Die Schlaraffia
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Die Schlaraffia
Die Schlaraffia ist eine am 10. Oktober 1859 in Prag gegründete, weltweite deutschsprachige Vereinigung zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor. Das Wort „Schlaraffe“ soll vom mittelhochdeutschen Wort „Slur-Affe“ abgeleitet sein, was damals so viel hieß wie „sorgloser Genießer“ (vergleiche Schlaraffenland). Der Wahlspruch der Vereinigung lautet „In arte voluptas“ (etwa: in der Kunst liegt Vergnügen). Der Begriff „Schlaraffia“ ist durch den „Allschlaraffenrat“ (Vorstand des weltweiten Verbandes „Allschlaraffia“) markenrechtlich geschützt worden und kann demnach mit einem „®“ in allen Veröffentlichungen des Vereines geführt werden. Zu anderen Markennamen, die den Begriff Schlaraffia enthalten – etwa Schlaraffia-Matratzen – gibt es keinen Bezug. Eine Verbindung zur Freimaurerei besteht nicht, und auch von Service-Clubs, wie etwa Lions-Club oder Rotary International sowie von Karnevalsvereinen und ähnlichen Vereinigungen grenzen sich Schlaraffen deutlich ab. In der Zeit des Nationalsozialismus sowie später unter der Regierung der DDR mussten viele „Reyche“ zwangsweise den Vereinsbetrieb einstellen und konnten nur in sehr vereinzelten Fällen durch geheime Treffen in sicherer Umgebung (meist Privatwohnungen) diese Zeiten überstehen. Durch die Vertreibung und Flucht aus den deutschen Ostgebieten kam es nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik zu vielen Neugründungen.
Franz Thomé, Gründer der „Schlaraffia“
Allgemeines
Beispiel eines Reychswappens
Beispiel eines schlaraffischen Ordens
Als 1859 der Direktor des Deutschen (Landständischen) Theaters, Franz Thomé, einen seiner jungen Künstler, den Bassisten Albert Eilers, in die Prager Künstlervereinigung „Arcadia“ einführen wollte, wurde dieser wegen seiner Mittellosigkeit als ein angeblicher Proletarier abgelehnt. Aus Protest gründeten seine Theaterkollegen einen Stammtisch, den sie spöttisch „Proletarier-Club“ benannten. Daraus entwickelte sich nach manchen Umwegen und Rückschlägen die heutige weltumspannende „Schlaraffia“.[1]
Die Schlaraffen, ein Männerbund („… ausschließlich Männer in gesicherter Position …“), treffen sich in der sogenannten Winterung (Nordhalbkugel: 1. Oktober bis 30. April; Südhalbkugel: 1. Mai bis 30. Oktober) einmal pro Woche an einem festgelegten Wochentag in ihrer „Schlaraffenburg“, dem im Stil eines mittelalterlichen Rittersaales ausgestatteten Vereinslokal, zu Sippungen. Diese Zusammenkünfte werden nach festgelegtem Zeremoniell in Form eines Ritterspieles mit wohldurchdachten Regeln in zwei Teilen – einem im Ablauf stets gleichen, auf wiederkehrende Regularien bedachten ersten und einem freier zu gestaltenden, eher künstlerischen zweiten – abgehalten. Sturmhauben, Helme und Rüstungen sind aus buntem Stoff in den festgelegten Reychsfarben, die Waffen wie Junkerdolch oder Ritterschwert zumeist aus Holz. Während der Sippungen wird sowohl der Alltag persifliert als auch durch Vorträge in literarischer bzw. musikalischer oder künstlerisch-darstellender Form – Fechsungen genannt – das Interesse an der Kunst wachgehalten. Eine antiquierte Sprache mit eigenen Ausdrücken für alltägliche Dinge (Schlaraffenlatein) gibt den Sippungen ihre eigene, humorvolle Note. Alles außerhalb des schlaraffischen Spieles ist „profan“ / die „Profanei“.
Schlaraffisches Symbol für Weisheit, Humor und Tugend ist der Uhu, der in jeder Burg zu finden ist. Beim Betreten derselben grüßen die Schlaraffen ihn mit einer tiefen Verbeugung, was zugleich das Abstreifen „profaner Schlacken“ – also das Sich-ganz-Einlassen auf das schlaraffische Spiel – symbolisiert. Auch gehört eine besondere Zeitrechnung zum schlaraffischen Spiel: Im Gegensatz etwa zur Zeitrechnung nach christlichem Maßstab (n. Chr. oder A. D.) orientieren sich Schlaraffen am Gründungsjahr ihrer Vereinigung – demzufolge bezeichnen sie 2012 als das Jahr a. U. („anno Uhui“) 153.
Obgleich die Schlaraffia vielerorts ein eher zurückgezogener Idealverein ist, treten einige Reyche (Vereine) mit öffentlichen Kulturveranstaltungen in ihren Heimatorten auf. So betreibt zum Beispiel die Schlaraffia Oldenburgia (Oldenburg) seit 2004 eine Kleinkunstbühne und veranstaltet Sonntagsmatineen mit Konzerten, Kabarett, Lesung und Theater.
Titelbild des Schlaraffenspiegel 1924
Als 1859 der Direktor des Deutschen (Landständischen) Theaters, Franz Thomé, einen seiner jungen Künstler, den Bassisten Albert Eilers, in die Prager Künstlervereinigung „Arcadia“ einführen wollte, wurde dieser wegen seiner Mittellosigkeit als ein angeblicher Proletarier abgelehnt. Aus Protest gründeten seine Theaterkollegen einen Stammtisch, den sie spöttisch „Proletarier-Club“ benannten. Daraus entwickelte sich nach manchen Umwegen und Rückschlägen die heutige weltumspannende „Schlaraffia“.[1]
Die Schlaraffen, ein Männerbund („… ausschließlich Männer in gesicherter Position …“), treffen sich in der sogenannten Winterung (Nordhalbkugel: 1. Oktober bis 30. April; Südhalbkugel: 1. Mai bis 30. Oktober) einmal pro Woche an einem festgelegten Wochentag in ihrer „Schlaraffenburg“, dem im Stil eines mittelalterlichen Rittersaales ausgestatteten Vereinslokal, zu Sippungen. Diese Zusammenkünfte werden nach festgelegtem Zeremoniell in Form eines Ritterspieles mit wohldurchdachten Regeln in zwei Teilen – einem im Ablauf stets gleichen, auf wiederkehrende Regularien bedachten ersten und einem freier zu gestaltenden, eher künstlerischen zweiten – abgehalten. Sturmhauben, Helme und Rüstungen sind aus buntem Stoff in den festgelegten Reychsfarben, die Waffen wie Junkerdolch oder Ritterschwert zumeist aus Holz. Während der Sippungen wird sowohl der Alltag persifliert als auch durch Vorträge in literarischer bzw. musikalischer oder künstlerisch-darstellender Form – Fechsungen genannt – das Interesse an der Kunst wachgehalten. Eine antiquierte Sprache mit eigenen Ausdrücken für alltägliche Dinge (Schlaraffenlatein) gibt den Sippungen ihre eigene, humorvolle Note. Alles außerhalb des schlaraffischen Spieles ist „profan“ / die „Profanei“.
Schlaraffisches Symbol für Weisheit, Humor und Tugend ist der Uhu, der in jeder Burg zu finden ist. Beim Betreten derselben grüßen die Schlaraffen ihn mit einer tiefen Verbeugung, was zugleich das Abstreifen „profaner Schlacken“ – also das Sich-ganz-Einlassen auf das schlaraffische Spiel – symbolisiert. Auch gehört eine besondere Zeitrechnung zum schlaraffischen Spiel: Im Gegensatz etwa zur Zeitrechnung nach christlichem Maßstab (n. Chr. oder A. D.) orientieren sich Schlaraffen am Gründungsjahr ihrer Vereinigung – demzufolge bezeichnen sie 2012 als das Jahr a. U. („anno Uhui“) 153.
Obgleich die Schlaraffia vielerorts ein eher zurückgezogener Idealverein ist, treten einige Reyche (Vereine) mit öffentlichen Kulturveranstaltungen in ihren Heimatorten auf. So betreibt zum Beispiel die Schlaraffia Oldenburgia (Oldenburg) seit 2004 eine Kleinkunstbühne und veranstaltet Sonntagsmatineen mit Konzerten, Kabarett, Lesung und Theater.
Spiegel und Ceremoniale
Alle Rahmenbedingungen des schlaraffischen Spieles sind im Regelwerk „Schlaraffen-Spiegel und Ceremoniale“ festgelegt. Die Bezeichnung Spiegel für „Gesetzeswerk“ spielt auf eine seit der griechischen Antike vielfach neu belebte literarische Tradition an. Man hält sich selbst, einem Fürsten oder einer ethnischen Gemeinschaft den Spiegel vor, um zu erkennen, wer man sei – bzw. wer und wie man sein sollte (vgl. Spiegel (Literatur)).
Diese offizielle Satzung des Weltverbandes „Allschlaraffia“, die seit 1867 in verschiedenen Neuauflagen überarbeitet und den neuen politischen Verhältnissen angepasst wurde, ist durch die große Tradition von Fürstenspiegel, Sachsenspiegel, Narrenspiegel, Eulenspiegel, Ritterspiegel und Märchenspiegel präformiert worden.
Erkennungszeichen
Für Außenstehende sind Schlaraffen außerhalb ihrer Sippungen an der „Rolandnadel“, einer kleinen weißen Perle, die am linken Revers getragen wird, oder an einem am Fahrzeug befestigten Aufkleber erkennbar, der einen blinzelnden Uhukopf zeigt.
Gruß und Einwurf
Der Gruß der Schlaraffen lautet Lulu. Das lautmalerische Kunstwort wird in den Sippungen auch als eine Interjektion (Einwurf) der Zustimmung und des Lobes verwendet. Nach dem Volkskundler Erich Kaessmayer gibt es für den Gruß zwei Erklärungen:
Es ist die Abkürzung der Übersetzung von „Spielt das Spiel!“ ins Lateinische – „ludum ludite!“
Da fast alle Gründungsmitglieder der Praga (s. u. „Reyche“) Bühnenprofis waren, verwendeten sie passende Textzitate in ihren heiteren Stammtischgesprächen. Aus Schillers „Wallensteins Lager“ wurde die Textzeile „Lustig, lustig, da kommen die Prager!“ zitiert. Als Kurzform blieb schließlich „Lulu“ übrig.
Die Buchstabenumkehr „Ulul“ bedeutet einen Zuruf der Ablehnung und des Tadels.
Reyche
Örtliche Gruppen der Schlaraffia in Städten werden von Schlaraffen „Reyche“ genannt. Das erste Schlaraffenreych entstand in Prag (deshalb „Praga“ genannt), von deutschen Künstlern gegründet. Dort war ihre letzte Heimstatt in der Stefansgasse (Stepanska ul.) 36 (jetzt Hotel Alcron). Inzwischen existieren weltweit derzeit 261 „Reyche“ und „Colonien“ (lokale Vereine), in denen ausschließlich Deutsch gesprochen wird (wobei die Mitglieder keineswegs Deutsche sein müssen) und die in engem Kontakt zueinander stehen. Sie sind in der „Allschlaraffia“ zusammengefasst, welche auch die „Allschlaraffische Stammrolle“ herausgibt, ein über 1200 Seiten umfassendes Buch, das jeder Schlaraffe jährlich aktualisiert erhält und das einen Überblick über alle (auch untergegangenen) Reyche, Colonien und ihre Vorstufen (Stammtisch und Feldlager) sowie die „Sassen“ (Mitglieder) bietet. Jeder Schlaraffe ist in jedem Reych der Welt jederzeit willkommen.
Momentan bestehen Reyche in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Spanien, Frankreich, Belgien, Schweden, den USA, Kanada, Mexiko, Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Brasilien, Argentinien, Thailand, Südafrika und Australien. Die einzelnen Reyche und Colonien sind in der Reihenfolge ihres Entstehungsdatums nummeriert.[2]
Mitgliedschaft
Neue Mitglieder müssen durch einen Schlaraffen-Ritter („Pate“) als „Pilger“ eingeführt werden und eine Prüflingszeit absolvieren, ehe sie durch allgemeine Abstimmung, die sogenannte Kugelung, aufgenommen werden und als Knappe ihre Laufbahn beginnen, die über den Stand des Junkers zum Ritter führt (Ritterschlag). Im Jahr 2013 sind rund 10.300 Schlaraffen in der gültigen Stammrolle registriert, davon im LV (Landesverband) Austria 2.519, im LV Deutschland 6.517, im LV Helvetica 466, im LV Lateinamerika 198, im LV Nordamerika 608 (Stand: 1. Juni 2013).[3]
Sippungen
Die schlaraffischen Zusammenkünfte werden Sippung genannt (das Verb lautet sippen) und laufen überall nach dem gleichen Muster ab. Sie bestehen aus zwei Teilen:
Der erste Teil ist den „Ambtshandlungen“ gewidmet. Dazu gehören die feierliche Eröffnung der Sippung durch den fungierenden Oberschlaraffen, die Begrüßung der eingerittenen Gäste, d. h. Sassen anderer Reyche, die Verlesung des amtlichen Protokolls der vergangenen Sippung durch den Marschall sowie eines nicht-amtlichen Protokolls („NAP“) durch einen in der Woche zuvor bestimmten Sassen.
Nach dem Abschluss des ersten Teils folgt eine Schmus- und Atzungspause. Während derselben oder auch schon während des ersten Teils wird die Fechsungsliste herumgereicht, auf welche sich jeder Sasse eintragen kann, der plant, im zweiten Teil auf die Rostra (Rednerpult) zu steigen und etwas vorzutragen.
Im zweiten Teil der Sippung werden Fechsungen vorgetragen, d. h., jeder kann etwas zum Besten geben – gleich ob Prosa, in Versform oder musikalisch (Ausnahme: lediglich Witze zu erzählen, ist verpönt). Dies kann etwas Gefechstes, also Selbstverfasstes, sein, oder man trägt ein Werk eines anderen Autors vor. Die Sippungen stehen in vielen Fällen unter einem besonderen Thema, zu dem man etwas fechsen kann, aber nicht muss.
Einen Überblick über alle Veranstaltungen samt Kontaktdaten bietet die Broschüre Sippungsfolgen, welche jährlich vom ASR herausgegeben wird.
Schlaraffenlatein
Die Schlaraffia zeichnet sich, wie oben schon angedeutet, durch eine eigene Sprache aus, die Schlaraffenlatein genannt wird, obschon die schlaraffische Sprache auf der ganzen Welt das Deutsche ist. Dieses Deutsch enthält eine Reihe von bewusst altertümlich gewählten Ausdrücken und Wendungen, die die ritterliche, mittelalterliche Atmosphäre hervorheben sollen. Dazu gehört auch die Anrede „Ihr“, die während der Sippungen durchwegs zu verwenden ist, auch wenn man sich in der „Profanei“ duzt.
Ein paar Beispiele des Schlaraffenlateins:
Atzung und Labung = Essen und Trinken (Verben: atzen und laben), Quell = Bier, Lethe = Wein, Schaumlethe = Sekt, Schmauchtopf = Tabakspfeife, Lunte = Zigarre, Luntette= Zigarette
Bangk = rhythmische Ehrerweisung, die einem Schlaraffen entgegengebracht wird
Pön = Geldstrafe, die verhängt wird, wenn man sich ungebührlich verhält oder gegen Spiegel und Ceremoniale verstößt (Verb: pönen; von lat. poena, Strafe)
Benzinross = Auto, Benzinelefant = Reisebus, Dampfross = Eisenbahn
Troß = Familie, Burgfrau = Ehefrau, Burgschreck = Schwiegermutter, Burgwonne = Freundin, Lebensgefährtin, Burgmaid = Tochter, Burgknäpplein = Sohn
Clavicimbel = Klavier, Zinkenmeister = derjenige, der das Clavicimbel bedient, Seufzerholz = Geige, Kniewinsel = Violoncello, Minneholz = Gitarre
Quasselstrippe = Telefon, Sendbote = Brief, Sendwisch = Postkarte
Krystalline = geselliges Zusammensein außerhalb der Sippungen
Vademecum = jährlich erscheinende Broschüre, die alle Angaben und Veranstaltungshinweise des herausgebenden Reyches enthält.
Stammrolle = Mitgliederverzeichnis
Rüstung = Helm und Schärpe, eventuell Rittermantel
Schwalbenschwanz = Frack
Bekannte Persönlichkeiten in Schlaraffia
Grabinschrift für Eduard Schmidt-Weißenfels am Stadtfriedhof Bozen-Oberau mit Schlaraffia-Nennung
Künstler, Schauspieler, Schriftsteller und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren und sind Schlaraffen, unter anderen:
der Prager Theaterdirektor Franz Thomé, Gründer der Schlaraffia
die Komponisten Alfred Grünfeld, Karl Komzák junior, Franz Lehár, Hans Pfitzner, Oscar Straus
die Direktoren der Wiener Staatsoper Wilhelm Jahn, Gustav Mahler
die Opernsänger Eduard Bachmann, Walter Berry, Oskar Hillebrandt, Franz Innozenz Nachbaur, Fritz Windgassen
die Musiker Erwin Bootz, Norbert Pawlicki, Horst Winter
die Schauspieler Gustl Bayrhammer, Richard Eybner, Alexander Girardi, Konrad Adolf Hallenstein, Attila und Paul Hörbiger
die Schriftsteller Ludwig Ganghofer, Peter Rosegger, Karl Morré, Eduard Schmidt-Weißenfels, Albert Sixtus, Rudolf Stürzer, Karl Heinrich Tinti
der Architekt Ludwig Baumann
der Bildhauer Hans Brandstetter
der Maler Leo Sebastian Humer
der Kriminalist Max Edelbacher
der ZDF-Meteorologe Uwe Wesp
die Kabarettisten und Texter Fritz Grünbaum, Fritz Riha, Peter Wehle
Im Rahmen des Schlaraffenspieles werden darüber hinaus auch zahlreiche, nicht mehr lebende Persönlichkeiten namentlich verewigt, indem sie posthum zu Ehrenschlaraffen (ES) erkoren und immer wieder gerne rezitiert werden, so z. B. Heinz Erhardt (ES Alberich von Schalk), Hermann Löns (ES Mümmelmann), Robert Stolz (ES Servus Du), Johann Wolfgang von Goethe (ES Faust), Friedrich von Schiller (ES Funke), oder Peter Paul Rubens (ES Malerfürst).
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Franz Thomé, Gründer der „Schlaraffia“
Allgemeines
Beispiel eines Reychswappens
Beispiel eines schlaraffischen Ordens
Als 1859 der Direktor des Deutschen (Landständischen) Theaters, Franz Thomé, einen seiner jungen Künstler, den Bassisten Albert Eilers, in die Prager Künstlervereinigung „Arcadia“ einführen wollte, wurde dieser wegen seiner Mittellosigkeit als ein angeblicher Proletarier abgelehnt. Aus Protest gründeten seine Theaterkollegen einen Stammtisch, den sie spöttisch „Proletarier-Club“ benannten. Daraus entwickelte sich nach manchen Umwegen und Rückschlägen die heutige weltumspannende „Schlaraffia“.[1]
Die Schlaraffen, ein Männerbund („… ausschließlich Männer in gesicherter Position …“), treffen sich in der sogenannten Winterung (Nordhalbkugel: 1. Oktober bis 30. April; Südhalbkugel: 1. Mai bis 30. Oktober) einmal pro Woche an einem festgelegten Wochentag in ihrer „Schlaraffenburg“, dem im Stil eines mittelalterlichen Rittersaales ausgestatteten Vereinslokal, zu Sippungen. Diese Zusammenkünfte werden nach festgelegtem Zeremoniell in Form eines Ritterspieles mit wohldurchdachten Regeln in zwei Teilen – einem im Ablauf stets gleichen, auf wiederkehrende Regularien bedachten ersten und einem freier zu gestaltenden, eher künstlerischen zweiten – abgehalten. Sturmhauben, Helme und Rüstungen sind aus buntem Stoff in den festgelegten Reychsfarben, die Waffen wie Junkerdolch oder Ritterschwert zumeist aus Holz. Während der Sippungen wird sowohl der Alltag persifliert als auch durch Vorträge in literarischer bzw. musikalischer oder künstlerisch-darstellender Form – Fechsungen genannt – das Interesse an der Kunst wachgehalten. Eine antiquierte Sprache mit eigenen Ausdrücken für alltägliche Dinge (Schlaraffenlatein) gibt den Sippungen ihre eigene, humorvolle Note. Alles außerhalb des schlaraffischen Spieles ist „profan“ / die „Profanei“.
Schlaraffisches Symbol für Weisheit, Humor und Tugend ist der Uhu, der in jeder Burg zu finden ist. Beim Betreten derselben grüßen die Schlaraffen ihn mit einer tiefen Verbeugung, was zugleich das Abstreifen „profaner Schlacken“ – also das Sich-ganz-Einlassen auf das schlaraffische Spiel – symbolisiert. Auch gehört eine besondere Zeitrechnung zum schlaraffischen Spiel: Im Gegensatz etwa zur Zeitrechnung nach christlichem Maßstab (n. Chr. oder A. D.) orientieren sich Schlaraffen am Gründungsjahr ihrer Vereinigung – demzufolge bezeichnen sie 2012 als das Jahr a. U. („anno Uhui“) 153.
Obgleich die Schlaraffia vielerorts ein eher zurückgezogener Idealverein ist, treten einige Reyche (Vereine) mit öffentlichen Kulturveranstaltungen in ihren Heimatorten auf. So betreibt zum Beispiel die Schlaraffia Oldenburgia (Oldenburg) seit 2004 eine Kleinkunstbühne und veranstaltet Sonntagsmatineen mit Konzerten, Kabarett, Lesung und Theater.
Titelbild des Schlaraffenspiegel 1924
Als 1859 der Direktor des Deutschen (Landständischen) Theaters, Franz Thomé, einen seiner jungen Künstler, den Bassisten Albert Eilers, in die Prager Künstlervereinigung „Arcadia“ einführen wollte, wurde dieser wegen seiner Mittellosigkeit als ein angeblicher Proletarier abgelehnt. Aus Protest gründeten seine Theaterkollegen einen Stammtisch, den sie spöttisch „Proletarier-Club“ benannten. Daraus entwickelte sich nach manchen Umwegen und Rückschlägen die heutige weltumspannende „Schlaraffia“.[1]
Die Schlaraffen, ein Männerbund („… ausschließlich Männer in gesicherter Position …“), treffen sich in der sogenannten Winterung (Nordhalbkugel: 1. Oktober bis 30. April; Südhalbkugel: 1. Mai bis 30. Oktober) einmal pro Woche an einem festgelegten Wochentag in ihrer „Schlaraffenburg“, dem im Stil eines mittelalterlichen Rittersaales ausgestatteten Vereinslokal, zu Sippungen. Diese Zusammenkünfte werden nach festgelegtem Zeremoniell in Form eines Ritterspieles mit wohldurchdachten Regeln in zwei Teilen – einem im Ablauf stets gleichen, auf wiederkehrende Regularien bedachten ersten und einem freier zu gestaltenden, eher künstlerischen zweiten – abgehalten. Sturmhauben, Helme und Rüstungen sind aus buntem Stoff in den festgelegten Reychsfarben, die Waffen wie Junkerdolch oder Ritterschwert zumeist aus Holz. Während der Sippungen wird sowohl der Alltag persifliert als auch durch Vorträge in literarischer bzw. musikalischer oder künstlerisch-darstellender Form – Fechsungen genannt – das Interesse an der Kunst wachgehalten. Eine antiquierte Sprache mit eigenen Ausdrücken für alltägliche Dinge (Schlaraffenlatein) gibt den Sippungen ihre eigene, humorvolle Note. Alles außerhalb des schlaraffischen Spieles ist „profan“ / die „Profanei“.
Schlaraffisches Symbol für Weisheit, Humor und Tugend ist der Uhu, der in jeder Burg zu finden ist. Beim Betreten derselben grüßen die Schlaraffen ihn mit einer tiefen Verbeugung, was zugleich das Abstreifen „profaner Schlacken“ – also das Sich-ganz-Einlassen auf das schlaraffische Spiel – symbolisiert. Auch gehört eine besondere Zeitrechnung zum schlaraffischen Spiel: Im Gegensatz etwa zur Zeitrechnung nach christlichem Maßstab (n. Chr. oder A. D.) orientieren sich Schlaraffen am Gründungsjahr ihrer Vereinigung – demzufolge bezeichnen sie 2012 als das Jahr a. U. („anno Uhui“) 153.
Obgleich die Schlaraffia vielerorts ein eher zurückgezogener Idealverein ist, treten einige Reyche (Vereine) mit öffentlichen Kulturveranstaltungen in ihren Heimatorten auf. So betreibt zum Beispiel die Schlaraffia Oldenburgia (Oldenburg) seit 2004 eine Kleinkunstbühne und veranstaltet Sonntagsmatineen mit Konzerten, Kabarett, Lesung und Theater.
Spiegel und Ceremoniale
Alle Rahmenbedingungen des schlaraffischen Spieles sind im Regelwerk „Schlaraffen-Spiegel und Ceremoniale“ festgelegt. Die Bezeichnung Spiegel für „Gesetzeswerk“ spielt auf eine seit der griechischen Antike vielfach neu belebte literarische Tradition an. Man hält sich selbst, einem Fürsten oder einer ethnischen Gemeinschaft den Spiegel vor, um zu erkennen, wer man sei – bzw. wer und wie man sein sollte (vgl. Spiegel (Literatur)).
Diese offizielle Satzung des Weltverbandes „Allschlaraffia“, die seit 1867 in verschiedenen Neuauflagen überarbeitet und den neuen politischen Verhältnissen angepasst wurde, ist durch die große Tradition von Fürstenspiegel, Sachsenspiegel, Narrenspiegel, Eulenspiegel, Ritterspiegel und Märchenspiegel präformiert worden.
Erkennungszeichen
Für Außenstehende sind Schlaraffen außerhalb ihrer Sippungen an der „Rolandnadel“, einer kleinen weißen Perle, die am linken Revers getragen wird, oder an einem am Fahrzeug befestigten Aufkleber erkennbar, der einen blinzelnden Uhukopf zeigt.
Gruß und Einwurf
Der Gruß der Schlaraffen lautet Lulu. Das lautmalerische Kunstwort wird in den Sippungen auch als eine Interjektion (Einwurf) der Zustimmung und des Lobes verwendet. Nach dem Volkskundler Erich Kaessmayer gibt es für den Gruß zwei Erklärungen:
Es ist die Abkürzung der Übersetzung von „Spielt das Spiel!“ ins Lateinische – „ludum ludite!“
Da fast alle Gründungsmitglieder der Praga (s. u. „Reyche“) Bühnenprofis waren, verwendeten sie passende Textzitate in ihren heiteren Stammtischgesprächen. Aus Schillers „Wallensteins Lager“ wurde die Textzeile „Lustig, lustig, da kommen die Prager!“ zitiert. Als Kurzform blieb schließlich „Lulu“ übrig.
Die Buchstabenumkehr „Ulul“ bedeutet einen Zuruf der Ablehnung und des Tadels.
Reyche
Örtliche Gruppen der Schlaraffia in Städten werden von Schlaraffen „Reyche“ genannt. Das erste Schlaraffenreych entstand in Prag (deshalb „Praga“ genannt), von deutschen Künstlern gegründet. Dort war ihre letzte Heimstatt in der Stefansgasse (Stepanska ul.) 36 (jetzt Hotel Alcron). Inzwischen existieren weltweit derzeit 261 „Reyche“ und „Colonien“ (lokale Vereine), in denen ausschließlich Deutsch gesprochen wird (wobei die Mitglieder keineswegs Deutsche sein müssen) und die in engem Kontakt zueinander stehen. Sie sind in der „Allschlaraffia“ zusammengefasst, welche auch die „Allschlaraffische Stammrolle“ herausgibt, ein über 1200 Seiten umfassendes Buch, das jeder Schlaraffe jährlich aktualisiert erhält und das einen Überblick über alle (auch untergegangenen) Reyche, Colonien und ihre Vorstufen (Stammtisch und Feldlager) sowie die „Sassen“ (Mitglieder) bietet. Jeder Schlaraffe ist in jedem Reych der Welt jederzeit willkommen.
Momentan bestehen Reyche in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Spanien, Frankreich, Belgien, Schweden, den USA, Kanada, Mexiko, Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Brasilien, Argentinien, Thailand, Südafrika und Australien. Die einzelnen Reyche und Colonien sind in der Reihenfolge ihres Entstehungsdatums nummeriert.[2]
Mitgliedschaft
Neue Mitglieder müssen durch einen Schlaraffen-Ritter („Pate“) als „Pilger“ eingeführt werden und eine Prüflingszeit absolvieren, ehe sie durch allgemeine Abstimmung, die sogenannte Kugelung, aufgenommen werden und als Knappe ihre Laufbahn beginnen, die über den Stand des Junkers zum Ritter führt (Ritterschlag). Im Jahr 2013 sind rund 10.300 Schlaraffen in der gültigen Stammrolle registriert, davon im LV (Landesverband) Austria 2.519, im LV Deutschland 6.517, im LV Helvetica 466, im LV Lateinamerika 198, im LV Nordamerika 608 (Stand: 1. Juni 2013).[3]
Sippungen
Die schlaraffischen Zusammenkünfte werden Sippung genannt (das Verb lautet sippen) und laufen überall nach dem gleichen Muster ab. Sie bestehen aus zwei Teilen:
Der erste Teil ist den „Ambtshandlungen“ gewidmet. Dazu gehören die feierliche Eröffnung der Sippung durch den fungierenden Oberschlaraffen, die Begrüßung der eingerittenen Gäste, d. h. Sassen anderer Reyche, die Verlesung des amtlichen Protokolls der vergangenen Sippung durch den Marschall sowie eines nicht-amtlichen Protokolls („NAP“) durch einen in der Woche zuvor bestimmten Sassen.
Nach dem Abschluss des ersten Teils folgt eine Schmus- und Atzungspause. Während derselben oder auch schon während des ersten Teils wird die Fechsungsliste herumgereicht, auf welche sich jeder Sasse eintragen kann, der plant, im zweiten Teil auf die Rostra (Rednerpult) zu steigen und etwas vorzutragen.
Im zweiten Teil der Sippung werden Fechsungen vorgetragen, d. h., jeder kann etwas zum Besten geben – gleich ob Prosa, in Versform oder musikalisch (Ausnahme: lediglich Witze zu erzählen, ist verpönt). Dies kann etwas Gefechstes, also Selbstverfasstes, sein, oder man trägt ein Werk eines anderen Autors vor. Die Sippungen stehen in vielen Fällen unter einem besonderen Thema, zu dem man etwas fechsen kann, aber nicht muss.
Einen Überblick über alle Veranstaltungen samt Kontaktdaten bietet die Broschüre Sippungsfolgen, welche jährlich vom ASR herausgegeben wird.
Schlaraffenlatein
Die Schlaraffia zeichnet sich, wie oben schon angedeutet, durch eine eigene Sprache aus, die Schlaraffenlatein genannt wird, obschon die schlaraffische Sprache auf der ganzen Welt das Deutsche ist. Dieses Deutsch enthält eine Reihe von bewusst altertümlich gewählten Ausdrücken und Wendungen, die die ritterliche, mittelalterliche Atmosphäre hervorheben sollen. Dazu gehört auch die Anrede „Ihr“, die während der Sippungen durchwegs zu verwenden ist, auch wenn man sich in der „Profanei“ duzt.
Ein paar Beispiele des Schlaraffenlateins:
Atzung und Labung = Essen und Trinken (Verben: atzen und laben), Quell = Bier, Lethe = Wein, Schaumlethe = Sekt, Schmauchtopf = Tabakspfeife, Lunte = Zigarre, Luntette= Zigarette
Bangk = rhythmische Ehrerweisung, die einem Schlaraffen entgegengebracht wird
Pön = Geldstrafe, die verhängt wird, wenn man sich ungebührlich verhält oder gegen Spiegel und Ceremoniale verstößt (Verb: pönen; von lat. poena, Strafe)
Benzinross = Auto, Benzinelefant = Reisebus, Dampfross = Eisenbahn
Troß = Familie, Burgfrau = Ehefrau, Burgschreck = Schwiegermutter, Burgwonne = Freundin, Lebensgefährtin, Burgmaid = Tochter, Burgknäpplein = Sohn
Clavicimbel = Klavier, Zinkenmeister = derjenige, der das Clavicimbel bedient, Seufzerholz = Geige, Kniewinsel = Violoncello, Minneholz = Gitarre
Quasselstrippe = Telefon, Sendbote = Brief, Sendwisch = Postkarte
Krystalline = geselliges Zusammensein außerhalb der Sippungen
Vademecum = jährlich erscheinende Broschüre, die alle Angaben und Veranstaltungshinweise des herausgebenden Reyches enthält.
Stammrolle = Mitgliederverzeichnis
Rüstung = Helm und Schärpe, eventuell Rittermantel
Schwalbenschwanz = Frack
Bekannte Persönlichkeiten in Schlaraffia
Grabinschrift für Eduard Schmidt-Weißenfels am Stadtfriedhof Bozen-Oberau mit Schlaraffia-Nennung
Künstler, Schauspieler, Schriftsteller und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren und sind Schlaraffen, unter anderen:
der Prager Theaterdirektor Franz Thomé, Gründer der Schlaraffia
die Komponisten Alfred Grünfeld, Karl Komzák junior, Franz Lehár, Hans Pfitzner, Oscar Straus
die Direktoren der Wiener Staatsoper Wilhelm Jahn, Gustav Mahler
die Opernsänger Eduard Bachmann, Walter Berry, Oskar Hillebrandt, Franz Innozenz Nachbaur, Fritz Windgassen
die Musiker Erwin Bootz, Norbert Pawlicki, Horst Winter
die Schauspieler Gustl Bayrhammer, Richard Eybner, Alexander Girardi, Konrad Adolf Hallenstein, Attila und Paul Hörbiger
die Schriftsteller Ludwig Ganghofer, Peter Rosegger, Karl Morré, Eduard Schmidt-Weißenfels, Albert Sixtus, Rudolf Stürzer, Karl Heinrich Tinti
der Architekt Ludwig Baumann
der Bildhauer Hans Brandstetter
der Maler Leo Sebastian Humer
der Kriminalist Max Edelbacher
der ZDF-Meteorologe Uwe Wesp
die Kabarettisten und Texter Fritz Grünbaum, Fritz Riha, Peter Wehle
Im Rahmen des Schlaraffenspieles werden darüber hinaus auch zahlreiche, nicht mehr lebende Persönlichkeiten namentlich verewigt, indem sie posthum zu Ehrenschlaraffen (ES) erkoren und immer wieder gerne rezitiert werden, so z. B. Heinz Erhardt (ES Alberich von Schalk), Hermann Löns (ES Mümmelmann), Robert Stolz (ES Servus Du), Johann Wolfgang von Goethe (ES Faust), Friedrich von Schiller (ES Funke), oder Peter Paul Rubens (ES Malerfürst).
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