* Tiberius *
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* Tiberius *
Tiberius Iulius Caesar Augustus[1] (vor der Adoption durch Augustus: Tiberius Claudius Nero; * 16. November 42 v. Chr. in Rom[2]; † 16. März 37 n. Chr. am Kap Misenum) war römischer Kaiser von 14 bis 37 n. Chr. Nach seinem Stiefvater Augustus war Tiberius der zweite Kaiser des Römischen Reiches und gehört wie dieser der julisch-claudischen Dynastie an. Seine Regierungszeit war eine der längsten Alleinherrschaften eines römischen Kaisers.
Portraitskulptur des Tiberius (Museum Ny Carlsberg Glyptotek)
Tiberius konnte besonders vor seinem Herrschaftsantritt bedeutende militärische Erfolge erzielen. Seine militärischen Aktivitäten in Pannonien, Illyricum, Raetien und Germanien legten die nördliche Grenze des römischen Imperiums fest. In der Verwaltung der Provinzen sowie der Finanzen war der Kaiser erfolgreich. Palastintrigen, die Verschwörung des ehrgeizigen Seianus, Hinrichtungen dissidenter römischer Aristokraten und Tiberius’ Rückzug aus der Hauptstadt verursachten das negative Werturteil der späteren antiken Historiographen. Gegen Ende seines Lebens wurde der Interessenkonflikt zwischen dem in seiner politischen Funktion reduzierten Senat und dem nun institutionalisierten Amt des Kaisers erstmals deutlich.
Leben bis zum Herrschaftsantritt
Herkunft und Jugend
Stammbaum des Tiberius
Tiberius entstammte dem patrizischen Geschlecht der Claudier. Seine Eltern waren Tiberius Claudius Nero, Prätor 42 v. Chr., und Livia Drusilla, deren claudischer Familienzweig durch Adoption in das plebejische Geschlecht der Livier übergegangen war. Im Jahre 41 v. Chr. flohen seine Eltern mit ihm nach Sizilien und Griechenland, um den Proskriptionen zu entgehen, da sein Vater als überzeugter Republikaner und Anhänger der Caesarmörder den Lucius Antonius unterstützte und sich somit gegen Octavian gestellt hatte. Octavian, der spätere Kaiser Augustus, erzwang nach ihrer Rückkehr im Jahr 39 v. Chr. Livias Scheidung vom älteren Tiberius Claudius Nero, um sie selbst heiraten zu können. Drei Monate nach der Heirat am 17. Januar 38 v. Chr. brachte Livia Tiberius’ Bruder Drusus zur Welt, dessen leiblicher Vater allerdings Tiberius Claudius Nero war. Da Octavian den Neugeborenen seinem Vater überstellte,[3] dürfte auch der junge Tiberius zu dieser Zeit bei seinem Vater gewesen sein und nicht bei seiner Mutter und dem Stiefvater Octavian. Sueton berichtet, dass Tiberius nach der Rückkehr nach Rom von einem Senator Marcus Gallius testamentarisch adoptiert wurde, dessen Namen aber nicht führte, weil Gallius als Gegner Octavians galt.[4] Nach dem Tod seines Vaters, wohl im Jahr 33 v. Chr., hielt der neunjährige Tiberius ihm die Trauerrede,[5] was ihn im öffentlichen Leben der römischen Aristokratie positionierte, und gelangte dann zusammen mit seinem Bruder in die Vormundschaft seines Stiefvaters.[6] Drusus wurde von Octavian gegenüber seinem älteren Bruder bevorzugt.
Bereits in jungen Jahren wurde Tiberius in das politische Leben eingeführt. Vom 13. bis 15. August 29 v. Chr. wurde er in den Triumphzug Octavians für den Sieg bei Actium einbezogen. Bereits 23 v. Chr. wurde ihm als Quästor mit dem Zuständigkeitsbereich der Getreideversorgung das erste politische Amt und damit der Senatorenstatus übertragen, weit vor dem hierfür vorgeschriebenen Mindestalter von 25 Jahren.
Erste militärische Erfahrungen
Tiberius unternahm unter der Herrschaft des Augustus mehrere erfolgreiche Feldzüge. Bereits in den Jahren 26–24 v. Chr. nahm er als Militärtribun an Kämpfen des Augustus in Spanien teil. Im Jahre 20 v. Chr. führte er einen Feldzug gegen das armenische Königreich an, durch den er Tigranes III. auf den armenischen Thron brachte. Er gewann im selben Jahr durch Diplomatie die römischen Feldzeichen zurück, die Marcus Licinius Crassus, Lucius Decidius Saxa und Marcus Antonius in teils verheerenden Niederlagen an die Parther verloren hatten. Im Jahr 16 v. Chr. war er Prätor und bereitete gemeinsam mit Augustus in Gallien die Neuordnung der Provinz vor.
Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Drusus brachte Tiberius in den Jahren 15–13 v. Chr. Raetien und das im Norden befindliche Vindelicien unter römische Herrschaft. Von 12 bis 9 v. Chr. leitete er die Eroberung Pannoniens. Er überführte 9 v. Chr. den Leichnam seines Bruders Drusus, der infolge eines Reitunfalls verstorben war, von Germanien nach Rom und erhielt als dessen Nachfolger für die folgenden beiden Jahre den Oberbefehl in Germanien. Um den germanischen Druck auf den Mittelrhein zu vermindern, wurden unter seiner Befehlsgewalt etwa 40.000 Sugambrer und Sueben in linksrheinisches Gebiet umgesiedelt.
Nachfolgeproblematik
Tiberius war von 16 bis 12 v. Chr. mit Vipsania Agrippina verheiratet[7], der Tochter von Octavians engem Vertrauten und Feldherrn Marcus Vipsanius Agrippa. Aus dieser Ehe stammte sein um 15 v. Chr. geborener Sohn Tiberius Drusus Iulius Caesar (auch „der jüngere Drusus“). Im Jahr 12 v. Chr. musste sich Tiberius auf Anordnung seines Stiefvaters von Vipsania Agrippina scheiden lassen und seine Stiefschwester Iulia heiraten, die Tochter des Augustus. Diese Verbindung sollte die Einheit des regierenden Hauses stärken. Iulia dürfte allerdings eher ihren Kindern die Nachfolge gewünscht haben. Auch fühlte sie sich nach drei ihr von Augustus aufgebürdeten Zwangsehen zu einem ausschweifenden Leben hingezogen, so dass die Ehe für den als menschenscheu geltenden Tiberius im Unterschied zu dessen erster Ehe nicht glücklich war. Nachdem Tiberius bereits im Jahr 13 v. Chr. Konsul geworden war, erhielt er 6 v. Chr. die tribunicia potestas auf fünf Jahre; somit konnte er als Nachfolger des Princeps gelten, da er außerdem der Schwiegersohn des Augustus war.
Die schnell zerrüttete Ehe und die auffällige Förderung der von Augustus adoptierten Söhne Iulias, Gaius und Lucius Caesar, brachten Tiberius jedoch dazu, seine Laufbahn zu unterbrechen und sich für sieben Jahre in ein zuerst freiwilliges Exil nach Rhodos zurückzuziehen. Tiberius selbst soll später erklärt haben, er habe sich zurückgezogen, um den Caesares nicht im Wege zu stehen.[8] Tiberius fühlte sich wohl wegen der Beliebtheit des Gaius Caesar und dessen Bevorzugung in seiner eigenen dignitas zurückgesetzt.[9]
Da die Insel Rhodos auf der römischen Haupthandelslinie lag, dürfte Tiberius jedoch keineswegs vom politischen Leben ausgeschlossen gewesen sein.[10] Während seines Aufenthaltes auf Rhodos schickte Augustus 2 v. Chr. seine Tochter Iulia wegen ihres Lebenswandels und politischer Intrigen in die Verbannung. Tiberius setzte sich zwar in mehreren Briefen vergeblich für seine Gattin ein, ließ sich jedoch auf Betreiben von Augustus schließlich von ihr scheiden. Noch im selben Jahr bewilligte Augustus die Rückkehr des Tiberius nach Rom, gestand ihm aber zunächst keine politische Funktion zu.
Erst der kurz aufeinander folgende Tod der designierten Nachfolger des Augustus, seiner Enkelkinder und Adoptivsöhne Gaius und Lucius Caesar (4 bzw. 2 n. Chr.), brachte Tiberius in die Position des einzigen möglichen Nachfolgers. Mit der Adoption durch Augustus am 26. Juni 4 n. Chr. wurde Tiberius (mit dem Namen Tiberius Iulius Caesar) in das Geschlecht der Julier aufgenommen. Die nachfolgenden Kaiser bis hin zu Nero gehörten in unterschiedlichen Graden beiden Familien an und waren so Mitglieder einer Doppeldynastie. Neben Tiberius adoptierte Augustus Agrippa Postumus, der allerdings später in die Verbannung geschickt wurde. Tiberius selbst musste Germanicus adoptieren, den Sohn seines Bruders Drusus. Außerdem erhielt er die beiden zur Nachfolge in der Herrschaft berechtigenden Amtsgewalten, das imperium proconsulare maius und die tribunicia potestas.
Heerführer in Germanien und auf dem Balkan
Tiberius übernahm 4 n. Chr. erneut den Oberbefehl in Germanien und zog im folgenden Jahr von Gallien aus bis ins Mündungsgebiet des Rheins (Rhenus). In seinem Gefolge befand sich der Historiker Velleius Paterculus, der die Position eines praefectus equitum innehatte. Tiberius drang bis zur Weser (Visurgis) vor und errichtete an den Quellen der Lippe (Lippia) ein Winterlager. Dies war das erste Mal, dass eine große römische Armee in Germanien überwinterte. Im Frühjahr des Jahres 5 n. Chr. besiegte er zusammen mit der römischen Flotte die Langobarden an der Unterelbe. Er zog daraufhin weiter elbaufwärts und gelangte an der mittleren Elbe (Fluvius Albis) zu den Semnonen und schließlich zu den Hermunduren, wo er ein Lager aufschlug und germanische Gesandte empfing. Der Feldzugteilnehmer Velleius Paterculus beschrieb die Situation zu diesem Zeitpunkt folgendermaßen: „Nichts blieb mehr in Germanien, das hätte besiegt werden können, außer dem Stamm der Markomannen“.[11]
Der junge Tiberius, Louvre
Im Jahr 6 rüstete Tiberius gegen Marbod, den König der Markomannen. Es wurden insgesamt zwölf Legionen mit Hilfstruppen aufgestellt, was die Hälfte des gesamten Militärpotentials der Römer zu der Zeit darstellte.[12] Kurz nach Beginn des Feldzugs im Frühjahr des Jahres 6 brach Tiberius ihn wieder ab, als er die Nachricht vom Pannonischen Aufstand erhielt. Allerdings schloss Tiberius noch einen Freundschaftsvertrag mit Marbod, um sich vollkommen auf die schwere Aufgabe in Pannonien zu konzentrieren.
Von 6 bis 9 n. Chr. warf er mit größten Anstrengungen, unter Aufbietung einer Armee von 15 Legionen, den Aufstand in Pannonien und Illyrien nieder. Kurz nach dem Sieg erhielt Augustus die Nachricht, dass Varus in Germanien mit drei Legionen und ebenso vielen Reiterabteilungen sowie sechs Kohorten gefallen war.[13] Dieser Verlust war eine der größten Niederlagen, die das Römische Reich je erlitt; ernsthafte Expansionsbestrebungen nach Germanien wurden in den kommenden Jahrhunderten nicht mehr unternommen. In Rom herrschte drei Tage Staatstrauer, und Tiberius, der eben erst siegreich heimgekehrt war, verzichtete auf einen Triumph.[14]
Nach der schmachvollen Niederlage des Varus wurde Tiberius aufgrund seiner großen militärischen Erfahrung in Germanien wieder mit dem imperium proconsulare ausgestattet. Im ersten Jahr seines militärischen Kommandos 10 n. Chr. sah er davon ab, den Rhein zu überqueren.[15] Laut Sueton handelte Tiberius mit äußerster Vorsicht und Zurückhaltung und nur in Absprache mit seinem Beraterkreis,[16] wodurch angedeutet sein mag, dass Tiberius bereits anfänglich nicht eine Rückeroberung des Raumes zwischen Elbe und Rhein plante, sondern sich auf Strafexpeditionen beschränken wollte.[17] Bezüglich anschließender militärischer Erfolge sind die Quellendarstellungen widersprüchlich. Velleius Paterculus, der allgemein die Leistungen des Tiberius verherrlicht, berichtet, dass Tiberius den Rhein überschritt und erfolgreich bis tief in das Landesinnere vordrang, um germanische Siedlungen zu brandschatzen und Felder zu verwüsten.[18] Nach Cassius Dio, der sein Geschichtswerk Anfang des 3. Jahrhunderts abfasste, kam es zu keinen nennenswerten militärischen Auseinandersetzungen.[19] Archäologische Untersuchungen haben bislang keine Spuren von Militärwegen oder Anzeichen von Holzkohleschichten nachweisen können, die man bei einem großflächigen Abbrennen von Siedlungen erwarten würde.[20]
Anfang 13 n. Chr. kehrte Tiberius nach Rom zurück und hielt den verschobenen Triumph für die Niederschlagung des Pannonischen Aufstands ab. Seine Amtsgewalten, die tribunicia potestas und das imperium proconsulare maius, wurden auf weitere zehn Jahre verlängert. Als Augustus am 19. August 14 starb, hatte Tiberius somit alle Rechte inne, auf denen der Prinzipat beruhte.
Der Prinzipat des Tiberius
Regierungsantritt
Tiberius-Büste, Eremitage
Mit dem Tod des Augustus war der 55 Jahre alte Tiberius praktisch zum Nachfolger designiert. Auch seine militärischen Erfahrungen ließen ihn konkurrenzlos erscheinen. Am 18. September 14 n. Chr. ließ er den Senat einberufen, um die Leichenfeier und die Divinisierung für Augustus beschließen zu lassen. In dieser Senatssitzung wurde das private Testament des Augustus eröffnet. Tiberius und Livia waren als Haupterben eingesetzt, wobei Tiberius zwei Drittel und Livia ein Drittel der Erbschaft erhielten.[21] Durch das Testament wurde Livia adoptiert und zur Iulia Augusta erhoben.[22] Livia, die bereits unter Augustus öffentlich als Teilhaberin am Prinzipat aufgetreten war und in der offiziellen Propaganda – etwa auf Münzen – als solche dargestellt wurde, konnte somit in ihrer neuen Stellung als Kaisermutter höchsten Einfluss ausüben. Bis zu ihrem Tod im Jahr 29 gelang es ihr in dieser Rolle, die zunehmenden Anfeindungen innerhalb der Kaiserfamilie, besonders angesichts der Nachfolgefrage, zu kontrollieren. Allerdings bestand ein Konkurrenzverhältnis zwischen der herrschsüchtigen Mutter und dem Sohn.
Trotz des eindeutigen Testaments des Augustus wartete Tiberius demonstrativ das ausdrückliche Ersuchen des Senats ab, die Kaiserwürde anzunehmen. Diese zögernde Haltung (recusatio imperii) kann damit erklärt werden, dass Tiberius allgemein als zurückhaltender Mensch galt; wahrscheinlicher ist jedoch, dass er bewusst den Rückhalt und die verbindliche Festlegung des Senats auf seine Person suchte, um als ehemals umstrittener Nachfolgekandidat seine Position zu stärken. Eine solche eher taktisch motivierte Zurückhaltung spiegelt sich auch darin, dass Tiberius in späteren Jahren häufig Rücktrittsgedanken äußerte.[23] Außerdem akzeptierte Tiberius zwar den Ehrenbeinamen Augustus, den an Augustus verliehenen Titel pater patriae lehnte er jedoch ab. Erst ab dem 10. März 15 bekleidete er das Amt des pontifex maximus. Da es sich um die historisch erste Übertragung der an Augustus persönlich verliehenen Amtsgewalten handelte, war es noch nicht endgültig entschieden, dass die Institution des Prinzipats eine dauerhafte werden sollte. Der Senat akzeptierte jedoch widerspruchslos die Amtsstellung des Kaisers und fügte sich zunehmend in dessen Autorität.
Unmittelbar zu Beginn der Kaiserherrschaft des Tiberius wurde Agrippa Postumus ermordet. Bereits in der Antike wurde spekuliert, ob Tiberius für die Ermordung verantwortlich war, ob Augustus angeordnet hatte, Agrippa Postumus nach seinem Tod beseitigen zu lassen, oder ob Livia die Herrschaft für ihren Sohn sichern wollte.[24] Tacitus legt eine Mitschuld des Tiberius nahe.[25] Tiberius bestritt jedoch die Verantwortung für den Mord. Noch 14 n. Chr. machte Tiberius dem kappadokischen König Archelaos, von dem er sich während der schwierigen Zeit in Rhodos nicht genug beachtet fühlte, den Prozess.
Meuterei der Legionen und Marserfeldzug
Unmittelbar nach Tiberius’ Herrschaftsantritt kam es zu einer Meuterei der in Pannonien und Germanien stationierten Legionen. Gründe für den Aufstand waren die Härte des Dienstes, die Länge der Dienstzeit und der geringe Sold.[26] Diese Missstände gingen zurück auf die Politik des verstorbenen Augustus und dessen strenge Reaktionen auf den Pannonischen Aufstand und die Varusniederlage. Während Tiberius’ Sohn Drusus die Lage in Pannonien ohne größere Komplikationen beruhigen konnte, hatte Germanicus zunächst große Mühe, die ihm in Germanien unterstellten Legionen wieder unter Kontrolle zu bringen, die ihn statt Tiberius zum neuen Princeps ausrufen wollten.[27] Die Legio XIV Gemina verweigerte den Treueeid, und in einem Sommerlager schlossen sich die zusammengezogenen vier Legionen des niedergermanischen Heeres dem Beispiel an. Germanicus blieb Tiberius gegenüber loyal und weigerte sich, den auf einen Staatsstreich gerichteten Forderungen nachzukommen. Schließlich beendete er die Meuterei mit zahlreichen Zugeständnissen im Namen des Princeps, ohne sich jedoch zuvor bei Tiberius rückversichert zu haben. So sagte er beschleunigte Dienstentlassungen und Geldgeschenke an die Soldaten zu. Um ein mögliches Wiederaufleben der Meuterei zu verhindern und zugleich eine Strafexpedition für die Varusniederlage durchzuführen, initiierte er im Herbst des Jahres 14 einen Feldzug gegen die Marser. In diesem Feldzug erlitten seine Legionen nur geringe Verluste.
Tiberius reagierte ambivalent.[28] Einerseits betrachtete er den Sieg über die Marser als Erfolg, denn es war Germanicus gelungen, das Heer zu disziplinieren. Andererseits lehnte er das eigenmächtige Vorgehen des Germanicus ab, zumal dessen neu gewonnener Ruhm die Position des Tiberius im Heer schwächte.
Abbruch der Expansion an Rhein und Donau
Unter Augustus und zu Beginn der Herrschaft des Tiberius wollte Rom die clades Variana korrigieren, zumindest aber die aufrührerischen Germanenstämme formell unterwerfen und die Deserteure bestrafen, allein schon zur Abschreckung künftiger Aufrührer. Diese Ziele wurden jedoch nicht erreicht. Die Römer hatten Glück, dass die anderen Fronten während dieser Zeit ruhig blieben, denn das römische Heer war nicht groß genug, um auf Dauer acht Legionen an der Germanenfront bereitzuhalten. Die Katastrophe des Varus, der im Jahr 13 v. Chr. zusammen mit Tiberius das Konsulat innegehabt hatte, und das von Germanicus im Jahre 14 vorgefundene Problem der Militärrevolten ließen Tiberius von der Grenzverschiebung in Richtung Weser und Elbe endgültig Abstand nehmen. Der illusionslose Germanienkenner Tiberius ging im Gegensatz zu Germanicus zu einer defensiven Grenzpolitik über, die die Germanen ihrem inneren Streit überließ und sich auf die Behauptung eines der Grenze vorgelagerten Gebietes beschränkte. Tiberius erkannte, dass Rom die germanische Arminius-Koalition allein schon aufgrund der logistischen und topographischen Gegebenheiten nicht ohne beträchtliche Mittelaufstockung besiegen konnte. Die römischen Truppen konnten sich bei einem Vormarsch nicht aus dem Lande ernähren, und der Landkriegsführung standen durch die weiten Wege und Transporte bei den kurzen Feldzugszeiten nahezu unüberwindbare Schwierigkeiten und Risiken entgegen.
Tiberius gebot den zum Teil verlustreichen Unternehmungen des Germanicus in den Jahren 15 und 16 Einhalt und rief ihn nach Rom zurück. Er berief sich dabei angeblich auf den Rat des Augustus, das Reich in seinen gegenwärtigen Grenzen zu belassen (consilium coercendi intra terminos imperii).[29] Die Historizität des consilium coercendi wird allerdings in der modernen Forschung angezweifelt,[30] unter anderem, weil die offizielle Darstellung des Augustus gegenüber dem Senat in den Res Gestae Divi Augusti einen derart weiten Entscheidungsspielraum des Kaisers auszuschließen scheint. Auch ist unsicher, ob mit intra terminos die West- oder die Ostgrenze des Reichs gemeint sei und ob es sich im ersteren Fall um die Elbgrenze oder die Rheingrenze handele.
Tiberius bewilligte dem Germanicus einen aufwändigen Triumph über die Germanen, den dieser am 26. Mai 17 in Rom abhielt. Tiberius wollte damit einerseits Germanicus eine feierliche Anerkennung seiner Gesamtleistungen zuteilwerden lassen, andererseits den faktischen Abbruch der Offensive als außenpolitischen Erfolg darstellen. Paradoxerweise erwies gerade die Katastrophe der Varusschlacht die Beständigkeit der römischen Grenze am Rhein, um derentwillen die Eroberung Germaniens begonnen worden war. Durch die Abberufung des Germanicus (16 n. Chr.) setzte sich die neue außenpolitische Linie des Tiberius durch, die in der Tabula Siarensis (19 n. Chr.) ihren Niederschlag finden sollte: Befriedung Galliens, Vergeltung für die Varusniederlage, Rückgewinnung der Feldzeichen, jedoch nicht mehr die Eroberung des rechtsrheinischen Germanien. Diese Politik fand mit dem Tod des Tiberius (37 n. Chr.) ihr Ende, sein Nachfolger Caligula unternahm wieder (erfolglose) Expeditionen in das germanische Kerngebiet.
So hier unterbrechen wir wieder mal,wer weiterlesen möchte,hier der Link:
http://de.wikipedia.org/wiki/Tiberius
Portraitskulptur des Tiberius (Museum Ny Carlsberg Glyptotek)
Tiberius konnte besonders vor seinem Herrschaftsantritt bedeutende militärische Erfolge erzielen. Seine militärischen Aktivitäten in Pannonien, Illyricum, Raetien und Germanien legten die nördliche Grenze des römischen Imperiums fest. In der Verwaltung der Provinzen sowie der Finanzen war der Kaiser erfolgreich. Palastintrigen, die Verschwörung des ehrgeizigen Seianus, Hinrichtungen dissidenter römischer Aristokraten und Tiberius’ Rückzug aus der Hauptstadt verursachten das negative Werturteil der späteren antiken Historiographen. Gegen Ende seines Lebens wurde der Interessenkonflikt zwischen dem in seiner politischen Funktion reduzierten Senat und dem nun institutionalisierten Amt des Kaisers erstmals deutlich.
Leben bis zum Herrschaftsantritt
Herkunft und Jugend
Stammbaum des Tiberius
Tiberius entstammte dem patrizischen Geschlecht der Claudier. Seine Eltern waren Tiberius Claudius Nero, Prätor 42 v. Chr., und Livia Drusilla, deren claudischer Familienzweig durch Adoption in das plebejische Geschlecht der Livier übergegangen war. Im Jahre 41 v. Chr. flohen seine Eltern mit ihm nach Sizilien und Griechenland, um den Proskriptionen zu entgehen, da sein Vater als überzeugter Republikaner und Anhänger der Caesarmörder den Lucius Antonius unterstützte und sich somit gegen Octavian gestellt hatte. Octavian, der spätere Kaiser Augustus, erzwang nach ihrer Rückkehr im Jahr 39 v. Chr. Livias Scheidung vom älteren Tiberius Claudius Nero, um sie selbst heiraten zu können. Drei Monate nach der Heirat am 17. Januar 38 v. Chr. brachte Livia Tiberius’ Bruder Drusus zur Welt, dessen leiblicher Vater allerdings Tiberius Claudius Nero war. Da Octavian den Neugeborenen seinem Vater überstellte,[3] dürfte auch der junge Tiberius zu dieser Zeit bei seinem Vater gewesen sein und nicht bei seiner Mutter und dem Stiefvater Octavian. Sueton berichtet, dass Tiberius nach der Rückkehr nach Rom von einem Senator Marcus Gallius testamentarisch adoptiert wurde, dessen Namen aber nicht führte, weil Gallius als Gegner Octavians galt.[4] Nach dem Tod seines Vaters, wohl im Jahr 33 v. Chr., hielt der neunjährige Tiberius ihm die Trauerrede,[5] was ihn im öffentlichen Leben der römischen Aristokratie positionierte, und gelangte dann zusammen mit seinem Bruder in die Vormundschaft seines Stiefvaters.[6] Drusus wurde von Octavian gegenüber seinem älteren Bruder bevorzugt.
Bereits in jungen Jahren wurde Tiberius in das politische Leben eingeführt. Vom 13. bis 15. August 29 v. Chr. wurde er in den Triumphzug Octavians für den Sieg bei Actium einbezogen. Bereits 23 v. Chr. wurde ihm als Quästor mit dem Zuständigkeitsbereich der Getreideversorgung das erste politische Amt und damit der Senatorenstatus übertragen, weit vor dem hierfür vorgeschriebenen Mindestalter von 25 Jahren.
Erste militärische Erfahrungen
Tiberius unternahm unter der Herrschaft des Augustus mehrere erfolgreiche Feldzüge. Bereits in den Jahren 26–24 v. Chr. nahm er als Militärtribun an Kämpfen des Augustus in Spanien teil. Im Jahre 20 v. Chr. führte er einen Feldzug gegen das armenische Königreich an, durch den er Tigranes III. auf den armenischen Thron brachte. Er gewann im selben Jahr durch Diplomatie die römischen Feldzeichen zurück, die Marcus Licinius Crassus, Lucius Decidius Saxa und Marcus Antonius in teils verheerenden Niederlagen an die Parther verloren hatten. Im Jahr 16 v. Chr. war er Prätor und bereitete gemeinsam mit Augustus in Gallien die Neuordnung der Provinz vor.
Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Drusus brachte Tiberius in den Jahren 15–13 v. Chr. Raetien und das im Norden befindliche Vindelicien unter römische Herrschaft. Von 12 bis 9 v. Chr. leitete er die Eroberung Pannoniens. Er überführte 9 v. Chr. den Leichnam seines Bruders Drusus, der infolge eines Reitunfalls verstorben war, von Germanien nach Rom und erhielt als dessen Nachfolger für die folgenden beiden Jahre den Oberbefehl in Germanien. Um den germanischen Druck auf den Mittelrhein zu vermindern, wurden unter seiner Befehlsgewalt etwa 40.000 Sugambrer und Sueben in linksrheinisches Gebiet umgesiedelt.
Nachfolgeproblematik
Tiberius war von 16 bis 12 v. Chr. mit Vipsania Agrippina verheiratet[7], der Tochter von Octavians engem Vertrauten und Feldherrn Marcus Vipsanius Agrippa. Aus dieser Ehe stammte sein um 15 v. Chr. geborener Sohn Tiberius Drusus Iulius Caesar (auch „der jüngere Drusus“). Im Jahr 12 v. Chr. musste sich Tiberius auf Anordnung seines Stiefvaters von Vipsania Agrippina scheiden lassen und seine Stiefschwester Iulia heiraten, die Tochter des Augustus. Diese Verbindung sollte die Einheit des regierenden Hauses stärken. Iulia dürfte allerdings eher ihren Kindern die Nachfolge gewünscht haben. Auch fühlte sie sich nach drei ihr von Augustus aufgebürdeten Zwangsehen zu einem ausschweifenden Leben hingezogen, so dass die Ehe für den als menschenscheu geltenden Tiberius im Unterschied zu dessen erster Ehe nicht glücklich war. Nachdem Tiberius bereits im Jahr 13 v. Chr. Konsul geworden war, erhielt er 6 v. Chr. die tribunicia potestas auf fünf Jahre; somit konnte er als Nachfolger des Princeps gelten, da er außerdem der Schwiegersohn des Augustus war.
Die schnell zerrüttete Ehe und die auffällige Förderung der von Augustus adoptierten Söhne Iulias, Gaius und Lucius Caesar, brachten Tiberius jedoch dazu, seine Laufbahn zu unterbrechen und sich für sieben Jahre in ein zuerst freiwilliges Exil nach Rhodos zurückzuziehen. Tiberius selbst soll später erklärt haben, er habe sich zurückgezogen, um den Caesares nicht im Wege zu stehen.[8] Tiberius fühlte sich wohl wegen der Beliebtheit des Gaius Caesar und dessen Bevorzugung in seiner eigenen dignitas zurückgesetzt.[9]
Da die Insel Rhodos auf der römischen Haupthandelslinie lag, dürfte Tiberius jedoch keineswegs vom politischen Leben ausgeschlossen gewesen sein.[10] Während seines Aufenthaltes auf Rhodos schickte Augustus 2 v. Chr. seine Tochter Iulia wegen ihres Lebenswandels und politischer Intrigen in die Verbannung. Tiberius setzte sich zwar in mehreren Briefen vergeblich für seine Gattin ein, ließ sich jedoch auf Betreiben von Augustus schließlich von ihr scheiden. Noch im selben Jahr bewilligte Augustus die Rückkehr des Tiberius nach Rom, gestand ihm aber zunächst keine politische Funktion zu.
Erst der kurz aufeinander folgende Tod der designierten Nachfolger des Augustus, seiner Enkelkinder und Adoptivsöhne Gaius und Lucius Caesar (4 bzw. 2 n. Chr.), brachte Tiberius in die Position des einzigen möglichen Nachfolgers. Mit der Adoption durch Augustus am 26. Juni 4 n. Chr. wurde Tiberius (mit dem Namen Tiberius Iulius Caesar) in das Geschlecht der Julier aufgenommen. Die nachfolgenden Kaiser bis hin zu Nero gehörten in unterschiedlichen Graden beiden Familien an und waren so Mitglieder einer Doppeldynastie. Neben Tiberius adoptierte Augustus Agrippa Postumus, der allerdings später in die Verbannung geschickt wurde. Tiberius selbst musste Germanicus adoptieren, den Sohn seines Bruders Drusus. Außerdem erhielt er die beiden zur Nachfolge in der Herrschaft berechtigenden Amtsgewalten, das imperium proconsulare maius und die tribunicia potestas.
Heerführer in Germanien und auf dem Balkan
Tiberius übernahm 4 n. Chr. erneut den Oberbefehl in Germanien und zog im folgenden Jahr von Gallien aus bis ins Mündungsgebiet des Rheins (Rhenus). In seinem Gefolge befand sich der Historiker Velleius Paterculus, der die Position eines praefectus equitum innehatte. Tiberius drang bis zur Weser (Visurgis) vor und errichtete an den Quellen der Lippe (Lippia) ein Winterlager. Dies war das erste Mal, dass eine große römische Armee in Germanien überwinterte. Im Frühjahr des Jahres 5 n. Chr. besiegte er zusammen mit der römischen Flotte die Langobarden an der Unterelbe. Er zog daraufhin weiter elbaufwärts und gelangte an der mittleren Elbe (Fluvius Albis) zu den Semnonen und schließlich zu den Hermunduren, wo er ein Lager aufschlug und germanische Gesandte empfing. Der Feldzugteilnehmer Velleius Paterculus beschrieb die Situation zu diesem Zeitpunkt folgendermaßen: „Nichts blieb mehr in Germanien, das hätte besiegt werden können, außer dem Stamm der Markomannen“.[11]
Der junge Tiberius, Louvre
Im Jahr 6 rüstete Tiberius gegen Marbod, den König der Markomannen. Es wurden insgesamt zwölf Legionen mit Hilfstruppen aufgestellt, was die Hälfte des gesamten Militärpotentials der Römer zu der Zeit darstellte.[12] Kurz nach Beginn des Feldzugs im Frühjahr des Jahres 6 brach Tiberius ihn wieder ab, als er die Nachricht vom Pannonischen Aufstand erhielt. Allerdings schloss Tiberius noch einen Freundschaftsvertrag mit Marbod, um sich vollkommen auf die schwere Aufgabe in Pannonien zu konzentrieren.
Von 6 bis 9 n. Chr. warf er mit größten Anstrengungen, unter Aufbietung einer Armee von 15 Legionen, den Aufstand in Pannonien und Illyrien nieder. Kurz nach dem Sieg erhielt Augustus die Nachricht, dass Varus in Germanien mit drei Legionen und ebenso vielen Reiterabteilungen sowie sechs Kohorten gefallen war.[13] Dieser Verlust war eine der größten Niederlagen, die das Römische Reich je erlitt; ernsthafte Expansionsbestrebungen nach Germanien wurden in den kommenden Jahrhunderten nicht mehr unternommen. In Rom herrschte drei Tage Staatstrauer, und Tiberius, der eben erst siegreich heimgekehrt war, verzichtete auf einen Triumph.[14]
Nach der schmachvollen Niederlage des Varus wurde Tiberius aufgrund seiner großen militärischen Erfahrung in Germanien wieder mit dem imperium proconsulare ausgestattet. Im ersten Jahr seines militärischen Kommandos 10 n. Chr. sah er davon ab, den Rhein zu überqueren.[15] Laut Sueton handelte Tiberius mit äußerster Vorsicht und Zurückhaltung und nur in Absprache mit seinem Beraterkreis,[16] wodurch angedeutet sein mag, dass Tiberius bereits anfänglich nicht eine Rückeroberung des Raumes zwischen Elbe und Rhein plante, sondern sich auf Strafexpeditionen beschränken wollte.[17] Bezüglich anschließender militärischer Erfolge sind die Quellendarstellungen widersprüchlich. Velleius Paterculus, der allgemein die Leistungen des Tiberius verherrlicht, berichtet, dass Tiberius den Rhein überschritt und erfolgreich bis tief in das Landesinnere vordrang, um germanische Siedlungen zu brandschatzen und Felder zu verwüsten.[18] Nach Cassius Dio, der sein Geschichtswerk Anfang des 3. Jahrhunderts abfasste, kam es zu keinen nennenswerten militärischen Auseinandersetzungen.[19] Archäologische Untersuchungen haben bislang keine Spuren von Militärwegen oder Anzeichen von Holzkohleschichten nachweisen können, die man bei einem großflächigen Abbrennen von Siedlungen erwarten würde.[20]
Anfang 13 n. Chr. kehrte Tiberius nach Rom zurück und hielt den verschobenen Triumph für die Niederschlagung des Pannonischen Aufstands ab. Seine Amtsgewalten, die tribunicia potestas und das imperium proconsulare maius, wurden auf weitere zehn Jahre verlängert. Als Augustus am 19. August 14 starb, hatte Tiberius somit alle Rechte inne, auf denen der Prinzipat beruhte.
Der Prinzipat des Tiberius
Regierungsantritt
Tiberius-Büste, Eremitage
Mit dem Tod des Augustus war der 55 Jahre alte Tiberius praktisch zum Nachfolger designiert. Auch seine militärischen Erfahrungen ließen ihn konkurrenzlos erscheinen. Am 18. September 14 n. Chr. ließ er den Senat einberufen, um die Leichenfeier und die Divinisierung für Augustus beschließen zu lassen. In dieser Senatssitzung wurde das private Testament des Augustus eröffnet. Tiberius und Livia waren als Haupterben eingesetzt, wobei Tiberius zwei Drittel und Livia ein Drittel der Erbschaft erhielten.[21] Durch das Testament wurde Livia adoptiert und zur Iulia Augusta erhoben.[22] Livia, die bereits unter Augustus öffentlich als Teilhaberin am Prinzipat aufgetreten war und in der offiziellen Propaganda – etwa auf Münzen – als solche dargestellt wurde, konnte somit in ihrer neuen Stellung als Kaisermutter höchsten Einfluss ausüben. Bis zu ihrem Tod im Jahr 29 gelang es ihr in dieser Rolle, die zunehmenden Anfeindungen innerhalb der Kaiserfamilie, besonders angesichts der Nachfolgefrage, zu kontrollieren. Allerdings bestand ein Konkurrenzverhältnis zwischen der herrschsüchtigen Mutter und dem Sohn.
Trotz des eindeutigen Testaments des Augustus wartete Tiberius demonstrativ das ausdrückliche Ersuchen des Senats ab, die Kaiserwürde anzunehmen. Diese zögernde Haltung (recusatio imperii) kann damit erklärt werden, dass Tiberius allgemein als zurückhaltender Mensch galt; wahrscheinlicher ist jedoch, dass er bewusst den Rückhalt und die verbindliche Festlegung des Senats auf seine Person suchte, um als ehemals umstrittener Nachfolgekandidat seine Position zu stärken. Eine solche eher taktisch motivierte Zurückhaltung spiegelt sich auch darin, dass Tiberius in späteren Jahren häufig Rücktrittsgedanken äußerte.[23] Außerdem akzeptierte Tiberius zwar den Ehrenbeinamen Augustus, den an Augustus verliehenen Titel pater patriae lehnte er jedoch ab. Erst ab dem 10. März 15 bekleidete er das Amt des pontifex maximus. Da es sich um die historisch erste Übertragung der an Augustus persönlich verliehenen Amtsgewalten handelte, war es noch nicht endgültig entschieden, dass die Institution des Prinzipats eine dauerhafte werden sollte. Der Senat akzeptierte jedoch widerspruchslos die Amtsstellung des Kaisers und fügte sich zunehmend in dessen Autorität.
Unmittelbar zu Beginn der Kaiserherrschaft des Tiberius wurde Agrippa Postumus ermordet. Bereits in der Antike wurde spekuliert, ob Tiberius für die Ermordung verantwortlich war, ob Augustus angeordnet hatte, Agrippa Postumus nach seinem Tod beseitigen zu lassen, oder ob Livia die Herrschaft für ihren Sohn sichern wollte.[24] Tacitus legt eine Mitschuld des Tiberius nahe.[25] Tiberius bestritt jedoch die Verantwortung für den Mord. Noch 14 n. Chr. machte Tiberius dem kappadokischen König Archelaos, von dem er sich während der schwierigen Zeit in Rhodos nicht genug beachtet fühlte, den Prozess.
Meuterei der Legionen und Marserfeldzug
Unmittelbar nach Tiberius’ Herrschaftsantritt kam es zu einer Meuterei der in Pannonien und Germanien stationierten Legionen. Gründe für den Aufstand waren die Härte des Dienstes, die Länge der Dienstzeit und der geringe Sold.[26] Diese Missstände gingen zurück auf die Politik des verstorbenen Augustus und dessen strenge Reaktionen auf den Pannonischen Aufstand und die Varusniederlage. Während Tiberius’ Sohn Drusus die Lage in Pannonien ohne größere Komplikationen beruhigen konnte, hatte Germanicus zunächst große Mühe, die ihm in Germanien unterstellten Legionen wieder unter Kontrolle zu bringen, die ihn statt Tiberius zum neuen Princeps ausrufen wollten.[27] Die Legio XIV Gemina verweigerte den Treueeid, und in einem Sommerlager schlossen sich die zusammengezogenen vier Legionen des niedergermanischen Heeres dem Beispiel an. Germanicus blieb Tiberius gegenüber loyal und weigerte sich, den auf einen Staatsstreich gerichteten Forderungen nachzukommen. Schließlich beendete er die Meuterei mit zahlreichen Zugeständnissen im Namen des Princeps, ohne sich jedoch zuvor bei Tiberius rückversichert zu haben. So sagte er beschleunigte Dienstentlassungen und Geldgeschenke an die Soldaten zu. Um ein mögliches Wiederaufleben der Meuterei zu verhindern und zugleich eine Strafexpedition für die Varusniederlage durchzuführen, initiierte er im Herbst des Jahres 14 einen Feldzug gegen die Marser. In diesem Feldzug erlitten seine Legionen nur geringe Verluste.
Tiberius reagierte ambivalent.[28] Einerseits betrachtete er den Sieg über die Marser als Erfolg, denn es war Germanicus gelungen, das Heer zu disziplinieren. Andererseits lehnte er das eigenmächtige Vorgehen des Germanicus ab, zumal dessen neu gewonnener Ruhm die Position des Tiberius im Heer schwächte.
Abbruch der Expansion an Rhein und Donau
Unter Augustus und zu Beginn der Herrschaft des Tiberius wollte Rom die clades Variana korrigieren, zumindest aber die aufrührerischen Germanenstämme formell unterwerfen und die Deserteure bestrafen, allein schon zur Abschreckung künftiger Aufrührer. Diese Ziele wurden jedoch nicht erreicht. Die Römer hatten Glück, dass die anderen Fronten während dieser Zeit ruhig blieben, denn das römische Heer war nicht groß genug, um auf Dauer acht Legionen an der Germanenfront bereitzuhalten. Die Katastrophe des Varus, der im Jahr 13 v. Chr. zusammen mit Tiberius das Konsulat innegehabt hatte, und das von Germanicus im Jahre 14 vorgefundene Problem der Militärrevolten ließen Tiberius von der Grenzverschiebung in Richtung Weser und Elbe endgültig Abstand nehmen. Der illusionslose Germanienkenner Tiberius ging im Gegensatz zu Germanicus zu einer defensiven Grenzpolitik über, die die Germanen ihrem inneren Streit überließ und sich auf die Behauptung eines der Grenze vorgelagerten Gebietes beschränkte. Tiberius erkannte, dass Rom die germanische Arminius-Koalition allein schon aufgrund der logistischen und topographischen Gegebenheiten nicht ohne beträchtliche Mittelaufstockung besiegen konnte. Die römischen Truppen konnten sich bei einem Vormarsch nicht aus dem Lande ernähren, und der Landkriegsführung standen durch die weiten Wege und Transporte bei den kurzen Feldzugszeiten nahezu unüberwindbare Schwierigkeiten und Risiken entgegen.
Tiberius gebot den zum Teil verlustreichen Unternehmungen des Germanicus in den Jahren 15 und 16 Einhalt und rief ihn nach Rom zurück. Er berief sich dabei angeblich auf den Rat des Augustus, das Reich in seinen gegenwärtigen Grenzen zu belassen (consilium coercendi intra terminos imperii).[29] Die Historizität des consilium coercendi wird allerdings in der modernen Forschung angezweifelt,[30] unter anderem, weil die offizielle Darstellung des Augustus gegenüber dem Senat in den Res Gestae Divi Augusti einen derart weiten Entscheidungsspielraum des Kaisers auszuschließen scheint. Auch ist unsicher, ob mit intra terminos die West- oder die Ostgrenze des Reichs gemeint sei und ob es sich im ersteren Fall um die Elbgrenze oder die Rheingrenze handele.
Tiberius bewilligte dem Germanicus einen aufwändigen Triumph über die Germanen, den dieser am 26. Mai 17 in Rom abhielt. Tiberius wollte damit einerseits Germanicus eine feierliche Anerkennung seiner Gesamtleistungen zuteilwerden lassen, andererseits den faktischen Abbruch der Offensive als außenpolitischen Erfolg darstellen. Paradoxerweise erwies gerade die Katastrophe der Varusschlacht die Beständigkeit der römischen Grenze am Rhein, um derentwillen die Eroberung Germaniens begonnen worden war. Durch die Abberufung des Germanicus (16 n. Chr.) setzte sich die neue außenpolitische Linie des Tiberius durch, die in der Tabula Siarensis (19 n. Chr.) ihren Niederschlag finden sollte: Befriedung Galliens, Vergeltung für die Varusniederlage, Rückgewinnung der Feldzeichen, jedoch nicht mehr die Eroberung des rechtsrheinischen Germanien. Diese Politik fand mit dem Tod des Tiberius (37 n. Chr.) ihr Ende, sein Nachfolger Caligula unternahm wieder (erfolglose) Expeditionen in das germanische Kerngebiet.
So hier unterbrechen wir wieder mal,wer weiterlesen möchte,hier der Link:
http://de.wikipedia.org/wiki/Tiberius
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