Denis Diderot
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Denis Diderot
Denis Diderot [dəni didʁo] (* 5. Oktober 1713 in Langres; † 31. Juli 1784 in Paris) war ein französischer Schriftsteller, Philosoph, Aufklärer, Kunstagent für die russische Zarin und einer der wichtigsten Organisatoren und Autoren der Encyclopédie.
Denis Diderot, Gemälde von Louis-Michel van Loo, 1767. Darunter die Unterschrift von Denis Diderot
Zusammen mit Jean-Baptiste le Rond d’Alembert war er Herausgeber der großen französischen Encyclopédie, zu der er selbst als Enzyklopädist etwa 6000 von insgesamt 72.000 Artikeln beitrug. Als Autor von Bühnenwerken hatte er großen Anteil am Entstehen des bürgerlichen Dramas. Seine Romane und Erzählungen – zumeist postum erschienen wie La Religieuse, Jacques le fataliste oder Le Neveu de Rameau – leisteten in verschiedener Weise ihren Beitrag zu den großen Themen der Zeit der (französischen) Aufklärung, so zu den Fragen der Selbstbestimmung des Menschen, des Leib-Seele-Problems und des Gegensatzes von Determinismus und Willensfreiheit sowie zur Kritik an der Religion.
In seinen Werken wird eine deutliche Entwicklung von einer theistischen über eine deistische zu einer atheistischen Haltung erkennbar. Doch gibt es auch Hinweise darauf, dass seine materialistischen und atheistischen Vorstellungen schon in den frühen Werken, so z. B. in den Pensées philosophiques (1746)[1] kenntlich werden.[2]
Diderot trat in seinen Spätwerken für die Verbreitung des Geistes der Aufklärung, den Atheismus und gegen Aberglauben und Bigotterie ein. Diderot und seine Mitstreiter, die philosophes, überließen nicht mehr der Kirche und ihren Agenturen die alleinige Deutungs- und Interpretationshoheit über die Welt und die Wissenschaften. Somit gab es für übernatürliche und irrationale Kräfte im aufgeklärten Europa sowie in Nord- und Südamerika weniger Raum.[3]
Im Zentrum des diderotschen Denkens stand das Spannungsfeld – und dies mag auch für andere Denker des 18. Jahrhunderts gelten – zwischen Vernunft und Sensibilität, sens et sensibilité. Vernunft zeichnete sich für Diderot durch die Suche nach wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen und der Überprüfbarkeit der empirisch beobachteten und bewiesenen Fakten aus, ohne dabei in der rein quantitativen Erfassung der Wirklichkeit, in mathematischen Aussagen, verhaftet zu bleiben. In den Jahren 1754 bis 1765 entwickelte er die Lehre von der universellen Sensibilität, sensibilité universelle.
Für Diderot war Naturwissenschaft dadurch charakterisiert, dass sie nicht nach einem Warum fragen, sondern auf die Frage nach dem Wie eine Antwort finden solle. Er beschäftigte sich mit vielen Wissensgebieten, darunter Chemie, Physik, Mathematik, vor allem aber Naturgeschichte sowie Anatomie und Medizin.
Als philosophische Position erarbeitete er sich – so zu erkennen in seinen späteren Werken – eine (undogmatische) materialistische Geisteshaltung. Obgleich Diderot kein Philosoph war, der sich mit „begründungstheoretischen“ Problemen[4] oder systematisierenden, analytischen Reflexionen beschäftigte, zählt er zu den vielfältigsten und innovativsten philosophischen Autoren des 18. Jahrhunderts.
Diderot und seine Weggefährten waren mit ihren aufklärerischen Gedanken und Publikationen gegenüber den vorherrschenden Vorstellungen im Ancien Régime häufig Repressionen ausgesetzt. Seine Erfahrungen mit der Inhaftierung im Jahr 1749 ließen ihn gegenüber weiteren Kontrollen und Überwachungen durch die verschiedenen Agenturen aufmerksam sein, obwohl ihm und den Enzyklopädisten einige Personen aus dem Kreis der Einflussreichen und Herrschenden, so Mme de Pompadour, Mätresse von Ludwig XV., und auch einige Minister, aber vor allem der Chefzensor, Censure royale Chrétien-Guillaume de Lamoignon de Malesherbes, insgeheim zur Seite standen. So war den interessierten Zeitgenossen Diderots, die ihn ausschließlich über seine Publikationen kannten, nur eine begrenzte Auswahl an Essays, Romanen, Dramen zugänglich, wohl aber alle seine Beiträge zur Encyclopédie.
Diderot und seine Epoche
Diderots persönliche intellektuelle und schriftstellerische Emanzipation fand vor dem Hintergrund des allgemeinen Wandels der französischen und insbesondere der Pariser bzw. Versailler Gesellschaft statt: Noch um das Jahr 1700 war das französische Wirtschaftssystem fast zur Gänze in der Stufe der Subsistenzwirtschaft verhaftet. Die Produktion diente der unmittelbaren Deckung des Eigenbedarfs und nur ein relativ geringer Anteil der Gesamtleistung wurde als Überschuss für den Markt produziert. Dominierender Sektor war die Landwirtschaft, agriculture, die durch die traditionellen, wenig technisierten Anbaumethoden auf meist kleinbäuerlichen Betrieben vergleichsweise nur geringe Erträge erwirtschaftete und stark von zyklischen Produktionskrisen abhängig war.
Das Handwerk blieb während des Ancien régime ohne nennenswerte quantitative oder qualitative Veränderungen. Anne Robert Jacques Turgot, der als contrôleur général des finances in der Zeit zwischen 1774 und 1776 eine gänzliche Abschaffung der Zünfte, Corporations im Ancien Régime anstrebte, um die handwerkliche Produktion im Sinne weiterer merkantilistischer Wirtschaftsförderung zu reformieren und zu öffnen, konnte sein Vorhaben nicht durchsetzen. Immerhin wurden die Zunftschranken zu Beginn des Jahres 1770 gelockert. Manufakturen entwickelten sich im Frankreich des 18. Jahrhunderts zögerlich und gleichzeitig erhielt die bürgerliche Welt, vor allem in den Metropolen wie Paris, Bordeaux oder Marseille, starke Impulse durch eine Zunahme des außereuropäischen Außenhandels. Es kam zu einer Schwerpunktverlagerung vom Mittelmeer- hin zum Atlantikhandel. Kolonialgebiete wurden so in das europäische Wirtschaftssystem integriert. Eine Voraussetzung für den Aufbau dieser Fernhandelsbeziehungen vor allem des maritimen Warenverkehrs war die schnelle Verfügbarkeit von Kapital durch unkomplizierte Zahlungsverfahren mit Bankkrediten. Profiteure dieser Entwicklung waren die Kaufleute und Handelsgesellschaften (Französische Ostindienkompanie bzw. Französische Westindienkompanie) in den Handelsmetropolen an den Küsten.
Der meinungsbildende Einfluss der hochadeligen höfischen Kultur und ihrer Institutionen verringerte sich in dem Maße, in dem dieses Bürgertum an Konturen gewann. Die Vielzahl an Publikationen bei gleichzeitig vermehrter Lesekompetenz,[5] ferner die Salons und Cafés bestimmten das geistige Leben in vermehrtem Maße. An diesen Orten trafen sich Adel und Bürgertum in einem diskursiven Prozess. Die Diskussionen klärten die eigenen Positionen, sie halfen, Wertesysteme und Motive, Einstellungen und Anschauungen sowohl weltanschaulich-religiöser als auch naturwissenschaftlich-technischer Art zu verändern und diese Veränderungen öffentlich zu machen.
Entstehendes Bürgertum und leidvoller Wechsel der ökonomischen und sozialen Situation für weite Teile der französischen Gesellschaft stellten das bestehende politische System des Ancien régimes zunehmend in Frage. Schon in seinem 1751 erstellten Enzyklopädieartikel über die politische Autorität, Autorité politique, lehnte Diderot das Gottesgnadentum ebenso ab wie eine naturrechtliche Ableitung der monarchischen Autorität. Es war die kunstgeschichtliche Epoche des Rokokos einer Stilrichtung der europäischen Kunst (von etwa 1730 bis 1770/1780) die sich aus dem Spätbarock (ca. 1700–1720) entwickelt hatte und ihren Ausgangspunkt in Frankreich nahm.[6]
Hinsichtlich seiner politischen Vorstellungen setzte Diderot bis zum Zeitpunkt nach seiner Rückkehr aus Russland im Jahr 1774 noch gewisse Hoffnungen in den aufgeklärten Absolutismus, also in die Idee einer Monarchie, in der die intellektuellen Eliten dazu beitragen würden, Vorstellungen der Aufklärung gewissermaßen von „oben nach unten“ zu institutionalisieren. Diese Hoffnungen gab er im Wesentlichen in den Jahren 1770 bis 1774 auf.[7]
Leben
Jugendjahre in Langres (1713 bis 1729)
Diderot war das zweitälteste Kind des wohlhabenden jansenistischen Messerschmiedemeisters Didier Diderot[8][9][10] aus Langres (Champagne) und dessen Ehefrau Angélique Vigneron (12. Oktober 1677–1. Oktober 1748),[11][12] der dreizehnten Tochter eines Gerbers.[13][14] Sein Großvater Denis Diderot (1654–1726) heiratete am 20. Juni 1679 Nicole Beligné (1655–1692),[15] eine Tochter des Messerschmiedemeisters[16] François Beligné (1625–1697). Das Paar hatte insgesamt neun Kinder, unter ihnen der Vater von Denis Diderot.[17][18]
Denis Diderot wurde am Donnerstag, dem 5. Oktober 1713, geboren und schon am nächsten Tag in der Église paroissiale Saint-Pierre-Saint-Paul[19][11][20] zu Langres nach römisch-katholischem Ritus getauft.[21] Diderot hatte noch fünf jüngere Geschwister, von denen jedoch zwei im Kindesalter starben. Zu seiner Schwester Denise Diderot (1715–1797)[22] hatte er zeitlebens ein sehr gutes Verhältnis, er nannte sie Sœurette. Zu seinem jüngeren Bruder Didier-Pierre Diderot (1722–1787),[23] einem späteren Geistlichen und Stiftsherrn von Langres war seine Beziehung konfliktbeladen. Eine weitere Schwester, Angélique Diderot (1720–1749), trat dem Ursulinen-Orden bei.
Geboren wurde Denis Diderot in einem Haus im Zentrum von Langres, n° 9 de la place dans le centre ville de Langres,[24] der Platz trägt heute seinen Namen.[25]
Ab seinem 12. Lebensjahr bereiteten seine Eltern ihn auf das Priestertum vor. Am 22. August 1726 erhielt er vom Bischof von Langres die Tonsur und damit die niederen Weihen. Er hatte jetzt das Recht, sich als Abbé zu bezeichnen und geistliche Kleidung zu tragen.[26] In näherer Zukunft sollte er die Kanonikus-Pfründe seines Onkels mütterlicherseits, des Kanonikus Vigneron an der Kathedrale Saint-Mammès de Langres, übernehmen.[27] Langres, ein wichtiges Zentrum des Jansenismus, hatte circa 8000 Einwohner.[28]
In Langres besuchte Diderot eine Jesuitenschule.[29][30]
Die Pariser Anfänge (1729 bis 1743)
In Paris wurde Diderot zunächst am Lycée Louis-le-Grand aufgenommen, dann wechselte er an das jansenistisch orientierte Collège d’Harcourt.[31] Das propädeutische Kolleg-Studium beendete er am 2. September 1732 mit dem Grad eines Magister Artium, maître-des-arts de l’Université.[32] Er unterließ es, das geplante Theologiestudium anzuschließen, schloss aber sein Studium an der Sorbonne am 6. August 1735 als Bakkalaureus ab.
Ab 1736 war Diderot als Anwaltsgehilfe bei dem ebenfalls aus Langres stammenden Advokaten Louis Nicolas Clément de Ris, avocat au Parlement de Paris,[33] tätig. Als er 1737 diese Stelle aufgab, beendete sein Vater die regelmäßigen Geldzuwendungen. Diderot lebte jetzt vier Jahre von schriftstellerischen Aufträgen, so schrieb er Predigten für Geistliche und arbeitete als Hauslehrer bei einem reichen Finanzier, nebenbei lernte er Englisch.[34] Es war eine Zeit chronischer Geldnot. Zeitweise half ihm der Karmelitermönch Frère Angelus oder seine Mutter, die sogar ihre Dienstmagd Hélène Brûlé[35] zu Fuß nach Paris schickte, um ihn finanziell zu unterstützen. Auch ein Monsieur Foucou aus Langres, ein Freund seines Vaters, der – ursprünglich Messerschmied – sich als Künstler und Dentist in Paris betätigte, soll Diderot häufiger mit Geld ausgeholfen haben.[36][37][38] Jener M. Foucou half später beim Erstellen des enzyklopädischen Eintrags über den Stahl.
Diderot begeisterte sich für das Theater und führte bald das Leben eines Bohèmien. An Mathematik stark interessiert, lernte er den Mathematiker und Philosophen Pierre Le Guay de Prémontval kennen und besuchte 1738 dessen Vorlesungen, ebenso die von Louis-Jacques Goussier.[39] Andere Bekannte aus dieser Zeit waren der Literat Louis-Charles Fougeret de Monbron, der spätere Kardinal François-Joachim de Pierre de Bernis und der spätere Polizeipräfekt von Paris Antoine de Sartine.
Seit 1740 schrieb Diderot Artikel für den Mercure de France und die Observations sur les écrits modernes.[40] In dieser Zeit besuchte er auch Anatomie- und Medizinvorlesungen bei César Verdier.[41]
Im Jahr 1740 lebte Diderot zunächst in einem Haus in der Rue de l’Observance[42] im heutigen 6. Arrondissement, unweit der École de médecine,[43] eine Etage unter dem deutschen Kupferstecher Johann Georg Wille.[44][45] Wille beschrieb ihn als einen „sehr umgänglichen jungen Mann“, der „ein guter Schriftsteller und wenn möglich, ein noch besserer Philosoph sein wollte“. Noch im selben Jahr zog er mehrfach um, so in die Rue du Vieux-Colombier, ebenfalls im 6., und in die Rue des Deux-Ponts im heutigen 4. Arrondissement.
Später übernahm Diderot Übersetzertätigkeiten aus dem Englischen in das Französische.[46] Englisch lernte er mittels eines lateinisch-englischen Wörterbuchs. 1742 übersetzte er die Grecian History (Geschichte Griechenlands) von Temple Stanyan. Robert James hatte Anfang der 1740er Jahre das dreibändige englische Lexikon A medicinal dictionary, including physics, surgery, anatomy, chemistry and botany (1743–1745) geschrieben.[47][48] Der französische Arzt Julien Busson überarbeitete und erweiterte es zu einem sechsbändigen Werk, Dictionnaire universel de médicine, welches zwischen 1746 und 1748 von Diderot, François-Vincent Toussaint und Marc-Antoine Eidous ins Französische übertragen und von Busson gegengelesen wurde.[49]
Ferner übersetzte Diderot 1745 Shaftesburys Inquiry concerning Virtue (Essai sur le mérite et la vertu; Untersuchung über die Tugend).[50] Die Ideen Shaftesburys beeinflussten die französische Aufklärung stark. Für Diderot waren die Abneigung gegen dogmatisches Denken, die Toleranz und die an humanistische Ideale angelehnte Moral besonders wichtig.[51][52] Diderot las mit großem Interesse die Essais von Michel de Montaigne.[53]
In diesen Jahren befreundete Diderot sich mit anderen jungen Intellektuellen, wie d’Alembert, Abbé Étienne Bonnot de Condillac und Melchior Grimm. Er verkehrte im Café de la Régence und im Café Maugis, das auch von Jean-Jacques Rousseau besucht wurde;[54] im Juli 1742 lernte Diderot ihn kennen.[55][56] Rousseau, Condillac und Diderot trafen sich zeitweise einmal wöchentlich in einem Restaurant in der Nähe des Palais Royal, dem Panier fleuri.
Ehe und Familie ab 1743
Anne-Antoinette Champion,[57] genannt Nanette, lebte 1741 mit ihrer Mutter in der Rue Boutebrie, wo die beiden Frauen von Weißnäherei und Spitzenklöppelei lebten. Diderot wohnte zu dieser Zeit in einem kleinen Zimmer desselben Hauses.[58] Als er 1743 die besitz- und aussteuerlose, bekennend katholische Nanette heiraten wollte und wie üblich seinen Vater um Erlaubnis bat, ließ dieser ihn kraft seiner väterlichen Autorität in einem Karmeliterkloster bei Troyes einsperren.[59] Diderots Antipathie gegen die Kirche und die Institution Kloster liegt wohl auch in dieser Erfahrung begründet – eine Antipathie, die sich später noch steigerte, als seine jüngste Schwester freiwillig ins Kloster ging und dort psychisch erkrankte. Diderot konnte nach einigen Wochen fliehen, er kehrte nach Paris zurück und heiratete Anne-Toinette Champion heimlich am 6. November 1743.[60][61] Das Verhältnis von Anne-Toinette zum Schwiegervater normalisierte sich später, spätestens 1752 war es ein freundliches.
Die Familie wohnte zunächst in der Rue Saint-Victor im heutigen 5. Arrondissement, 1746 zog sie in die Rue Traversière, im April gleichen Jahres weiter in die n° 6 Rue Mouffetard.[62] In der Nähe wohnte der Polizeioffizier François-Jacques Guillotte, der ein Freund Diderots wurde.[63][64]
Seit 1747 wohnte die Familie Diderot in der n° 3 Rue de l’Estrapade,[65][66] von 1754 bis 1784 dann im 4. und 5. Stockwerk eines Hauses in der Rue Taranne.[67][68]
In seinem Essay Regrets sur ma vieille robe de chambre ou Avis à ceux qui ont plus de goût que de fortune. (1772) beschrieb Diderot sein Arbeitszimmer im vierten Stockwerk. Ein Stuhl aus Strohgeflecht, ein einfacher Holztisch und Bücherbretter aus Tannenholz, an den Wänden einfache italienische Farbtapeten, zusätzlich rahmenlose Kupferstiche, einige Alabasterbüsten von Horaz, Vergil und Homer. Der Tisch war bedeckt mit Druckbögen und Papieren. Im fünften Stockwerk, unter dem Dachgeschoss hatte er die Redaktion der Enzyklopädie eingerichtet.[69] Bei einem Freund, dem Juwelier Étienne-Benjamin Belle, in Sèvres, n° 26 Rue Troyon, mietete Diderot um Oktober oder November 1767 ein zusätzliches Appartement. Dorthin zog er sich bis kurz vor seinem Tode regelmäßig zum Arbeiten zurück.[70][71] Sein letztes Domizil – hier verbrachte er die letzten Tage seines Lebens[72] – lag in der n° 39 Rue de Richelieu im heutigen 2. Arrondissement von Paris.[73]
Das Paar hatte vier Kinder, von denen drei sehr früh starben, Angélique (1744–1744), Jacques François Denis (1746–1750), Denis-Laurant (1750–1750) sowie Marie-Angélique (2. September 1753 – 5. Dezember 1824).[74] Marie-Angélique heiratete am 9. September 1772 den Industriellen Abel François Nicolas Caroillon de Vandeul.[75] Er war der Sohn von Diderots Jugendliebe Simone la Salette (1713–1788)[76] und ihrem Ehemann Nicolas Caroillon (1708–1766).[77]
Diderot hatte zwei Enkel, Marie Anne (1773–1784), früh verstorben, und den späteren Politiker Denis-Simon Caroillon de Vandeul (1775–1850), der Eugénie Cardon heiratete. Dieser Ehe entstammen die drei Urenkel Diderots, Abel François Caroillon de Vandeul (1812–1870), Marie Anne Wilhelmine Caroillon de Vandeul (1813–1900) und Louis Alfred Caroillon de Vandeul (1814–1900).[78]
Denis’ Verhältnis zu seinem Bruder Didier-Pierre Diderot war immer schwierig. Die Einladung zur Hochzeit Marie-Angéliques beantwortete dieser rüde und kam nicht. Am 14. November 1772 kam es zum endgültigen Bruch zwischen den Brüdern.
Andere private Beziehungen
Seine Frau, die Mutter seiner Kinder, war das Zentrum seines Hauses; Diderot tolerierte auch ihre strenge Gläubigkeit. Auch während der Zeit dieser Ehe führte er weitere intime Beziehungen: Ab 1745 war er mit Madeleine de Puisieux[79] liiert, einer „aventurière“ („Abenteurerin“), wie man emanzipiert und unverheiratet lebende Frauen meist besserer Herkunft und Bildung nannte. Im Jahr 1755 lernte Diderot Sophie Volland[80] kennen, die ihm eine lebenslange Gefährtin, Seelen- und Intimfreundin wurde, beide führten einen regen „empfindsamen“ Briefwechsel. Vom Frühjahr 1769 bis 1771 hatte Diderot eine intime Beziehung mit Jeanne-Catherine Quinault,[81] die er bereits seit 1760 kannte. Im August 1770 traf er sie und ihre Tochter in Bourbonne-les-Bains, beide kurten dort im Thermalbad. Kurz danach schrieb er Die beiden Freunde aus Bourbonne (Les Deux Amis de Bourbonne).[82]
Paris – Zeit der sich konsolidierenden Aufklärung
Diderot verkehrte weiter mit Pariser Intellektuellen, im Café Procope, auch im Café Landelle. So lernte er Alexis Piron kennen. Über diesen Kreis kam er in Kontakt zur Salonnière und Schriftstellerin Louise d’Épinay sowie zu Paul Henri Thiry d’Holbach. Er wurde Teil des Coterie holbachique.[83]
Im Café de la Régence[84] am Place du Palais-Royal spielte Diderot regelmäßig Schach. Mit François-André Danican Philidor, dem besten Spieler dieser Zeit, war er befreundet; beider Familien trafen sich regelmäßig.[85][86] Philidors Schachlehrer François Antoine de Legall, einem regelmäßigen Besucher des Cafés, setzte Diderot in Rameaus Neffe ein literarisches Denkmal.
Diderots philosophische Ansichten hatten sich inzwischen weit von den christlichen des Vaterhauses entfernt. Seine Zweifel daran, sein Übergang zu einem vernunftgeprägten Theismus wurden 1746 öffentlich mit dem wohl zu Ostern verfassten Essay Pensées philosophiques. Dieser machte ihn, obgleich anonym erschienen,[87] einer größeren Leserschaft bekannt. Das religionskritische Werk wurde vom Pariser Parlement verurteilt und öffentlich verbrannt. Die weitere Entwicklung seiner Positionen hin zu einem eindeutigen Materialismus markieren La promenade du sceptique (1747) und der Brief über die Blinden zum Gebrauch für die Sehenden (1749), später dann die Pensées sur l’interprétation de la nature (1753).
Ab 1747 folgte die intensive Arbeit an der Encyclopédie. 1749 wurde sie jedoch unterbrochen.
Inhaftierung (24. Juli bis 3. November 1749)
Château de Vincennes bei Paris
Der Kriegsminister Frankreichs, Marc-Pierre d’Argenson, forderte am 22. Juli 1749 den Generalleutnant der Polizei Nicolas René Berryer auf, einen königlichen Haftbefehl, lettre de cachet, für Diderot auszustellen. Am 24. Juli 1749, um halb acht morgens, wurde Diderot von Joseph d’Hémery, Kommissar und Inspektor der königlichen Zensurbehörde, verhaftet. Er wurde verhört und in die Festung Vincennes, château de Vincennes, gebracht.[88]
Diderot wurde die Veröffentlichung der Pensées philosophiques und des Briefes über die Blinden zum Gebrauch für die Sehenden, in denen er seine materialistische Position dargelegt hatte, sowie das Arbeiten an weiteren gegen die Religion gerichteten Schriften zur Last gelegt.[89] Schon zwei Jahre zuvor war er vom Pfarrer seiner Gemeinde Saint-Médard,[90] Pierre Hardy de Lévaré (1696–1778),[91] als „gottloser, sehr gefährlicher Mensch“ denunziert worden.[92] Eine gewisse Rolle soll auch gespielt haben, dass eine einflussreiche Frau, Mme Dupré de Saint-Maur, sich für eine herabsetzende Äußerung Diderots rächen wollte.[93]
Rousseau besuchte ihn regelmäßig im Gefängnis. Die Buchhändler, an zügiger Arbeit an der Encyclopédie interessiert, beschwerten sich über die Verhaftung. Diderot selbst intervenierte brieflich bei René Louis d’Argenson und Nicolas René Berryer. Am 3. November 1749 wurde er entlassen. Er musste sich hierfür schriftlich verpflichten, keine blasphemischen Schriften mehr zu veröffentlichen. Um den Fortgang der Encyclopédie nicht zu gefährden, ließ er daher in den folgenden Jahren vieles unpubliziert.
Die Erfahrung seiner Inhaftierung prägte sich Diderot tief ein, sie ließ ihn künftig mit größerer Vorsicht vorgehen. Viel später, am 10. Oktober 1766, bekannte Diderot in einem Brief an Voltaire, bezogen auf seine Arbeit an der Encyclopédie, dass seine Seele voller Angst vor einer möglichen Verfolgung sei, aber dennoch werde er nicht fliehen, da eine innere Stimme ihm befehle weiter zu machen, teils aus Gewohnheit, teils aus Hoffnung, dass schon am nächsten Tage alles anders aussehen könne.[94][95]
Encyclopédie und Hauptwerk (1747 bis 1773)
1747 übernahm Diderot die Leitung der Arbeit an der Encyclopédie als Herausgeber, zunächst gemeinsam mit d’Alembert, ab 1760 mit Louis de Jaucourt. Den Gesamtplan zu entwerfen, Autoren zu gewinnen und deren Zusammenarbeit zu organisieren, um das Druckprivileg und gegen die Zensur zu kämpfen und außerdem noch mehr als 3000 Artikel selbst zu schreiben, war Arbeit für Jahre. Wo nötig erweiterte Diderot hierfür seinen Wissensbereich. So besuchte er von 1754 bis 1757 regelmäßig die Chemievorlesungen Guillaume-François Rouelles.[96][97][98] Bei den unausweichlichen Kämpfen wurde Diderot auch durch die Freimaurer unterstützt; dass er selbst Freimaurer war, ist jedoch nicht nachgewiesen.[99]
Diderot schrieb in dieser Zeit außerdem Romane und Erzählungen, Stücke für das Theater, er arbeitete an einer Theatertheorie und zur Erkenntnistheorie. Vieles hiervon blieb zunächst unpubliziert, manches kam jedoch durch Abschriften bereits an die Öffentlichkeit. Ein wichtiger Mitarbeiter wurde ihm hierbei Jacques-André Naigeon, auch als Sekretär d’Holbachs tätig, der Texte redigierte und bearbeitete und auch für die Encyclopédie schrieb. Er gab später, 1798, eine erste, wenn auch unvollständige, Werkausgabe heraus.[100]
Trotz all dieser Arbeit nahm Diderot am regen gesellschaftlichen Leben der philosophes teil – der kritisch eingestellten Pariser Intellektuellen, wie Condillac, Turgot, Helvétius und d’Holbach –, ebenso besuchte er adlige Salons. Seit dem Winter 1752/53 hatte er auch Briefkontakt zu Madame de Pompadour, die dem Journal von Marc-Pierre d’Argenson zufolge 1752 Verbindung zu den Enzyklopädisten aufgenommen hatte. Später empfing sie einige von ihnen, auch Diderot, zu informellen Diners und Gesprächen.[101]
Abbildung auf einer alten Postkarte (1907). Auf dem Landsitz Château du Grand Val (im heutigen Pariser Außenbezirk Sucy-en-Brie) der Schwiegermutter von d’Holbach verbrachte Diderot häufig die Sommer. Er wohnte in der ersten Etage des rechten Flügels. Das Gebäude wurde 1949 zerstört.[102]
Spannungen gab es jedoch. So beklagte Diderot sich 1757 bei Grimm über eine Einladung durch d’Holbach auf das Château du Grand Val: er zweifle, ob er ihr folgen solle, sei der Baron doch ein despotischer und launischer Mensch. Später hielt er sich allerdings mehrfach dort auf, ebenso auf dem Château de la Chevrette in Deuil-la-Barre, dem Besitz von Louise d’Épinay. In Briefen an Sophie Volland[103] schilderte Diderot seinen Tagesablauf im Grand-Val: Neben Lesen, Nachdenken und Schreiben, Spaziergang und Gesprächen mit d’Holbach, allgemeiner Konversation und den Mahlzeiten gehörten auch Tric Trac und Piquet dazu.
Im Juli 1765 beendete Diderot die Arbeit an der Encyclopédie. Fast zwanzig Jahre hatten er und seine Familie von den Zahlungen der Verleger bzw. Buchhändler gelebt, Rechte auf Tantiemen besaß er nicht. So kamen nun lediglich Einnahmen aus dem väterlichen Erbe aus Langres. Dmitri Alexejewitsch Golizyn und Grimm retteten die Situation. Sie vermittelten den Verkauf von Diderots Bibliothek an Katharina II. von Russland – sie wurde nach dessen Tod nach Sankt Petersburg transportiert – für 16.000 Livre. Katharina II. besoldete ihn zudem zeitlebens als Bibliothekar seiner eigenen Bibliothek mit 1000 Livre pro Jahr und stattete ihn mit Geld für Neuanschaffungen aus. 1773 fuhr Diderot für einige Monate an den Hof von Sankt Petersburg.
Das Geld ermöglichte es seiner Tochter Marie-Angélique, ab 1765 Cembalounterricht zu nehmen, zunächst bis 1769 bei der Pianistin Marie-Emmanuelle Bayon Louis,[104] dann bei dem Musiktheoretiker und Komponisten Anton Bemetzrieder. Dieser machte sie 1771 zu einer Hauptperson seines musikalischen Lehrwerks, den Leçons de Clavecin, et Principes d’Harmonie.[105][106]
Diderots Bibliothek ging (wie auch die Voltaires) in die 1795 gegründete Russische Nationalbibliothek ein. Mit deren Beständen wurde sie jedoch später zerstreut, eine begleitende Aufstellung ging verloren.[107][108] Sie konnte nur lückenhaft über die Register der Diderot mit Büchern versorgenden Verleger rekonstruiert werden.[109]
So hier unterbrechen wir,wer sich weiter für diese durchaus interressante Geschichte interressiert,dem sei der Link empfohlen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Denis_Diderot
Denis Diderot, Gemälde von Louis-Michel van Loo, 1767. Darunter die Unterschrift von Denis Diderot
Zusammen mit Jean-Baptiste le Rond d’Alembert war er Herausgeber der großen französischen Encyclopédie, zu der er selbst als Enzyklopädist etwa 6000 von insgesamt 72.000 Artikeln beitrug. Als Autor von Bühnenwerken hatte er großen Anteil am Entstehen des bürgerlichen Dramas. Seine Romane und Erzählungen – zumeist postum erschienen wie La Religieuse, Jacques le fataliste oder Le Neveu de Rameau – leisteten in verschiedener Weise ihren Beitrag zu den großen Themen der Zeit der (französischen) Aufklärung, so zu den Fragen der Selbstbestimmung des Menschen, des Leib-Seele-Problems und des Gegensatzes von Determinismus und Willensfreiheit sowie zur Kritik an der Religion.
In seinen Werken wird eine deutliche Entwicklung von einer theistischen über eine deistische zu einer atheistischen Haltung erkennbar. Doch gibt es auch Hinweise darauf, dass seine materialistischen und atheistischen Vorstellungen schon in den frühen Werken, so z. B. in den Pensées philosophiques (1746)[1] kenntlich werden.[2]
Diderot trat in seinen Spätwerken für die Verbreitung des Geistes der Aufklärung, den Atheismus und gegen Aberglauben und Bigotterie ein. Diderot und seine Mitstreiter, die philosophes, überließen nicht mehr der Kirche und ihren Agenturen die alleinige Deutungs- und Interpretationshoheit über die Welt und die Wissenschaften. Somit gab es für übernatürliche und irrationale Kräfte im aufgeklärten Europa sowie in Nord- und Südamerika weniger Raum.[3]
Im Zentrum des diderotschen Denkens stand das Spannungsfeld – und dies mag auch für andere Denker des 18. Jahrhunderts gelten – zwischen Vernunft und Sensibilität, sens et sensibilité. Vernunft zeichnete sich für Diderot durch die Suche nach wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen und der Überprüfbarkeit der empirisch beobachteten und bewiesenen Fakten aus, ohne dabei in der rein quantitativen Erfassung der Wirklichkeit, in mathematischen Aussagen, verhaftet zu bleiben. In den Jahren 1754 bis 1765 entwickelte er die Lehre von der universellen Sensibilität, sensibilité universelle.
Für Diderot war Naturwissenschaft dadurch charakterisiert, dass sie nicht nach einem Warum fragen, sondern auf die Frage nach dem Wie eine Antwort finden solle. Er beschäftigte sich mit vielen Wissensgebieten, darunter Chemie, Physik, Mathematik, vor allem aber Naturgeschichte sowie Anatomie und Medizin.
Als philosophische Position erarbeitete er sich – so zu erkennen in seinen späteren Werken – eine (undogmatische) materialistische Geisteshaltung. Obgleich Diderot kein Philosoph war, der sich mit „begründungstheoretischen“ Problemen[4] oder systematisierenden, analytischen Reflexionen beschäftigte, zählt er zu den vielfältigsten und innovativsten philosophischen Autoren des 18. Jahrhunderts.
Diderot und seine Weggefährten waren mit ihren aufklärerischen Gedanken und Publikationen gegenüber den vorherrschenden Vorstellungen im Ancien Régime häufig Repressionen ausgesetzt. Seine Erfahrungen mit der Inhaftierung im Jahr 1749 ließen ihn gegenüber weiteren Kontrollen und Überwachungen durch die verschiedenen Agenturen aufmerksam sein, obwohl ihm und den Enzyklopädisten einige Personen aus dem Kreis der Einflussreichen und Herrschenden, so Mme de Pompadour, Mätresse von Ludwig XV., und auch einige Minister, aber vor allem der Chefzensor, Censure royale Chrétien-Guillaume de Lamoignon de Malesherbes, insgeheim zur Seite standen. So war den interessierten Zeitgenossen Diderots, die ihn ausschließlich über seine Publikationen kannten, nur eine begrenzte Auswahl an Essays, Romanen, Dramen zugänglich, wohl aber alle seine Beiträge zur Encyclopédie.
Diderot und seine Epoche
Diderots persönliche intellektuelle und schriftstellerische Emanzipation fand vor dem Hintergrund des allgemeinen Wandels der französischen und insbesondere der Pariser bzw. Versailler Gesellschaft statt: Noch um das Jahr 1700 war das französische Wirtschaftssystem fast zur Gänze in der Stufe der Subsistenzwirtschaft verhaftet. Die Produktion diente der unmittelbaren Deckung des Eigenbedarfs und nur ein relativ geringer Anteil der Gesamtleistung wurde als Überschuss für den Markt produziert. Dominierender Sektor war die Landwirtschaft, agriculture, die durch die traditionellen, wenig technisierten Anbaumethoden auf meist kleinbäuerlichen Betrieben vergleichsweise nur geringe Erträge erwirtschaftete und stark von zyklischen Produktionskrisen abhängig war.
Das Handwerk blieb während des Ancien régime ohne nennenswerte quantitative oder qualitative Veränderungen. Anne Robert Jacques Turgot, der als contrôleur général des finances in der Zeit zwischen 1774 und 1776 eine gänzliche Abschaffung der Zünfte, Corporations im Ancien Régime anstrebte, um die handwerkliche Produktion im Sinne weiterer merkantilistischer Wirtschaftsförderung zu reformieren und zu öffnen, konnte sein Vorhaben nicht durchsetzen. Immerhin wurden die Zunftschranken zu Beginn des Jahres 1770 gelockert. Manufakturen entwickelten sich im Frankreich des 18. Jahrhunderts zögerlich und gleichzeitig erhielt die bürgerliche Welt, vor allem in den Metropolen wie Paris, Bordeaux oder Marseille, starke Impulse durch eine Zunahme des außereuropäischen Außenhandels. Es kam zu einer Schwerpunktverlagerung vom Mittelmeer- hin zum Atlantikhandel. Kolonialgebiete wurden so in das europäische Wirtschaftssystem integriert. Eine Voraussetzung für den Aufbau dieser Fernhandelsbeziehungen vor allem des maritimen Warenverkehrs war die schnelle Verfügbarkeit von Kapital durch unkomplizierte Zahlungsverfahren mit Bankkrediten. Profiteure dieser Entwicklung waren die Kaufleute und Handelsgesellschaften (Französische Ostindienkompanie bzw. Französische Westindienkompanie) in den Handelsmetropolen an den Küsten.
Der meinungsbildende Einfluss der hochadeligen höfischen Kultur und ihrer Institutionen verringerte sich in dem Maße, in dem dieses Bürgertum an Konturen gewann. Die Vielzahl an Publikationen bei gleichzeitig vermehrter Lesekompetenz,[5] ferner die Salons und Cafés bestimmten das geistige Leben in vermehrtem Maße. An diesen Orten trafen sich Adel und Bürgertum in einem diskursiven Prozess. Die Diskussionen klärten die eigenen Positionen, sie halfen, Wertesysteme und Motive, Einstellungen und Anschauungen sowohl weltanschaulich-religiöser als auch naturwissenschaftlich-technischer Art zu verändern und diese Veränderungen öffentlich zu machen.
Entstehendes Bürgertum und leidvoller Wechsel der ökonomischen und sozialen Situation für weite Teile der französischen Gesellschaft stellten das bestehende politische System des Ancien régimes zunehmend in Frage. Schon in seinem 1751 erstellten Enzyklopädieartikel über die politische Autorität, Autorité politique, lehnte Diderot das Gottesgnadentum ebenso ab wie eine naturrechtliche Ableitung der monarchischen Autorität. Es war die kunstgeschichtliche Epoche des Rokokos einer Stilrichtung der europäischen Kunst (von etwa 1730 bis 1770/1780) die sich aus dem Spätbarock (ca. 1700–1720) entwickelt hatte und ihren Ausgangspunkt in Frankreich nahm.[6]
Hinsichtlich seiner politischen Vorstellungen setzte Diderot bis zum Zeitpunkt nach seiner Rückkehr aus Russland im Jahr 1774 noch gewisse Hoffnungen in den aufgeklärten Absolutismus, also in die Idee einer Monarchie, in der die intellektuellen Eliten dazu beitragen würden, Vorstellungen der Aufklärung gewissermaßen von „oben nach unten“ zu institutionalisieren. Diese Hoffnungen gab er im Wesentlichen in den Jahren 1770 bis 1774 auf.[7]
Leben
Jugendjahre in Langres (1713 bis 1729)
Diderot war das zweitälteste Kind des wohlhabenden jansenistischen Messerschmiedemeisters Didier Diderot[8][9][10] aus Langres (Champagne) und dessen Ehefrau Angélique Vigneron (12. Oktober 1677–1. Oktober 1748),[11][12] der dreizehnten Tochter eines Gerbers.[13][14] Sein Großvater Denis Diderot (1654–1726) heiratete am 20. Juni 1679 Nicole Beligné (1655–1692),[15] eine Tochter des Messerschmiedemeisters[16] François Beligné (1625–1697). Das Paar hatte insgesamt neun Kinder, unter ihnen der Vater von Denis Diderot.[17][18]
Denis Diderot wurde am Donnerstag, dem 5. Oktober 1713, geboren und schon am nächsten Tag in der Église paroissiale Saint-Pierre-Saint-Paul[19][11][20] zu Langres nach römisch-katholischem Ritus getauft.[21] Diderot hatte noch fünf jüngere Geschwister, von denen jedoch zwei im Kindesalter starben. Zu seiner Schwester Denise Diderot (1715–1797)[22] hatte er zeitlebens ein sehr gutes Verhältnis, er nannte sie Sœurette. Zu seinem jüngeren Bruder Didier-Pierre Diderot (1722–1787),[23] einem späteren Geistlichen und Stiftsherrn von Langres war seine Beziehung konfliktbeladen. Eine weitere Schwester, Angélique Diderot (1720–1749), trat dem Ursulinen-Orden bei.
Geboren wurde Denis Diderot in einem Haus im Zentrum von Langres, n° 9 de la place dans le centre ville de Langres,[24] der Platz trägt heute seinen Namen.[25]
Ab seinem 12. Lebensjahr bereiteten seine Eltern ihn auf das Priestertum vor. Am 22. August 1726 erhielt er vom Bischof von Langres die Tonsur und damit die niederen Weihen. Er hatte jetzt das Recht, sich als Abbé zu bezeichnen und geistliche Kleidung zu tragen.[26] In näherer Zukunft sollte er die Kanonikus-Pfründe seines Onkels mütterlicherseits, des Kanonikus Vigneron an der Kathedrale Saint-Mammès de Langres, übernehmen.[27] Langres, ein wichtiges Zentrum des Jansenismus, hatte circa 8000 Einwohner.[28]
In Langres besuchte Diderot eine Jesuitenschule.[29][30]
Die Pariser Anfänge (1729 bis 1743)
In Paris wurde Diderot zunächst am Lycée Louis-le-Grand aufgenommen, dann wechselte er an das jansenistisch orientierte Collège d’Harcourt.[31] Das propädeutische Kolleg-Studium beendete er am 2. September 1732 mit dem Grad eines Magister Artium, maître-des-arts de l’Université.[32] Er unterließ es, das geplante Theologiestudium anzuschließen, schloss aber sein Studium an der Sorbonne am 6. August 1735 als Bakkalaureus ab.
Ab 1736 war Diderot als Anwaltsgehilfe bei dem ebenfalls aus Langres stammenden Advokaten Louis Nicolas Clément de Ris, avocat au Parlement de Paris,[33] tätig. Als er 1737 diese Stelle aufgab, beendete sein Vater die regelmäßigen Geldzuwendungen. Diderot lebte jetzt vier Jahre von schriftstellerischen Aufträgen, so schrieb er Predigten für Geistliche und arbeitete als Hauslehrer bei einem reichen Finanzier, nebenbei lernte er Englisch.[34] Es war eine Zeit chronischer Geldnot. Zeitweise half ihm der Karmelitermönch Frère Angelus oder seine Mutter, die sogar ihre Dienstmagd Hélène Brûlé[35] zu Fuß nach Paris schickte, um ihn finanziell zu unterstützen. Auch ein Monsieur Foucou aus Langres, ein Freund seines Vaters, der – ursprünglich Messerschmied – sich als Künstler und Dentist in Paris betätigte, soll Diderot häufiger mit Geld ausgeholfen haben.[36][37][38] Jener M. Foucou half später beim Erstellen des enzyklopädischen Eintrags über den Stahl.
Diderot begeisterte sich für das Theater und führte bald das Leben eines Bohèmien. An Mathematik stark interessiert, lernte er den Mathematiker und Philosophen Pierre Le Guay de Prémontval kennen und besuchte 1738 dessen Vorlesungen, ebenso die von Louis-Jacques Goussier.[39] Andere Bekannte aus dieser Zeit waren der Literat Louis-Charles Fougeret de Monbron, der spätere Kardinal François-Joachim de Pierre de Bernis und der spätere Polizeipräfekt von Paris Antoine de Sartine.
Seit 1740 schrieb Diderot Artikel für den Mercure de France und die Observations sur les écrits modernes.[40] In dieser Zeit besuchte er auch Anatomie- und Medizinvorlesungen bei César Verdier.[41]
Im Jahr 1740 lebte Diderot zunächst in einem Haus in der Rue de l’Observance[42] im heutigen 6. Arrondissement, unweit der École de médecine,[43] eine Etage unter dem deutschen Kupferstecher Johann Georg Wille.[44][45] Wille beschrieb ihn als einen „sehr umgänglichen jungen Mann“, der „ein guter Schriftsteller und wenn möglich, ein noch besserer Philosoph sein wollte“. Noch im selben Jahr zog er mehrfach um, so in die Rue du Vieux-Colombier, ebenfalls im 6., und in die Rue des Deux-Ponts im heutigen 4. Arrondissement.
Später übernahm Diderot Übersetzertätigkeiten aus dem Englischen in das Französische.[46] Englisch lernte er mittels eines lateinisch-englischen Wörterbuchs. 1742 übersetzte er die Grecian History (Geschichte Griechenlands) von Temple Stanyan. Robert James hatte Anfang der 1740er Jahre das dreibändige englische Lexikon A medicinal dictionary, including physics, surgery, anatomy, chemistry and botany (1743–1745) geschrieben.[47][48] Der französische Arzt Julien Busson überarbeitete und erweiterte es zu einem sechsbändigen Werk, Dictionnaire universel de médicine, welches zwischen 1746 und 1748 von Diderot, François-Vincent Toussaint und Marc-Antoine Eidous ins Französische übertragen und von Busson gegengelesen wurde.[49]
Ferner übersetzte Diderot 1745 Shaftesburys Inquiry concerning Virtue (Essai sur le mérite et la vertu; Untersuchung über die Tugend).[50] Die Ideen Shaftesburys beeinflussten die französische Aufklärung stark. Für Diderot waren die Abneigung gegen dogmatisches Denken, die Toleranz und die an humanistische Ideale angelehnte Moral besonders wichtig.[51][52] Diderot las mit großem Interesse die Essais von Michel de Montaigne.[53]
In diesen Jahren befreundete Diderot sich mit anderen jungen Intellektuellen, wie d’Alembert, Abbé Étienne Bonnot de Condillac und Melchior Grimm. Er verkehrte im Café de la Régence und im Café Maugis, das auch von Jean-Jacques Rousseau besucht wurde;[54] im Juli 1742 lernte Diderot ihn kennen.[55][56] Rousseau, Condillac und Diderot trafen sich zeitweise einmal wöchentlich in einem Restaurant in der Nähe des Palais Royal, dem Panier fleuri.
Ehe und Familie ab 1743
Anne-Antoinette Champion,[57] genannt Nanette, lebte 1741 mit ihrer Mutter in der Rue Boutebrie, wo die beiden Frauen von Weißnäherei und Spitzenklöppelei lebten. Diderot wohnte zu dieser Zeit in einem kleinen Zimmer desselben Hauses.[58] Als er 1743 die besitz- und aussteuerlose, bekennend katholische Nanette heiraten wollte und wie üblich seinen Vater um Erlaubnis bat, ließ dieser ihn kraft seiner väterlichen Autorität in einem Karmeliterkloster bei Troyes einsperren.[59] Diderots Antipathie gegen die Kirche und die Institution Kloster liegt wohl auch in dieser Erfahrung begründet – eine Antipathie, die sich später noch steigerte, als seine jüngste Schwester freiwillig ins Kloster ging und dort psychisch erkrankte. Diderot konnte nach einigen Wochen fliehen, er kehrte nach Paris zurück und heiratete Anne-Toinette Champion heimlich am 6. November 1743.[60][61] Das Verhältnis von Anne-Toinette zum Schwiegervater normalisierte sich später, spätestens 1752 war es ein freundliches.
Die Familie wohnte zunächst in der Rue Saint-Victor im heutigen 5. Arrondissement, 1746 zog sie in die Rue Traversière, im April gleichen Jahres weiter in die n° 6 Rue Mouffetard.[62] In der Nähe wohnte der Polizeioffizier François-Jacques Guillotte, der ein Freund Diderots wurde.[63][64]
Seit 1747 wohnte die Familie Diderot in der n° 3 Rue de l’Estrapade,[65][66] von 1754 bis 1784 dann im 4. und 5. Stockwerk eines Hauses in der Rue Taranne.[67][68]
In seinem Essay Regrets sur ma vieille robe de chambre ou Avis à ceux qui ont plus de goût que de fortune. (1772) beschrieb Diderot sein Arbeitszimmer im vierten Stockwerk. Ein Stuhl aus Strohgeflecht, ein einfacher Holztisch und Bücherbretter aus Tannenholz, an den Wänden einfache italienische Farbtapeten, zusätzlich rahmenlose Kupferstiche, einige Alabasterbüsten von Horaz, Vergil und Homer. Der Tisch war bedeckt mit Druckbögen und Papieren. Im fünften Stockwerk, unter dem Dachgeschoss hatte er die Redaktion der Enzyklopädie eingerichtet.[69] Bei einem Freund, dem Juwelier Étienne-Benjamin Belle, in Sèvres, n° 26 Rue Troyon, mietete Diderot um Oktober oder November 1767 ein zusätzliches Appartement. Dorthin zog er sich bis kurz vor seinem Tode regelmäßig zum Arbeiten zurück.[70][71] Sein letztes Domizil – hier verbrachte er die letzten Tage seines Lebens[72] – lag in der n° 39 Rue de Richelieu im heutigen 2. Arrondissement von Paris.[73]
Das Paar hatte vier Kinder, von denen drei sehr früh starben, Angélique (1744–1744), Jacques François Denis (1746–1750), Denis-Laurant (1750–1750) sowie Marie-Angélique (2. September 1753 – 5. Dezember 1824).[74] Marie-Angélique heiratete am 9. September 1772 den Industriellen Abel François Nicolas Caroillon de Vandeul.[75] Er war der Sohn von Diderots Jugendliebe Simone la Salette (1713–1788)[76] und ihrem Ehemann Nicolas Caroillon (1708–1766).[77]
Diderot hatte zwei Enkel, Marie Anne (1773–1784), früh verstorben, und den späteren Politiker Denis-Simon Caroillon de Vandeul (1775–1850), der Eugénie Cardon heiratete. Dieser Ehe entstammen die drei Urenkel Diderots, Abel François Caroillon de Vandeul (1812–1870), Marie Anne Wilhelmine Caroillon de Vandeul (1813–1900) und Louis Alfred Caroillon de Vandeul (1814–1900).[78]
Denis’ Verhältnis zu seinem Bruder Didier-Pierre Diderot war immer schwierig. Die Einladung zur Hochzeit Marie-Angéliques beantwortete dieser rüde und kam nicht. Am 14. November 1772 kam es zum endgültigen Bruch zwischen den Brüdern.
Andere private Beziehungen
Seine Frau, die Mutter seiner Kinder, war das Zentrum seines Hauses; Diderot tolerierte auch ihre strenge Gläubigkeit. Auch während der Zeit dieser Ehe führte er weitere intime Beziehungen: Ab 1745 war er mit Madeleine de Puisieux[79] liiert, einer „aventurière“ („Abenteurerin“), wie man emanzipiert und unverheiratet lebende Frauen meist besserer Herkunft und Bildung nannte. Im Jahr 1755 lernte Diderot Sophie Volland[80] kennen, die ihm eine lebenslange Gefährtin, Seelen- und Intimfreundin wurde, beide führten einen regen „empfindsamen“ Briefwechsel. Vom Frühjahr 1769 bis 1771 hatte Diderot eine intime Beziehung mit Jeanne-Catherine Quinault,[81] die er bereits seit 1760 kannte. Im August 1770 traf er sie und ihre Tochter in Bourbonne-les-Bains, beide kurten dort im Thermalbad. Kurz danach schrieb er Die beiden Freunde aus Bourbonne (Les Deux Amis de Bourbonne).[82]
Paris – Zeit der sich konsolidierenden Aufklärung
Diderot verkehrte weiter mit Pariser Intellektuellen, im Café Procope, auch im Café Landelle. So lernte er Alexis Piron kennen. Über diesen Kreis kam er in Kontakt zur Salonnière und Schriftstellerin Louise d’Épinay sowie zu Paul Henri Thiry d’Holbach. Er wurde Teil des Coterie holbachique.[83]
Im Café de la Régence[84] am Place du Palais-Royal spielte Diderot regelmäßig Schach. Mit François-André Danican Philidor, dem besten Spieler dieser Zeit, war er befreundet; beider Familien trafen sich regelmäßig.[85][86] Philidors Schachlehrer François Antoine de Legall, einem regelmäßigen Besucher des Cafés, setzte Diderot in Rameaus Neffe ein literarisches Denkmal.
Diderots philosophische Ansichten hatten sich inzwischen weit von den christlichen des Vaterhauses entfernt. Seine Zweifel daran, sein Übergang zu einem vernunftgeprägten Theismus wurden 1746 öffentlich mit dem wohl zu Ostern verfassten Essay Pensées philosophiques. Dieser machte ihn, obgleich anonym erschienen,[87] einer größeren Leserschaft bekannt. Das religionskritische Werk wurde vom Pariser Parlement verurteilt und öffentlich verbrannt. Die weitere Entwicklung seiner Positionen hin zu einem eindeutigen Materialismus markieren La promenade du sceptique (1747) und der Brief über die Blinden zum Gebrauch für die Sehenden (1749), später dann die Pensées sur l’interprétation de la nature (1753).
Ab 1747 folgte die intensive Arbeit an der Encyclopédie. 1749 wurde sie jedoch unterbrochen.
Inhaftierung (24. Juli bis 3. November 1749)
Château de Vincennes bei Paris
Der Kriegsminister Frankreichs, Marc-Pierre d’Argenson, forderte am 22. Juli 1749 den Generalleutnant der Polizei Nicolas René Berryer auf, einen königlichen Haftbefehl, lettre de cachet, für Diderot auszustellen. Am 24. Juli 1749, um halb acht morgens, wurde Diderot von Joseph d’Hémery, Kommissar und Inspektor der königlichen Zensurbehörde, verhaftet. Er wurde verhört und in die Festung Vincennes, château de Vincennes, gebracht.[88]
Diderot wurde die Veröffentlichung der Pensées philosophiques und des Briefes über die Blinden zum Gebrauch für die Sehenden, in denen er seine materialistische Position dargelegt hatte, sowie das Arbeiten an weiteren gegen die Religion gerichteten Schriften zur Last gelegt.[89] Schon zwei Jahre zuvor war er vom Pfarrer seiner Gemeinde Saint-Médard,[90] Pierre Hardy de Lévaré (1696–1778),[91] als „gottloser, sehr gefährlicher Mensch“ denunziert worden.[92] Eine gewisse Rolle soll auch gespielt haben, dass eine einflussreiche Frau, Mme Dupré de Saint-Maur, sich für eine herabsetzende Äußerung Diderots rächen wollte.[93]
Rousseau besuchte ihn regelmäßig im Gefängnis. Die Buchhändler, an zügiger Arbeit an der Encyclopédie interessiert, beschwerten sich über die Verhaftung. Diderot selbst intervenierte brieflich bei René Louis d’Argenson und Nicolas René Berryer. Am 3. November 1749 wurde er entlassen. Er musste sich hierfür schriftlich verpflichten, keine blasphemischen Schriften mehr zu veröffentlichen. Um den Fortgang der Encyclopédie nicht zu gefährden, ließ er daher in den folgenden Jahren vieles unpubliziert.
Die Erfahrung seiner Inhaftierung prägte sich Diderot tief ein, sie ließ ihn künftig mit größerer Vorsicht vorgehen. Viel später, am 10. Oktober 1766, bekannte Diderot in einem Brief an Voltaire, bezogen auf seine Arbeit an der Encyclopédie, dass seine Seele voller Angst vor einer möglichen Verfolgung sei, aber dennoch werde er nicht fliehen, da eine innere Stimme ihm befehle weiter zu machen, teils aus Gewohnheit, teils aus Hoffnung, dass schon am nächsten Tage alles anders aussehen könne.[94][95]
Encyclopédie und Hauptwerk (1747 bis 1773)
1747 übernahm Diderot die Leitung der Arbeit an der Encyclopédie als Herausgeber, zunächst gemeinsam mit d’Alembert, ab 1760 mit Louis de Jaucourt. Den Gesamtplan zu entwerfen, Autoren zu gewinnen und deren Zusammenarbeit zu organisieren, um das Druckprivileg und gegen die Zensur zu kämpfen und außerdem noch mehr als 3000 Artikel selbst zu schreiben, war Arbeit für Jahre. Wo nötig erweiterte Diderot hierfür seinen Wissensbereich. So besuchte er von 1754 bis 1757 regelmäßig die Chemievorlesungen Guillaume-François Rouelles.[96][97][98] Bei den unausweichlichen Kämpfen wurde Diderot auch durch die Freimaurer unterstützt; dass er selbst Freimaurer war, ist jedoch nicht nachgewiesen.[99]
Diderot schrieb in dieser Zeit außerdem Romane und Erzählungen, Stücke für das Theater, er arbeitete an einer Theatertheorie und zur Erkenntnistheorie. Vieles hiervon blieb zunächst unpubliziert, manches kam jedoch durch Abschriften bereits an die Öffentlichkeit. Ein wichtiger Mitarbeiter wurde ihm hierbei Jacques-André Naigeon, auch als Sekretär d’Holbachs tätig, der Texte redigierte und bearbeitete und auch für die Encyclopédie schrieb. Er gab später, 1798, eine erste, wenn auch unvollständige, Werkausgabe heraus.[100]
Trotz all dieser Arbeit nahm Diderot am regen gesellschaftlichen Leben der philosophes teil – der kritisch eingestellten Pariser Intellektuellen, wie Condillac, Turgot, Helvétius und d’Holbach –, ebenso besuchte er adlige Salons. Seit dem Winter 1752/53 hatte er auch Briefkontakt zu Madame de Pompadour, die dem Journal von Marc-Pierre d’Argenson zufolge 1752 Verbindung zu den Enzyklopädisten aufgenommen hatte. Später empfing sie einige von ihnen, auch Diderot, zu informellen Diners und Gesprächen.[101]
Abbildung auf einer alten Postkarte (1907). Auf dem Landsitz Château du Grand Val (im heutigen Pariser Außenbezirk Sucy-en-Brie) der Schwiegermutter von d’Holbach verbrachte Diderot häufig die Sommer. Er wohnte in der ersten Etage des rechten Flügels. Das Gebäude wurde 1949 zerstört.[102]
Spannungen gab es jedoch. So beklagte Diderot sich 1757 bei Grimm über eine Einladung durch d’Holbach auf das Château du Grand Val: er zweifle, ob er ihr folgen solle, sei der Baron doch ein despotischer und launischer Mensch. Später hielt er sich allerdings mehrfach dort auf, ebenso auf dem Château de la Chevrette in Deuil-la-Barre, dem Besitz von Louise d’Épinay. In Briefen an Sophie Volland[103] schilderte Diderot seinen Tagesablauf im Grand-Val: Neben Lesen, Nachdenken und Schreiben, Spaziergang und Gesprächen mit d’Holbach, allgemeiner Konversation und den Mahlzeiten gehörten auch Tric Trac und Piquet dazu.
Im Juli 1765 beendete Diderot die Arbeit an der Encyclopédie. Fast zwanzig Jahre hatten er und seine Familie von den Zahlungen der Verleger bzw. Buchhändler gelebt, Rechte auf Tantiemen besaß er nicht. So kamen nun lediglich Einnahmen aus dem väterlichen Erbe aus Langres. Dmitri Alexejewitsch Golizyn und Grimm retteten die Situation. Sie vermittelten den Verkauf von Diderots Bibliothek an Katharina II. von Russland – sie wurde nach dessen Tod nach Sankt Petersburg transportiert – für 16.000 Livre. Katharina II. besoldete ihn zudem zeitlebens als Bibliothekar seiner eigenen Bibliothek mit 1000 Livre pro Jahr und stattete ihn mit Geld für Neuanschaffungen aus. 1773 fuhr Diderot für einige Monate an den Hof von Sankt Petersburg.
Das Geld ermöglichte es seiner Tochter Marie-Angélique, ab 1765 Cembalounterricht zu nehmen, zunächst bis 1769 bei der Pianistin Marie-Emmanuelle Bayon Louis,[104] dann bei dem Musiktheoretiker und Komponisten Anton Bemetzrieder. Dieser machte sie 1771 zu einer Hauptperson seines musikalischen Lehrwerks, den Leçons de Clavecin, et Principes d’Harmonie.[105][106]
Diderots Bibliothek ging (wie auch die Voltaires) in die 1795 gegründete Russische Nationalbibliothek ein. Mit deren Beständen wurde sie jedoch später zerstreut, eine begleitende Aufstellung ging verloren.[107][108] Sie konnte nur lückenhaft über die Register der Diderot mit Büchern versorgenden Verleger rekonstruiert werden.[109]
So hier unterbrechen wir,wer sich weiter für diese durchaus interressante Geschichte interressiert,dem sei der Link empfohlen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Denis_Diderot
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