinschaft in der großen Vöde 64 Morgen in einem Landstück, in der kleinen Vöde 65 Morgen in drei Landstücken (6, 2 und 57 Morgen) überwiesen. Auf diesem Gelände und auf dem ganzen Grundbesitz der Bochumer Vödeeigentümer durfte in Zukunft die Hude weiter ausgeübt werden. Alle Einzelheiten der Landabfindung regelte der umfangreiche Rezeß vom 26. 8. 1852, der am 27. 10. 1853 von der Generalkommission zur Regulierung der Gemeinheitsteilungen in Münster genehmigt wurde. Im Jahre 1849 wurde in der großen Vöde die Landabfindung in 78 Parzellen als Ackerland auf drei Jahre verpachtet, während in der kleinen Vöde in dieser Zeit die Hude stattfand. Von 1853 ab wechselte diese Bewirtschaftung der beiden Vöden alle drei Jahre. Dieser große Landbesitz in beiden Vöden brachte erhebliche Pachtsummen ein, so wurden z. B. die Parzellen in der großen Vöde von 1849 - 52 für 535, von 1861 - 64 für 718 Taler, diejenigen der kleinen Vöde 1853 - 55 für 805 Taler, 1864 - 67 für 959 Taler jährlich verpachtet. In den drei Jahren, wo die eine Vöde als Ackerland benutzt wurde, war die Fruchtfolge insoweit festgelegt, als im letzten Jahr Roggen gesät werden mußte, unter den von den Hudeberechtigten weißer Klee auf ihre Kosten ein-gesät wurde, damit im folgenden Brachjahre die Weide grün war.
Die Huderechte wurden unter Aufsicht des Magistrats, der 1852 auf die Umwandlung in Kämmereivermögen verzichtet hatte, von einer Verwaltungskommission wahrgenommen. Die erste war am 27.8.1848 gewählt wor-den. Als sich im Laufe der Zeit Zweifel über die Befugnisse erhoben, wurden ihre Rechte in einem Statut festgesetzt. Nach diesem „Statut für die Stadt Bochumer Vöden„ vom 20. 12.1852 wurde die Landabfindung der Hudeberechtigten für unveräußerliches Bürgervermögen erklärt. Sämtliche Vödeangelegenheiten sollten unter Aufsicht und Kontrolle des Magistrats von dieser Vödekommission verwaltet werden. Sie hatte einen Rendanten (Ostermann) für die laufende Geschäftsführung anzustellen, das gesamte Hudewesen zu leiten, die Hirten zu bestellen und zu entlassen sowie den Anfang und das Ende der Hudezeit zu bestimmen. Ferner lag ihr der Ankauf des Kleesamens, die Verpachtung der nicht zur Hude kommenden Vödeländereien, die Verteilung der Steuern und der Ankauf von Land zur Vergrößerung der Hude ob. Jährlich war im September der Etat für die Vödeverwaltung aufzustellen und dem Magistrat zur Genehmigung vorzulegen, jährlich bis zum ersten Mai war auch die Vödeabrecbnung zur Revision einzureichen und über das Resultat der Verwaltung ein Bericht zu veröffentlichen.
In den ersten Jahren ihres Bestehens hatte die Vödekommission unter dem Vorsitz des sehr rührigen zur Nedden viele Arbeit zu bewältigen. Es galt, die Vermessung der Vöden, die Setzung der Grenzsteine, die Anlegung der neuen Wege, die Verhandlungen mit den abzufindenden Grundeigentümern zu überwachen und mit dem amtlichen Teilungskommissar die Teilung zu einem guten Ende zu bringen. Bis 1851 war die Auflegung der Wege und die Versteinung der Grenzen durchgeführt. Dann wurden die Grandgrube (Grant = Grint, Sand), der Elscheids- und der Fiegenkamp für die Weide planiert (es war das Gelände am alten Stadtparkteich und an der Kurfürstenstraße).
Im Frühjahr eines jeden Jahres wurden von der Vödekommission die Hirten angestellt, für sie wurde ein Hütungsreglement ausgearbeitet, auf das sie verpflichtet wurden. Die zuerst angestellten Hirten waren Wilhelm Ronsdorf, Heinrich Koch, Wilhelm Schwarze und Christine Bode. Nach dem Ausscheiden des Ronsdorf wurde am 24. 6. 1850 der Tagelöhner Heinrich Kortebusch als Kuhhirte verpflichtet. Nach dem neuen Statut war jeder, welcher am 1. 9. 1848 Gemeindemitglied der Stadt war, berechtigt, sein Vieh auf die Vöde zu treiben. Später neuzuziehende Personen mußten 25 Taler in die Hude-kasse entrichten, bevor sie ihr Vieh zur Vöde treiben lassen durften. Ein Stück Vieh war frei, für jedes weitere mußten 3 Taler (für eine Kuh) bzw. 1 Taler (für eine Ziege) Weidegeld entrichtet werden. Für jedes Stück Vieh mußte an den Hirten ein Hütegeld von 15 Silbergroschen entrichtet werden, wogegen alle sonst gebräuchlichen Umgänge und das sogenannte Weidegeld in Fortfall kamen. Die auf den Hudebezirk entfallenden Grundsteuern wurden nach der Stückzahl des aufgetriebenen Viehs umgelegt, für eine Ziege jedoch nur der halbe Satz einer Kuh genommen. Das Auftreiben von Schweinen war verboten, weil diese auf der Weide zu viel Schaden anrichten. Diese durften nur auf die abgeernteten Ackerflächen zur Hude getrieben werden. Die Zahl des aufgetriebenen Viehs betrug im ersten Jahre (1849) 153 Kühe, 98 Ziegen. Im Laufe der Zeit verringerte sich diese Zahl immer mehr, so daß der Bürgermeister Greve sich am 12. 9. 1867 mit folgendem Schreiben an die Kommission wandte: „Nach den in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen nimmt das Vieh, welches zur Vöde getrieben wird, von Jahr zu Jahr ab. Im vorigen Jahr wurden nur 91 Kühe und 52 Ziegen aufgetrieben und in diesem Jahr ist die Zahl noch geringer. Gleichzeitig wird die Hude von Jahr zu Jahr schlechter und die Landwirte sind darüber einig, daß der Boden durch die jetzige Hudewirtschaft mit dreijährigem Umtrieb immer mehr verdirbt und namentlich seine Kleefähigkeit verliert. Es ist daher schon vielseitig darauf hingewiesen, daß es unzweckmäßig sei, die jetzige Hudewirtschaft, welche dem größeren Teil der Bürgerschaft zur Belästigung gereicht, und die sich mit unseren jetzigen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mehr verträgt, im Interesse der wenigen, welche noch von der Vöde Gebrauch machen, fortbestehen zu lassen. Bevor wir jedoch der Frage, ob die jetzige Hudewirtschaft aufzuheben und die Separation zu beantragen sei, näher treten, ersuchen wir die Vödekommission, sich hierüber vorab gutachtlich zu äußern." Über die weiteren Verhandlungen der Vödekommission läßt sich beim Fehlen des diesbezüglichen Aktenstückes in unserem Stadtarchiv nichts weiter berichten. Die Kommission, die nach den Bestimmungen des Rezesses aus den Bürgern gewählt werden sollte, mangels Beteiligung an dieser Wahl seit dem Jahre 1858 aber durch den Magistrat ernannt wurde, bestand damals aus dem Kaufmann Bernhard Laarmann, Wirt Friedrich Fricke, Kaufmann Franz Hackert, Kaufmann Moritz Fleischhauer, Bäcker Peter Schipper, Wirt Wilhelm Homborg, Bäcker Heinrich Flottmann, Weinwirt Eduard Cramer, Wirt Moritz Scharpenseel. Sie pflichtete dem Magistrat zu. Einer Teilung der Vöden und Aufhebung der Hudewirtschaft wurde kein ernstlicher Widerstand in der Bürgerschaft mehr geleistet. Bochum war Industriestadt geworden, seine Bürger benötigten die Vöden nicht mehr, weil kaum noch Vieh gehalten wurde.
Am 10. März 1868 stellte der Magistrat bei der Generalkommission in Münster den Antrag auf Einleitung des Teilungsverfahrens. Er wies darauf hin, daß „seitdem die hiesige Stadt ihren ackerbautreibenden Charakter abgestreift hat und sich immer mehr zu einer reinen Industriestadt entwickelt", die ganze veraltete Hudewirtschaft nicht mehr in das Stadtbild passe. Auch habe die Vödekommission im Laufe der Jahre sich als eine ganz unhaltbare und nicht lebensfähige Einrichtung erwiesen. Die Generalkommission bestimmte bald einen Teilungskommissar und ordnete die rasche Durchführung der Hudeablösung an. Als so das Ende der Vödewirtschaft nahte, machte eine Anzahl der Hudeberechtigten den letzten Versuch in Eingaben an das Ministerium, die Hude aufrecht zu erhalten, im Falle der Beseitigung machten sie den Vorschlag, die ganze Vödefläche unter die letzten Hudeberechtigten aufzuteilen. Man suchte also ein Stück Land dabei herauszuschlagen. Ihre Eingaben wurden abgelehnt. Die Generalkommission arbeitete schnell. Bis Anfang 1870 hatte der Teilungskommissar Wattendorf den Auseinandersetzungsplan fertiggestellt. Nun kam die Entscheidung, was mit der Abfindung für die Aufgabe der Hudegerechtsame, die in dem Vergleich vom 25. August 1848 als „Bürgervermögen" erklärt worden war, geschehen sollte. Der Magistrat verlangte, daß das Eigentum an der Landabfindung der politischen Gemeinde, die Nutzungen derselben den Gemeindegliedern und zwar nicht nur den hudeberechtigten Hausbesitzern, sondern allen Bürgern zustehen solle. Er beantragte also Überweisung der Landabfindung an die Stadtgemeinde. Diesem Verlangen wurde stattgegeben. In dem Rezeß vom 6. März 1873 kamen schließlich diese Verhandlungen zum Abschluß.
Im Februar 1870 lief das letzte Ackerjahr ab, der Boden mußte brach liegen bleiben für die Durchführung der Teilung. Am 25. Juli hörte die Hude auf. Zum letzten Male führte der alte Kortebusch seine Kühe zur Weide und nahm dann wehmütig Abschied von den Gefilden und seinen Schützlingen. Am 19. Juli war die Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland erfolgt. Infolge der Kriegsjahre verzögerte sich die Entscheidung über das endgültige Schicksal der Vödeländereien, die nach dem Rezeß Eigentum der Stadt geworden waren. Nach dem Teilungsplan bestand die Teilungsmasse in insgesamt 323 Morgen 98 Ruten 34 Fuß Land in beiden Vöden. Hiervon gehörten den Bochumer Vödeeigentümern insgesamt rund 192 Morgen. Als Abfindung der Freilegung ihrer Grundstücke von der Hude mußten sie 3/8 des Taxwertes als Abfindung in Land an die Stadt geben und außerdem für jeden Morgen 5 Taler Geldabfindung zahlen. Die Stadt erhielt also an Landabfindung insgesamt 70 Morgen 17 Ruten und 80 Fuß. Hierzu kam die frühere Landabfindung aus dem ersten Rezeß von 1852 in Höhe von rund 130 Morgen, so daß die Stadt aus der Aufhebung und Teilung der Vöden einen Landzuwachs von rund 200 Morgen erhielt. Sie legte auf dem Gelände in der kleinen Vöde den Stadtpark, auf der großen Vöde später den Friedhof an der Blumenstraße an, trat 1886 17 Morgen an den Justizfiskus ab zur Errichtung des Zentralgefängnisses und hatte noch wertvolles Gelände für spätere Bebauungspläne zur Hand. Die Bochumer Vödeeigentümer erhielten ihre Abfindung in der kleinen Vöde zu beiden Seiten der heutigen Vödestraße, an der Straße „Am alten Park" und an der Klinikstraße, in der großen Vöde auf dem Gelände zu beiden Seiten der Castroper Straße.
Bei der Katasteraufnahme (1823) waren die Vödeteile nicht vermessen worden, sondern standen bis zum Jahre 1855 unter einer Parzellennummer in der Mutterrolle Art. 126 „Gemeinheiten" eingetragen. Erst 1875 wurden die neuen Abfindungen den einzelnen Eigentümern zugemessen auf Grund des vollzogenen Rezesses.
75 Jahre Bochumer Stadtpark.
Der erste Beschluß, für die schwerarbeitende Bevölkerung eine Erholungsstätte im Grünen zu schaffen, wurde von den städtischen Körperschaften im Jahre 1869 gefaßt. Infolge der Kriegsjahre 1870/71 verzögerte sich aber die Ausführung des Planes. Dieser sah die Verwendung der infolge der Vödeteilung der Stadt zugefallenen Grünflächen in der kleinen Vöde zu einer Erholungsstätte vor. Das ansteigende Gelände zwischen Berg- und Castroper Straße mit seiner Grandkuhle = Sandkuhle und schönen Wiesenflächen bot. Gelegenheit zur Anlage einer Parkanlage in dem damals üblichen englischen Parkstil. Die englische Landschaft mit weiten hügeligen Wiesenflächen und einzelnen Gruppen mächtiger Bäume und kleinen Waldstreifen, meist durchzogen von einem sich schlängelnden Bachlauf, der sich hier und da zu einem kleinen See erweiterte, war Vorbild. Der Gartenarchitekt hat in kluger Vorempfindung der späteren Wirkung in unserem Stadtpark seine Aufgabe glänzend gelöst. Drei Jahre nahmen, nachdem 1876 der erste Spatenstich getan war, die gärtnerischen Arbeiten in Anspruch, bis im Jahre 1878 der Park in einer Größe von 50 Morgen erstanden war. Zehn Jahre später wurde seine Erweiterung durch Aufforstung der nördlich sich anschließenden städtischen Weide beschlossen, es entstanden die dichten Waldpartien um den später (1909) angelegten Bismarckturm. Im Jahre 1904 begann man mit der Anlegung eines neuen Stadtparkteiles, der ebenfalls im englischen Stil gehalten wurde. Diese letzte Erweiterung mit dem großen Teich, den Wasserfällen und den umfangreichen farbenprächtigen Blumenbeeten brachte den ganzen Park auf den heutigen Umfang von 120 Morgen. Einen besseren Zugang zum Park schuf man durch die Offenlegung der Kaiser-Wilhelm-Straße, die zu dem wuchtigen schmiedeeisernen Haupteingangstor des alten Stadtparks führte. In der Mitte des Parkes an überhöhter Stelle legte der damalige Stadtbaumeister Elkart das Parkhaus (1914) an, im neuen Teil wurde das Milchhäuschen zu einem beliebten Aufenthalt. Durch Anlage eines Tierparks hat man das Interesse besonders bei der Jugend für unsere heimische Tierwelt geweckt.
Der letzte Krieg brachte auch für den Stadtpark starke Eingriffe und Zerstörungen des Landschaftsbildes, die Not der Zeit wandelte größere Teile der freien Flächen in Gemüsegärten um. Aber auch diese Zeiten gingen vorüber und so prangt der Stadtpark jetzt wieder in alter Schönheit und wir Bochumer können stolz sein, daß wir dank der weisen Voraussicht unserer Stadtväter heute den größten und schönsten Park in weitem Umkreis besitzen.
Quelle
Name der Eigentümer Flächeninhalt ihrer Vödegrundstücke
Theodor Blumberg zu Grumme 15 Morgen 84 Ruten 60 Fuß
Georg Heinrich Bußmann zu Grumme und dessen Ehefrau Anna Margarete, geb. Surmann, genannt Dördelmann 50 Morgen 53 Ruten 23 Fuß
Heinrich Wilhelm Dieckmann zu Grumme und seine Ehefrau Maria Christ geb. Hesing 7 Morgen 18 Ruten 58 Fuß
Witwe Posthalter Gottfried Ecker zu Bochum für sich und ihre Kinder (als Zubehör des Schultheißenhofes) 50 Morgen 110 Ruten 97 Fuß
Wilhelm Feldhege zu Altenbochum und seine Ehefrau Elisabeth, geb. Blankenstein 2 Morgen 110 Ruten 85 Fuß
Georg Heinrich Friemann zu Altenbochum 11 Morgen 79 Ruten 38 Fuß
Johann Wilhelm Goerdt zu Altenbochum und seine Ehefrau Anna Cath. geb. Wintermann 14 Morgen 144 Ruten 9 Fuß
Wilhelm Helf gen. Dördelmann zu Grumme 30 Morgen 71 Ruten 45 Fuß
Johann Heinrich Höhne zu Grumme und seine Ehefrau Gertrud geb. Kabeisemann 24 Morgen 25 Ruten 35 Fuß
Diedrich Wilhelm Kellermann, genannt Kost zu Havkenscheid und seine Ehefrau Anna Elisabeth geb. Schmidtmann 5 Morgen 6 Ruten 14 Fuß
Theodor Heinrich Kleeberg zu Grumme 14 Morgen 157 Ruten 82 Fuß
Heinrich Peters zu Altenbochum und seine zweite Ehefrau Anna Maria geb. Schulte im Vels 11 Morgen 110 Ruten 71 Fuß
Heinrich Peters genannt Winkelmann und seine Ehefrau Anna Marg. Kleeberg 7 Morgen 32 Ruten 71 Fuß
Johann Wilhelm Peters u. s. Ehefrau Anna Maria geb. Blankenstein zu Altenbochum 5 Morgen 66 Ruten 16 Fuß
Friedrich Plümer zu Steele und dessen Ehefrau Helene geb. Hemmerich, jetzt Karl Schulte-Ladbeck 4 Morgen 130 Ruten 18 Fuß
Johann Heinrich Kracht genannt Püttmann zu Altenbochum u. seine Ehefrau Anna Cath. geb. Lenners, jetzt Karl Schulte-Ladbeck 12 Morgen 56 Ruten 37 Fuß
Theodor Joh. Heinr. Willi. Surmann genannt Rehlinghaus zu Grumme 15 Morgen 171 Ruten 16 Fuß
Die Erben des Wilh. Rehlinghaus zu Bochum, jetzt Heinr. Wilh. Vierhaus zu Grumme 3 Morgen 112 Ruten 71 Fuß
Justizrat Friedrich Schmieding u. seine Ehefrau Joh. Marie Cath. geb. Reinhold zu Münster 5 Morgen 6 Ruten 17 Fuß
Karl Schulte-Ladbeck in der Ladbeck bei Altenbochum u. s. Ehefrau Anna Maria Cath. geb. Tosse 22 Morgen 145 Ruten 25 Fuß
Gerichtsrat Franz Ludwig Surmann zu Essen (als Zubehör des ehemaligen Blankensteinhofs in Bochum) 9 Morgen 32 Ruten 7 Fuß
Heinrich Wilhelm Tenthoff jun. zu Grumme 3 Morgen 61 Ruten 40 Fuß
Witwe Hermann Vennemann zu Bochum, jetzt Bernh. Heinr. Vennemann 1 Morgen 11 Ruten 76 Fuß
Heinrich Wilhelm Vierhaus zu Grumme und seine Ehefrau Anna Christ geb. Rehlinghaus 21 Morgen 90 Ruten 7 Fuß
Heinrich Goerdt genannt Wintermann und seine Ehefrau geb. Wintermann 14 Morgen 105 Ruten 15 Fuß
Diese ausscheidenden Eigentümer mußten 3/8 ihrer Ländereien als Abfindung für die Hudefreilegung ihrer Grundstücke an die Hudeberechtigten abtreten. Im Umlegungsverfahren erhielten sie dann nach Wunsch in einer der beiden Vöden neue zusammenhängende Landstücke, während sie früher zahlreiche kleine Landstücke besessen hatten. Von dem gesamten Vödeland von insgesamt rund 577 Morgen schieden so rund 229 Morgen aus und rund 130 Morgen gingen als Abfindung an die Hudeberechtigten über, deren Rechte die Stadt als Bürgervermögen später wahrnahm. Die Bochumer Vödeeigentümer, die sich zum größten Teil nicht hatten abfinden lassen, setzten auf den neuen zusammengelegten Grundstücken mit den anderen Hudeberechtigten, wozu der größere Teil der Hausbesitzer gehörte, weil diese durchweg bei den damaligen ländlichen Verhältnissen in Bochum ein Stück Milchvieh hielten, die Vödewirtschaft fort.
3. Die neue Vödewirtschaft (1848 - 1870)
Als Hudeabfindung wurden der Bürgerschaft als Hudegemeinschaft in der großen Vöde 64 Morgen in einem Landstück, in der kleinen Vöde 65 Morgen in drei Landstücken (6, 2 und 57 Morgen) überwiesen. Auf diesem Gelände und auf dem ganzen Grundbesitz der Bochumer Vödeeigentümer durfte in Zukunft die Hude weiter ausgeübt werden. Alle Einzelheiten der Landabfindung regelte der umfangreiche Rezeß vom 26. 8. 1852, der am 27. 10. 1853 von der Generalkommission zur Regulierung der Gemeinheitsteilungen in Münster genehmigt wurde. Im Jahre 1849 wurde in der großen Vöde die Landabfindung in 78 Parzellen als Ackerland auf drei Jahre verpachtet, während in der kleinen Vöde in dieser Zeit die Hude stattfand. Von 1853 ab wechselte diese Bewirtschaftung der beiden Vöden alle drei Jahre. Dieser große Landbesitz in beiden Vöden brachte erhebliche Pachtsummen ein, so wurden z. B. die Parzellen in der großen Vöde von 1849 - 52 für 535, von 1861 - 64 für 718 Taler, diejenigen der kleinen Vöde 1853 - 55 für 805 Taler, 1864 - 67 für 959 Taler jährlich verpachtet. In den drei Jahren, wo die eine Vöde als Ackerland benutzt wurde, war die Fruchtfolge insoweit festgelegt, als im letzten Jahr Roggen gesät werden mußte, unter den von den Hudeberechtigten weißer Klee auf ihre Kosten ein-gesät wurde, damit im folgenden Brachjahre die Weide grün war.
Die Huderechte wurden unter Aufsicht des Magistrats, der 1852 auf die Umwandlung in Kämmereivermögen verzichtet hatte, von einer Verwaltungskommission wahrgenommen. Die erste war am 27.8.1848 gewählt wor-den. Als sich im Laufe der Zeit Zweifel über die Befugnisse erhoben, wurden ihre Rechte in einem Statut festgesetzt. Nach diesem „Statut für die Stadt Bochumer Vöden„ vom 20. 12.1852 wurde die Landabfindung der Hudeberechtigten für unveräußerliches Bürgervermögen erklärt. Sämtliche Vödeangelegenheiten sollten unter Aufsicht und Kontrolle des Magistrats von dieser Vödekommission verwaltet werden. Sie hatte einen Rendanten (Ostermann) für die laufende Geschäftsführung anzustellen, das gesamte Hudewesen zu leiten, die Hirten zu bestellen und zu entlassen sowie den Anfang und das Ende der Hudezeit zu bestimmen. Ferner lag ihr der Ankauf des Kleesamens, die Verpachtung der nicht zur Hude kommenden Vödeländereien, die Verteilung der Steuern und der Ankauf von Land zur Vergrößerung der Hude ob. Jährlich war im September der Etat für die Vödeverwaltung aufzustellen und dem Magistrat zur Genehmigung vorzulegen, jährlich bis zum ersten Mai war auch die Vödeabrecbnung zur Revision einzureichen und über das Resultat der Verwaltung ein Bericht zu veröffentlichen.
In den ersten Jahren ihres Bestehens hatte die Vödekommission unter dem Vorsitz des sehr rührigen zur Nedden viele Arbeit zu bewältigen. Es galt, die Vermessung der Vöden, die Setzung der Grenzsteine, die Anlegung der neuen Wege, die Verhandlungen mit den abzufindenden Grundeigentümern zu überwachen und mit dem amtlichen Teilungskommissar die Teilung zu einem guten Ende zu bringen. Bis 1851 war die Auflegung der Wege und die Versteinung der Grenzen durchgeführt. Dann wurden die Grandgrube (Grant = Grint, Sand), der Elscheids- und der Fiegenkamp für die Weide planiert (es war das Gelände am alten Stadtparkteich und an der Kurfürstenstraße).
Im Frühjahr eines jeden Jahres wurden von der Vödekommission die Hirten angestellt, für sie wurde ein Hütungsreglement ausgearbeitet, auf das sie verpflichtet wurden. Die zuerst angestellten Hirten waren Wilhelm Ronsdorf, Heinrich Koch, Wilhelm Schwarze und Christine Bode. Nach dem Ausscheiden des Ronsdorf wurde am 24. 6. 1850 der Tagelöhner Heinrich Kortebusch als Kuhhirte verpflichtet. Nach dem neuen Statut war jeder, welcher am 1. 9. 1848 Gemeindemitglied der Stadt war, berechtigt, sein Vieh auf die Vöde zu treiben. Später neuzuziehende Personen mußten 25 Taler in die Hude-kasse entrichten, bevor sie ihr Vieh zur Vöde treiben lassen durften. Ein Stück Vieh war frei, für jedes weitere mußten 3 Taler (für eine Kuh) bzw. 1 Taler (für eine Ziege) Weidegeld entrichtet werden. Für jedes Stück Vieh mußte an den Hirten ein Hütegeld von 15 Silbergroschen entrichtet werden, wogegen alle sonst gebräuchlichen Umgänge und das sogenannte Weidegeld in Fortfall kamen. Die auf den Hudebezirk entfallenden Grundsteuern wurden nach der Stückzahl des aufgetriebenen Viehs umgelegt, für eine Ziege jedoch nur der halbe Satz einer Kuh genommen. Das Auftreiben von Schweinen war verboten, weil diese auf der Weide zu viel Schaden anrichten. Diese durften nur auf die abgeernteten Ackerflächen zur Hude getrieben werden. Die Zahl des aufgetriebenen Viehs betrug im ersten Jahre (1849) 153 Kühe, 98 Ziegen. Im Laufe der Zeit verringerte sich diese Zahl immer mehr, so daß der Bürgermeister Greve sich am 12. 9. 1867 mit folgendem Schreiben an die Kommission wandte: „Nach den in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen nimmt das Vieh, welches zur Vöde getrieben wird, von Jahr zu Jahr ab. Im vorigen Jahr wurden nur 91 Kühe und 52 Ziegen aufgetrieben und in diesem Jahr ist die Zahl noch geringer. Gleichzeitig wird die Hude von Jahr zu Jahr schlechter und die Landwirte sind darüber einig, daß der Boden durch die jetzige Hudewirtschaft mit dreijährigem Umtrieb immer mehr verdirbt und namentlich seine Kleefähigkeit verliert. Es ist daher schon vielseitig darauf hingewiesen, daß es unzweckmäßig sei, die jetzige Hudewirtschaft, welche dem größeren Teil der Bürgerschaft zur Belästigung gereicht, und die sich mit unseren jetzigen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mehr verträgt, im Interesse der wenigen, welche noch von der Vöde Gebrauch machen, fortbestehen zu lassen. Bevor wir jedoch der Frage, ob die jetzige Hudewirtschaft aufzuheben und die Separation zu beantragen sei, näher treten, ersuchen wir die Vödekommission, sich hierüber vorab gutachtlich zu äußern." Über die weiteren Verhandlungen der Vödekommission läßt sich beim Fehlen des diesbezüglichen Aktenstückes in unserem Stadtarchiv nichts weiter berichten. Die Kommission, die nach den Bestimmungen des Rezesses aus den Bürgern gewählt werden sollte, mangels Beteiligung an dieser Wahl seit dem Jahre 1858 aber durch den Magistrat ernannt wurde, bestand damals aus dem Kaufmann Bernhard Laarmann, Wirt Friedrich Fricke, Kaufmann Franz Hackert, Kaufmann Moritz Fleischhauer, Bäcker Peter Schipper, Wirt Wilhelm Homborg, Bäcker Heinrich Flottmann, Weinwirt Eduard Cramer, Wirt Moritz Scharpenseel. Sie pflichtete dem Magistrat zu. Einer Teilung der Vöden und Aufhebung der Hudewirtschaft wurde kein ernstlicher Widerstand in der Bürgerschaft mehr geleistet. Bochum war Industriestadt geworden, seine Bürger benötigten die Vöden nicht mehr, weil kaum noch Vieh gehalten wurde.
Am 10. März 1868 stellte der Magistrat bei der Generalkommission in Münster den Antrag auf Einleitung des Teilungsverfahrens. Er wies darauf hin, daß „seitdem die hiesige Stadt ihren ackerbautreibenden Charakter abgestreift hat und sich immer mehr zu einer reinen Industriestadt entwickelt", die ganze veraltete Hudewirtschaft nicht mehr in das Stadtbild passe. Auch habe die Vödekommission im Laufe der Jahre sich als eine ganz unhaltbare und nicht lebensfähige Einrichtung erwiesen. Die Generalkommission bestimmte bald einen Teilungskommissar und ordnete die rasche Durchführung der Hudeablösung an. Als so das Ende der Vödewirtschaft nahte, machte eine Anzahl der Hudeberechtigten den letzten Versuch in Eingaben an das Ministerium, die Hude aufrecht zu erhalten, im Falle der Beseitigung machten sie den Vorschlag, die ganze Vödefläche unter die letzten Hudeberechtigten aufzuteilen. Man suchte also ein Stück Land dabei herauszuschlagen. Ihre Eingaben wurden abgelehnt. Die Generalkommission arbeitete schnell. Bis Anfang 1870 hatte der Teilungskommissar Wattendorf den Auseinandersetzungsplan fertiggestellt. Nun kam die Entscheidung, was mit der Abfindung für die Aufgabe der Hudegerechtsame, die in dem Vergleich vom 25. August 1848 als „Bürgervermögen" erklärt worden war, geschehen sollte. Der Magistrat verlangte, daß das Eigentum an der Landabfindung der politischen Gemeinde, die Nutzungen derselben den Gemeindegliedern und zwar nicht nur den hudeberechtigten Hausbesitzern, sondern allen Bürgern zustehen solle. Er beantragte also Überweisung der Landabfindung an die Stadtgemeinde. Diesem Verlangen wurde stattgegeben. In dem Rezeß vom 6. März 1873 kamen schließlich diese Verhandlungen zum Abschluß.
Im Februar 1870 lief das letzte Ackerjahr ab, der Boden mußte brach liegen bleiben für die Durchführung der Teilung. Am 25. Juli hörte die Hude auf. Zum letzten Male führte der alte Kortebusch seine Kühe zur Weide und nahm dann wehmütig Abschied von den Gefilden und seinen Schützlingen. Am 19. Juli war die Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland erfolgt. Infolge der Kriegsjahre verzögerte sich die Entscheidung über das endgültige Schicksal der Vödeländereien, die nach dem Rezeß Eigentum der Stadt geworden waren. Nach dem Teilungsplan bestand die Teilungsmasse in insgesamt 323 Morgen 98 Ruten 34 Fuß Land in beiden Vöden. Hiervon gehörten den Bochumer Vödeeigentümern insgesamt rund 192 Morgen. Als Abfindung der Freilegung ihrer Grundstücke von der Hude mußten sie 3/8 des Taxwertes als Abfindung in Land an die Stadt geben und außerdem für jeden Morgen 5 Taler Geldabfindung zahlen. Die Stadt erhielt also an Landabfindung insgesamt 70 Morgen 17 Ruten und 80 Fuß. Hierzu kam die frühere Landabfindung aus dem ersten Rezeß von 1852 in Höhe von rund 130 Morgen, so daß die Stadt aus der Aufhebung und Teilung der Vöden einen Landzuwachs von rund 200 Morgen erhielt. Sie legte auf dem Gelände in der kleinen Vöde den Stadtpark, auf der großen Vöde später den Friedhof an der Blumenstraße an, trat 1886 17 Morgen an den Justizfiskus ab zur Errichtung des Zentralgefängnisses und hatte noch wertvolles Gelände für spätere Bebauungspläne zur Hand. Die Bochumer Vödeeigentümer erhielten ihre Abfindung in der kleinen Vöde zu beiden Seiten der heutigen Vödestraße, an der Straße „Am alten Park" und an der Klinikstraße, in der großen Vöde auf dem Gelände zu beiden Seiten der Castroper Straße.
Bei der Katasteraufnahme (1823) waren die Vödeteile nicht vermessen worden, sondern standen bis zum Jahre 1855 unter einer Parzellennummer in der Mutterrolle Art. 126 „Gemeinheiten" eingetragen. Erst 1875 wurden die neuen Abfindungen den einzelnen Eigentümern zugemessen auf Grund des vollzogenen Rezesses.
75 Jahre Bochumer Stadtpark.
Der erste Beschluß, für die schwerarbeitende Bevölkerung eine Erholungsstätte im Grünen zu schaffen, wurde von den städtischen Körperschaften im Jahre 1869 gefaßt. Infolge der Kriegsjahre 1870/71 verzögerte sich aber die Ausführung des Planes. Dieser sah die Verwendung der infolge der Vödeteilung der Stadt zugefallenen Grünflächen in der kleinen Vöde zu einer Erholungsstätte vor. Das ansteigende Gelände zwischen Berg- und Castroper Straße mit seiner Grandkuhle = Sandkuhle und schönen Wiesenflächen bot. Gelegenheit zur Anlage einer Parkanlage in dem damals üblichen englischen Parkstil. Die englische Landschaft mit weiten hügeligen Wiesenflächen und einzelnen Gruppen mächtiger Bäume und kleinen Waldstreifen, meist durchzogen von einem sich schlängelnden Bachlauf, der sich hier und da zu einem kleinen See erweiterte, war Vorbild. Der Gartenarchitekt hat in kluger Vorempfindung der späteren Wirkung in unserem Stadtpark seine Aufgabe glänzend gelöst. Drei Jahre nahmen, nachdem 1876 der erste Spatenstich getan war, die gärtnerischen Arbeiten in Anspruch, bis im Jahre 1878 der Park in einer Größe von 50 Morgen erstanden war. Zehn Jahre später wurde seine Erweiterung durch Aufforstung der nördlich sich anschließenden städtischen Weide beschlossen, es entstanden die dichten Waldpartien um den später (1909) angelegten Bismarckturm. Im Jahre 1904 begann man mit der Anlegung eines neuen Stadtparkteiles, der ebenfalls im englischen Stil gehalten wurde. Diese letzte Erweiterung mit dem großen Teich, den Wasserfällen und den umfangreichen farbenprächtigen Blumenbeeten brachte den ganzen Park auf den heutigen Umfang von 120 Morgen. Einen besseren Zugang zum Park schuf man durch die Offenlegung der Kaiser-Wilhelm-Straße, die zu dem wuchtigen schmiedeeisernen Haupteingangstor des alten Stadtparks führte. In der Mitte des Parkes an überhöhter Stelle legte der damalige Stadtbaumeister Elkart das Parkhaus (1914) an, im neuen Teil wurde das Milchhäuschen zu einem beliebten Aufenthalt. Durch Anlage eines Tierparks hat man das Interesse besonders bei der Jugend für unsere heimische Tierwelt geweckt.
Der letzte Krieg brachte auch für den Stadtpark starke Eingriffe und Zerstörungen des Landschaftsbildes, die Not der Zeit wandelte größere Teile der freien Flächen in Gemüsegärten um. Aber auch diese Zeiten gingen vorüber und so prangt der Stadtpark jetzt wieder in alter Schönheit und wir Bochumer können stolz sein, daß wir dank der weisen Voraussicht unserer Stadtväter heute den größten und schönsten Park in weitem Umkreis besitzen.
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