Der Determinismus
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Der Determinismus
Der Determinismus (lat. determinare „abgrenzen“, „bestimmen“) ist die Auffassung, dass alle – insbesondere auch zukünftige – Ereignisse durch Vorbedingungen eindeutig festgelegt sind.[1] Die Gegenthese (Indeterminismus) vertritt, dass es überhaupt oder in einem bestimmten Bereich der Realität Ereignisse gibt, die auch hätten anders eintreten können.
In der heutigen Naturphilosophie wird üblicherweise „Determinismus“ spezifischer auf Ereignisse der Natur – oder einen bestimmten Bereich derselben – bezogen. Gestützt wird ein allgemeiner Determinismus zumeist durch die Annahme, dass strikte, nicht-probabilistische Naturgesetze über sämtliche natürlichen Prozesse regieren. Ob wiederum die besten physikalischen Theorien diese Annahme stützen, ist umstritten. Wenn geistige Zustände ebenfalls natürliche Zustände sind, scheint ein Determinismus Probleme für die Realität eines freien Willens zu erzeugen. Ob dieser Gegensatz besteht ist ebenso umstritten wie die jeweiligen Konsequenzen.
Es gibt keinen einheitlichen Determinismusbegriff, vielmehr lassen sich verschiedene Arten desselben unterscheiden. Paul Edwards spricht von einem ethischen, logischen, theologischen, physikalischen und psychologischen Determinismus.[2]
Beispiele
Geschichtsphilosophischer Determinismus
Mehrere Philosophen und Historiker haben vertreten oder bestritten, dass es Gesetze gibt, die über historische Prozesse regieren und Vorhersagen ermöglichen.[3] Hierzu könnte beispielsweise die Kulturzyklentheorie oder Oswald Spenglers Geschichtsmorphologie gezählt werden.
Klimadeterminismus
Klimadeterminismus ist ein Begriff der Historischen Klimatologie, der Deutungen und Modelle beschreibt, die stark vereinfachend Änderungen individueller der gesellschaftlicher Verhältnisse als zwangsläufige Reaktionen auf Klimaänderungen erklären. Andere Umweltfaktoren oder soziale Einflüsse werden dabei ebenso ausgeblendet wie die aktive Rolle des Menschen in der Interaktion mit seiner Umwelt. Als Beispiele für klimadeterministische Positionen werden bereits aus dem klassischen Griechenland Aristoteles oder als besonders markanter Vertreter des frühen 20. Jahrhunderts Ellsworth Huntington genannt. Aristoteles wollte mit dem Klima die Überlegenheit der Griechen über die Barbarenvölker begründen, Huntington allein mit dem Klima wirtschaftliches und gesundheitliches Wohlergehen von Gesellschaften und Bürgern erklären.[4] Auch ein verkürzendes Zurückführen von, zum Beispiel, Kriegsgefahren auf die derzeitige Globale Erwärmung wird als zu deterministische Sicht genannt.[5]
Gleichzeitig weisen Autoren darauf hin, dass man den Einfluss von Klima- und Umweltfaktoren auf gesellschaftliche Entwicklungen auch nicht vernachlässigen dürfe. Sie sehen hier noch Forschungsbedarf in der Geschichtswissenschaft.[6]
Physikalischer Determinismus
Es ist in der Philosophie der Physik nach wie vor umstritten, ob die Unmöglichkeit exakter Berechnung zukünftiger Ereignisse nur einem Mangel unserer Theorien oder Perspektive geschuldet ist, oder dadurch zu erklären ist, dass die Wirklichkeit selbst nicht determiniert ist.
Die klassische Physik, insbesondere die Klassische Mechanik verwendet strikte, nicht-probabilistische physikalische Gesetze. Die von diesen Theorien beschriebenen physikalischen Systeme erscheinen dann also determiniert. Vereinfacht ausgedrückt heißt das, dass bei vollständiger Kenntnis irgendeines Systemzustands an einem gegebenen Zeitpunkt der Zustand eines geschlossenen physikalischen Systems zu jeder beliebigen, insbesondere zukünftigen Zeit berechenbar ist. Eine differenziertere Formulierung ist, dass ein Systemzustand durch Erhöhung des Aufwandes für die Messung beliebig genau bestimmt werden kann und damit auch für frühere oder spätere Zustände eine beliebig genaue Bestimmung durch Berechnung möglich ist.
Die (klassische) Thermodynamik beschäftigt sich mit Systemen aus vielen Teilchen, deren Zustand ebenfalls prinzipiell beliebig genau bestimmbar ist. Wegen der praktischen Undurchführbarkeit der Messung und Berechnung verzichtet sie aber darauf und leitet lediglich statistische Gesetze her.
Der Formalismus der Quantenmechanik ermöglicht nur probabilistische Aussagen über zukünftige Beobachtungen. Anders ausgedrückt kann die Genauigkeit einer Vorhersage auch mit beliebiger Steigerung des Messaufwandes nicht besser als ein bestimmter Wert gemacht werden, der durch die Unschärferelation bestimmt ist. Viele Interpreten, darunter insbesondere die Vertreter der Kopenhagener Interpretation, haben dies damit erklärt, dass das raum-zeitliche Verhalten eines Systems fundamental nicht determiniert sei. Daneben werden aber auch (teil-)deterministische Deutungen oder Modifikationen verteidigt, in denen zwar die raum-zeitliche Änderung des Systems beliebig genau bestimmbar ist, aber entweder die Anfangsbedingungen nicht (De-Broglie-Bohm-Theorie) oder nicht, in welchem Universum sich der Beobachter befindet (Viele-Welten-Interpretation). Es muss jedoch betont werden, dass diesen unterschiedlichen Interpretationen derselbe mathematische Formalismus zugrunde liegt, der dieselben Vorhersageergebnisse liefert.
Der Physiker Stephen Hawking verwendet den Begriff „Determinismus“ für alle Interpretationen der Quantenmechanik, auch für die einschlägig als „indeterministisch“ bezeichneten Varianten. Er begründet diese Wortwahl damit, dass so der mögliche falsche Eindruck der Regellosigkeit vermieden werde. Auch unter der Annahme einer fundamentalen Zufälligkeit der Natur würden statt einer bestimmten Zukunft und Vergangenheit eben die Wahrscheinlichkeiten für verschiedene mögliche Zukünfte und Vergangenheiten durch die Naturgesetze exakt bestimmt, d. h. determiniert.[7]
Theologischer Determinismus und religionsphilosophische Probleme
Sowohl ein mögliches Vorherbestimmtsein der Wirklichkeit durch die Naturordnung, wie auch durch göttliche Vorherbestimmung, erzeugen zahlreiche Probleme in verschiedenen religionsphilosophischen und dogmatischen Bereichen.
Viele Religionen und deren Interpreten vertreten einen Freien Willen des Menschen; die theistischen Religionen lehren, ihren üblichsten Interpretationen zufolge, zudem die Existenz eines allwissenden und allmächtigen Gottes. Einigen Philosophen und Theologen zufolge ist es erklärungsbedürftig, ob und wie diese drei Thesen kompatibel sind. Darüber hinaus wird diskutiert, ob und wie Gottes Allmacht mit einem vollständigen Determinismus des Naturablaufs kompatibel ist, wenn Allmacht auch die Fähigkeit zu einem Eingreifen Gottes nach der Schöpfung meint. Eine klassische Lösung besteht darin, dass Gott nicht selbst der Zeit unterliegt, sondern Welt und Zeit selbst in Ewigkeit hervorbringt und dabei insbesondere auch diejenigen Ereignisse, welche Menschen als Wunder oder als Ausnahme von Naturgesetzen erscheinen, selbst hervorbringt bzw. vorbestimmt hat.
Nelson Pike meint, dass Vorherwissen und Vorherbestimmung im Falle eines allwissenden Wesens, das sich nicht irren kann, enger zusammen hängen.[8] Anthony Kenny weist darauf hin[9], dass Gleichzeitigkeit eine Transitive Relation sei. Wenn Gottes Wirken mit jedem Augenblick gleichzeitig ist, dann sind alle Ereignisse gleichzeitig. Ersteres lehrt ihm zufolge Thomas von Aquin. Da letzteres absurd sei, müsse ein solcher Gottesbegriff aufgegeben werden.
In monotheistischen Theologien wurden unterschiedlich starke Thesen über die objektive oder menschlich einsichtige Planmäßigkeit göttlichen Wirkens und über das Ausmaß des Bewirktwerden des Einzelnen durch Gott vertreten. Eine Extremform ist die These, dass überhaupt nur einzelne Atome für je nur zu einzelne Zeitmomente von Gott geschaffen werden und es weder eine fortdauernde Substanz noch stabile Naturgesetze gibt – ein sogenannter Okkasionalismus, der u. a. in einigen Schulen des arabischen Kalam vertreten wurde und mit einer starken Betonung des göttlichen Willens (sog. Voluntarismus) einhergeht, welchem gegenüber die menschliche Rationalität und die von ihr unterstellten Stabilitäten und Gesetzmäßigkeiten haltlos werden. Dieser Okkasionalismus ist offensichtlich inkompatibel mit einem physikalischen Determinismus.
Je stärker Gottes Wirken als Hervorbringung bzw. Vorherbestimmung von Einzelereignissen verstanden wird, desto erklärungsbedürftiger wird die Vereinbarkeit des Übels mit dem Verständnis der Güte Gottes, das sogenannte Theodizeeproblem.
Weitere theologische Problembereiche sind die Diskussion über eine Vorherbestimmung (Prädestination) einzelner Individuen zu ihrem jeweiligen endzeitlichen Heil bzw. zur Möglichkeit, überhaupt religiös zu glauben oder Gnadengaben zu erwerben. (Siehe hierzu den Hauptartikel Prädestination).
Probleme in der Philosophie des Geistes
Die Vereinbarkeit von Determinismus und Willensfreiheit wird in der Philosophie des Geistes nach wie vor kontrovers debattiert.
Zahlreiche Philosophen vertreten die Meinung, dass bei einer deterministischen Wirklichkeit die Willensfreiheit eine Illusion ist (sog. Inkompatibilismus). Die Gegenthese lautet, dass auch dann, wenn die Wirklichkeit deterministisch ist, Willensfreiheit real sein kann (sogenannter Kompatibilismus oder weicher Determinismus). Ein Inkompatibilist muss also, wenn er die Willensfreiheit für real hält, den Determinismus für falsch halten. Alle vier möglichen Positionen wurden und werden vertreten. Eine inkompatibilistische Position wird zumeist begründet durch die Verteidigung einer Reduzierbarkeit mentaler Zustände auf natürliche bzw. physikalische Zustände. Denn wenn ein mentaler Zustand identisch ist mit einem Zustand, der mit Termini deterministischer physikalischer Theorien beschrieben wird, dann sind auch mentale Zustände und insbesondere willentliche Entscheidungen determiniert. Einen solchen Reduktionismus oder eine Nichtexistenz des Geistigen (Eliminativismus) vertreten insbesondere Theoretiker, die grundsätzlich verteidigen, dass es überhaupt nur natürliche Objekte gibt, sogenannte Naturalisten.
Es wird oft behauptet, dass die Zufälligkeit thermodynamischer oder quantenmechanischer Prozesse irrelevant ist für die Frage, ob Willensfreiheit möglich ist. Dies wird damit begründet, dass unser Freiheitsbegriff eine durch Gründe selbstbestimmte Entscheidung meint und keine durch Zufall bestimmte Ereignisabfolge.
Auch die theologische Annahme eines Vorherbestimmtseins aller Ereignisse durch Gott (theologischer Determinismus) wirft für einige Theoretiker Probleme für die Realität eines freien Willens auf (siehe oben).
Begriffliche Abgrenzung
Die philosophischen Positionen Fatalismus und Prädestination zeichnen sich ebenfalls durch Vorherbestimmung aus. Im Detail ist die Besonderheit des Determinismus die Kausalität, also dass der Zustand eines isolierten Systems zur Zeit t+dt durch seinen Zustand zur Zeit t determiniert ist. Bei Fatalismus und Prädestination wird von einem offenen System ausgegangen, dessen zukünftiger Zustand durch den äußeren Eingriff des Schicksals determiniert wird und nicht durch den aktuellen Zustand. Fatalismus und Prädestination unterscheiden sich untereinander wiederum dadurch, dass hypothetische Götter im Fatalismus ebenfalls dem Schicksal unterworfen sind und in der Prädestination das Schicksal durch einen hypothetischen freien Willen steuern.
Vertreter
Alfred Jules Ayer (1910–1989)
Albert Einstein (1879–1955)
Max Planck (1858–1947)
John Stuart Mill (1806–1873)
Pierre-Simon Laplace (1749–1827)
Paul Henri Thiry d’Holbach (1723–1789)
David Hume (1711–1776)
Julien Offray de La Mettrie (1709–1751)
John Locke (1632–1704)
Baruch de Spinoza (1632–1677)
Thomas Hobbes (1588–1679)
Quelle - literatur & einzelnachweise
In der heutigen Naturphilosophie wird üblicherweise „Determinismus“ spezifischer auf Ereignisse der Natur – oder einen bestimmten Bereich derselben – bezogen. Gestützt wird ein allgemeiner Determinismus zumeist durch die Annahme, dass strikte, nicht-probabilistische Naturgesetze über sämtliche natürlichen Prozesse regieren. Ob wiederum die besten physikalischen Theorien diese Annahme stützen, ist umstritten. Wenn geistige Zustände ebenfalls natürliche Zustände sind, scheint ein Determinismus Probleme für die Realität eines freien Willens zu erzeugen. Ob dieser Gegensatz besteht ist ebenso umstritten wie die jeweiligen Konsequenzen.
Es gibt keinen einheitlichen Determinismusbegriff, vielmehr lassen sich verschiedene Arten desselben unterscheiden. Paul Edwards spricht von einem ethischen, logischen, theologischen, physikalischen und psychologischen Determinismus.[2]
Beispiele
Geschichtsphilosophischer Determinismus
Mehrere Philosophen und Historiker haben vertreten oder bestritten, dass es Gesetze gibt, die über historische Prozesse regieren und Vorhersagen ermöglichen.[3] Hierzu könnte beispielsweise die Kulturzyklentheorie oder Oswald Spenglers Geschichtsmorphologie gezählt werden.
Klimadeterminismus
Klimadeterminismus ist ein Begriff der Historischen Klimatologie, der Deutungen und Modelle beschreibt, die stark vereinfachend Änderungen individueller der gesellschaftlicher Verhältnisse als zwangsläufige Reaktionen auf Klimaänderungen erklären. Andere Umweltfaktoren oder soziale Einflüsse werden dabei ebenso ausgeblendet wie die aktive Rolle des Menschen in der Interaktion mit seiner Umwelt. Als Beispiele für klimadeterministische Positionen werden bereits aus dem klassischen Griechenland Aristoteles oder als besonders markanter Vertreter des frühen 20. Jahrhunderts Ellsworth Huntington genannt. Aristoteles wollte mit dem Klima die Überlegenheit der Griechen über die Barbarenvölker begründen, Huntington allein mit dem Klima wirtschaftliches und gesundheitliches Wohlergehen von Gesellschaften und Bürgern erklären.[4] Auch ein verkürzendes Zurückführen von, zum Beispiel, Kriegsgefahren auf die derzeitige Globale Erwärmung wird als zu deterministische Sicht genannt.[5]
Gleichzeitig weisen Autoren darauf hin, dass man den Einfluss von Klima- und Umweltfaktoren auf gesellschaftliche Entwicklungen auch nicht vernachlässigen dürfe. Sie sehen hier noch Forschungsbedarf in der Geschichtswissenschaft.[6]
Physikalischer Determinismus
Es ist in der Philosophie der Physik nach wie vor umstritten, ob die Unmöglichkeit exakter Berechnung zukünftiger Ereignisse nur einem Mangel unserer Theorien oder Perspektive geschuldet ist, oder dadurch zu erklären ist, dass die Wirklichkeit selbst nicht determiniert ist.
Die klassische Physik, insbesondere die Klassische Mechanik verwendet strikte, nicht-probabilistische physikalische Gesetze. Die von diesen Theorien beschriebenen physikalischen Systeme erscheinen dann also determiniert. Vereinfacht ausgedrückt heißt das, dass bei vollständiger Kenntnis irgendeines Systemzustands an einem gegebenen Zeitpunkt der Zustand eines geschlossenen physikalischen Systems zu jeder beliebigen, insbesondere zukünftigen Zeit berechenbar ist. Eine differenziertere Formulierung ist, dass ein Systemzustand durch Erhöhung des Aufwandes für die Messung beliebig genau bestimmt werden kann und damit auch für frühere oder spätere Zustände eine beliebig genaue Bestimmung durch Berechnung möglich ist.
Die (klassische) Thermodynamik beschäftigt sich mit Systemen aus vielen Teilchen, deren Zustand ebenfalls prinzipiell beliebig genau bestimmbar ist. Wegen der praktischen Undurchführbarkeit der Messung und Berechnung verzichtet sie aber darauf und leitet lediglich statistische Gesetze her.
Der Formalismus der Quantenmechanik ermöglicht nur probabilistische Aussagen über zukünftige Beobachtungen. Anders ausgedrückt kann die Genauigkeit einer Vorhersage auch mit beliebiger Steigerung des Messaufwandes nicht besser als ein bestimmter Wert gemacht werden, der durch die Unschärferelation bestimmt ist. Viele Interpreten, darunter insbesondere die Vertreter der Kopenhagener Interpretation, haben dies damit erklärt, dass das raum-zeitliche Verhalten eines Systems fundamental nicht determiniert sei. Daneben werden aber auch (teil-)deterministische Deutungen oder Modifikationen verteidigt, in denen zwar die raum-zeitliche Änderung des Systems beliebig genau bestimmbar ist, aber entweder die Anfangsbedingungen nicht (De-Broglie-Bohm-Theorie) oder nicht, in welchem Universum sich der Beobachter befindet (Viele-Welten-Interpretation). Es muss jedoch betont werden, dass diesen unterschiedlichen Interpretationen derselbe mathematische Formalismus zugrunde liegt, der dieselben Vorhersageergebnisse liefert.
Der Physiker Stephen Hawking verwendet den Begriff „Determinismus“ für alle Interpretationen der Quantenmechanik, auch für die einschlägig als „indeterministisch“ bezeichneten Varianten. Er begründet diese Wortwahl damit, dass so der mögliche falsche Eindruck der Regellosigkeit vermieden werde. Auch unter der Annahme einer fundamentalen Zufälligkeit der Natur würden statt einer bestimmten Zukunft und Vergangenheit eben die Wahrscheinlichkeiten für verschiedene mögliche Zukünfte und Vergangenheiten durch die Naturgesetze exakt bestimmt, d. h. determiniert.[7]
Theologischer Determinismus und religionsphilosophische Probleme
Sowohl ein mögliches Vorherbestimmtsein der Wirklichkeit durch die Naturordnung, wie auch durch göttliche Vorherbestimmung, erzeugen zahlreiche Probleme in verschiedenen religionsphilosophischen und dogmatischen Bereichen.
Viele Religionen und deren Interpreten vertreten einen Freien Willen des Menschen; die theistischen Religionen lehren, ihren üblichsten Interpretationen zufolge, zudem die Existenz eines allwissenden und allmächtigen Gottes. Einigen Philosophen und Theologen zufolge ist es erklärungsbedürftig, ob und wie diese drei Thesen kompatibel sind. Darüber hinaus wird diskutiert, ob und wie Gottes Allmacht mit einem vollständigen Determinismus des Naturablaufs kompatibel ist, wenn Allmacht auch die Fähigkeit zu einem Eingreifen Gottes nach der Schöpfung meint. Eine klassische Lösung besteht darin, dass Gott nicht selbst der Zeit unterliegt, sondern Welt und Zeit selbst in Ewigkeit hervorbringt und dabei insbesondere auch diejenigen Ereignisse, welche Menschen als Wunder oder als Ausnahme von Naturgesetzen erscheinen, selbst hervorbringt bzw. vorbestimmt hat.
Nelson Pike meint, dass Vorherwissen und Vorherbestimmung im Falle eines allwissenden Wesens, das sich nicht irren kann, enger zusammen hängen.[8] Anthony Kenny weist darauf hin[9], dass Gleichzeitigkeit eine Transitive Relation sei. Wenn Gottes Wirken mit jedem Augenblick gleichzeitig ist, dann sind alle Ereignisse gleichzeitig. Ersteres lehrt ihm zufolge Thomas von Aquin. Da letzteres absurd sei, müsse ein solcher Gottesbegriff aufgegeben werden.
In monotheistischen Theologien wurden unterschiedlich starke Thesen über die objektive oder menschlich einsichtige Planmäßigkeit göttlichen Wirkens und über das Ausmaß des Bewirktwerden des Einzelnen durch Gott vertreten. Eine Extremform ist die These, dass überhaupt nur einzelne Atome für je nur zu einzelne Zeitmomente von Gott geschaffen werden und es weder eine fortdauernde Substanz noch stabile Naturgesetze gibt – ein sogenannter Okkasionalismus, der u. a. in einigen Schulen des arabischen Kalam vertreten wurde und mit einer starken Betonung des göttlichen Willens (sog. Voluntarismus) einhergeht, welchem gegenüber die menschliche Rationalität und die von ihr unterstellten Stabilitäten und Gesetzmäßigkeiten haltlos werden. Dieser Okkasionalismus ist offensichtlich inkompatibel mit einem physikalischen Determinismus.
Je stärker Gottes Wirken als Hervorbringung bzw. Vorherbestimmung von Einzelereignissen verstanden wird, desto erklärungsbedürftiger wird die Vereinbarkeit des Übels mit dem Verständnis der Güte Gottes, das sogenannte Theodizeeproblem.
Weitere theologische Problembereiche sind die Diskussion über eine Vorherbestimmung (Prädestination) einzelner Individuen zu ihrem jeweiligen endzeitlichen Heil bzw. zur Möglichkeit, überhaupt religiös zu glauben oder Gnadengaben zu erwerben. (Siehe hierzu den Hauptartikel Prädestination).
Probleme in der Philosophie des Geistes
Die Vereinbarkeit von Determinismus und Willensfreiheit wird in der Philosophie des Geistes nach wie vor kontrovers debattiert.
Zahlreiche Philosophen vertreten die Meinung, dass bei einer deterministischen Wirklichkeit die Willensfreiheit eine Illusion ist (sog. Inkompatibilismus). Die Gegenthese lautet, dass auch dann, wenn die Wirklichkeit deterministisch ist, Willensfreiheit real sein kann (sogenannter Kompatibilismus oder weicher Determinismus). Ein Inkompatibilist muss also, wenn er die Willensfreiheit für real hält, den Determinismus für falsch halten. Alle vier möglichen Positionen wurden und werden vertreten. Eine inkompatibilistische Position wird zumeist begründet durch die Verteidigung einer Reduzierbarkeit mentaler Zustände auf natürliche bzw. physikalische Zustände. Denn wenn ein mentaler Zustand identisch ist mit einem Zustand, der mit Termini deterministischer physikalischer Theorien beschrieben wird, dann sind auch mentale Zustände und insbesondere willentliche Entscheidungen determiniert. Einen solchen Reduktionismus oder eine Nichtexistenz des Geistigen (Eliminativismus) vertreten insbesondere Theoretiker, die grundsätzlich verteidigen, dass es überhaupt nur natürliche Objekte gibt, sogenannte Naturalisten.
Es wird oft behauptet, dass die Zufälligkeit thermodynamischer oder quantenmechanischer Prozesse irrelevant ist für die Frage, ob Willensfreiheit möglich ist. Dies wird damit begründet, dass unser Freiheitsbegriff eine durch Gründe selbstbestimmte Entscheidung meint und keine durch Zufall bestimmte Ereignisabfolge.
Auch die theologische Annahme eines Vorherbestimmtseins aller Ereignisse durch Gott (theologischer Determinismus) wirft für einige Theoretiker Probleme für die Realität eines freien Willens auf (siehe oben).
Begriffliche Abgrenzung
Die philosophischen Positionen Fatalismus und Prädestination zeichnen sich ebenfalls durch Vorherbestimmung aus. Im Detail ist die Besonderheit des Determinismus die Kausalität, also dass der Zustand eines isolierten Systems zur Zeit t+dt durch seinen Zustand zur Zeit t determiniert ist. Bei Fatalismus und Prädestination wird von einem offenen System ausgegangen, dessen zukünftiger Zustand durch den äußeren Eingriff des Schicksals determiniert wird und nicht durch den aktuellen Zustand. Fatalismus und Prädestination unterscheiden sich untereinander wiederum dadurch, dass hypothetische Götter im Fatalismus ebenfalls dem Schicksal unterworfen sind und in der Prädestination das Schicksal durch einen hypothetischen freien Willen steuern.
Vertreter
Alfred Jules Ayer (1910–1989)
Albert Einstein (1879–1955)
Max Planck (1858–1947)
John Stuart Mill (1806–1873)
Pierre-Simon Laplace (1749–1827)
Paul Henri Thiry d’Holbach (1723–1789)
David Hume (1711–1776)
Julien Offray de La Mettrie (1709–1751)
John Locke (1632–1704)
Baruch de Spinoza (1632–1677)
Thomas Hobbes (1588–1679)
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