Vis absoluta
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Vis absoluta
Im Strafrecht wird beim Rechtsbegriff der Gewalt zwischen zwei Formen unterschieden: Vis absoluta und vis compulsiva. Vis absoluta bezeichnet dabei die "willensbrechende" Gewalt. Hier wird dem Opfer die freie Willensbetätigung oder Willensbildung absolut unmöglich gemacht, dem Opfer wird schlechthin jede Möglichkeit zu handeln genommen.
Beispiele hierfür sind: Fesseln, Einschließen, Niederschlagen, Betäuben.
In mehreren Delikten, vor allem bei der Nötigung (siehe zu der Diskussion auch dort) ist dabei der Gewaltbegriff umstritten, weil um eine klare Grenzziehung zwischen Gewalt, Drohung oder eventuell nicht strafwürdigem passivem Verhalten gerungen wird, um zu bestimmen, wer sich strafbar macht und wer nicht.
Abgrenzungsfragen/Kasuistik
Interessant ist diese Unterscheidung auch für die Folterdebatte. Hier wird häufig ins Feld geführt, dass es sich bei Folter zur Rettung eines Menschenlebens um Gefahrenabwehr handele und ein Unterschied zum finalen Todesschuss (wenn der Polizist den Geiselnehmer erschießt, während dieser droht, seine Geisel zu töten) nicht gesehen werden könne. Die Antwort liegt bei der Unterscheidung von vis absoluta und vis compulsiva. Bei dem Todesschuss handelt es sich um vis absoluta, weil dem Täter durch die Tötung jegliche weitere Gefährdungsmöglichkeit genommen wird. Bei Folter zur Erreichung einer Aussage, z. B. wo das Entführungsopfer versteckt sei, handelt es sich jedoch um vis compulsiva.
Ob sich aus der Erlaubnis zum Einsatz von vis absoluta ein Erst-recht-Schluss (a fortiori) dahingehend ziehen lässt, dass dann auch vis compulsiva (hier: Folter) erlaubt sein müsste, hängt davon ab, ob vis compulsiva (abstrakt gesehen) weniger einschneidend auf den Betroffenen wirkt als vis absoluta. Als Argument hierfür mag dienen, dass der Betroffene bei vis compulsiva immerhin die Wahl hat, ob er der Gewalt nachgibt oder nicht. Dies ist jedoch wenig überzeugend. Vis compulsiva wird gerade dazu angewandt, die Wahlmöglichkeit des Betroffenen so weit einzuschränken, dass dieser ihr nachgibt und eine bereits getroffene Wahl ändert. Solange der Betroffene bei seiner freien Entscheidung verbleibt und also das Versteck des Entführungsopfers nicht verrät, ist er weiterer Gewalt ausgesetzt. Es wäre widersinnig, wenn die freie Entscheidungsmöglichkeit, der Gewalt nachzugeben oder nicht, ein Argument dafür wäre, ein Mittel einsetzen zu dürfen, das ebendiese freie Entscheidung bekämpft.
Wesentlich schwerer wiegt aber, dass bei vis compulsiva - so erfolgreich eingesetzt - nicht nur die Handlungsfreiheit des Betroffenen eingeschränkt wird, sondern auch seine Willensfreiheit: der Betroffene wird gezwungen, gegen sich zu handeln. Insofern sind die deutschen Ausdrücke „willensbeugend“ als Gegensatz zu „willensbrechend“ unglücklich gewählt. Auch - eigentlich sogar nur - bei vis compulsiva wird „der Wille gebrochen“. Bei vis absoluta dagegen wird der Wille eher umgangen oder gänzlich ausgeschaltet.
Sonstiges
Latein im Recht
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Beispiele hierfür sind: Fesseln, Einschließen, Niederschlagen, Betäuben.
In mehreren Delikten, vor allem bei der Nötigung (siehe zu der Diskussion auch dort) ist dabei der Gewaltbegriff umstritten, weil um eine klare Grenzziehung zwischen Gewalt, Drohung oder eventuell nicht strafwürdigem passivem Verhalten gerungen wird, um zu bestimmen, wer sich strafbar macht und wer nicht.
Abgrenzungsfragen/Kasuistik
Interessant ist diese Unterscheidung auch für die Folterdebatte. Hier wird häufig ins Feld geführt, dass es sich bei Folter zur Rettung eines Menschenlebens um Gefahrenabwehr handele und ein Unterschied zum finalen Todesschuss (wenn der Polizist den Geiselnehmer erschießt, während dieser droht, seine Geisel zu töten) nicht gesehen werden könne. Die Antwort liegt bei der Unterscheidung von vis absoluta und vis compulsiva. Bei dem Todesschuss handelt es sich um vis absoluta, weil dem Täter durch die Tötung jegliche weitere Gefährdungsmöglichkeit genommen wird. Bei Folter zur Erreichung einer Aussage, z. B. wo das Entführungsopfer versteckt sei, handelt es sich jedoch um vis compulsiva.
Ob sich aus der Erlaubnis zum Einsatz von vis absoluta ein Erst-recht-Schluss (a fortiori) dahingehend ziehen lässt, dass dann auch vis compulsiva (hier: Folter) erlaubt sein müsste, hängt davon ab, ob vis compulsiva (abstrakt gesehen) weniger einschneidend auf den Betroffenen wirkt als vis absoluta. Als Argument hierfür mag dienen, dass der Betroffene bei vis compulsiva immerhin die Wahl hat, ob er der Gewalt nachgibt oder nicht. Dies ist jedoch wenig überzeugend. Vis compulsiva wird gerade dazu angewandt, die Wahlmöglichkeit des Betroffenen so weit einzuschränken, dass dieser ihr nachgibt und eine bereits getroffene Wahl ändert. Solange der Betroffene bei seiner freien Entscheidung verbleibt und also das Versteck des Entführungsopfers nicht verrät, ist er weiterer Gewalt ausgesetzt. Es wäre widersinnig, wenn die freie Entscheidungsmöglichkeit, der Gewalt nachzugeben oder nicht, ein Argument dafür wäre, ein Mittel einsetzen zu dürfen, das ebendiese freie Entscheidung bekämpft.
Wesentlich schwerer wiegt aber, dass bei vis compulsiva - so erfolgreich eingesetzt - nicht nur die Handlungsfreiheit des Betroffenen eingeschränkt wird, sondern auch seine Willensfreiheit: der Betroffene wird gezwungen, gegen sich zu handeln. Insofern sind die deutschen Ausdrücke „willensbeugend“ als Gegensatz zu „willensbrechend“ unglücklich gewählt. Auch - eigentlich sogar nur - bei vis compulsiva wird „der Wille gebrochen“. Bei vis absoluta dagegen wird der Wille eher umgangen oder gänzlich ausgeschaltet.
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