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Das Reichskammergericht

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Das Reichskammergericht Empty Das Reichskammergericht

Beitrag  Andy Mi März 04, 2015 10:47 pm

Das Reichskammergericht war seit seiner Gründung im Jahr 1495 unter dem deutschen König und späteren Kaiser Maximilian I. bis zu seiner Auflösung 1806 neben dem Reichshofrat das oberste Gericht des Heiligen Römischen Reichs. Es hatte die Aufgabe, ein geregeltes Streitverfahren an die Stelle von Fehden, Gewalt und Krieg zu setzen. Zuerst hatte das Gericht seinen Sitz in Frankfurt am Main. Nach Zwischenstationen in Worms, Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Speyer und Esslingen am Neckar war es ab 1527 in Speyer und nach dessen Zerstörung infolge des Pfälzischen Erbfolgekriegs von 1689 bis 1806 in Wetzlar ansässig.

Das Reichskammergericht 220px-Audienz_Reichskammergericht
Audienz am Reichskammergericht Wetzlar (Conspectus Audientiae Camerae imperialis), Kupferstich, Frankfurt/Main 1750, Städtische Sammlung Wetzlar

Geschichte

Das Reichskammergericht 640px-Wetzlar_Reichskammergericht_2003
Sitz des Reichskammergerichts in Wetzlar

Das Reichskammergericht 800px-Speyer_Ratshof_1789
Ruine des Ratshofes zu Speyer 1789, in dem mehrere Reichstage abgehalten wurden; rechts die zugemauerte Tür zur Audienzstube des Reichskammergerichts in Speyer. Aquarell von Franz Stöber

Das Reichskammergericht 640px-Maurer_Geschichte_des_Gerichtsverfahrens_Plate_C
Eine öffentliche Sitzung des Reichskammergerichtes in seinem letzten Zustande

Der Vorläufer des Reichskammergerichts war das königliche Kammergericht. Im Unterschied zum Reichskammergericht tagte das königliche Kammergericht immer dort, wo sich der König aufhielt. Ab dem 15. Jahrhundert stellte das Adelsgeschlecht der Habsburger die römisch-deutschen Könige. Weil die Habsburger aber weitreichende Territorien außerhalb Deutschlands besaßen, war der habsburgische König oft lange Zeit nicht im Reich. Somit war das höchste Gericht im Reich oft auch nicht anwesend, was zu einer Krise in der Rechtsprechung führte. Der König war zudem nicht nur oberster Gerichtsherr, sondern auch Regent des Reiches. Da die Könige nicht oft anwesend waren, wirkte sich dies auch anderweitig negativ auf die politische Lage im Reich aus. Um die schlechte administrative Lage zu ändern, wurden auf dem Reichstag zu Worms im Jahre 1495 weitreichende Reformen verabschiedet. Unter anderem wurde der Ewige Landfriede erlassen, der es jedermann verbot, das alte Fehderecht auszuüben und gewaltsam gegen andere Reichsuntertanen vorzugehen. Zur Sicherung des Landfriedens und um Verstöße gegen den Landfrieden per Gerichtsverfahren zu ahnden, wurde auf diesem Reichstag auch das Reichskammergericht geschaffen.

Das Reichskammergericht war insoweit eine Neuschöpfung, als das Gericht nun stärker von der Person des Königs gelöst wurde. Es sollte nicht mehr am Aufenthaltsort des Königs, sondern immer im Reich an einem ihm zugewiesenen Gerichtsort tagen. Zum einen eröffnete dies den Reichsständen mehr Einfluss auf die letztinstanzliche Rechtsprechung, da sie nun – ebenso wie der König – Richter (Assessoren) am Reichskammergericht stellen konnten. Gleichzeitig wurde mit der Möglichkeit des Untertanenprozesses ein Instrument geschaffen, das die Befugnisse der Landesherren einschränkte: Ihre Untertanen konnten nun über die territorialen Gerichte hinaus an eine zentrale Instanz appellieren.

Die erste Reichskammergerichtsordnung vom 7. August 1495 begründete Unser [also des Königs] und des Hailigen Reichs Cammergericht. Der Erfolg der Reichsstände gegenüber dem Kaiser zeigt sich auch bei den Regelungen für das Gericht bezüglich Tagungsort, einer von der Residenz des Kaisers weit entfernten Reichsstadt, Finanzierung und personeller Zusammensetzung. Erster Kammerrichter in der Geschichte des Reichskammergerichts und damit dessen personelle Spitze war der mit Maximilian I. von Habsburg befreundete Graf Eitel Friedrich II. von Hohenzollern .[1] Am 31. Oktober 1495 wurde das neue Reichskammergericht von Maximilian I. persönlich eröffnet. Er nahm Eitel Friedrich und den Beisitzern (Urteilern, Assessoren) den Amtseid ab und übergab dem Kammerrichter den Gerichtsstab als Zeichen seiner Würde. Damit repräsentierte er den König[2] als Gerichtsherrn. Der Kammerrichter war dessen dauerhafter Stellvertreter am und im Gericht. Er repräsentierte ihn auch im Sinne der Darstellung königlicher[3] Macht, wozu neben dem Gerichtsstab auch der erhöhte Thron unter einem Baldachin diente.[4] Maximilian akzeptierte sogar, dass das höchste Reichsgericht fern vom Königshof in einer Reichsstadt seinen Sitz einrichtete.

Die Kaiser und Könige fanden sich aber mit der Ablösung des Gerichts nicht ganz ab. Sie konnten sie nicht rückgängig machen, doch übten sie teilweise politischen Einfluss auf das Gericht aus. Weiterhin gründete Karl V. im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts den Reichshofrat (RHR). Dieser war ebenfalls oberstes Reichsgericht und stand neben dem RKG. Der Reichshofrat war personell und organisatorisch viel stärker an den Kaiser gebunden. Beide Gerichte hatten überschneidende Zuständigkeiten und konkurrierten (und kooperierten) manchmal miteinander. Spätestens ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird der Reichshofrat dem RKG gleichwertiges Gericht und überflügelt dieses in der Spätzeit des Alten Reiches sogar in der Bedeutung.

Die anfängliche Ansiedlung des Gerichtes in der selbstbewussten Reichsstadt Frankfurt am Main wurde dort nicht von allen begrüßt. Die Frankfurter sahen in dem Gericht ein Symbol der alten ständisch-feudalen Ordnung, das auf Grund seiner zeremoniellen Ansprüche und Privilegien die städtische Verfasstheit empfindlich stören könnte. Dementsprechend verhielten sich die Frankfurter gegenüber dem Gericht reserviert, empfingen es aber standesgemäß. Auf Grund des nur anderthalbjährigen Aufenthalts in Frankfurt blieben größere Spannungen aber aus, und die Verfasstheit der Stadt änderte sich ebenfalls nicht.
Aufbau des Gerichts

Nach mittelalterlicher Tradition stand dem Gericht der sogenannte Kammerrichter vor, der die Funktion eines Gerichtspräsidenten ausübte. Der Kammerrichter musste kein gelehrter Jurist sein, sondern ein reichsunmittelbarer Adliger, der vom Kaiser für dieses Amt bestimmt wurde. Der Kammerrichter leitete die als Audienzen bezeichneten öffentlichen Sitzungen des Gerichts, führte die Dienstaufsicht über die Assessoren und legte fest, welche Fälle welchen Assessoren zur Entscheidung zugewiesen wurden.

Die eigentlichen Urteile fällten die Assessoren (Beisitzer, Urteiler). Ihre Anzahl schwankte im Laufe der 300-jährigen Geschichte des Gerichts. Die Entscheidungen wurden in Beratungsgruppen gefällt. Für minderwichtige Entscheidungen berieten meist vier Assessoren, an Endurteilen mussten acht Assessoren mitwirken, in ganz wichtigen Fällen kamen alle Assessoren zusammen. In einer Beratergruppe waren zwei Assessoren (Referens und Correferens) dafür zuständig, die Fälle genauer zu besehen und Urteilsvorschläge samt Gutachten (Voten) auszuarbeiten, die anschließend von allen anwesenden Assessoren beraten und beschlossen wurden. Es gab meist je eine Urteilergruppe zu acht Assessoren, die in der Audienz schnell zu fällende prozessuale Urteile trafen; eine Urteilergruppe, die dringliche Sachen außerhalb der Audienz bearbeitete, und eine Urteilergruppe, die in Standardfällen entschied.

Von den Assessoren wurden je einer von den Kurfürsten an das Gericht entsandt. Der römisch-deutsche König benannte für Burgund und Böhmen je zwei und jeder der im Jahre 1500 und 1512 gebildeten Reichskreise durfte ebenfalls einen Beisitzer zum Reichskammergericht entsenden. Außerdem wurden die letzten beiden Sitze auf Vorschlag der Reichskreise durch den Reichstag gewählt, so dass die Assessoren des Reichskammergerichts zur Hälfte aus Vertretern der Reichskreise bestanden.

Auch als im Jahre 1555 die Anzahl der Beisitzer auf 24 erhöht wurde, blieb die Rolle der Reichskreise entsprechend ihrer Wichtigkeit für den Landfrieden erhalten. Seitdem durfte jeder Reichskreis einen ausgebildeten Juristen und einen Vertreter der Reichsritterschaft entsenden, also jetzt zwei Vertreter.

Nach dem Westfälischen Frieden, in dem die Anzahl auf 50 erhöht wurde, und dem Jüngsten Reichsabschied wurde die Hälfte der Assessoren mit Vertretern der Reichskreise besetzt. Auch wurde nach 1648 darauf geachtet, dass die beiden Konfessionsgruppen jeweils einen der beiden Senatspräsidenten stellten sowie 26 der 50 Gerichtsassessoren katholisch und 24 evangelisch waren.[5]

Neben Kammerrichter und Assessoren (dem eigentlichen Gericht) gehörte zum Reichskammergericht noch die Kammergerichtskanzlei. Die Kanzlei war für die Führung der Gerichtsbücher, die Archivierung der bei Gericht eingereichten Schriftstücke und die formelle Erstellung und Zusendung von Urteilen und sonstigen gerichtlichen Briefen zuständig. Die Kanzlei war organisatorisch vom Gericht unabhängig. Anders als das Gericht, das über den Kammerrichter unmittelbar vom Kaiser abhängig war, unterstand die Kanzlei über den Kanzleiverwalter dem Kanzler des Reiches, dem Kurfürsten von Mainz.

Weiterhin waren am Gericht Anwälte (Procuratoren, Advokaten) tätig. Der anwaltliche Vertreter des Königs hieß Fiskal.
Zuständigkeit

Wie bereits erwähnt, war das Reichskammergericht für die Einhaltung des Landfriedens zuständig. Die Reichsstände durften nicht mit Waffengewalt gegen andere Stände vorgehen. Geschah dies doch, konnte der Fiskal ein Strafverfahren gegen den Landfriedensbrecher einleiten. Diese Kompetenz stand auch dem Angegriffenen zu.

Weiterhin war das Reichskammergericht als oberstes Gericht im Reich für die Überprüfung von zivilrechtlichen Urteilen erster Instanz zuständig. Dies geschah über die Appellation. Fühlte sich ein Untertan eines Reichsstandes durch ein Urteil eines unteren Gerichts verletzt, so konnte er im Rahmen eines Untertanenprozesses ans Reichskammergericht appellieren. Allerdings musste er den Instanzenzug einhalten: Bestand neben einem unteren noch ein territoriales Obergericht, dann musste er zunächst an diese mittlere Instanz appellieren, bevor er sich ans Reichskammergericht wenden konnte.

Da die unteren Instanzen meist in die Zuständigkeit der Reichsfürsten, freien Reichsstädte und anderer Reichsstände fielen, so sahen diese in der konkurrierenden Rechtsprechung des Reichskammergerichtes einen Eingriff in ihre Herrschaftsrechte. Sie suchten Appellationen aus ihrem Herrschaftsgebiet an das Reichskammergericht daher möglichst zu unterbinden. Gegen Geldzahlungen oder andere Dienstleistungen erlangten die meisten von ihnen bis zum Ende des alten Reichs ein kaiserliches Privileg, das sogenannte Privilegium de non appellando, welches ihren Untertanen den Gang zum Reichskammergericht entweder ganz oder teilweise untersagte. Galt dies für alle Streitsachen, handelte es sich um ein so genanntes privilegium illimitatum; war das Verbot der Appellation dagegen auf Fälle bis zu einem gewissen Streitwert begrenzt, so sprach man von einem privilegium limitatum. Appellationen in Strafsachen waren bereits mit § 95 des Reichsabschiedes von 1530 ausdrücklich verboten worden.

Unabhängig von diesen Appellationsbeschränkungen konnte aber jeder Untertan eines Reichsstands sich an das Reichskammergericht wenden, wenn ihm die Rechtsprechung durch die territorialen Untergerichte verweigert worden war. Grundsätzlich war das Reichskammergericht also ein Appellationsgericht. Ausnahmsweise konnte es aber auch in erster Instanz tätig werden. Dies war immer der Fall, wenn ein Gerichtsverfahren gegen reichsunmittelbare Fürsten oder freie Reichsstädte geführt werden sollte, z. B. in Familienrechts- oder Erbstreitigkeiten.

Bei Besitzstreitigkeiten konnte das Reichskammergericht zudem in erster Instanz gegen jeden angerufen werden, der nicht reichsunmittelbar war, z.B. Bauern oder Städtebürger.
Angewandtes Recht
Prozessrecht

Prozessual verhandelte das Reichskammergericht nach den Bestimmungen der Reichskammergerichtsordnungen. Das waren Gesetze, die vom Kaiser zusammen mit dem Reichstag verabschiedet wurden. In der 300-jährigen Geschichte gab es eine Vielzahl an Reichskammergerichtsordnungen. Wichtige Ordnungen waren die von 1555 und der Jüngste Reichsabschied von 1654. Daneben wurden durch die als Reichsabschied bezeichneten Beschlüsse des Reichstages Prozessrechtsbestimmungen erlassen. Auch das Reichskammergericht selbst bildete das für es geltende Prozessrecht fort, in dem es zu bis dahin noch ungeklärten Prozessrechtsfragen sogenannte Gemeine Bescheide erließ. Das waren Urteile, die besagten, wie das Gericht in solchen prozessualen Konstellationen handeln werde.

Das in den Reichskammergerichtsordnungen, Reichsabschieden und Gemeinen Bescheiden festgelegte Prozessrecht wurde aber meist nicht aus dem Nichts geschaffen. Diese Rechtsbestimmungen fundierten ihrerseits auf dem Gemeinen Recht. Das Gemeine Recht ist zum einen das Recht der (katholischen) Kirche, dem Corpus Iuris Canonici. Die römisch-katholische Kirche war im Mittelalter und auch noch (wenn auch schwindend) in der frühen Neuzeit die organisatorisch und kulturell am höchsten entwickelte Institution. Sie hatte ein schon seit langem effizientes Gerichtswesen, welches als Vorbild für die meisten obersten Gerichte Europas galt. Die Prozessrechtsregelungen, die für die Kirchengerichte galten, waren im Mittelalter und in der frühen Neuzeit wissenschaftlich an den Universitäten bearbeitet worden. Jeder Jurist lernte diese Gesetze und wendete sie in der Praxis an. Genauso war es mit weltlichem Recht, das noch aus dem antiken römischen Reich überkommen war, Corpus Iuris Civilis, das ebenfalls im Mittelalter wissenschaftlich bearbeitet worden war.

An dem römisch-kanonischen Recht orientierten sich also die gesetzlichen Bestimmungen für die Judikatur des Reichskammergerichts, genauso wie diese das Reichskammergericht selbst bei der Entscheidungsfindung beachtete.

Im Prozess galt der Schriftlichkeitsgrundsatz; jedes Argument und jeder Antrag musste als Brief an das Gericht gesandt werden, was oftmals zu Verfahrensverzögerungen führte. Zwar gab es bereits ein Versäumnisverfahren, das die Möglichkeit bereitstellte, den Prozessgegner, der seine prozessualen Handlungen nicht vornehmen wollte, zu zwingen, jedoch war dieses Versäumnisverfahren sehr umständlich und langwierig. Manche Prozesse (z.B. der Münstersche Erbmännerstreit) dauerten somit viele Jahrzehnte lang oder gelangten nie zu einer Entscheidung.

Ein weiteres Problem war die Durchsetzung kammergerichtlicher Urteile. Das Reichskammergericht konnte lediglich bei Nichtbefolgung seiner Urteile auf Antrag der obsiegenden Partei Strafen aussprechen, die Urteile aber nicht mittels hoheitlicher Vollstreckungsorgane im Wege des staatlichen Zwangs durchsetzen. Derjenige, der ein Urteil des Reichskammergerichts erlangt hatte, musste zu anderen Behörden des Reichs bzw. zu territorialen Herrschaftsträgern gehen und dort um Hilfe ersuchen.

Der erste, der den Prozess vor dem Reichskammergericht systematisch darstellte, war Noe Meurer in seiner Schrift Practica von deß Cammer Gerichts-Ordnung vnd Proceß (1566). Meurer war am Reichskammergericht in Speyer ab 1549 zunächst als Advokat und Notar und dann von 1557 bis 1563 als Assessor tätig.
Materielles Recht

Inhaltlich standen dem Gericht keine Reichsgesetze, wie die Reichskammergerichtsordnungen oder die Reichsabschiede, zur Verfügung, sondern es urteilte nach dem Gemeinen Recht, welches nicht nur prozessrechtliche Bestimmungen, sondern auch materiell-rechtliche Bestimmungen enthielt. Die Grundlage des Gemeinen Rechts war das Corpus iuris civilis. Diese praktische, zeitgemäße Anwendung des Römischen Rechts in Wissenschaft und Praxis bezeichnet man als usus modernus pandectarum. Zwar besagte die Reichskammergerichtsordnung von 1495, dass Partikularrecht (insb. Stadt- und Landrecht) und Gewohnheitsrecht dem Gemeinen Recht vorgehen sollte, jedoch nur, wenn es von einer Prozesspartei vorgetragen wurde und diese die Wirksamkeit beweisen konnte. Dies geschah eher selten und das Reichskammergericht wandte die gewohnheitsrechtlichen Regeln daher sehr zurückhaltend an. Indem das Reichskammergericht das Gemeine Recht anwandte, verdrängte es das zuvor in Deutschland geltende Gewohnheitsrecht. Damit beförderte es das Eindringen des wissenschaftlich bearbeiteten Gemeinen Rechts in die Rechtspraxis (sog. Rezeption des Gemeinen Rechts). Dies ist ein wichtiges historisches Verdienst des Reichskammergerichts.

Die Spruchpraxis in Bauernprozessen wurde in einer umfangreichen Bauernrechtsliteratur dargestellt, kommentiert und verbreitet.
Amtstracht

Alle Richter trugen eine spanische Tracht bestehend aus schwarzen Umhängen mit Tressen und Borten besetzt, weißen Spitzenjabots und Zierdegen. Als Kopfbedeckung diente eine Allongeperücke und ein schwarzer Hut mit runder Krempe.
Personal des Gerichts
Präsidenten

1510–1520 Graf Bernhard III. von Eberstein
1521–1535 Graf Adam von Beichlingen († 1538)
1546–1555 Graf Wilhelm IV. von Eberstein (* 1497; † 1562)
1555–1557 Johann IV. von Hoya, Fürstbischof von Osnabrück (1553), Münster (1566) und Paderborn (1568); (* 1529; † 1574)
um 1569 Freiherr Georg Theseres von Fraunhofen († 1591)
um 1580/83 Freiherr Cuno von Winnenberg und Beilstein
1629–1644 Moritz Freiherr von Büren (* 1604; † 1661)
1649-1670 Johann Eusebius Fugger (* 1617 † 1672)

Präsidenten des Wetzlarer Reichskammergerichts[6]

1. Präsidenten des katholischen Bekenntnisses

1671–1693 Baron Philipp Franz Eberhard von Dalberg (* 1635; † 1693)
1694–1697 Graf Carl Ferdinand zu Manderscheid († 1697)
1698–1730 Graf Franz Adolf Dietrich von Ingelheim (* 1659; † 1742)
1732–1742 Graf Ambrosius Franz Dietrich Christian Adalbert von und zu Virmont und Bretzenheim (* 1684; † 1744)
1743–1757 Freiherr Philipp Carl Anton von Groschlag zu Dieburg
1757–1763 Graf Franz Joseph Spaur von Pflaum und Valeur (* 1725; † 1797)
1763–1777 Graf Johann Maria Rudolf Waldbott von Bassenheim (* 1731; † 1805)
1778–1790 Freiherr Adolf von Trott
1791–1797 Reichsgraf Philipp Carl zu Oettingen und Wallerstein (* 1759; † 1826)
1797–1803 Graf Heinrich von Reigersberg (* 1770; † 1865)
1804–1806 Freiherr Adam Friedrich Schenk von Stauffenberg (* 1767; † 1808)

2. Präsidenten des Augsburger Glaubensbekenntnisses

1688–1698 Graf Johann Anton von Leiningen-Westerburg
1699–1723 Graf Friedrich Ernst von Solms (* 1671; † 1723)
1724–1764 Graf Karl von Wied-Runkel (* 1684; † 1764)
1765–1772 Burggraf Christian Albrecht Casimir von Kirchberg zu Sayn und Wittgenstein (* 1726; † 1772)
1772–1800 Freiherr Johann Siegmund Carl von und zu Thüngen (* 1730; † 1800)
1800–1806 Freiherr Franz Paul Christoph von Seckendorff (* 1750; † 1823)

Kammerrichter [7]
Nr. Name Amtszeit
1 Eitel Friedrich von Zollern 1495–1496
2 Jakob von Baden 1496–1499
3 Adolf von Nassau 1500–1501
4 Wiguleus Fröschl 1503–1504, 1507–1508
- Adolf von Nassau (2. Mal) 1509–1511
5 Sigismund von Fraunberg 1512–1518
6 Adam von Beichlingen 1521–1535
7 Johann von Pfalz-Simmern 1536–1539
8 Johann von Montfort 1541–1547
9 Wilhelm Werner von Zimmern 1548–1555
10 Johann von Hoya 1556–1557
11 Michael Helding 1558–1561
12 Friedrich von Löwenstein 1562–1568
13 Marquard von Hattstein 1569–1581
14 Philipp von Winneberg 1582–1583
15 Eberhard von Dienheim 1584–1610
16 Philipp Christoph von Sötern 1611–1652
17 Wilhelm von Baden 1652–1676
18 Johann Hugo von Orsbeck 1676–1710
19 Franz Alexander von Nassau-Hadamar 1711
20 Froben Ferdinand von Fürstenberg-Mößkirch 1717–1721
21 Philipp Karl von Hohenlohe-Bartenstein 1722–1729
22 Franz Adolf Dietrich von Ingelheim 1730–1742
23 Ambrosius Franz von Virmont 1742–1744
24 Karl Philipp Franz zu Hohenlohe-Bartenstein 1746–1763
25 Franz Joseph Spaur von Pflaum und Valeur 1763–1797
26 Philipp Carl zu Oettingen und Wallerstein 1797–1801
27 Heinrich Alois von Reigersberg 1803–1806
Sitze des Gerichts

Folgende Reichsstädte waren Sitz des Reichskammergerichts:[8]

1495–1497: Frankfurt a.M.,
1497–1499: Worms,
1500: Augsburg,
1501: Nürnberg,
1502: Augsburg,
1503–1509: Regensburg,
1509–1513: Worms,
1513–1514: Speyer,
1514–1520: Worms,
1521–1524: Nürnberg,
1524–1527: Esslingen am Neckar,
1527–1689: Speyer, nach dessen Zerstörung Verlegung aufgrund eines Reichstagsbeschlusses aus dem Jahr 1689
1689–1806: Wetzlar, dort befindet sich heute das Reichskammergerichtsmuseum


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