Interreligiöser Dialog
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Interreligiöser Dialog
Interreligiöser Dialog und Dialog der Religionen (von altgriech. dialégomai: sich unterhalten) sind Bezeichnungen für von Repräsentanten von Religionen angestrebten, im Idealfall gleichberechtigten, respektvollen und kritischen Meinungsaustausch. Er umfasst die Begegnung und die Zusammenarbeit in Alltag und Theologie zwischen Vertretern und Angehörigen verschiedener Religionen. Der interreligiöse Dialog kann mehrere Religionen gleichzeitig einbeziehen, häufiger sind jedoch Begegnungen zwischen zwei Religionen.
Der Begriff intrareligiöser Dialog wird wenig verwendet; zu diesem Thema siehe Konfession. Manchmal sind Konfessionen so verschieden bzw. verfeindet, dass der Dialog zwischen ihnen ähnlich schwierig oder schwieriger ist als der interreligiöse. In einigen islamisch geprägten Ländern ringen Sunniten und Schiiten um Macht und Einfluss; in anderen Ländern eine laizistische und eine religiös motivierte Bewegung (z. B. Türkei).
In der "arabischen Welt" hat sich durch den Arabischen Frühling vieles geändert. In einigen Ländern ringen ebenfalls laizistische und religiös motivierte Bewegungen um Einfluss und Anhänger.
Aktuelle Bedeutung
Der Dialog der Religionen und der interreligiöse Dialog haben wieder an Bedeutung gewonnen. Als Faktoren dafür werden zum Beispiel genannt:
Globalisierung,
weltweite Migration und damit globale Pluralisierung,
Konflikte, in den Religiöses eine Rolle spielt und/oder als ein Motiv genannt wird (manchmal wird Religion als Handlungsgrund vorgeschoben, obwohl etwas anderes das Handeln motiviert);
Terrorismus in vielen Ländern, der religiöse Motive behauptet. Als ein Fanal dieser Art von Terrorismus gelten die Anschläge am 11. September 2001 ("9/11") unter anderem auf das World Trade Center;
das Bevölkerungswachstum in vielen Ländern der Welt, darunter in vielen islamisch geprägten Ländern. Es fördert den Kampf um Ressourcen (z.B. Äcker, Grundstücke, Wasser).
Der Dialog wurde nach 9/11 von fast allen Demokratien und von vielen Religionsgemeinschaften gefordert und gefördert. 2002 unterstützte die Bundesregierung Projekte des christlich-islamischen Dialogs mit 425.000 Euro. Dazu gehören z. B. Dialogseminare für Imame (2002: 50.000 Euro), die Unterstützung des KCID (projektbezogen) und der Muslimischen Akademie (60.000 Euro jährlich seit 2004).
Zudem werden Organisationen wie die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) finanziert, die sich, wie auch die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) u. a. im interreligiösen Dialog engagieren. Auch Universitäten fördern den interreligiösen Dialog, beispielsweise durch dialogpraktische Seminare.
Es gibt einen 'Interreligiösen Arbeitskreis' des Vereins Interkultureller Rat in Deutschland. In diesem sind vertreten:
die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK),
der Zentralrat der Juden in Deutschland,
der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD),
die Föderation der Aleviten-Gemeinden in Deutschland,
die Deutsche Buddhistische Union,
der Nationale Geistige Rat der Baha’i und
der Verein Weltkonferenz der Religionen für den Frieden (WCRP)
Der Arbeitskreis strebt als gemeinsames Ziel eine Kultur der sozialen Solidarität an.
Im Abrahamischen Forum des Rates erörtern Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland, der ACK, des ZMD, der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB) u. a. interreligiöse Fragestellungen und die Arbeit Abrahamischer (Juden, Muslime und Christen) und anderer „Interreligiöser Teams“. Sie sind in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit tätig.
Das friedliche Zusammenleben in Deutschland zu stärken, war auch Ziel des Projekts "Weißt du, wer ich bin?".[1] Es unterstützte den Dialog der Religionen auf Basisebene, indem es den Erfahrungsaustausch zwischen Juden, Christen und Muslimen fördert. Beteiligt waren die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), der Zentralrat der Juden, der Zentralrat der Muslime (ZMD) und die Türkisch-Islamische Union der DITIB. Das Bundesinnenministerium unterstützt das Projekt.
Die über 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit mit ca. 20.000 Mitgliedern und ihr Dachverband, der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit,[2] entstanden in Deutschland nach Nationalsozialismus und Holocaust, setzen sich für die Aussöhnung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen, Verständigung zwischen Christen und Juden und ein friedliches Zusammenleben von Völkern und Religionen sowie gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus ein. Seit ihrer Gründung haben sowohl die Einzelgesellschaften als auch ihr Dachverband jeweils einen jüdischen, einen evangelischen sowie einen katholischen Vorsitzenden. Der Deutsche Koordinierungsrat ist die größte Vereinigung unter den 32 Mitgliedern des Internationalen Rats der Christen und Juden (ICCJ).
Seit 1976 besteht die Islamisch-Christliche Arbeitsgruppe (ICA), in der verschiedene islamische Organisationen und die römisch-katholische, evangelische[3] und griechisch-orthodoxe Kirche vertreten sind. Sie führt Tagungen und Konferenzen durch, berät über interreligiöse Projekte und hat den Austausch über Sachfragen zum Ziel.
Christlich-islamische Dialogorganisationen haben sich im Koordinierungsrat des christlich-islamischen Dialogs (KCID) zusammengeschlossen, dessen älteste und größte (Stand 2004) Mitgliedsorganisation die Christlich-Islamische Gesellschaft ist.
Auf Dialog durch konkretes Handeln setzen Organisationen wie die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (seit 1958), die Grünhelme e.V. (seit 2003) und die Fokolar-Bewegung (seit 1943), die eine weltweite Geschwisterlichkeit durch den Dialog von Menschen verschiedener Konfessionen, Religionen und nicht-religiöser Weltanschauungen zum Ziel hat, die sich in sozialen und humanitären Initiativen konkretisiert. Versöhnung, Vertrauen und Respekt durch praktische Zusammenarbeit zu fördern ist auch das Ziel kleinerer Projekte wie z. B. „fischen versöhnt“, wobei versucht wird, die Ursache eines Konflikts aufzugreifen und in diesem Bereich nach einer praktischen Lösung zu suchen, die beide Konfliktparteien einbezieht.[4]
Grundannahmen von Dialogbefürwortern und -kritikern
Über Sinn und Erfolgsaussichten des Dialoges der Religionen gibt es seit Beginn religiöser Aufzeichnungen Auseinandersetzungen. Befürworter wie Kritiker des Dialogs der Religionen gehen im Regelfall entweder von essentialistischen oder funktionalistischen Annahmen aus, so dass sich die Diskussion grob in vier Teile gliedern lässt.
Essentialistische Befürworter
Grundannahme dieser Position ist, dass die Religionen in ihrer eigentlichen Substanz die gleiche Wahrheit anstreben und der Streit zwischen ihnen durch historische Einflüsse, mangelndes Wissen und Missbrauch für Zwecke der Politik entstanden ist. Aufgabe des Dialoges sei es, diese tiefe Einheit wieder ans Licht zu bringen.
Kritiker bemängeln an dieser Position, sie akzeptiere keine Unterschiede und könne sie auf Dauer kaum tolerieren. Vielmehr vereinnahmen sie schon in ihrem Ansatz die Dialogpartner und verprellen damit jene Menschen, die ihre Grundannahme nicht teilen.
Essentialistische Kritiker
Grundannahme dieser Position ist, dass die Religionen eine je unterschiedliche Substanz besitzen, die nicht veränderbar ist. Meist wird dabei angenommen, dass die eigene Religion Wahrheit, die der anderen aber letztlich Unwahrheit verkündet. Dialog sei gefährlich, weil er die Unterschiede zwischen wahr und unwahr vernebele und er sich evtl. in den Dienst der Unwahrheit stelle. Das Gespräch mit Andersglaubenden müsse Unterschiede betonen und letztlich auf deren Bekehrung zielen.
Die Kritik an dieser Position lautet, sie ermögliche ein friedliches Zusammenleben allenfalls um den Preis der lebensweltlichen Trennung (Segregation); man ginge sich (in Dialogfragen) möglichst aus dem Weg, um Konflikte zu vermeiden. Darüber hinaus könne sie in Verschwörungstheorien münden, da freundliches und liebenswertes Verhalten Andersglaubender evtl. als Teil der Unwahrheit einsortiert werden müsse (vgl. z. B. den Vorwurf der Taqiyya seitens von Islamkritikern).
Funktionalistische Befürworter
Vor allem – aber nicht ausschließlich – von Politikern wird der Dialog befürwortet, weil er den inneren Frieden sichere, Familienwerte hochhalte, Integration fördere, das kulturelle Leben bereichere.
Kritik an dieser Position: Sie übergehe den Anspruch der verschiedenen Religionen, wonach aus Wahrheit Frieden erwachse (und nicht umgekehrt). Gläubige sähen sich zudem in der Regel nicht als Vertreter reiner Meinungs- und Neigungsvereine, die gelegentlich Sozialarbeit betreiben, sondern fühlten sich ihrem jeweiligen Glauben verpflichtet. Zum Dialog entschieden sie sich nur freiwillig. Eine Verbesserung des Zusammenlebens durch interreligiösen Dialog stelle sich erst nach sehr langer Zeit ein. Der Dialog tauge daher nicht für Funktionalisierungen in der Hoffnung auf kurzfristige Erfolge bei der Sicherung des sozialen Friedens.
Funktionalistische Kritiker
Vor allem aus dem säkularen Bereich heraus wird die Kritik geäußert, der Dialog diene lediglich dem Machterwerb religiöser Akteure, der Missionierung der je eigenen, möglicherweise indifferent werdenden Glaubensgemeinschaft und könne soziale Probleme ohnehin nicht lösen. Der Dialog gebe Anleitungen und Vorschriften, was nicht funktioniere. Menschen möchten mit anderen Menschen aus individuellen Gründen heraus unabhängig von deren Religionszugehörigkeit zusammenkommen, nicht, weil sie Dialog ausüben wollen oder sollen. Soziale Probleme seien durch Engagement für Bildung, eine gerechtere Verteilung von Wohlstand, eine bessere Politik u. ä. zu lösen. Aus diesen Bereichen gelte es Vertreter der Religionen herauszuhalten.
Kritiker dieser Position wenden ein, der Dialog der Religionen sei grundsätzlich eine religiöse Tätigkeit wie Beten, Meditieren, Predigen und falle damit unter das Menschenrecht der Religionsfreiheit. Friedenstiftende Effekte des Dialoges, etwa sich verbessernde Wahrnehmungen voneinander, seien wissenschaftlich nachweisbar. Ob ein Staat den Dialog fördere oder nicht, gehöre zwar in die politische Entscheidungsfreiheit, den Dialog verbieten könne jedoch nur ein totalitärer Staat.
Praktische Entwicklung, Erfahrung
Der praktische interreligiöse Dialog entwickelt sich meist in eine mittlere Position hinein: Es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede festgestellt und zu respektieren gelernt. Konkrete Ereignisse, etwa ein Krieg oder Attentat, führen meist zu einer erhöhten Nachfrage nach dem Dialog der Religionen; aus dieser besonderen Situation heraus verbleiben meist einige Personen und Institutionen mit längerfristigem Engagement im Dialog. Die Kritik am Dialog wird dabei im Regelfall aufgenommen, indem erkannt und eingeräumt wird, dass Religion zwar ein wichtiger, keinesfalls aber der einzige handlungsleitende Faktor im menschlichen Leben ist und sich also Menschen auch nicht nur durch ihre jeweilige Religionszugehörigkeit definieren lassen.
Die Haltung verschiedener Religionen zum interreligiösen Dialog
In historischer Reihenfolge der Existenz der Religionsgemeinschaften.
Hinduismus
Der Hinduismus bildet weniger ein geschlossenes Glaubenssystem, als vielmehr einen Strom sehr verschiedener Gemeinschaften und Grundannahmen. Innerhinduistisch gibt es starke Traditionen des Dialoges miteinander, des Aushaltens von Unterschieden und des Bekennens grundlegender Gemeinsamkeiten. Fremde Religionen wurden und werden häufig als Aspekte der eigenen Wahrheit betrachtet und toleriert („Heilsinklusivismus“).
Andere innerindische Religionen wie der Buddhismus, Jainismus oder Sikhismus müssen seit ihrer Entstehung gegenüber ihrem hinduistischen Umfeld immer wieder ihre eigenständige Identität betonen, um nicht „aufgesogen“ zu werden. So deuteten hinduistische Gelehrte den Buddha als Verkörperung (Avatara) des Gottes Vishnu, was neben dem Vordringen des Islams weitgehend zum Erlöschen des Buddhismus in Indien beitrug. Auf manchen modernen hinduistischen Altären sind auch schon Votivbilder etwa von Christus oder Mutter Teresa zu finden, integriert mit anderen hinduistischen Gottheiten und Heiligen, ohne dass die entsprechend Betenden daraus einen Widerspruch oder gar Glaubenswechsel ableiten würden. Viele hinduistische Vertreter beteiligen sich gerne am Dialog der Religionen, betonen dabei aber oft ein Verständnis von Einheit, von dem sich Andersglaubende vereinnahmt fühlen.
Hinduistische Kritiker des Dialoges dagegen sehen in diesem vor allem Missionsversuche, weshalb sie Befürwortern manchmal Naivität vorwerfen.
Judentum
Das Judentum beansprucht keine Heilsexklusivität und sieht daher auch keinen Missionsauftrag: Auch Angehörige anderer Glaubensrichtungen können „Anteil an der kommenden Welt“ erlangen, wenn sie bestimmte moralische Grundregeln (siehe Noachidische Gebote) einhalten. Laut Talmud hat Gott den Menschen und Völkern durchaus verschiedene Wege gewiesen bzw. erwählt.
Entsprechend gelten die an Adam und Noah ergangenen Gebote für alle Menschen, ehrt Abraham den fremden Priesterkönig Melchisedek, lässt sich Moses von seinem Schwiegervater, dem midiantischen Priester Jitro beraten und wird der persische König Kyros sogar als Messias beschrieben, der von Gott einen Auftrag (die Erlaubnis der Rückkehr der Juden aus dem babylonischen Exil und Unterstützung beim Wiederaufbau des Tempels) erhält und durchführt.
Bis heute beteiligen sich jüdische Vertreter daher häufig am Dialog der Religionen, insofern sie sich nicht vereinnahmt fühlen. Statt eines auch theologischen Dialogs befürworten sie jedoch häufiger die praktische Zusammenarbeit, da nach jüdischer Überzeugung das Handeln wichtiger ist als der abstrakte Austausch über den letztlich doch das Verständnis übersteigenden Gott (Orthopraxie).
Jüdische Kritiker des Dialoges befürchten meist Vereinnahmung oder auch direkte Missionsabsichten der christlichen oder auch islamischen Gesprächspartner.
In Berlin gab es bereits Anfang der 1930er Jahre von Rabbiner Leo Baeck ins Leben gerufene christlich-jüdische Gespräche, deren Ziel die interreligiöse und kulturelle Verständigung zwischen Juden und Christen in Deutschland war.[5]
Rodger Kamenetz hatte sich als Autor des Buches The Jew in the Lotus mit dem interreligiösen Dialog zwischen Judentum und dem tibetanischen Buddhismus auseinandergesetzt. Er prägte den Ausdruck „Jubus“ als Ausdruck einer zweifachen Identität.[6] Zu den bekannteren amerikanischen Jubus gehören viele Prominente, so Leonard Cohen, Doug Fieger, Allen Ginsberg, Natalie Goldberg, Goldie Hawn und Kate Hudson.
Buddhismus
Der Buddhismus versteht sich mehrheitlich nicht als exklusive Religionsgemeinschaft, sondern als Wahrheitslehre, die sich dem Lernenden und Übenden durch eigene Einsicht und Erfahrung erschließen soll.
Entsprechend gehören Gespräche und Diskussionen des Buddha und nachfolgender Mönche vor allem mit hinduistischen Brahmanen bereits zum ältesten Bestand buddhistischer Schriften. Dabei geht es jedoch eher um eine Weitergabe der Lehre als um einen gleichberechtigten Austausch. So können Götter aus buddhistischer Sicht durchaus geachtet werden, stellen jedoch selbst auch nur vorläufige Existenzen dar. Ob dies aus buddhistischer Sicht auch für den einen Gott der abrahamitischen Religionen gilt oder ob dieser wie das Nirwana eine unfassbare Wirklichkeit bezeichnet, ist ein häufiges Thema des Dialoges Andersglaubender mit dem Buddhismus.
Buddhistische Vertreter beteiligen sich daher häufig am Dialog der Religionen, sprechen jedoch mit wenigen Ausnahmen (wie dem Dalai Lama) meist nur für sich bzw. für kleinere buddhistische Schulen.
Buddhistische Kritiker des Dialoges wenden ein, die Beteiligung am Dialog der Religionen impliziere, dass der Buddhismus lediglich eine Religionsgemeinschaft und ein Glaubenssystem sei. Dies entspreche aber nicht dem buddhistischen Selbstverständnis.
Christentum
Laut Neuem Testament beschränkt Jesus die Verkündung des Evangeliums zunächst vorwiegend auf das jüdische Volk, reagiert aber auch positiv auf den Glauben, den ihm Menschen aus anderen Hintergründen entgegenbringen. So nimmt er die Samaritanerin am Brunnen an (Joh 4,7-9 EU), die daraufhin Vertrauen zu ihm fasst, und lobt den Glauben des römischen Hauptmanns von Kapernaum (Mt 8,10 EU), der ihm zutraut, seinen Knecht zu heilen. Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter präsentiert er einen Andersglaubenden als ethisches Vorbild für die frommen Juden (Lk 10,29-37 EU), und in der Heilung der Tochter der kanaanäischen Frau lässt Jesus sich sogar dahingehend bitten, dass er seine Sendung nicht auf das Volk Israel beschränken soll (Mk 7,27-29 EU). Schließlich spricht er auch von „anderen Schafen“ (Nicht-Juden), die seinen Ruf hören werden (Joh 10,16 EU). Nach der Auferstehung wird das Heilsangebot schließlich auf alle Menschen übertragen („Missionsbefehl“).
Grundsätzlich gilt es zwischen liberal-ökumenischen und konservativen Strömungen zu unterscheiden. Die ökumenischen Organisationen unterstreichen die Bedeutung des interreligiösen Dialogs, so etwa die Konferenz Europäischer Kirchen in der Charta oecumenica.
Für die Evangelische Kirche in Deutschland ist „Dialog auf allen möglichen Ebenen notwendig und ohne Alternative“[7]. Die Generalsynode der Evangelische Kirche A. u. H. B. in Österreich veröffentlichte 2011 eine Orientierungshilfe für Evangelische Christen im interreligiösen Dialog mit dem Islam, in der jenes Miteinander gesucht werden soll, das dem Frieden und der guten Nachbarschaft dient[8].
4. Interreligiöses Gebet für den Weltfrieden in Assisi am 27. Oktober 2011
Die katholische Kirche hat den Heilsexklusivismus früherer Jahrhunderte im 2. Vatikanischen Konzil aufgegeben. In Konzilstexten wie Lumen Gentium und Nostra Aetate werden in dieser Reihenfolge andere Christen, Juden, Muslime, Anders- und auch Nichtglaubende als auf Gottes Wahrheit hingeordnet beschrieben, insofern sie nicht ohne göttliche Gnade ein gerechtes Leben zu führen sich bemühen. Es wird anerkannt, dass sich Strahlen der Wahrheit auch in anderen Religionen finden lassen. Begegnungen mit dem Papst, wie beispielsweise die Weltgebetstreffen in Assisi, sind seit einigen Jahrzehnten zu den vielleicht stärksten Symbolen des Dialoges der Religionen geworden. Seit der Zeit des 2. Vatikanischen Konzils existiert auch der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog, der 1964 als Sekretariat für Nicht-Christen errichtet wurde und die Aktivitäten der römischen Kurie im Dialog mit anderen Religionen koordiniert. Ihm angeschlossen ist außerdem die Päpstliche Kommission für religiöse Beziehungen zu den Muslimen. Beide Institutionen leitet seit 2007 Kardinal Jean-Louis Tauran.
Konservativ orientierte Freikirchen und Gemeinschaften lehnen hingegen einen interreligiösen Dialog meist dahingehend ab, dass man die Gefahr einer Aufgabe eigener Positionen und der Religionsvermischung sieht. Hierbei steht vor allem der im Neuen Testament an zahlreichen Stellen formulierte Absolutheitsanspruch Christi gemeinsamen gottesdienstlichen Handlungen entgegen.
Christliche Kritiker des Dialogs bemängeln außerdem die Art, in der interreligiöse Begegnungen vom Papst geführt werden, und werfen die Frage auf, ob diese als Dialog zu bezeichnen sind. Andere fürchten die Vernebelung des Unterschiedes zwischen Wahrheit und Unwahrheit sowie die Preisgabe der Mission. Auch eine mögliche Naivität gegenüber den „wahren“ Zielen Andersglaubender im Dialog wird als Gefahr gesehen. Besonders der aktuelle Papst Franziskus und sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. traten diesen Kritikern entgegen und beschrieben Wahrheit jeweils als Beziehung, die sich den Menschen nur als Weg offenbart und nicht in absoluter Weise möglich zu besitzen ist.
Islam
Laut Koran gelten Judentum, Christentum und unter Umständen auch andere Religionen als Vorläufer der islamischen Gemeinschaft, deren Glauben sie (laut Mehrheitsmeinung) ebenfalls zu Gott führen könne. Der Islam sei freilich der bessere und beste Weg. Neben zahlreichen Hadithen berufen sich islamische Befürworter des Dialoges gerne auf das Glaubensgespräch des Propheten Muhammad mit den Christen von Nadschaf, das zwar ohne Einigung, aber in gegenseitigem Respekt geführt und beendet wurde und auch im Koran gewürdigt wird. Einige islamische Theologen vertreten die Auffassung, dass das Wort Islam neben der Bezeichnung des konkreten Glaubenssystems auch eine Haltung der Gotteshingabe ausdrücke, die auch von Christen, Juden und anderen praktiziert werden könne. In diesem Sinne könne ein guter Gottgläubiger auch dann Islam praktizieren, wenn er sich selbst nicht als Muslim im engeren Wortsinn verstehe.
Ein weiteres Problem im Dialogverständnis des Islam ist praktischer Art. Im Islam ist für andersreligiöse Gruppen, gleichgültig ob diese in muslimisch beherrschtem Gebiet eine Mehrheit (wie im mittelalterlichen Spanien) oder eine Minderheit (z. B. in den meisten nordafrikanischen Staaten und in Ägypten nach der islamischen Eroberung dieser ehemaligen Kerngebiete des Christentums) darstellen, ein eingeschränkter Rechtsstatus als sog. „Dhimmi“ (Schutzbefohlene) vorgesehen. Dadurch ist beim interreligiösen Gespräch stets ein gewisses Machtgefälle zwischen den moslemischen und den andersgläubigen Vertretern gegeben, was ein freies, gleichberechtigtes Gespräch erschwert.
Nach orthodoxer Lehre ist es Muslimen im interreligiösen Gespräch nur erlaubt, durch gutes Vorbild (Da'wa) in bester Art miteinander einen Diskurs zu führen. Jede Form von Zwang oder Gewalt, um Andersgläubigen den Islam zu vermitteln, ist untersagt.
Obgleich Muslime häufig den Dialog der Religionen befürworten, brauchen Andersglaubende oft viel Geduld, um wirklich auf eine Ebene des gleichberechtigten Austauschs zu gelangen. In einer hierarchisch geführten Diskussion werden „Aufklärung“ und „Modernisierung“ des Islams eingemahnt. Freie, fundamentalistische Christengemeinden betrachten den Islam oft als „christliche Häresie“. Dies spiegelt sich in der Literatur von Autoren wie Ibn Warraq wider. Andererseits erscheint es Juden und Christen im Dialog mit Muslimen häufig, als Vorläufer des Islam einsortiert zu werden, deren Übereinstimmungen mit dem islamischen Glauben zwar vorgeblich gewürdigt, abweichende Haltungen aber als bedauerliche Verfälschungen abgetan werden. Nachfolgende Religionsgemeinschaften wie Bahai, Drusen oder Aleviten sehen sich häufig entweder vereinnahmt oder als vom Glauben Abgefallene (Apostaten) abgelehnt, denen als solche die Todesstrafe droht. Dennoch haben einige islamische Reformer und Basisinitiativen neue Ansätze des Dialoges auf den Weg gebracht, die jedoch wegen der konfliktreichen Weltlage derzeit wenig Erfolg haben.
KAICIID Logo
Als Dialoginitiative mit islamischen Hintergrund kann die im Oktober 2011 vom saudi-arabischen König Abdullah erfolgte Gründung des König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID), einer globalen NGO mit Sitz in Wien, angesehen werden. Vision der Organisation ist es, dass Religion als Wegbereiter zu Respekt und Versöhnung fungieren soll.[9] Da es in Saudi-Arabien nur Muslimen gestattet ist, ihre Religion auszuüben, und religiöse Freiheiten für andere Glaubensrichtungen stark eingeschränkt sind, sehen Kritiker in der Gründung dieses Zentrums nur eine internationale Image-Pflege Saudi-Arabiens, welche versucht, von den Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land abzulenken.[10]
Bahaitum
Baha'ullahs Auftrag an seine Anhänger lautet, „Verkehret mit allen Religionen in Herzlichkeit und Eintracht“. Damit ermutigte er die Bahai zum interreligiösen Dialog [11] . Er betont die Bedeutung von Duldsamkeit, Treue, Aufrichtigkeit und Freundlichkeit und legt den Bahai nahe, sich auf das Verbindende zu konzentrieren. [12] In der Absicht, „Frieden unter den Menschen zu stiften, Einheit zu fördern und zur Aussöhnung unter den Anhängern verschiedener religiöser Bekenntnisse beizutragen“, nehmen sie am interreligiösen Dialog teil. Dabei verzichten sie auf Missionierung, begegnen den anderen mit Respekt, muten ihr oder ihm aber auch den eigenen Standpunkt zu[13] Richtschnur hierfür ist Bahá’ú’lláhs Prinzip der „selbständigen Suche nach Wahrheit“, die für alle Beteiligten am Dialog gilt. [14] Zudem achten sie darauf, dass die Bahai-Theologie, die von einer evolutionären, universalistischen und fortschreitenden Gottesoffenbarung ausgeht, von den Dialogpartnern nicht als vereinnahmend empfunden wird[15]. Vor diesem Hintergrund sind die Bahai im interreligiösen Dialog aktiv, so zum Beispiel im Interkulturellen Rat in Deutschland oder an dem vom Stuttgarter Oberbürgermeister initiierten runden Tisch der Religionen und lokal Orten bei der WCRP sowie Kirchentagen[16]. Auch auf institutioneller Ebene bringen sich die Bahai in den Dialog ein und scheuen sich nicht, aus ihrer Sicht den Handlungsbedarf anzusprechen. Das Universale Haus der Gerechtigkeit, das oberste Gremium der Bahai-Weltgemeinde, hat sich bereits im April 2002 „an die religiösen Führer der Welt" gewandt und zu Voraussetzungen und Zielen des interreligiösen Dialogs Stellung bezogen[17]. Dabei hat es nach Würdigung der bisherigen Bemühungen und Erfolge auch darauf hingewiesen, dass die Institutionen diesen Prozess mit höherer „intellektueller Kohärenz und geistiger Entschlusskraft“ weiter zum Erfolg führen müssen. Wichtig ist, dass die Institutionen etablierter Religionen den Anspruch aufgeben, dass die eigene Religion einen „privilegierten Zugang zur Wahrheit“ bietet. Damit würden sie die Erosion der Position der Religion aufhalten, diese aus ihrer Isolation besonderes gegenüber dem Materialismus herausführen und es ermöglichen, dass sie „bei der Gestaltung der Welt eine entscheidende Rolle ... spielen“ [18].
Praxis des interreligiösen Dialogs
Interreligiöser Dialog kann viele Formen annehmen: Gespräche im Alltag, Konferenzen von Religionsführern oder Theologen, Führungen in der eigenen Kirche, gemeinsame Frauengruppen, Austausch von Lehrern (auch für einzelne Lektionen), gemeinsame soziale Projekte, Mitarbeit bzw. Zusammenarbeit in interreligiösen Organisationen.
Gottesdienste unter Beteiligung Angehöriger verschiedener Religionen werden oft auch von Befürwortern eines interreligiösen Dialogs abgelehnt, da sie darin ein Überspielen der tatsächlich vorhandenen Unterschiede und eine vorgetäuschte Einigkeit sehen, die zu mehr Konflikten führen kann als ein realistisches Anerkennen der Unterschiede.
Am meisten fortgeschrittene Beziehungen bestehen heute zwischen Judentum und Christentum, die eine gemeinsame Anfangsgeschichte und im Alten Testament und dem Tanach ein weitgehend identisches Heiliges Buch haben.
Während gemeinsames Gebet und gemeinsame Gottesdienste oft abgelehnt werden, haben sich z. B. beim Unterricht Möglichkeiten der Zusammenarbeit aufgezeigt: ein jüdischer Lehrstuhl für Alttestamentliche Theologie an einer theologischen Fakultät, gemeinsamer Hebräisch-Unterricht oder gemeinsames Studium des Alten Testaments können zum gegenseitigen Verständnis beitragen.
Als einer der Hauptakteure im Dialog der Religionen galt der verstorbene Papst Johannes Paul II., der bereits 1986 gegen heftige innerkatholische Widerstände hinweg ein Weltgebetstreffen der Religionen nach Assisi einberief. Die Nachfolgetreffen, die seither jedes Jahr von der Gemeinschaft Sant'Egidio veranstaltet werden und neben hochrangigen Religionsführern auch nicht-religiöse Intellektuelle zusammenbringen, haben das Vertrauen der Religionsführer zueinander gestärkt und zu konkreten Initiativen der interreligiösen Zusammenarbeit für Frieden und Menschlichkeit geführt. So schuf etwa der Besuch der Teilnehmer, darunter auch muslimischer Geistlicher, im Konzentrationslager Auschwitz (nach dem Friedensgebet 1989 in Warschau, Polen) erstmals in der muslimischen Welt ein Bewusstsein für die Realität der Shoah. Das Friedensgebet 1986 im rumänischen Bukarest ermöglichte den späteren Besuch von Papst Johannes Paul II., der mit Rumänien zum ersten Mal ein mehrheitlich orthodoxes Land besuchte. Auch die Initiativen für Friedensverhandlungen für Mosambik und Algerien gingen von diesen Friedenstreffen aus.
Einen hilfreichen Überblick über die derzeit vorliegenden religionsdidaktischen Konzepte des interreligiösen Lernens gibt der Artikel "Didaktik der Religionen" von Karlo Meyer und Monika Tautz im 2015 gestarteten Online-Lexikon für Religionspädagogik.[19]
Deutschland
Weitere bekannte Vertreter sind der Theologe Hans Küng mit dem von ihm propagierten Weltethos und der Theologe Eugen Drewermann mit seinem kontinuierlichen Eintreten für ein respektvolles, friedliches und verständnisvolles Miteinander von Menschen unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen, das mit dem Erich-Fromm-Preis 2007 gewürdigt wurde. Zu den Pionieren des interreligiösen Dialogs in Deutschland gehörte auch der ehemalige Schleswiger Propst Reinhard von Kirchbach.
Als ein Höhepunkt des interreligiösen Dialogs in Deutschland gilt der Besuch des Dalai Lama auf dem ersten ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin.
Paul Spiegel (1937 - 2006), damaliger Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte im Februar 2006 zu den Ereignissen, die sich an den Mohammed-Karikaturen entzündet hatten, der Streit um die Karikaturen sei ein schrecklicher Beweis für das Scheitern des politischen und interreligiösen Dialogs zwischen den verschiedenen Kulturen in den vergangenen Jahren.[20]
Seit 2012 werden in Deutschland Veranstaltungen zum interreligiösen Dialog von der Ahmadiyya Muslim Jamaat veranstaltet.[21] Unter den Namen "Religionen im Gespräch" und "Tag der Religionsstifter" werden lokale Vertreter der Weltreligionen eingeladen, um sich gegenseitig auszutauschen.[22]
Bi- und trilateraler Dialog
Die häufigsten Formen des konkreten interreligiösen Dialogs sind:
Buddhistisch-christlicher Dialog
Christlich-islamischer Dialog
Islamkonferenz, Deutscher Integrationsgipfel
Wort zum Freitag
Jüdisch-christlicher Dialog
Abrahamitische Ökumene
Auszeichnungen
In Österreich wird seit 2010 der Kurt-Schubert-Gedächtnispreis für interreligiösen Dialog vergeben.
Siehe auch
Liste interreligiöser Organisationen
Abrahamitische Ökumene
Vertikale Ökumene
Kirchen und Judentum nach 1945
Weltethos
Noachidische Gebote
Nostra Aetate
Theologisches Forum Christentum – Islam
Religionstheologischer Pluralismus
Mikado: Theologische Fachbibliothek zu den Themen Interreligiöser Dialog, Kontextuelle Theologie und Religionswissenschaft.
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Der Begriff intrareligiöser Dialog wird wenig verwendet; zu diesem Thema siehe Konfession. Manchmal sind Konfessionen so verschieden bzw. verfeindet, dass der Dialog zwischen ihnen ähnlich schwierig oder schwieriger ist als der interreligiöse. In einigen islamisch geprägten Ländern ringen Sunniten und Schiiten um Macht und Einfluss; in anderen Ländern eine laizistische und eine religiös motivierte Bewegung (z. B. Türkei).
In der "arabischen Welt" hat sich durch den Arabischen Frühling vieles geändert. In einigen Ländern ringen ebenfalls laizistische und religiös motivierte Bewegungen um Einfluss und Anhänger.
Aktuelle Bedeutung
Der Dialog der Religionen und der interreligiöse Dialog haben wieder an Bedeutung gewonnen. Als Faktoren dafür werden zum Beispiel genannt:
Globalisierung,
weltweite Migration und damit globale Pluralisierung,
Konflikte, in den Religiöses eine Rolle spielt und/oder als ein Motiv genannt wird (manchmal wird Religion als Handlungsgrund vorgeschoben, obwohl etwas anderes das Handeln motiviert);
Terrorismus in vielen Ländern, der religiöse Motive behauptet. Als ein Fanal dieser Art von Terrorismus gelten die Anschläge am 11. September 2001 ("9/11") unter anderem auf das World Trade Center;
das Bevölkerungswachstum in vielen Ländern der Welt, darunter in vielen islamisch geprägten Ländern. Es fördert den Kampf um Ressourcen (z.B. Äcker, Grundstücke, Wasser).
Der Dialog wurde nach 9/11 von fast allen Demokratien und von vielen Religionsgemeinschaften gefordert und gefördert. 2002 unterstützte die Bundesregierung Projekte des christlich-islamischen Dialogs mit 425.000 Euro. Dazu gehören z. B. Dialogseminare für Imame (2002: 50.000 Euro), die Unterstützung des KCID (projektbezogen) und der Muslimischen Akademie (60.000 Euro jährlich seit 2004).
Zudem werden Organisationen wie die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) finanziert, die sich, wie auch die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) u. a. im interreligiösen Dialog engagieren. Auch Universitäten fördern den interreligiösen Dialog, beispielsweise durch dialogpraktische Seminare.
Es gibt einen 'Interreligiösen Arbeitskreis' des Vereins Interkultureller Rat in Deutschland. In diesem sind vertreten:
die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK),
der Zentralrat der Juden in Deutschland,
der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD),
die Föderation der Aleviten-Gemeinden in Deutschland,
die Deutsche Buddhistische Union,
der Nationale Geistige Rat der Baha’i und
der Verein Weltkonferenz der Religionen für den Frieden (WCRP)
Der Arbeitskreis strebt als gemeinsames Ziel eine Kultur der sozialen Solidarität an.
Im Abrahamischen Forum des Rates erörtern Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland, der ACK, des ZMD, der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB) u. a. interreligiöse Fragestellungen und die Arbeit Abrahamischer (Juden, Muslime und Christen) und anderer „Interreligiöser Teams“. Sie sind in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit tätig.
Das friedliche Zusammenleben in Deutschland zu stärken, war auch Ziel des Projekts "Weißt du, wer ich bin?".[1] Es unterstützte den Dialog der Religionen auf Basisebene, indem es den Erfahrungsaustausch zwischen Juden, Christen und Muslimen fördert. Beteiligt waren die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), der Zentralrat der Juden, der Zentralrat der Muslime (ZMD) und die Türkisch-Islamische Union der DITIB. Das Bundesinnenministerium unterstützt das Projekt.
Die über 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit mit ca. 20.000 Mitgliedern und ihr Dachverband, der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit,[2] entstanden in Deutschland nach Nationalsozialismus und Holocaust, setzen sich für die Aussöhnung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen, Verständigung zwischen Christen und Juden und ein friedliches Zusammenleben von Völkern und Religionen sowie gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus ein. Seit ihrer Gründung haben sowohl die Einzelgesellschaften als auch ihr Dachverband jeweils einen jüdischen, einen evangelischen sowie einen katholischen Vorsitzenden. Der Deutsche Koordinierungsrat ist die größte Vereinigung unter den 32 Mitgliedern des Internationalen Rats der Christen und Juden (ICCJ).
Seit 1976 besteht die Islamisch-Christliche Arbeitsgruppe (ICA), in der verschiedene islamische Organisationen und die römisch-katholische, evangelische[3] und griechisch-orthodoxe Kirche vertreten sind. Sie führt Tagungen und Konferenzen durch, berät über interreligiöse Projekte und hat den Austausch über Sachfragen zum Ziel.
Christlich-islamische Dialogorganisationen haben sich im Koordinierungsrat des christlich-islamischen Dialogs (KCID) zusammengeschlossen, dessen älteste und größte (Stand 2004) Mitgliedsorganisation die Christlich-Islamische Gesellschaft ist.
Auf Dialog durch konkretes Handeln setzen Organisationen wie die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (seit 1958), die Grünhelme e.V. (seit 2003) und die Fokolar-Bewegung (seit 1943), die eine weltweite Geschwisterlichkeit durch den Dialog von Menschen verschiedener Konfessionen, Religionen und nicht-religiöser Weltanschauungen zum Ziel hat, die sich in sozialen und humanitären Initiativen konkretisiert. Versöhnung, Vertrauen und Respekt durch praktische Zusammenarbeit zu fördern ist auch das Ziel kleinerer Projekte wie z. B. „fischen versöhnt“, wobei versucht wird, die Ursache eines Konflikts aufzugreifen und in diesem Bereich nach einer praktischen Lösung zu suchen, die beide Konfliktparteien einbezieht.[4]
Grundannahmen von Dialogbefürwortern und -kritikern
Über Sinn und Erfolgsaussichten des Dialoges der Religionen gibt es seit Beginn religiöser Aufzeichnungen Auseinandersetzungen. Befürworter wie Kritiker des Dialogs der Religionen gehen im Regelfall entweder von essentialistischen oder funktionalistischen Annahmen aus, so dass sich die Diskussion grob in vier Teile gliedern lässt.
Essentialistische Befürworter
Grundannahme dieser Position ist, dass die Religionen in ihrer eigentlichen Substanz die gleiche Wahrheit anstreben und der Streit zwischen ihnen durch historische Einflüsse, mangelndes Wissen und Missbrauch für Zwecke der Politik entstanden ist. Aufgabe des Dialoges sei es, diese tiefe Einheit wieder ans Licht zu bringen.
Kritiker bemängeln an dieser Position, sie akzeptiere keine Unterschiede und könne sie auf Dauer kaum tolerieren. Vielmehr vereinnahmen sie schon in ihrem Ansatz die Dialogpartner und verprellen damit jene Menschen, die ihre Grundannahme nicht teilen.
Essentialistische Kritiker
Grundannahme dieser Position ist, dass die Religionen eine je unterschiedliche Substanz besitzen, die nicht veränderbar ist. Meist wird dabei angenommen, dass die eigene Religion Wahrheit, die der anderen aber letztlich Unwahrheit verkündet. Dialog sei gefährlich, weil er die Unterschiede zwischen wahr und unwahr vernebele und er sich evtl. in den Dienst der Unwahrheit stelle. Das Gespräch mit Andersglaubenden müsse Unterschiede betonen und letztlich auf deren Bekehrung zielen.
Die Kritik an dieser Position lautet, sie ermögliche ein friedliches Zusammenleben allenfalls um den Preis der lebensweltlichen Trennung (Segregation); man ginge sich (in Dialogfragen) möglichst aus dem Weg, um Konflikte zu vermeiden. Darüber hinaus könne sie in Verschwörungstheorien münden, da freundliches und liebenswertes Verhalten Andersglaubender evtl. als Teil der Unwahrheit einsortiert werden müsse (vgl. z. B. den Vorwurf der Taqiyya seitens von Islamkritikern).
Funktionalistische Befürworter
Vor allem – aber nicht ausschließlich – von Politikern wird der Dialog befürwortet, weil er den inneren Frieden sichere, Familienwerte hochhalte, Integration fördere, das kulturelle Leben bereichere.
Kritik an dieser Position: Sie übergehe den Anspruch der verschiedenen Religionen, wonach aus Wahrheit Frieden erwachse (und nicht umgekehrt). Gläubige sähen sich zudem in der Regel nicht als Vertreter reiner Meinungs- und Neigungsvereine, die gelegentlich Sozialarbeit betreiben, sondern fühlten sich ihrem jeweiligen Glauben verpflichtet. Zum Dialog entschieden sie sich nur freiwillig. Eine Verbesserung des Zusammenlebens durch interreligiösen Dialog stelle sich erst nach sehr langer Zeit ein. Der Dialog tauge daher nicht für Funktionalisierungen in der Hoffnung auf kurzfristige Erfolge bei der Sicherung des sozialen Friedens.
Funktionalistische Kritiker
Vor allem aus dem säkularen Bereich heraus wird die Kritik geäußert, der Dialog diene lediglich dem Machterwerb religiöser Akteure, der Missionierung der je eigenen, möglicherweise indifferent werdenden Glaubensgemeinschaft und könne soziale Probleme ohnehin nicht lösen. Der Dialog gebe Anleitungen und Vorschriften, was nicht funktioniere. Menschen möchten mit anderen Menschen aus individuellen Gründen heraus unabhängig von deren Religionszugehörigkeit zusammenkommen, nicht, weil sie Dialog ausüben wollen oder sollen. Soziale Probleme seien durch Engagement für Bildung, eine gerechtere Verteilung von Wohlstand, eine bessere Politik u. ä. zu lösen. Aus diesen Bereichen gelte es Vertreter der Religionen herauszuhalten.
Kritiker dieser Position wenden ein, der Dialog der Religionen sei grundsätzlich eine religiöse Tätigkeit wie Beten, Meditieren, Predigen und falle damit unter das Menschenrecht der Religionsfreiheit. Friedenstiftende Effekte des Dialoges, etwa sich verbessernde Wahrnehmungen voneinander, seien wissenschaftlich nachweisbar. Ob ein Staat den Dialog fördere oder nicht, gehöre zwar in die politische Entscheidungsfreiheit, den Dialog verbieten könne jedoch nur ein totalitärer Staat.
Praktische Entwicklung, Erfahrung
Der praktische interreligiöse Dialog entwickelt sich meist in eine mittlere Position hinein: Es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede festgestellt und zu respektieren gelernt. Konkrete Ereignisse, etwa ein Krieg oder Attentat, führen meist zu einer erhöhten Nachfrage nach dem Dialog der Religionen; aus dieser besonderen Situation heraus verbleiben meist einige Personen und Institutionen mit längerfristigem Engagement im Dialog. Die Kritik am Dialog wird dabei im Regelfall aufgenommen, indem erkannt und eingeräumt wird, dass Religion zwar ein wichtiger, keinesfalls aber der einzige handlungsleitende Faktor im menschlichen Leben ist und sich also Menschen auch nicht nur durch ihre jeweilige Religionszugehörigkeit definieren lassen.
Die Haltung verschiedener Religionen zum interreligiösen Dialog
In historischer Reihenfolge der Existenz der Religionsgemeinschaften.
Hinduismus
Der Hinduismus bildet weniger ein geschlossenes Glaubenssystem, als vielmehr einen Strom sehr verschiedener Gemeinschaften und Grundannahmen. Innerhinduistisch gibt es starke Traditionen des Dialoges miteinander, des Aushaltens von Unterschieden und des Bekennens grundlegender Gemeinsamkeiten. Fremde Religionen wurden und werden häufig als Aspekte der eigenen Wahrheit betrachtet und toleriert („Heilsinklusivismus“).
Andere innerindische Religionen wie der Buddhismus, Jainismus oder Sikhismus müssen seit ihrer Entstehung gegenüber ihrem hinduistischen Umfeld immer wieder ihre eigenständige Identität betonen, um nicht „aufgesogen“ zu werden. So deuteten hinduistische Gelehrte den Buddha als Verkörperung (Avatara) des Gottes Vishnu, was neben dem Vordringen des Islams weitgehend zum Erlöschen des Buddhismus in Indien beitrug. Auf manchen modernen hinduistischen Altären sind auch schon Votivbilder etwa von Christus oder Mutter Teresa zu finden, integriert mit anderen hinduistischen Gottheiten und Heiligen, ohne dass die entsprechend Betenden daraus einen Widerspruch oder gar Glaubenswechsel ableiten würden. Viele hinduistische Vertreter beteiligen sich gerne am Dialog der Religionen, betonen dabei aber oft ein Verständnis von Einheit, von dem sich Andersglaubende vereinnahmt fühlen.
Hinduistische Kritiker des Dialoges dagegen sehen in diesem vor allem Missionsversuche, weshalb sie Befürwortern manchmal Naivität vorwerfen.
Judentum
Das Judentum beansprucht keine Heilsexklusivität und sieht daher auch keinen Missionsauftrag: Auch Angehörige anderer Glaubensrichtungen können „Anteil an der kommenden Welt“ erlangen, wenn sie bestimmte moralische Grundregeln (siehe Noachidische Gebote) einhalten. Laut Talmud hat Gott den Menschen und Völkern durchaus verschiedene Wege gewiesen bzw. erwählt.
Entsprechend gelten die an Adam und Noah ergangenen Gebote für alle Menschen, ehrt Abraham den fremden Priesterkönig Melchisedek, lässt sich Moses von seinem Schwiegervater, dem midiantischen Priester Jitro beraten und wird der persische König Kyros sogar als Messias beschrieben, der von Gott einen Auftrag (die Erlaubnis der Rückkehr der Juden aus dem babylonischen Exil und Unterstützung beim Wiederaufbau des Tempels) erhält und durchführt.
Bis heute beteiligen sich jüdische Vertreter daher häufig am Dialog der Religionen, insofern sie sich nicht vereinnahmt fühlen. Statt eines auch theologischen Dialogs befürworten sie jedoch häufiger die praktische Zusammenarbeit, da nach jüdischer Überzeugung das Handeln wichtiger ist als der abstrakte Austausch über den letztlich doch das Verständnis übersteigenden Gott (Orthopraxie).
Jüdische Kritiker des Dialoges befürchten meist Vereinnahmung oder auch direkte Missionsabsichten der christlichen oder auch islamischen Gesprächspartner.
In Berlin gab es bereits Anfang der 1930er Jahre von Rabbiner Leo Baeck ins Leben gerufene christlich-jüdische Gespräche, deren Ziel die interreligiöse und kulturelle Verständigung zwischen Juden und Christen in Deutschland war.[5]
Rodger Kamenetz hatte sich als Autor des Buches The Jew in the Lotus mit dem interreligiösen Dialog zwischen Judentum und dem tibetanischen Buddhismus auseinandergesetzt. Er prägte den Ausdruck „Jubus“ als Ausdruck einer zweifachen Identität.[6] Zu den bekannteren amerikanischen Jubus gehören viele Prominente, so Leonard Cohen, Doug Fieger, Allen Ginsberg, Natalie Goldberg, Goldie Hawn und Kate Hudson.
Buddhismus
Der Buddhismus versteht sich mehrheitlich nicht als exklusive Religionsgemeinschaft, sondern als Wahrheitslehre, die sich dem Lernenden und Übenden durch eigene Einsicht und Erfahrung erschließen soll.
Entsprechend gehören Gespräche und Diskussionen des Buddha und nachfolgender Mönche vor allem mit hinduistischen Brahmanen bereits zum ältesten Bestand buddhistischer Schriften. Dabei geht es jedoch eher um eine Weitergabe der Lehre als um einen gleichberechtigten Austausch. So können Götter aus buddhistischer Sicht durchaus geachtet werden, stellen jedoch selbst auch nur vorläufige Existenzen dar. Ob dies aus buddhistischer Sicht auch für den einen Gott der abrahamitischen Religionen gilt oder ob dieser wie das Nirwana eine unfassbare Wirklichkeit bezeichnet, ist ein häufiges Thema des Dialoges Andersglaubender mit dem Buddhismus.
Buddhistische Vertreter beteiligen sich daher häufig am Dialog der Religionen, sprechen jedoch mit wenigen Ausnahmen (wie dem Dalai Lama) meist nur für sich bzw. für kleinere buddhistische Schulen.
Buddhistische Kritiker des Dialoges wenden ein, die Beteiligung am Dialog der Religionen impliziere, dass der Buddhismus lediglich eine Religionsgemeinschaft und ein Glaubenssystem sei. Dies entspreche aber nicht dem buddhistischen Selbstverständnis.
Christentum
Laut Neuem Testament beschränkt Jesus die Verkündung des Evangeliums zunächst vorwiegend auf das jüdische Volk, reagiert aber auch positiv auf den Glauben, den ihm Menschen aus anderen Hintergründen entgegenbringen. So nimmt er die Samaritanerin am Brunnen an (Joh 4,7-9 EU), die daraufhin Vertrauen zu ihm fasst, und lobt den Glauben des römischen Hauptmanns von Kapernaum (Mt 8,10 EU), der ihm zutraut, seinen Knecht zu heilen. Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter präsentiert er einen Andersglaubenden als ethisches Vorbild für die frommen Juden (Lk 10,29-37 EU), und in der Heilung der Tochter der kanaanäischen Frau lässt Jesus sich sogar dahingehend bitten, dass er seine Sendung nicht auf das Volk Israel beschränken soll (Mk 7,27-29 EU). Schließlich spricht er auch von „anderen Schafen“ (Nicht-Juden), die seinen Ruf hören werden (Joh 10,16 EU). Nach der Auferstehung wird das Heilsangebot schließlich auf alle Menschen übertragen („Missionsbefehl“).
Grundsätzlich gilt es zwischen liberal-ökumenischen und konservativen Strömungen zu unterscheiden. Die ökumenischen Organisationen unterstreichen die Bedeutung des interreligiösen Dialogs, so etwa die Konferenz Europäischer Kirchen in der Charta oecumenica.
Für die Evangelische Kirche in Deutschland ist „Dialog auf allen möglichen Ebenen notwendig und ohne Alternative“[7]. Die Generalsynode der Evangelische Kirche A. u. H. B. in Österreich veröffentlichte 2011 eine Orientierungshilfe für Evangelische Christen im interreligiösen Dialog mit dem Islam, in der jenes Miteinander gesucht werden soll, das dem Frieden und der guten Nachbarschaft dient[8].
4. Interreligiöses Gebet für den Weltfrieden in Assisi am 27. Oktober 2011
Die katholische Kirche hat den Heilsexklusivismus früherer Jahrhunderte im 2. Vatikanischen Konzil aufgegeben. In Konzilstexten wie Lumen Gentium und Nostra Aetate werden in dieser Reihenfolge andere Christen, Juden, Muslime, Anders- und auch Nichtglaubende als auf Gottes Wahrheit hingeordnet beschrieben, insofern sie nicht ohne göttliche Gnade ein gerechtes Leben zu führen sich bemühen. Es wird anerkannt, dass sich Strahlen der Wahrheit auch in anderen Religionen finden lassen. Begegnungen mit dem Papst, wie beispielsweise die Weltgebetstreffen in Assisi, sind seit einigen Jahrzehnten zu den vielleicht stärksten Symbolen des Dialoges der Religionen geworden. Seit der Zeit des 2. Vatikanischen Konzils existiert auch der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog, der 1964 als Sekretariat für Nicht-Christen errichtet wurde und die Aktivitäten der römischen Kurie im Dialog mit anderen Religionen koordiniert. Ihm angeschlossen ist außerdem die Päpstliche Kommission für religiöse Beziehungen zu den Muslimen. Beide Institutionen leitet seit 2007 Kardinal Jean-Louis Tauran.
Konservativ orientierte Freikirchen und Gemeinschaften lehnen hingegen einen interreligiösen Dialog meist dahingehend ab, dass man die Gefahr einer Aufgabe eigener Positionen und der Religionsvermischung sieht. Hierbei steht vor allem der im Neuen Testament an zahlreichen Stellen formulierte Absolutheitsanspruch Christi gemeinsamen gottesdienstlichen Handlungen entgegen.
Christliche Kritiker des Dialogs bemängeln außerdem die Art, in der interreligiöse Begegnungen vom Papst geführt werden, und werfen die Frage auf, ob diese als Dialog zu bezeichnen sind. Andere fürchten die Vernebelung des Unterschiedes zwischen Wahrheit und Unwahrheit sowie die Preisgabe der Mission. Auch eine mögliche Naivität gegenüber den „wahren“ Zielen Andersglaubender im Dialog wird als Gefahr gesehen. Besonders der aktuelle Papst Franziskus und sein Vorgänger Papst Benedikt XVI. traten diesen Kritikern entgegen und beschrieben Wahrheit jeweils als Beziehung, die sich den Menschen nur als Weg offenbart und nicht in absoluter Weise möglich zu besitzen ist.
Islam
Laut Koran gelten Judentum, Christentum und unter Umständen auch andere Religionen als Vorläufer der islamischen Gemeinschaft, deren Glauben sie (laut Mehrheitsmeinung) ebenfalls zu Gott führen könne. Der Islam sei freilich der bessere und beste Weg. Neben zahlreichen Hadithen berufen sich islamische Befürworter des Dialoges gerne auf das Glaubensgespräch des Propheten Muhammad mit den Christen von Nadschaf, das zwar ohne Einigung, aber in gegenseitigem Respekt geführt und beendet wurde und auch im Koran gewürdigt wird. Einige islamische Theologen vertreten die Auffassung, dass das Wort Islam neben der Bezeichnung des konkreten Glaubenssystems auch eine Haltung der Gotteshingabe ausdrücke, die auch von Christen, Juden und anderen praktiziert werden könne. In diesem Sinne könne ein guter Gottgläubiger auch dann Islam praktizieren, wenn er sich selbst nicht als Muslim im engeren Wortsinn verstehe.
Ein weiteres Problem im Dialogverständnis des Islam ist praktischer Art. Im Islam ist für andersreligiöse Gruppen, gleichgültig ob diese in muslimisch beherrschtem Gebiet eine Mehrheit (wie im mittelalterlichen Spanien) oder eine Minderheit (z. B. in den meisten nordafrikanischen Staaten und in Ägypten nach der islamischen Eroberung dieser ehemaligen Kerngebiete des Christentums) darstellen, ein eingeschränkter Rechtsstatus als sog. „Dhimmi“ (Schutzbefohlene) vorgesehen. Dadurch ist beim interreligiösen Gespräch stets ein gewisses Machtgefälle zwischen den moslemischen und den andersgläubigen Vertretern gegeben, was ein freies, gleichberechtigtes Gespräch erschwert.
Nach orthodoxer Lehre ist es Muslimen im interreligiösen Gespräch nur erlaubt, durch gutes Vorbild (Da'wa) in bester Art miteinander einen Diskurs zu führen. Jede Form von Zwang oder Gewalt, um Andersgläubigen den Islam zu vermitteln, ist untersagt.
Obgleich Muslime häufig den Dialog der Religionen befürworten, brauchen Andersglaubende oft viel Geduld, um wirklich auf eine Ebene des gleichberechtigten Austauschs zu gelangen. In einer hierarchisch geführten Diskussion werden „Aufklärung“ und „Modernisierung“ des Islams eingemahnt. Freie, fundamentalistische Christengemeinden betrachten den Islam oft als „christliche Häresie“. Dies spiegelt sich in der Literatur von Autoren wie Ibn Warraq wider. Andererseits erscheint es Juden und Christen im Dialog mit Muslimen häufig, als Vorläufer des Islam einsortiert zu werden, deren Übereinstimmungen mit dem islamischen Glauben zwar vorgeblich gewürdigt, abweichende Haltungen aber als bedauerliche Verfälschungen abgetan werden. Nachfolgende Religionsgemeinschaften wie Bahai, Drusen oder Aleviten sehen sich häufig entweder vereinnahmt oder als vom Glauben Abgefallene (Apostaten) abgelehnt, denen als solche die Todesstrafe droht. Dennoch haben einige islamische Reformer und Basisinitiativen neue Ansätze des Dialoges auf den Weg gebracht, die jedoch wegen der konfliktreichen Weltlage derzeit wenig Erfolg haben.
KAICIID Logo
Als Dialoginitiative mit islamischen Hintergrund kann die im Oktober 2011 vom saudi-arabischen König Abdullah erfolgte Gründung des König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID), einer globalen NGO mit Sitz in Wien, angesehen werden. Vision der Organisation ist es, dass Religion als Wegbereiter zu Respekt und Versöhnung fungieren soll.[9] Da es in Saudi-Arabien nur Muslimen gestattet ist, ihre Religion auszuüben, und religiöse Freiheiten für andere Glaubensrichtungen stark eingeschränkt sind, sehen Kritiker in der Gründung dieses Zentrums nur eine internationale Image-Pflege Saudi-Arabiens, welche versucht, von den Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land abzulenken.[10]
Bahaitum
Baha'ullahs Auftrag an seine Anhänger lautet, „Verkehret mit allen Religionen in Herzlichkeit und Eintracht“. Damit ermutigte er die Bahai zum interreligiösen Dialog [11] . Er betont die Bedeutung von Duldsamkeit, Treue, Aufrichtigkeit und Freundlichkeit und legt den Bahai nahe, sich auf das Verbindende zu konzentrieren. [12] In der Absicht, „Frieden unter den Menschen zu stiften, Einheit zu fördern und zur Aussöhnung unter den Anhängern verschiedener religiöser Bekenntnisse beizutragen“, nehmen sie am interreligiösen Dialog teil. Dabei verzichten sie auf Missionierung, begegnen den anderen mit Respekt, muten ihr oder ihm aber auch den eigenen Standpunkt zu[13] Richtschnur hierfür ist Bahá’ú’lláhs Prinzip der „selbständigen Suche nach Wahrheit“, die für alle Beteiligten am Dialog gilt. [14] Zudem achten sie darauf, dass die Bahai-Theologie, die von einer evolutionären, universalistischen und fortschreitenden Gottesoffenbarung ausgeht, von den Dialogpartnern nicht als vereinnahmend empfunden wird[15]. Vor diesem Hintergrund sind die Bahai im interreligiösen Dialog aktiv, so zum Beispiel im Interkulturellen Rat in Deutschland oder an dem vom Stuttgarter Oberbürgermeister initiierten runden Tisch der Religionen und lokal Orten bei der WCRP sowie Kirchentagen[16]. Auch auf institutioneller Ebene bringen sich die Bahai in den Dialog ein und scheuen sich nicht, aus ihrer Sicht den Handlungsbedarf anzusprechen. Das Universale Haus der Gerechtigkeit, das oberste Gremium der Bahai-Weltgemeinde, hat sich bereits im April 2002 „an die religiösen Führer der Welt" gewandt und zu Voraussetzungen und Zielen des interreligiösen Dialogs Stellung bezogen[17]. Dabei hat es nach Würdigung der bisherigen Bemühungen und Erfolge auch darauf hingewiesen, dass die Institutionen diesen Prozess mit höherer „intellektueller Kohärenz und geistiger Entschlusskraft“ weiter zum Erfolg führen müssen. Wichtig ist, dass die Institutionen etablierter Religionen den Anspruch aufgeben, dass die eigene Religion einen „privilegierten Zugang zur Wahrheit“ bietet. Damit würden sie die Erosion der Position der Religion aufhalten, diese aus ihrer Isolation besonderes gegenüber dem Materialismus herausführen und es ermöglichen, dass sie „bei der Gestaltung der Welt eine entscheidende Rolle ... spielen“ [18].
Praxis des interreligiösen Dialogs
Interreligiöser Dialog kann viele Formen annehmen: Gespräche im Alltag, Konferenzen von Religionsführern oder Theologen, Führungen in der eigenen Kirche, gemeinsame Frauengruppen, Austausch von Lehrern (auch für einzelne Lektionen), gemeinsame soziale Projekte, Mitarbeit bzw. Zusammenarbeit in interreligiösen Organisationen.
Gottesdienste unter Beteiligung Angehöriger verschiedener Religionen werden oft auch von Befürwortern eines interreligiösen Dialogs abgelehnt, da sie darin ein Überspielen der tatsächlich vorhandenen Unterschiede und eine vorgetäuschte Einigkeit sehen, die zu mehr Konflikten führen kann als ein realistisches Anerkennen der Unterschiede.
Am meisten fortgeschrittene Beziehungen bestehen heute zwischen Judentum und Christentum, die eine gemeinsame Anfangsgeschichte und im Alten Testament und dem Tanach ein weitgehend identisches Heiliges Buch haben.
Während gemeinsames Gebet und gemeinsame Gottesdienste oft abgelehnt werden, haben sich z. B. beim Unterricht Möglichkeiten der Zusammenarbeit aufgezeigt: ein jüdischer Lehrstuhl für Alttestamentliche Theologie an einer theologischen Fakultät, gemeinsamer Hebräisch-Unterricht oder gemeinsames Studium des Alten Testaments können zum gegenseitigen Verständnis beitragen.
Als einer der Hauptakteure im Dialog der Religionen galt der verstorbene Papst Johannes Paul II., der bereits 1986 gegen heftige innerkatholische Widerstände hinweg ein Weltgebetstreffen der Religionen nach Assisi einberief. Die Nachfolgetreffen, die seither jedes Jahr von der Gemeinschaft Sant'Egidio veranstaltet werden und neben hochrangigen Religionsführern auch nicht-religiöse Intellektuelle zusammenbringen, haben das Vertrauen der Religionsführer zueinander gestärkt und zu konkreten Initiativen der interreligiösen Zusammenarbeit für Frieden und Menschlichkeit geführt. So schuf etwa der Besuch der Teilnehmer, darunter auch muslimischer Geistlicher, im Konzentrationslager Auschwitz (nach dem Friedensgebet 1989 in Warschau, Polen) erstmals in der muslimischen Welt ein Bewusstsein für die Realität der Shoah. Das Friedensgebet 1986 im rumänischen Bukarest ermöglichte den späteren Besuch von Papst Johannes Paul II., der mit Rumänien zum ersten Mal ein mehrheitlich orthodoxes Land besuchte. Auch die Initiativen für Friedensverhandlungen für Mosambik und Algerien gingen von diesen Friedenstreffen aus.
Einen hilfreichen Überblick über die derzeit vorliegenden religionsdidaktischen Konzepte des interreligiösen Lernens gibt der Artikel "Didaktik der Religionen" von Karlo Meyer und Monika Tautz im 2015 gestarteten Online-Lexikon für Religionspädagogik.[19]
Deutschland
Weitere bekannte Vertreter sind der Theologe Hans Küng mit dem von ihm propagierten Weltethos und der Theologe Eugen Drewermann mit seinem kontinuierlichen Eintreten für ein respektvolles, friedliches und verständnisvolles Miteinander von Menschen unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen, das mit dem Erich-Fromm-Preis 2007 gewürdigt wurde. Zu den Pionieren des interreligiösen Dialogs in Deutschland gehörte auch der ehemalige Schleswiger Propst Reinhard von Kirchbach.
Als ein Höhepunkt des interreligiösen Dialogs in Deutschland gilt der Besuch des Dalai Lama auf dem ersten ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin.
Paul Spiegel (1937 - 2006), damaliger Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte im Februar 2006 zu den Ereignissen, die sich an den Mohammed-Karikaturen entzündet hatten, der Streit um die Karikaturen sei ein schrecklicher Beweis für das Scheitern des politischen und interreligiösen Dialogs zwischen den verschiedenen Kulturen in den vergangenen Jahren.[20]
Seit 2012 werden in Deutschland Veranstaltungen zum interreligiösen Dialog von der Ahmadiyya Muslim Jamaat veranstaltet.[21] Unter den Namen "Religionen im Gespräch" und "Tag der Religionsstifter" werden lokale Vertreter der Weltreligionen eingeladen, um sich gegenseitig auszutauschen.[22]
Bi- und trilateraler Dialog
Die häufigsten Formen des konkreten interreligiösen Dialogs sind:
Buddhistisch-christlicher Dialog
Christlich-islamischer Dialog
Islamkonferenz, Deutscher Integrationsgipfel
Wort zum Freitag
Jüdisch-christlicher Dialog
Abrahamitische Ökumene
Auszeichnungen
In Österreich wird seit 2010 der Kurt-Schubert-Gedächtnispreis für interreligiösen Dialog vergeben.
Siehe auch
Liste interreligiöser Organisationen
Abrahamitische Ökumene
Vertikale Ökumene
Kirchen und Judentum nach 1945
Weltethos
Noachidische Gebote
Nostra Aetate
Theologisches Forum Christentum – Islam
Religionstheologischer Pluralismus
Mikado: Theologische Fachbibliothek zu den Themen Interreligiöser Dialog, Kontextuelle Theologie und Religionswissenschaft.
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