Dietrich von Bern
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Dietrich von Bern
Dietrich von Bern ist eine der bekanntesten Sagenfiguren des deutschen Hoch- und Spätmittelalters. Schriftliche Zeugnisse als Heldenlied (Hildebrandslied), Epos (Dietrichepik) oder Prosa (Heldenbücher) lassen sich zwischen dem 9. und 16. Jahrhundert nachweisen, die mündliche Überlieferung ist sicherlich älter. Eine Rolle spielt Dietrich auch im Nibelungenlied. Neben den elf mittelhochdeutschen Dietrichepen in Versen, die immer nur Episoden aus dem Heldenleben Dietrichs zum Thema haben, stellt die skandinavische Thidrekssaga – überliefert in Varianten auf Norwegisch, Schwedisch und Isländisch – einen Sonderfall der Überlieferung dar, weil sie die gesamte Vita des Helden nach (unbekannten) niederdeutschen Quellen in Prosa erzählt.
Dietrich von Bern kämpft mit Laurin, Statue in Bozen
Das Leben des Dietrich von Bern in der Sage
Kern der Dietrichsage
Dietrich wächst als Königssohn in Bern (Verona) auf. Er hat einen Waffenmeister namens Hildebrand, der bis ins hohe Alter bei ihm bleibt. Er sammelt einen Kreis von Kampfgenossen (12 bzw. 11) um sich und wird nach dem Tod seines Vaters König von Bern. Dietrich vollbringt große Heldentaten. So ist er neben Beowulf, Sigfried (bzw. Sigurd) und dessen Vater Sigmund einer der wenigen germanischen Sagenhelden, denen ein Sieg über einen Drachen angedichtet wird. Jedoch ist er nicht immer imstande, seine Gegner aus eigener Kraft zu besiegen. Wittich (altwestnordisch Widga) etwa, sein späterer Kampfgenosse, ist ihm wegen seines besseren Schwertes überlegen. Ecke, ein Riese, zeigt sich ihm beim Zweikampf ebenbürtig; wird von Dietrich nach einem schweren Zweikampf getötet, indem er ihn erst bis zur Erschöpfung niederkämpft und anschließend durch die ungeschützten Stellen seiner Rüstung ersticht. Ecke lebt jedoch noch und bittet Dietrich, ihn zu enthaupten. Odoaker (in einigen Überlieferungen auch Sigurd) kann er mit Hilfe des von dem Meisterschmied Wieland hergestellten Schwertes Mimung besiegen. Eines Tages wird Dietrich von seinem Onkel Ermanarich vertrieben und ist gezwungen, beim Hunnenkönig Attila (in einigen Überlieferungen auch Etzel) ins Exil zu gehen. Einen Versuch, sein Reich zurückzuerobern, gibt er auf. Er unterstützt den Hunnenkönig bei vielen Kämpfen. Beim Kampf des Königs mit den Nibelungen versucht er zuerst zu vermitteln. Im Verlauf der Schlacht stellt er sich auf Attilas Seite.
In hohem Alter kehrt er ohne Heer zusammen mit seinem Waffenmeister in sein Reich zurück und gewinnt wieder die Herrschaft.
Überlieferung der Thidreksaga
Die Thidrekssaga stellt als einzige mittelalterliche Quelle das gesamte Leben des Dietrich von Bern dar.[1]
Dietrich wächst am Hofe seines Vaters, König Dietmars von Bern auf; ihn und seinen Waffenmeister Hildebrand verbindet eine tiefe und lebenslange Freundschaft. Bereits als junger Mann besteht er Abenteuer, die ihn als Kämpfer berühmt machen. Das wichtigste hiervon ist zweifellos der Kampf mit dem Riesen Grim, bei dem er mit der Hilfe des Zwerges Alfrik (der Name entspricht genau nhd. Alberich) den Helm Hildegrim und das Schwert Nagelring gewinnt, das er nun eine Zeit lang führt.
Aufgrund seines Ruhmes kommen nun andere junge Recken nach Bern, teils um sich Dietrich anzuschließen, teils um sich mit ihm im Waffengang zu messen. Einer davon ist Heime, der Sohn des berühmten Rossezüchters Studas, der sich Dietrich nach dessen Sieg im Zweikampf als Gefolgsmann anschließt und ihm als Geschenk einen Hengst seines Vater mit dem Namen Falke verschafft, den Dietrich dann bei seinen weiteren Abenteuern reitet. Eine weniger freundliche Aufnahme findet der inkognito reisende Sohn Wielands Wittich, dem sein Vater das Schwert Mimung überlassen hat. Dietrich – bis jetzt in jedem Kampf siegreich und voll von jugendlichem Hochmut – droht Wittich an, ihn an den Zinnen Berns aufhängen zu lassen. Doch Dietrich hat weder mit Wittichs außergewöhnlichem Schwert, noch mit dessen Kampfgeschick gerechnet – einzig Hildebrands Eingreifen, dem Wittich freundschaftlich zugetan ist, bewahrt den Berner vor einer vollständigen Niederlage. Hildebrand vermag es auch, die Kämpen zu versöhnen und dazu zu bringen, einander als gleichrangige Waffenbrüder anzuerkennen.
Um die erhaltene Schmach wettzumachen, beschließt Dietrich, den berühmten Kämpen Ecke herauszufordern, der das von Alfrik geschmiedete Schwert Eckesachs an sich gebracht hat. Auch dieser Kampf ist für Dietrich alles andere als einfach; dass er glücklich endet, hat er nur seinem Pferd Falke zu danken, das Ecke – als es Dietrich in Todesgefahr ahnt – durch einen Huftritt tötet. Am folgenden Tag kommt es zur Konfrontation mit Eckes Bruder Fasolt; auch in diesem Kampf bleibt Dietrich siegreich und die beiden schwören einander Freund- und Bruderschaft, werden also, anders als im mittelhochdeutschen Eckenlied, Waffenbrüder. Dietrichs Schwert ist fortan Eckesachs, Nagelring erhält Heime zum Geschenk.
Nach dem Tode seines Vaters wird Dietrich König von Bern. Bei einem Gelage, zu dem er auch seine Freunde König Gunther von Niflungenland und dessen Brüder Hagen, Gernot und Giselher eingeladen hat, rühmen sich der junge König und seine elf Tischgenossen, darunter Hildebrand, Wittich und Heime, als unübertreffliche Krieger, die nicht ihresgleichen hätten. Doch Herr Brand, der "Weitgereiste" (evtl. ein missverstandener Hildebrand?) erhebt Einspruch – König Isung von Bertangenland und seine zehn Söhne seien mindestens ebenso tüchtig, und sein Bannerträger Siegfried sei sogar Dietrich gewachsen. Dietrich – von Zorn entbrannt – und seine Tischgenossen schwören, sich bereits am nächsten Tage auf die Reise zu machen, um sich mit Isung und Siegfried im Kampf zu messen. Im Bertangenland angekommen, verlaufen die Dinge allerdings nicht so, wie gedacht. Nur Wittich kann bei den sportlichen Zweikämpfen – nicht zuletzt wegen seines Schwertes Mimung – einen Sieg verbuchen; alle anderen, auch Gunter und Hagen, müssen sich geschlagen geben. Umso mehr hoffen die Berner auf Dietrich, der im zwölften und letzten Kampf gegen Siegfried antreten soll. Doch Siegfried, der Mimung in Aktion gesehen hat, will nicht gegen ein so überlegenes Schwert kämpfen und lässt Dietrich schwören, dass er es beim Kampf nicht benutzen wird. Dietrich tut das, doch Siegfried erweist sich als der schwierigste Gegner, dem Dietrich bislang gegenüberstand. Auch nach zwei durchkämpften Tagen hat keiner der beiden auch nur eine Wunde erhalten. Dietrich, frustriert und wütend über seine Sieglosigkeit, kann Wittich schließlich dazu überreden, ihm Mimung auszuleihen, das ihm am dritten Tage auch tatsächlich den Sieg schenkt, wenngleich durch einen Trick: Am dritten Tage schwört Dietrich nämlich, er wisse Mimungs Spitze nicht über dem Boden und seinen Griff in keines Mannes Hand, während er sich mit dem Rücken dagegenlehnt. Zwar durchschaut Siegfried den Betrug, zieht es aber dennoch vor, sich geschlagen zu geben, und schwört Dietrich Gefolgschaft. Dietrich, dem die ganze Sache unangenehm ist, vermittelt eine für Siegfried sehr ehrenvolle Hochzeit zwischen Siegfried und Gunters Schwester Kriemhild, nicht wissend, dass Siegfried bereits mit Brünhild verlobt war.
Als Dietrichs Onkel Ermanarich, der in Rom regiert, mit einem großen Heer auf Bern marschiert, um die Herrschaft an sich zu reißen, flieht Dietrich mit seinen Getreuen zu Attila, König der „Heunen“. Er lebt viele Jahre an dessen Hof und hilft ihm in zahlreichen Kämpfen gegen feindliche Könige. Zum Dank leiht Attila ihm ein Heer, damit er sein Berner Reich zurückerobern könne. In der Schlacht bei Gränsport, die mit der Rabenschlacht gleichgesetzt werden kann, erringt Dietrich zwar den Sieg, doch zieht er sich zurück, weil sein Bruder und Attilas Söhne von Wittich, der schon vor Dietrichs Vertreibung bei Ermanarich Dienst genommen hatte, getötet wurden. Attila verzeiht Dietrich den Tod seiner Söhne, und dieser lebt weiterhin an dessen Hof.
Unterdessen wird Siegfried im Niflungenland von Hagen ermordet. Siegfrieds Witwe Kriemhild wurde danach Attilas Gemahlin. Als König Gunther mit viel Gefolge seine Schwester bei König Attila besucht, kommt es zum Kampf zwischen Niflungen und Heunen. Dietrich kann sich anfangs nicht entscheiden, kämpft aber schließlich auf Seiten der Heunen. Am Ende des Gemetzels sind alle Niflungen, etliche Heunen und sämtliche Gefolgsleute Dietrichs tot. Nach diesem Vorfall beschließt Dietrich, nur mit seiner Frau Herat und Hildebrand nach Bern zu reiten, da er gehört hat, dass dort jetzt Hildebrands Sohn herrscht. Als Dietrich in Bern eintrifft, beschließen die Berner, ihn als König anzuerkennen, und folgen ihm in den Kampf gegen Sibich, Ermanarichs Nachfolger. Dietrich siegt und besteigt den Königsthron in Rom, das nun auch zu seinem Reich gehört. Nach dem Tod König Attilas fällt Dietrich auch dessen Reich zu, da Attila keinen Thronerben hinterlässt. Als Dietrich bereits ein alter Mann ist, bricht er auf, um Wittich zu finden und Rache zu üben. Er stellt ihn zum Kampf und tötet ihn, doch auf dem Heimweg erliegt auch er seinen schweren Verletzungen. Dietrichs Kampf mit Wittich findet sich allerdings nur in der schwedischen Fassung.
Sage und Wirklichkeit
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Theoderich dem Großen und Dietrich von Bern
Die Sagengestalt des Dietrich von Bern wurde schon von den mittelalterlichen Geschichtsschreibern (etwa in den Quedlinburger Annalen) mit dem Ostgotenkönig Theoderich dem Großen in Beziehung gesetzt, obwohl sich nur wenige Ähnlichkeiten zwischen dem historischen Theoderich und dem Sagen-Dietrich finden lassen:
Bern (genauer Welschbern) ist der deutsche Name für Verona, das im Reich Theoderichs des Großen lag. Sein Regierungssitz lag zwar in Ravenna, doch hatte eine der Entscheidungsschlachten zwischen Theoderich und seinem Gegner Odoaker 490 bei Verona stattgefunden.
Der Vater Dietrichs hieß Dietmar, der Vater des historischen Theoderich Thiudimir.
Die Amelungen der Sage werden oft mit dem Geschlecht der Amaler gleichgesetzt.
In den ältesten Versionen der Sage tritt Odoaker als Dietrichs Widersacher auf, was auch auf den historischen Theoderich den Großen zutraf
Daneben gibt es aber zahlreiche große Unterschiede zwischen Geschichte und Sage:
Theoderich der Große wurde nicht in Verona geboren, seine Jugend verbrachte er ebenfalls nicht dort, sondern in Konstantinopel am Hof des oströmischen Kaisers Leo I..
Der historische Theoderich kehrte nicht als Vertriebener nach Italien zurück, sondern er eroberte es mit anfänglicher Einwilligung Ostroms und ermordete Odoaker, nachdem er ihn in der Rabenschlacht besiegt hatte.
Der erst ca. 455 geborene Theoderich der Große war kein Zeitgenosse des bereits 453 verstorbenen Hunnenkönigs Attila (Etzel).
Der Gotenkönig Ermanarich verlor bereits 375 den Kampf gegen die Hunnen.
Das Raben der Rabenschlacht wird mit dem von Theoderich eroberten Ravenna gleichgesetzt, doch nach der Sage muss Dietrich – trotz des Sieges – ins Hunnenreich zurückkehren.
Diese Unstimmigkeiten zwischen Dietrichssage und z. B. der Gotenchronik des Jordanes fielen bereits Frutolf von Michelsberg auf. Er hatte um 1100 in seiner Weltchronik auf diesen Widerspruch hingewiesen, und spätere Historiker versuchten, den Widerspruch durch Neuerfindungen zu erklären: Beispielsweise, indem Dietrich einen gleichnamigen Großvater zugeschrieben bekommt, der dann als Zeitgenosse Etzels aus Meran vertrieben wurde (siehe oben unter „Überlieferungsgeschichte“).
Entstehung der Sage nach der vorherrschenden Lehrmeinung
Die heutige Germanistik betrachtet die Epen und Chroniken, die sich mit Dietrich von Bern befassen, nicht mehr als Teil der Geschichtsschreibung wie der Chronist der Quedlinburger Annalen, sondern betrachtet die Funktion, die die Nennung von großen Namen und Geschehnissen aus der Geschichte für die Zuhörer eines vorgetragenen Heldenliedes oder Heldenepos' (wie Rabenschlacht) hatte: Stiftung und Erhaltung von Identität in Gemeinschaften, die dem Geschehen der Völkerwanderungszeit ausgesetzt waren. Historische Fakten (häufiger Verlust von Heimat, aber auch wiederholter Gewinn neuer Gebiete nach schweren Kämpfen, wie es die Ostgoten erlebten) wurden offenbar mit Hilfe traditioneller literarischer Muster (Vertreibung aus und Rückkehr in die Heimat, Verwandtenverrat) umformuliert, um das Geschehen zu bewältigen. Das Ergebnis einer Sagenentwicklung, welche sich an bekannten Erzählmotiven und Hauptfiguren orientiert, ist demnach eine einfachere Welt, eben die Sagenwelt. Der Germanist Joachim Heinzle schreibt: „Die Synchronisierung von Ereignissen und Personen, die verschiedenen Zeiten angehören, zielt auf die Konstruktion einer geschlossenen Heldenwelt, in der alles mit allem zusammenhängt und jeder mit jedem zu tun hat.“[2] Dieses Verfahren der Synchronisierung historischer Ereignisse und Personen aus verschiedenen Zeiten bei der Erdichtung der heroischen Welt wurde bereits vom lutherischen Theologen und Historiker Cyriacus Spangenberg 1572 in der Mansfeldischen Chronik entdeckt. Er schreibt, man habe das Auseinanderliegende zusammengezogen Damit man der alten Deutschen hin und wieder gesehende tapffere Tathen/als hetten sie sich auff eine zeit begeben/gleich als in einem Liede zu singen/beysammen hetten/Wie denn auon das Heldenbuch […] (zitiert nach Haustein, S. 120).
An der Figur des Ermanarich lässt sich diese Synchronisierung, von der Heinzle schreibt, gut zeigen: In der ersten schriftlichen Überlieferung, dem Hildebrandslied aus dem 9. Jahrhundert, taucht sie nicht auf. In diesem ist es Odoaker, vor dessen Hass Dietrich hat fliehen müssen. In den Quedlinburger Annalen (um 1000) wird Ermanarich/Ermenrich als Herrscher aller Goten genannt, der Theoderich auf Anraten Odoakers aus Verona vertrieben habe. Nach Ermenrichs Tod habe Theoderich wiederum Odoaker aus Ravenna vertrieben. Die Rolle Odoakers entspricht in dieser Fassung der Rolle des Sifka aus der Thidreksaga bzw. Sibiche aus dem Epos Dietrichs Flucht. In späteren Werken – wie eben der Thidrekssaga – verschwindet der Name des Odoaker dann ganz und wird durch den des Sifka ersetzt. Dies geschieht vielleicht deshalb, weil der Name des Odoaker (bzw. dessen realhistorische Reminiszenz) nicht zu der - vermutlich schon vor Ausbildung der Dietrichsage vorhandenen - Sage passt, wie sie bereits im Skáldskaparmál, dem dritten Teil der Snorra-Edda (1220-25), überliefert ist. In dieser ermordet Ermanarich/Jörmunrekkr durch Einwirken des heimtückischen Ratgebers Bikki seinen Sohn Randwer und seine Ehefrau Swanhild. Anzumerken ist hierbei, dass Odoakers Frau Sunigilda hieß, was vielleicht auf Swanhild anklingt.
Umgekehrt kann eine solche Synchronisierung auch zurückgenommen werden: In einer in Druck erschienenen Version des Eckenlieds (ab 1491) wird erwähnt, dass Dietrich das von Ecke gewonnene Schwert nur einmal benutzt habe, nämlich als er in der Regierungszeit des Kaisers Zeno(n) die Lombardei von dem Usurpator Odoaker befreite. Dies entspricht eigentlich wieder den historischen Fakten. Demnach passte sich die Sage offenbar zumindest in Einzelfällen auch wieder an die (wieder) bekannt gewordene Geschichtsschreibung an. Das Eckenlied schildert nur eine Abenteuer-Episode und ist somit weniger als das Epos von Dietrichs Flucht auf Darstellung eines historischen Kontinuums angewiesen.
Die Verschränkung der Sagen um Etzel mit der Dietrichs von Bern lässt sich nicht so genau zurückverfolgen wie im Falle Ermanarichs, da sie schon beim älteren Hildebrandslied vorhanden ist. Wahrscheinlich 427 wurden die pannonischen Ostgoten von den Römern vertrieben und flohen zu den Hunnen, wobei die drei noch minderjährigen Amalerprinzen, darunter Theoderichs Vater, durch den Getreuen Gensimund beschützt wurden. Die pannonische Ostgotengruppe fand Aufnahme bei den Hunnen, die von Rua (Ruga), Attilas Onkel, geführt wurden. Theoderichs Vater und seine Brüder kämpften dann als Vasallen auf Attilas Seite, so unter anderem bei der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern 451. 452 fiel Attila auch in Italien ein, musste sich jedoch wieder zurückziehen. 454 dann wurde das Hunnenreich zerschlagen, wobei Attilas Sohn Ellac in der Schlacht am Nedao fiel. Erst nachdem sich die Hunnen aus Westeuropa zurückgezogen hatten, wurden die Ostgoten zu Vasallen Ostroms. Dieses siedelte die Ostgoten wieder in Pannonien (mithin nach ungefähr 30 Jahren) an und zur Sicherung des Friedens wurde der damals 8-jährige Theoderich im Jahre 459 als Geisel nach Ostrom geschickt. Mit 17 kehrte er zu seinem Vater Thiudimir nach Pannonien zurück. Nach dem Tod seines Vaters führte er auch im Auftrag Ostroms mehrere Feldzüge durch, für einen dieser Feldzüge wurde er mit einem Triumphzug und Reiterstandbild in Konstantinopel geehrt.[3] Als er 489 nach Italien gegen Odoaker zog, hatte er ca. 30 Jahre im Dienste Ostroms zugebracht. Dies mag vielleicht ebenfalls das Vorbild für das 30-jährige Exil des Sagen-Dietrich geworden sein. Diese 30-jährige Zeit im Dienste Ostroms, der der Einzug nach Italien folgte, mag der historische Baustein gewesen sein, aus dem in der Sage dann das 30-jährige Exil am Hof des Hunnenkönigs wurde, dem der Einzug in Italien folgte.
Ostrom, in dessen Dienst Theoderich gestanden hatte, begann schon zu Theoderichs Zeiten, den ehemaligen Verbündeten zu bekämpfen, und war auch Gegner des nachfolgenden Langobardenreiches. Damit eignete sich Ostrom nicht als Ort des Exils in der sich entwickelnden Sage. Möglich ist, dass der Hunnenkönig Etzel bei Ausbildung der Sagenepisode von Theoderichs Flucht selbst schon zum Herrscher der Völker verklärt worden war. Der Etzelhof als Zufluchtsort in die Fluchtfabel scheint zum damaligen Verständnis der Geschichte zu passen. Die heute bekannte Ungleichzeitigkeit der Lebensläufe von Attila und Theoderich, war den Zeitgenossen vielleicht gar nicht bewusst.
Der Kern der Fluchtfabel, die Vertreibung Dietrichs, findet dagegen in Theoderichs Leben keine Parallele. Vielleicht handelt es sich hierbei um einen Mythos, der schon zu seinen Lebzeiten entwickelt wurde, um die Ermordung Odoakers zu rechtfertigen, aber auch der Einfluss älteren Sagenguts könnte eine Erklärung sein. Jordanes berichtet um 550, also nach Theoderichs Tod, dass Theoderichs Vorfahr durch Ermanarichs Sohn Hunimund vertrieben worden sei und der vertriebene Teil der Ostgoten sich zunächst in Pannonien angesiedelt habe. Möglicherweise sollte das entstandene Ostgotenreich als das Reich dargestellt werden, in welchem Goten nach den bewegten Zeiten, die sie seit der Zerstörung von Ermanarichs Gotenreich im Jahre 375 erlebt hatten, eine neue Heimat gefunden hatten. Die Fabel von Flucht und Rückkehr, ausgelöst durch einen missgünstigen Verwandten, existierte vielleicht schon vor der Dietrichsage und besaß offenbar in der bewegten Zeit der Völkerwanderung mit ihren ständig wechselnden Besitz- und Machtverhältnissen eine große Anziehungskraft.
Theoderichs Herrschaft bedeutete für Italien nach langen Jahren des Krieges eine Friedensperiode mit einer letzten Blüte der Spätantike in Italien. Die langen Jahre des Krieges bis zum Ende des Ostgotenreiches, die seinem Tode folgten, mögen die Erinnerung an diese Friedenszeit noch zusätzlich verklärt haben. Auch hatte Theoderich den Rest der von Chlodwig besiegten Alemannen im süddeutschen Raum beschützt. Als Hauptfigur einer Fabel, in welcher ein König aus seinem Reich vertrieben wird und es wieder zurückgewinnt, war der historische Theoderich also ein ideales Vorbild. Geschichten, in der ein zu Dietrich verklärter Theoderich eine Rolle spielte, dürften mit Wohlwollen gehört worden sein.
Theoderichs und Dietrichs Ende
Da Theoderich dem Arianismus anhing, wurde er von der Kirche als Ketzer betrachtet. In seine späte Regierungszeit fiel die Hinrichtung der christlichen Philosophen Boëthius (524) und Symmachus (526) und der Tod des von ihm inhaftierten Papstes Johannes I. Das machte Theoderich für die katholischen Geschichtsschreiber zur negativen Gestalt. Als Theoderich wie Arius selbst auch an der Ruhr starb, wurde dieser Tod als Gottesstrafe dargestellt. Daraus entwickelten sich zwei Traditionen der Höllenüberlieferung, die des Vulkansturzes und des Höllenritts.
Vom Vulkansturz berichtete zuerst Papst Gregor der Große in seinen Dialogen von 593/594: Ein Einsiedler habe gesehen, wie Papst Johannes und Symmachus die Seele Theoderichs an dessen Todestag in den Liparischen Vulkan stürzten als Strafe dafür, dass er beide getötet habe.
Als Zeugnis der Höllenritt-Überlieferung finden sich 2 Reliefplatten am Portal von San Zeno in Verona von ca. 1140, welche einen berittenen König (regem stultum) zeigen, ausgerüstet mit Jagdhorn, Falken und Hunden, der einem Hirsch folgt, der ihn geradewegs auf ein Höllentor zuführt. Es ist zwar nicht namentlich von Theoderich die Rede, doch sprechen gute Gründe dafür. Als Nächstes berichtet die Weltchronik des Otto von Freising (1143–1146) von dem Höllenritt Theoderichs.
In einigen Überlieferungen tritt Dietrich als ein Jäger oder auch Führer der Wilden Jagd auf. So berichtete im Jahre 1197 der Historiograph Gottfried von Köln: In diesem Jahre erschien einigen Wanderern an der Mosel ein Gespenst von riesiger Größe in menschlicher Gestalt, das auf einem schwarzen Rosse saß. Als diese von Schrecken ergriffen waren, näherte sich ihnen kühnlich die Erscheinung und ermahnte sie, keine Furcht zu haben: sie nannte sich Dietrich von Bern und kündete an, verschiedenerlei Unglück und Elend werde über das römische Reich kommen ...
Die populäre Dietrichdichtung akzeptierte die Verdammung ihres Helden nicht. Sie nimmt Vulkansturz oder Höllenritt zwar als Geschehnisse in den Sagenkreis auf, deutet sie aber in einen für Dietrich positiven Sinne um:
So wird in Zabulons Buch, einer Fortsetzung der Laurin-Sage, erzählt, dass der Vulkansturz von Dietrich nur vorgetäuscht worden sei. Dies, um zu Laurins Bruder Sinnels zu gelangen, der ihm laut Laurin ein Leben von tausend Jahren garantieren könne. Dietrich habe die Zwerge auch zu christlichem Leben bekehrt.
Die Thidrekssaga als bedeutsamste Prosaüberlieferung erzählt zwar, dass Dietrich auf ein schwarzes Ross, das der Teufel gewesen sei, gesprungen sei. Doch König Thidrek habe Gottes und Sankt Marias Beistand gehabt, weil er bei seinem Tod ihres Namens gedachte.
Der Wunderer berichtet, Dietrich, gesegnet von dem Fräulein, das er aus der Gewalt des Wunderers befreit hatte, sei von dem Teufelsross (ros vnrein) zwar entführt worden, lebe noch heute und müsse noch bis zum Jüngsten Tag mit Drachen kämpfen, weil Gott ihm das als Buße auferlegt habe.
Die den Heldenbüchern des Spätmittelalters nachgestellte Heldenprosa endet damit, dass von allen Helden der Sage nach großem Kampf nur noch Dietrich von Bern überlebt. Dann habe ein Zwerg den Berner fortgeführt und seitdem sei er nicht mehr gesehen worden. Dabei sagt der Zwerg zu Dietrich, „sein Reich sei nicht von dieser Welt“. Die Verwendung der an das Christuswort in Joh. 18,36 (mein Reich ist nicht von dieser Welt) erinnernden Worte kehrt den ursprünglichen Höllensturz in das Gegenteil, man denkt eher, der Zwerg wolle den Berner mit diesen Worten in den Himmel führen als in die Hölle.
Abweichende Thesen zu den historischen Ursprüngen
Im Mittelalter wurden die Sagen um Dietrich von Bern vielfach als historische Begebenheiten aufgefasst. Bereits damals fielen die geschichtlichen Unmöglichkeiten auf, etwa dass Attila und Theoderich der Große nach antiken Quellen (die Gotengeschichte des Jordanes) keine Zeitgenossen waren. Frutolf von Michelsberg weist um 1100 etwa darauf hin, dass neben Erzählungen und Liedern auch Chroniken existierten, die von einer Flucht Dietrichs zu Attila sprechen und erkennt die geschichtliche Unmöglichkeit. Als Lösung des Widerspruches bietet er an, dass die Sage oder Jordanes irre oder ein anderer Theoderich und Ermanarich gemeint sein könnten. Der anonyme Verfasser der Kaiserchronik hält die Sage für unwahr und fordert „das Buch“ bringen zu lassen, das die Korrektheit der Sage belegen möchte. Der Umstand, dass er eine mögliche Lösung anbietet und die Flucht auf einen Großvater Didriks überträgt, deutet allerdings auch bei ihm darauf hin, dass der Sage damals ein gewisser Wahrheitsgehalt zugeschrieben wurde.[4]
Auch später wurde die Identität Theoderichs des Großen mit Dietrich von Bern bezweifelt. Laurenz Lerch, Professor für Geschichte und Altertumskunde an der Universität Bonn, schrieb im Jahr 1842: „Es scheint zwei Sagen gegeben zu haben, eine vom rex Theodoricus in Italien, die andere vom deutschen Dietrich von Bern, die im Laufe der Jahrhunderte, namentlich zu der Zeit als die Blicke der deutschen Kaiser nach Italien gerichtet waren, zu einer einzigen zusammenwuchsen und so in ewigem Doppelschalten das Auge des Forschers necken.“[5] Diesen Schluss zog Lerch nach engem Gedankenaustausch mit Karl Simrock, dem Übersetzer des Nibelungenliedes ins Neuhochdeutsche. Simrock selbst äußert etwas später die gleiche Vermutung, dass es zwei Dietriche gab, einen fränkisch/rheinischen und einen gotischen. Er kam ebenfalls zu dem Schluss, dass zwei Dietriche für die Heldensage zu viel waren und so unter dem zunehmenden Übergewicht der hochdeutschen Sprache der fränkische Dietrich im gotischen aufging.[6]
Ein größeres Publikum erreichte die Vermutung, dass Dietrich von Bern nicht auf Theoderich den Großen zurückgeht, durch Heinz Ritter-Schaumburg, der eine eigene Interpretation der Thidrekssaga entwickelte. Demnach soll es sich bei Dietrich um einen Kleinkönig gehandelt haben, der sein überschaubares Reich zwischen den ripuarischen und den salfränkischen Franken hatte. Seine Hauptstadt soll Bonn gewesen sein, das in früherer Zeit auch als Bern bezeichnet wurde. Unter dem Rom in der Sage wäre dieser Theorie zufolge Trier an der Mosel zu verstehen, das in spätrömischer Zeit wohl als Roma Secunda bekannt war. Der Schlüssel zur Sagengeographie ist nach Ritter die durch ihn als Duna der Sage identifizierte Dhünn, an deren einstiger Mündung in den Rhein die Nibelungen den Strom überquert haben sollen, als sie nach Soest zogen. Ritter interpretiert die Dietrichsage nicht als literarische Schöpfung, sondern als historisches Dokument, wenn er das in der Thidrekssaga ausgebreitete Netz geographischer Orte als Orte annimmt, in denen diese ganzen Geschehnisse sich auch in der Realität zugetragen haben.
Ritters Meinung folgt die fachwissenschaftliche Lehrmeinung jedoch nicht. In der Forschung hält man aus mehreren Gründen an der Gleichsetzung Theoderichs des Großen mit Dietrich von Bern fest. Es gilt etwa im Gegensatz zu Ritters Auffassung als wahrscheinlicher, dass die in Altnorwegisch verfasste Thidrekssaga sich im niederdeutschen Raum abspielt, weil die Geographie dieses Gebiets den Norwegern und hansischen Kaufleuten, die den Norwegern die Dietrichsage vermittelten, viel vertrauter war als das südwestdeutsche Gebiet, aus der diese Sage ursprünglich stammte.[7]
Im Gegensatz zu den Fachwissenschaftlern, folgten mehrere Schriftsteller beziehungsweise Privatgelehrte wie Ernst F. Jung, Walter Böckmann und Reinhard Schmoeckel Heinz Ritter in vielen seiner Vermutungen, die in der Forschung aber keine Rolle spielen.
Motive des Sagenkreises
Als Motive finden sich:
das Motiv des besonders gefährlichen Schwertes, das der noch junge Held erst für sich gewinnen muss - Dietrich erhält Nagelring, weil er verspricht, gegen Hilde und Grim zu kämpfen (Thidrekssaga), er erhält Eckesachs erst nach schwerem Kampf (Eckenlied). Wittich erhält als besonderes Schwert Mimung von seinem Vater Wieland.
der Hof mit den starken Kampfgefährten, einer Art Tafelrunde, über den die Sage mit anderen Sagen verknüpft wird, so etwa mit der von Dietleib und der von Wildeber. Besonders deutlich ist diese Parallele allerdings im schon in der Exilzeit Dietrichs spielenden Wunderer, bei dem Etzel ausdrücklich mit Artus verglichen wird.
das Motiv des verfolgten Mädchens, der Frauenjagd (im Wunderer und in der Virginal), das durch Dietrich (in der Virginal mit Hilfe Hildebrands) befreit wird.
das Motiv des Reihenkampfs, besonders im Epos Rosengarten zu Worms, aber auch im Virginal und als Episodenhandlung auch im Eckenlied.
das Motiv der Herausforderung: im Laurin, der Zwerg wird herausgefordert; aber auch in der Geschichte von Heime und Wittich, die beide Dietrich zum Kampfe herausfordern, bevor sie sich ihm anschließen. Im Eckenlied zieht Ecke aus, um Dietrich zum Kampfe herauszufordern.
das Befreiungsschema, z. B. im Laurin, der Dietleibs Schwester gefangen hält
das Motiv des Kampfes als getarnter Held, der ohne die üblichen Kennzeichen – mit verdecktem Schild oder in der Rüstung eines anderen – ausreitet (Alpharts Tod).
die Fluchtfabel aus Dietrichs Flucht. Das dazugehörige Motiv der geglückten Heimkehr ist nicht als Teil der historischen Dietrichepik übermittelt, aber in der Thidrekssaga, doch der (allerdings misslingende) Versuch der Rückkehr ist in Dietrichs Flucht wie Rabenschlacht geschildert.
das Treueverhältnis zwischen Herr und Gefolgschaft wie Dietrichs Flucht geschildert. Dies wird besonders durch einen Exkurs Heinrich des Voglers (der vermutlich nur diesen Exkurs, nicht das gesamte Epos verfasst hat) betont, der darauf hinweist, dass das Verhältnis zwischen Herr und Gefolgschaft auf gegenseitigem Respekt beruht. Dafür wird Dietrich von Bern als leuchtendes Beispiel gezeigt, aber auch Etzel, der seinem Gefolgsmann Dietrich den Tod seiner am Rande der Rabenschlacht gefallenen Söhne verzeiht.
der Figur des böses Ratgebers in der Gestalt von Emanarichs Berater/Kanzler/Marschall Sibich, der, nachdem sein Herr seiner Frau Gewalt antut, vom treuen Sibich zum ungetreuen Sibich wird.
das Motiv des neidischen Verwandten, der seinen Verwandten die in früheren Erbverträgen zugesicherten Besitztümer und Länder streitig machen will.
Überlieferungsgeschichte
Die Überlieferungsgeschichte der Dietrichsage reicht vom frühen Mittelalter (ca. 840) bis in die frühe Neuzeit (ca. 1535). Die Lebenskraft der Sage mag mit der Aura historischer Verbindlichkeit zusammenhängen, den diese Sage umgibt, sie scheint im gewissen Sinne wahrer zu sein als andere Sagen, beispielsweise Kudrun. Selbst unter manchen katholischen Würdenträgern war die Sage beliebt. So beklagt sich der Domschulmeister Meinhard in einem Brief an einen Domherrn im Gefolge des Bamberger Bischofs Gunther (1057–1065), dass Gunther nie an die Kirchenväter Augustinus oder Gregor denke, sondern immer nur an Attila und Theoderich/Dietrich (Amalangus).
Das erste schriftliche Zeugnis für das Vorhandsein von etwas, das man als Dietrichsage bezeichnen könnte, ist das althochdeutsche Hildebrandslied aus dem 4. Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts. Obwohl dieses Heldenlied nur eine Episode schildert, lässt sich erkennen, dass sich die – nicht unmittelbar auf Theoderichs historisches Leben zurückzuführende – Fabel von Dietrichs Vertreibung aus seinem angestammten Reich und einem Leben im Exil am Königshof der Hunnen bereits herausgebildet hat.
Ebenfalls aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts stammt der Runenstein von Rök im schwedischen Ostergotland. Es ist dort von Theoderich als dem Helden der Märinge die Rede.
Im Exeter Book aus der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts findet sich in Deors Klage auch ein Dietrich, der dreißig Winter lang die Märingaburg besessen habe.
Ebenfalls aus England stammt das in einem Handschrift-Fragment aus der Zeit um 1000 erhaltene Gedicht von ‚Waldere‘, einer altenglischen Fassung der Sage von Walther und Hildegund. Hier wird erzählt, dass Theodric Widia (Wittich) ein Schwert übergeben wollte, weil Widia, Sohn Wielands, ihn aus der Gewalt von Riesen befreit hatte. Dass Dietrich in Gewalt von Riesen war, ist sonst erst in den mittelhochdeutschen Epen des 13. Jahrhunderts (Sigenot, Virginal) erzählt. Dass der Waldere-Text eine solche Episode erwähnt, zeigt, dass auch die Überlieferung der Abenteuer Dietrichs auf frühe Quellen zurückgeht und nicht erst im 13. Jahrhundert entstand.
Ebenfalls um 1000 entstanden als Teil der lateinischen Geschichtsschreibung die Quedlinburger Annalen. Es findet sich dort der Bericht über einen Theoderich, der jener Thideric de Berne sei, von dem die Illiteraten einst gesungen hätten (de quo cantabant rustici olim).
Um 1100 stellt der Mönch Frutolf von Michelsberg in seiner Weltchronik fest, dass die Erzählung von Dietrichs Flucht, wie sie sich in volkssprachigem Erzählen und Gesang von Liedern und gewissen Chroniken finde, im Widerspruch zur Geschichte der Goten nach Jordanes stehe, der Ermanarich, Attila und Theoderich nacheinander, und nicht als Zeitgenossen einordnen würde. Er bietet mehrere Erklärungsmöglichkeiten an, z. B. dass ein anderer Theoderich oder Ermanarich gemeint sei.
In der 1140/1150 entstandenen Kaiserchronik, dem ältesten Geschichtswerk deutscher Sprache, nennt der anonyme Verfasser die Dietrichsage eine Lüge, sie sei nicht schriftlich belegt. Wahr sei, dass Dietrich und Etzel sich nie gesehen hätten, wer etwas anderes behaupte, solle das Buch bringen (anscheinend gemeint: ein schriftlicher Beleg für die Behauptung der Dietrichsage, Etzel hätte gleichzeitig mit Dietrich gelebt). Trotzdem wird versucht, für die Erzählung der Sage eine Erklärung zu finden: der Großvater Dietrichs/Theoderichs hätte auch Dietrich geheißen und wäre als Fürst von Meran von Etzel vertrieben worden. Dietrichs Vater Dietmar hätte Meran nach Etzels Tod wieder für sich gewonnen.
Die Sage selbst scheint sich gemäß diesen Dokumenten der christlichen lateinischen Historiographie bis zu diesem Zeitpunkt vor allem durch mündliche Überlieferung erhalten und entwickelt zu haben. Nach 1200 nimmt die Anzahl schriftlicher Zeugnisse zu.
Um 1200 wird das Nibelungenlied zu Pergament gebracht, in der Dietrich eine nicht unwichtige Rolle spielt. In der etwas später entstandenen Nibelungenklage wird in einer Nacherzählung berichtet, wie Dietrich mit Hildebrand und Herrat den beim Nibelungenkampf zerstörten Etzelhof verlässt.
In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts beginnt die Überlieferung zahlreicher mittelhochdeutscher Versepen mit Dietrich als Hauptperson (Dietrichepik). Aus der Zeit bald nach 1230, spätestens gegen 1250, stammt die Handschrift der Carmina Burana, die eine Strophe des Eckenlieds überliefert. Gemäß der Tradition der Heldendichtung ist der Verfasser oder Bearbeiter bis auf zwei Ausnahmen nicht genannt.
Diese Epen wurden von Berufsrezitatoren auf Jahrmärkten und in Wirtshäusern vorgetragen. Bezeugt wird das durch eine Strophe des Marners, eines Fahrenden der Zeit um 1250, der die Wünsche seines Publikums aufzählt, die mehrheitlich dem Bereich der Dietrichsage entstammen. Trotz zunehmender Verschriftlichung darf der Anteil mündlicher Überlieferung also nicht unterschätzt werden. Doch die Besitzer der reich ausgestatteten Handschriften entstammten der Oberschicht, was die Beliebtheit der Dietrichsage beim Adel zeigt. Dafür sprechen auch die um 1400 in Schloss Runkelstein bei Bozen und Schloss Lichtenberg im Vinschgau entstandenen Wandgemälde mit Themen aus dem Bereich des Dietrichstoffes.
Ebenfalls im 13. Jahrhundert entstand in Skandinavien die umfangreiche Thidrekssaga, welche die Lebensbeschreibung Dietrichs (Thidreks) kunstvoll mit der Geschichte anderer Gestalten der germanischen Heldensage (Attila, Wieland, Sigurd/Siegfried, Nibelungen, Walther und Hildegund) verknüpft und somit eigentlich einen ersten Zyklus deutscher Heldensagen bietet. Ebenfalls aus Skandinavien stammt das kurze, zur Lieder-Edda gehörende Lied von Gudruns Gottesurteil, in dem sich Gudrun (Kriemhild der Nibelungensage) von dem Vorwurf reinigt, mit Dietrich geschlafen zu haben. Ein weiteres skandinavisches Lied ist ‚Hildibrands Sterbelied‘, in welchem der im Zweikampf von seinem Halbbruder Asmund unerkannte und tödlich verwundete Hildibrand darüber klagt, dass er unwillentlich seinen eigenen Sohn erschlagen hat.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts setzt mit einer fragmentarisch erhaltenen rheinfränkischen Handschrift die Tradition der Heldenbücher ein. Sie schließt mit einem letzten Druck aus Frankfurt am Main 1590. In einer Handschrift und allen Drucken ist die sogenannte Heldenbuch-Prosa beigefügt, die in Form einer Chronologie alle Helden in einer Art Heilsgeschichte miteinander verbindet.
Am Ende des Mittelalters gibt es noch zwei neue Texte aus dem Bereich der Dietrichsage. Zum einen das Jüngere Hildebrandlied mit einem frühesten Handschriftfragment von 1459, vollständig im Dresdner Heldenbuch von 1472. Dieses Lied lässt den Kampf zwischen Vater und Sohn (wie auch in der Thidrekssaga) versöhnlich ausgehen. Der zweite Text ist das niederdeutsche Lied von Ermenrichs Tod, überliefert in einer Flugschrift von 1535/1545.
Nach Beginn der Neuzeit entwickelt sich der Stoff der Dietrichsage nicht mehr weiter. Vor allem die Heldenbücher werden aber als philologisches Hilfsmittel benutzt, z. B. durch Martin Opitz (1639) und Melchior Goldast (1604) für die Ausgabe mittelhochdeutscher Texte. Der Versuch Karl Simrocks, mit dem 1843–1849 erschienen Amelungenlied die Dietrichsage ähnlich populär zu machen wie das Nibelungenlied, misslang. Die literarische Qualität insbesondere der Heldenbuch-Überlieferung war im Vergleich dazu zu gering. Im Gegensatz zum Nibelungenlied wurde die Dietrichsage aber weniger von der nationalsozialistischen Propaganda eingesetzt, zumal er ja auch nicht von Richard Wagner zur Hauptperson einer Oper gemacht worden war.
Heute beginnt man, sich von klassischen Bewertungsschemen zu befreien und beispielsweise die spezielle Qualität der Erzählstruktur der Thidrekssaga zu würdigen. Auch die drastischen Sprache in Teilen der Dietrichepik wird heute mehr aus ihrer Zeit heraus verstanden. Neue kritische Ausgaben von Werken der Dietrichepik sind erschienen und werden noch erarbeitet und es werden Arbeiten über verschiedene Aspekte der Dietrichsage publiziert. Mit Heldenlärm von Wilhelm Bartsch ist auch eine Nacherzählung in moderner Sprache erschienen, die den Stoff in ganz anderer, eher ironischer Weise erzählt.
Siehe auch
König Laurins Rosengarten, Wittich, Alphart, Dietleib, Wildeber
Quelle - literatur & Einzelnachweise
Dietrich von Bern kämpft mit Laurin, Statue in Bozen
Das Leben des Dietrich von Bern in der Sage
Kern der Dietrichsage
Dietrich wächst als Königssohn in Bern (Verona) auf. Er hat einen Waffenmeister namens Hildebrand, der bis ins hohe Alter bei ihm bleibt. Er sammelt einen Kreis von Kampfgenossen (12 bzw. 11) um sich und wird nach dem Tod seines Vaters König von Bern. Dietrich vollbringt große Heldentaten. So ist er neben Beowulf, Sigfried (bzw. Sigurd) und dessen Vater Sigmund einer der wenigen germanischen Sagenhelden, denen ein Sieg über einen Drachen angedichtet wird. Jedoch ist er nicht immer imstande, seine Gegner aus eigener Kraft zu besiegen. Wittich (altwestnordisch Widga) etwa, sein späterer Kampfgenosse, ist ihm wegen seines besseren Schwertes überlegen. Ecke, ein Riese, zeigt sich ihm beim Zweikampf ebenbürtig; wird von Dietrich nach einem schweren Zweikampf getötet, indem er ihn erst bis zur Erschöpfung niederkämpft und anschließend durch die ungeschützten Stellen seiner Rüstung ersticht. Ecke lebt jedoch noch und bittet Dietrich, ihn zu enthaupten. Odoaker (in einigen Überlieferungen auch Sigurd) kann er mit Hilfe des von dem Meisterschmied Wieland hergestellten Schwertes Mimung besiegen. Eines Tages wird Dietrich von seinem Onkel Ermanarich vertrieben und ist gezwungen, beim Hunnenkönig Attila (in einigen Überlieferungen auch Etzel) ins Exil zu gehen. Einen Versuch, sein Reich zurückzuerobern, gibt er auf. Er unterstützt den Hunnenkönig bei vielen Kämpfen. Beim Kampf des Königs mit den Nibelungen versucht er zuerst zu vermitteln. Im Verlauf der Schlacht stellt er sich auf Attilas Seite.
In hohem Alter kehrt er ohne Heer zusammen mit seinem Waffenmeister in sein Reich zurück und gewinnt wieder die Herrschaft.
Überlieferung der Thidreksaga
Die Thidrekssaga stellt als einzige mittelalterliche Quelle das gesamte Leben des Dietrich von Bern dar.[1]
Dietrich wächst am Hofe seines Vaters, König Dietmars von Bern auf; ihn und seinen Waffenmeister Hildebrand verbindet eine tiefe und lebenslange Freundschaft. Bereits als junger Mann besteht er Abenteuer, die ihn als Kämpfer berühmt machen. Das wichtigste hiervon ist zweifellos der Kampf mit dem Riesen Grim, bei dem er mit der Hilfe des Zwerges Alfrik (der Name entspricht genau nhd. Alberich) den Helm Hildegrim und das Schwert Nagelring gewinnt, das er nun eine Zeit lang führt.
Aufgrund seines Ruhmes kommen nun andere junge Recken nach Bern, teils um sich Dietrich anzuschließen, teils um sich mit ihm im Waffengang zu messen. Einer davon ist Heime, der Sohn des berühmten Rossezüchters Studas, der sich Dietrich nach dessen Sieg im Zweikampf als Gefolgsmann anschließt und ihm als Geschenk einen Hengst seines Vater mit dem Namen Falke verschafft, den Dietrich dann bei seinen weiteren Abenteuern reitet. Eine weniger freundliche Aufnahme findet der inkognito reisende Sohn Wielands Wittich, dem sein Vater das Schwert Mimung überlassen hat. Dietrich – bis jetzt in jedem Kampf siegreich und voll von jugendlichem Hochmut – droht Wittich an, ihn an den Zinnen Berns aufhängen zu lassen. Doch Dietrich hat weder mit Wittichs außergewöhnlichem Schwert, noch mit dessen Kampfgeschick gerechnet – einzig Hildebrands Eingreifen, dem Wittich freundschaftlich zugetan ist, bewahrt den Berner vor einer vollständigen Niederlage. Hildebrand vermag es auch, die Kämpen zu versöhnen und dazu zu bringen, einander als gleichrangige Waffenbrüder anzuerkennen.
Um die erhaltene Schmach wettzumachen, beschließt Dietrich, den berühmten Kämpen Ecke herauszufordern, der das von Alfrik geschmiedete Schwert Eckesachs an sich gebracht hat. Auch dieser Kampf ist für Dietrich alles andere als einfach; dass er glücklich endet, hat er nur seinem Pferd Falke zu danken, das Ecke – als es Dietrich in Todesgefahr ahnt – durch einen Huftritt tötet. Am folgenden Tag kommt es zur Konfrontation mit Eckes Bruder Fasolt; auch in diesem Kampf bleibt Dietrich siegreich und die beiden schwören einander Freund- und Bruderschaft, werden also, anders als im mittelhochdeutschen Eckenlied, Waffenbrüder. Dietrichs Schwert ist fortan Eckesachs, Nagelring erhält Heime zum Geschenk.
Nach dem Tode seines Vaters wird Dietrich König von Bern. Bei einem Gelage, zu dem er auch seine Freunde König Gunther von Niflungenland und dessen Brüder Hagen, Gernot und Giselher eingeladen hat, rühmen sich der junge König und seine elf Tischgenossen, darunter Hildebrand, Wittich und Heime, als unübertreffliche Krieger, die nicht ihresgleichen hätten. Doch Herr Brand, der "Weitgereiste" (evtl. ein missverstandener Hildebrand?) erhebt Einspruch – König Isung von Bertangenland und seine zehn Söhne seien mindestens ebenso tüchtig, und sein Bannerträger Siegfried sei sogar Dietrich gewachsen. Dietrich – von Zorn entbrannt – und seine Tischgenossen schwören, sich bereits am nächsten Tage auf die Reise zu machen, um sich mit Isung und Siegfried im Kampf zu messen. Im Bertangenland angekommen, verlaufen die Dinge allerdings nicht so, wie gedacht. Nur Wittich kann bei den sportlichen Zweikämpfen – nicht zuletzt wegen seines Schwertes Mimung – einen Sieg verbuchen; alle anderen, auch Gunter und Hagen, müssen sich geschlagen geben. Umso mehr hoffen die Berner auf Dietrich, der im zwölften und letzten Kampf gegen Siegfried antreten soll. Doch Siegfried, der Mimung in Aktion gesehen hat, will nicht gegen ein so überlegenes Schwert kämpfen und lässt Dietrich schwören, dass er es beim Kampf nicht benutzen wird. Dietrich tut das, doch Siegfried erweist sich als der schwierigste Gegner, dem Dietrich bislang gegenüberstand. Auch nach zwei durchkämpften Tagen hat keiner der beiden auch nur eine Wunde erhalten. Dietrich, frustriert und wütend über seine Sieglosigkeit, kann Wittich schließlich dazu überreden, ihm Mimung auszuleihen, das ihm am dritten Tage auch tatsächlich den Sieg schenkt, wenngleich durch einen Trick: Am dritten Tage schwört Dietrich nämlich, er wisse Mimungs Spitze nicht über dem Boden und seinen Griff in keines Mannes Hand, während er sich mit dem Rücken dagegenlehnt. Zwar durchschaut Siegfried den Betrug, zieht es aber dennoch vor, sich geschlagen zu geben, und schwört Dietrich Gefolgschaft. Dietrich, dem die ganze Sache unangenehm ist, vermittelt eine für Siegfried sehr ehrenvolle Hochzeit zwischen Siegfried und Gunters Schwester Kriemhild, nicht wissend, dass Siegfried bereits mit Brünhild verlobt war.
Als Dietrichs Onkel Ermanarich, der in Rom regiert, mit einem großen Heer auf Bern marschiert, um die Herrschaft an sich zu reißen, flieht Dietrich mit seinen Getreuen zu Attila, König der „Heunen“. Er lebt viele Jahre an dessen Hof und hilft ihm in zahlreichen Kämpfen gegen feindliche Könige. Zum Dank leiht Attila ihm ein Heer, damit er sein Berner Reich zurückerobern könne. In der Schlacht bei Gränsport, die mit der Rabenschlacht gleichgesetzt werden kann, erringt Dietrich zwar den Sieg, doch zieht er sich zurück, weil sein Bruder und Attilas Söhne von Wittich, der schon vor Dietrichs Vertreibung bei Ermanarich Dienst genommen hatte, getötet wurden. Attila verzeiht Dietrich den Tod seiner Söhne, und dieser lebt weiterhin an dessen Hof.
Unterdessen wird Siegfried im Niflungenland von Hagen ermordet. Siegfrieds Witwe Kriemhild wurde danach Attilas Gemahlin. Als König Gunther mit viel Gefolge seine Schwester bei König Attila besucht, kommt es zum Kampf zwischen Niflungen und Heunen. Dietrich kann sich anfangs nicht entscheiden, kämpft aber schließlich auf Seiten der Heunen. Am Ende des Gemetzels sind alle Niflungen, etliche Heunen und sämtliche Gefolgsleute Dietrichs tot. Nach diesem Vorfall beschließt Dietrich, nur mit seiner Frau Herat und Hildebrand nach Bern zu reiten, da er gehört hat, dass dort jetzt Hildebrands Sohn herrscht. Als Dietrich in Bern eintrifft, beschließen die Berner, ihn als König anzuerkennen, und folgen ihm in den Kampf gegen Sibich, Ermanarichs Nachfolger. Dietrich siegt und besteigt den Königsthron in Rom, das nun auch zu seinem Reich gehört. Nach dem Tod König Attilas fällt Dietrich auch dessen Reich zu, da Attila keinen Thronerben hinterlässt. Als Dietrich bereits ein alter Mann ist, bricht er auf, um Wittich zu finden und Rache zu üben. Er stellt ihn zum Kampf und tötet ihn, doch auf dem Heimweg erliegt auch er seinen schweren Verletzungen. Dietrichs Kampf mit Wittich findet sich allerdings nur in der schwedischen Fassung.
Sage und Wirklichkeit
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Theoderich dem Großen und Dietrich von Bern
Die Sagengestalt des Dietrich von Bern wurde schon von den mittelalterlichen Geschichtsschreibern (etwa in den Quedlinburger Annalen) mit dem Ostgotenkönig Theoderich dem Großen in Beziehung gesetzt, obwohl sich nur wenige Ähnlichkeiten zwischen dem historischen Theoderich und dem Sagen-Dietrich finden lassen:
Bern (genauer Welschbern) ist der deutsche Name für Verona, das im Reich Theoderichs des Großen lag. Sein Regierungssitz lag zwar in Ravenna, doch hatte eine der Entscheidungsschlachten zwischen Theoderich und seinem Gegner Odoaker 490 bei Verona stattgefunden.
Der Vater Dietrichs hieß Dietmar, der Vater des historischen Theoderich Thiudimir.
Die Amelungen der Sage werden oft mit dem Geschlecht der Amaler gleichgesetzt.
In den ältesten Versionen der Sage tritt Odoaker als Dietrichs Widersacher auf, was auch auf den historischen Theoderich den Großen zutraf
Daneben gibt es aber zahlreiche große Unterschiede zwischen Geschichte und Sage:
Theoderich der Große wurde nicht in Verona geboren, seine Jugend verbrachte er ebenfalls nicht dort, sondern in Konstantinopel am Hof des oströmischen Kaisers Leo I..
Der historische Theoderich kehrte nicht als Vertriebener nach Italien zurück, sondern er eroberte es mit anfänglicher Einwilligung Ostroms und ermordete Odoaker, nachdem er ihn in der Rabenschlacht besiegt hatte.
Der erst ca. 455 geborene Theoderich der Große war kein Zeitgenosse des bereits 453 verstorbenen Hunnenkönigs Attila (Etzel).
Der Gotenkönig Ermanarich verlor bereits 375 den Kampf gegen die Hunnen.
Das Raben der Rabenschlacht wird mit dem von Theoderich eroberten Ravenna gleichgesetzt, doch nach der Sage muss Dietrich – trotz des Sieges – ins Hunnenreich zurückkehren.
Diese Unstimmigkeiten zwischen Dietrichssage und z. B. der Gotenchronik des Jordanes fielen bereits Frutolf von Michelsberg auf. Er hatte um 1100 in seiner Weltchronik auf diesen Widerspruch hingewiesen, und spätere Historiker versuchten, den Widerspruch durch Neuerfindungen zu erklären: Beispielsweise, indem Dietrich einen gleichnamigen Großvater zugeschrieben bekommt, der dann als Zeitgenosse Etzels aus Meran vertrieben wurde (siehe oben unter „Überlieferungsgeschichte“).
Entstehung der Sage nach der vorherrschenden Lehrmeinung
Die heutige Germanistik betrachtet die Epen und Chroniken, die sich mit Dietrich von Bern befassen, nicht mehr als Teil der Geschichtsschreibung wie der Chronist der Quedlinburger Annalen, sondern betrachtet die Funktion, die die Nennung von großen Namen und Geschehnissen aus der Geschichte für die Zuhörer eines vorgetragenen Heldenliedes oder Heldenepos' (wie Rabenschlacht) hatte: Stiftung und Erhaltung von Identität in Gemeinschaften, die dem Geschehen der Völkerwanderungszeit ausgesetzt waren. Historische Fakten (häufiger Verlust von Heimat, aber auch wiederholter Gewinn neuer Gebiete nach schweren Kämpfen, wie es die Ostgoten erlebten) wurden offenbar mit Hilfe traditioneller literarischer Muster (Vertreibung aus und Rückkehr in die Heimat, Verwandtenverrat) umformuliert, um das Geschehen zu bewältigen. Das Ergebnis einer Sagenentwicklung, welche sich an bekannten Erzählmotiven und Hauptfiguren orientiert, ist demnach eine einfachere Welt, eben die Sagenwelt. Der Germanist Joachim Heinzle schreibt: „Die Synchronisierung von Ereignissen und Personen, die verschiedenen Zeiten angehören, zielt auf die Konstruktion einer geschlossenen Heldenwelt, in der alles mit allem zusammenhängt und jeder mit jedem zu tun hat.“[2] Dieses Verfahren der Synchronisierung historischer Ereignisse und Personen aus verschiedenen Zeiten bei der Erdichtung der heroischen Welt wurde bereits vom lutherischen Theologen und Historiker Cyriacus Spangenberg 1572 in der Mansfeldischen Chronik entdeckt. Er schreibt, man habe das Auseinanderliegende zusammengezogen Damit man der alten Deutschen hin und wieder gesehende tapffere Tathen/als hetten sie sich auff eine zeit begeben/gleich als in einem Liede zu singen/beysammen hetten/Wie denn auon das Heldenbuch […] (zitiert nach Haustein, S. 120).
An der Figur des Ermanarich lässt sich diese Synchronisierung, von der Heinzle schreibt, gut zeigen: In der ersten schriftlichen Überlieferung, dem Hildebrandslied aus dem 9. Jahrhundert, taucht sie nicht auf. In diesem ist es Odoaker, vor dessen Hass Dietrich hat fliehen müssen. In den Quedlinburger Annalen (um 1000) wird Ermanarich/Ermenrich als Herrscher aller Goten genannt, der Theoderich auf Anraten Odoakers aus Verona vertrieben habe. Nach Ermenrichs Tod habe Theoderich wiederum Odoaker aus Ravenna vertrieben. Die Rolle Odoakers entspricht in dieser Fassung der Rolle des Sifka aus der Thidreksaga bzw. Sibiche aus dem Epos Dietrichs Flucht. In späteren Werken – wie eben der Thidrekssaga – verschwindet der Name des Odoaker dann ganz und wird durch den des Sifka ersetzt. Dies geschieht vielleicht deshalb, weil der Name des Odoaker (bzw. dessen realhistorische Reminiszenz) nicht zu der - vermutlich schon vor Ausbildung der Dietrichsage vorhandenen - Sage passt, wie sie bereits im Skáldskaparmál, dem dritten Teil der Snorra-Edda (1220-25), überliefert ist. In dieser ermordet Ermanarich/Jörmunrekkr durch Einwirken des heimtückischen Ratgebers Bikki seinen Sohn Randwer und seine Ehefrau Swanhild. Anzumerken ist hierbei, dass Odoakers Frau Sunigilda hieß, was vielleicht auf Swanhild anklingt.
Umgekehrt kann eine solche Synchronisierung auch zurückgenommen werden: In einer in Druck erschienenen Version des Eckenlieds (ab 1491) wird erwähnt, dass Dietrich das von Ecke gewonnene Schwert nur einmal benutzt habe, nämlich als er in der Regierungszeit des Kaisers Zeno(n) die Lombardei von dem Usurpator Odoaker befreite. Dies entspricht eigentlich wieder den historischen Fakten. Demnach passte sich die Sage offenbar zumindest in Einzelfällen auch wieder an die (wieder) bekannt gewordene Geschichtsschreibung an. Das Eckenlied schildert nur eine Abenteuer-Episode und ist somit weniger als das Epos von Dietrichs Flucht auf Darstellung eines historischen Kontinuums angewiesen.
Die Verschränkung der Sagen um Etzel mit der Dietrichs von Bern lässt sich nicht so genau zurückverfolgen wie im Falle Ermanarichs, da sie schon beim älteren Hildebrandslied vorhanden ist. Wahrscheinlich 427 wurden die pannonischen Ostgoten von den Römern vertrieben und flohen zu den Hunnen, wobei die drei noch minderjährigen Amalerprinzen, darunter Theoderichs Vater, durch den Getreuen Gensimund beschützt wurden. Die pannonische Ostgotengruppe fand Aufnahme bei den Hunnen, die von Rua (Ruga), Attilas Onkel, geführt wurden. Theoderichs Vater und seine Brüder kämpften dann als Vasallen auf Attilas Seite, so unter anderem bei der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern 451. 452 fiel Attila auch in Italien ein, musste sich jedoch wieder zurückziehen. 454 dann wurde das Hunnenreich zerschlagen, wobei Attilas Sohn Ellac in der Schlacht am Nedao fiel. Erst nachdem sich die Hunnen aus Westeuropa zurückgezogen hatten, wurden die Ostgoten zu Vasallen Ostroms. Dieses siedelte die Ostgoten wieder in Pannonien (mithin nach ungefähr 30 Jahren) an und zur Sicherung des Friedens wurde der damals 8-jährige Theoderich im Jahre 459 als Geisel nach Ostrom geschickt. Mit 17 kehrte er zu seinem Vater Thiudimir nach Pannonien zurück. Nach dem Tod seines Vaters führte er auch im Auftrag Ostroms mehrere Feldzüge durch, für einen dieser Feldzüge wurde er mit einem Triumphzug und Reiterstandbild in Konstantinopel geehrt.[3] Als er 489 nach Italien gegen Odoaker zog, hatte er ca. 30 Jahre im Dienste Ostroms zugebracht. Dies mag vielleicht ebenfalls das Vorbild für das 30-jährige Exil des Sagen-Dietrich geworden sein. Diese 30-jährige Zeit im Dienste Ostroms, der der Einzug nach Italien folgte, mag der historische Baustein gewesen sein, aus dem in der Sage dann das 30-jährige Exil am Hof des Hunnenkönigs wurde, dem der Einzug in Italien folgte.
Ostrom, in dessen Dienst Theoderich gestanden hatte, begann schon zu Theoderichs Zeiten, den ehemaligen Verbündeten zu bekämpfen, und war auch Gegner des nachfolgenden Langobardenreiches. Damit eignete sich Ostrom nicht als Ort des Exils in der sich entwickelnden Sage. Möglich ist, dass der Hunnenkönig Etzel bei Ausbildung der Sagenepisode von Theoderichs Flucht selbst schon zum Herrscher der Völker verklärt worden war. Der Etzelhof als Zufluchtsort in die Fluchtfabel scheint zum damaligen Verständnis der Geschichte zu passen. Die heute bekannte Ungleichzeitigkeit der Lebensläufe von Attila und Theoderich, war den Zeitgenossen vielleicht gar nicht bewusst.
Der Kern der Fluchtfabel, die Vertreibung Dietrichs, findet dagegen in Theoderichs Leben keine Parallele. Vielleicht handelt es sich hierbei um einen Mythos, der schon zu seinen Lebzeiten entwickelt wurde, um die Ermordung Odoakers zu rechtfertigen, aber auch der Einfluss älteren Sagenguts könnte eine Erklärung sein. Jordanes berichtet um 550, also nach Theoderichs Tod, dass Theoderichs Vorfahr durch Ermanarichs Sohn Hunimund vertrieben worden sei und der vertriebene Teil der Ostgoten sich zunächst in Pannonien angesiedelt habe. Möglicherweise sollte das entstandene Ostgotenreich als das Reich dargestellt werden, in welchem Goten nach den bewegten Zeiten, die sie seit der Zerstörung von Ermanarichs Gotenreich im Jahre 375 erlebt hatten, eine neue Heimat gefunden hatten. Die Fabel von Flucht und Rückkehr, ausgelöst durch einen missgünstigen Verwandten, existierte vielleicht schon vor der Dietrichsage und besaß offenbar in der bewegten Zeit der Völkerwanderung mit ihren ständig wechselnden Besitz- und Machtverhältnissen eine große Anziehungskraft.
Theoderichs Herrschaft bedeutete für Italien nach langen Jahren des Krieges eine Friedensperiode mit einer letzten Blüte der Spätantike in Italien. Die langen Jahre des Krieges bis zum Ende des Ostgotenreiches, die seinem Tode folgten, mögen die Erinnerung an diese Friedenszeit noch zusätzlich verklärt haben. Auch hatte Theoderich den Rest der von Chlodwig besiegten Alemannen im süddeutschen Raum beschützt. Als Hauptfigur einer Fabel, in welcher ein König aus seinem Reich vertrieben wird und es wieder zurückgewinnt, war der historische Theoderich also ein ideales Vorbild. Geschichten, in der ein zu Dietrich verklärter Theoderich eine Rolle spielte, dürften mit Wohlwollen gehört worden sein.
Theoderichs und Dietrichs Ende
Da Theoderich dem Arianismus anhing, wurde er von der Kirche als Ketzer betrachtet. In seine späte Regierungszeit fiel die Hinrichtung der christlichen Philosophen Boëthius (524) und Symmachus (526) und der Tod des von ihm inhaftierten Papstes Johannes I. Das machte Theoderich für die katholischen Geschichtsschreiber zur negativen Gestalt. Als Theoderich wie Arius selbst auch an der Ruhr starb, wurde dieser Tod als Gottesstrafe dargestellt. Daraus entwickelten sich zwei Traditionen der Höllenüberlieferung, die des Vulkansturzes und des Höllenritts.
Vom Vulkansturz berichtete zuerst Papst Gregor der Große in seinen Dialogen von 593/594: Ein Einsiedler habe gesehen, wie Papst Johannes und Symmachus die Seele Theoderichs an dessen Todestag in den Liparischen Vulkan stürzten als Strafe dafür, dass er beide getötet habe.
Als Zeugnis der Höllenritt-Überlieferung finden sich 2 Reliefplatten am Portal von San Zeno in Verona von ca. 1140, welche einen berittenen König (regem stultum) zeigen, ausgerüstet mit Jagdhorn, Falken und Hunden, der einem Hirsch folgt, der ihn geradewegs auf ein Höllentor zuführt. Es ist zwar nicht namentlich von Theoderich die Rede, doch sprechen gute Gründe dafür. Als Nächstes berichtet die Weltchronik des Otto von Freising (1143–1146) von dem Höllenritt Theoderichs.
In einigen Überlieferungen tritt Dietrich als ein Jäger oder auch Führer der Wilden Jagd auf. So berichtete im Jahre 1197 der Historiograph Gottfried von Köln: In diesem Jahre erschien einigen Wanderern an der Mosel ein Gespenst von riesiger Größe in menschlicher Gestalt, das auf einem schwarzen Rosse saß. Als diese von Schrecken ergriffen waren, näherte sich ihnen kühnlich die Erscheinung und ermahnte sie, keine Furcht zu haben: sie nannte sich Dietrich von Bern und kündete an, verschiedenerlei Unglück und Elend werde über das römische Reich kommen ...
Die populäre Dietrichdichtung akzeptierte die Verdammung ihres Helden nicht. Sie nimmt Vulkansturz oder Höllenritt zwar als Geschehnisse in den Sagenkreis auf, deutet sie aber in einen für Dietrich positiven Sinne um:
So wird in Zabulons Buch, einer Fortsetzung der Laurin-Sage, erzählt, dass der Vulkansturz von Dietrich nur vorgetäuscht worden sei. Dies, um zu Laurins Bruder Sinnels zu gelangen, der ihm laut Laurin ein Leben von tausend Jahren garantieren könne. Dietrich habe die Zwerge auch zu christlichem Leben bekehrt.
Die Thidrekssaga als bedeutsamste Prosaüberlieferung erzählt zwar, dass Dietrich auf ein schwarzes Ross, das der Teufel gewesen sei, gesprungen sei. Doch König Thidrek habe Gottes und Sankt Marias Beistand gehabt, weil er bei seinem Tod ihres Namens gedachte.
Der Wunderer berichtet, Dietrich, gesegnet von dem Fräulein, das er aus der Gewalt des Wunderers befreit hatte, sei von dem Teufelsross (ros vnrein) zwar entführt worden, lebe noch heute und müsse noch bis zum Jüngsten Tag mit Drachen kämpfen, weil Gott ihm das als Buße auferlegt habe.
Die den Heldenbüchern des Spätmittelalters nachgestellte Heldenprosa endet damit, dass von allen Helden der Sage nach großem Kampf nur noch Dietrich von Bern überlebt. Dann habe ein Zwerg den Berner fortgeführt und seitdem sei er nicht mehr gesehen worden. Dabei sagt der Zwerg zu Dietrich, „sein Reich sei nicht von dieser Welt“. Die Verwendung der an das Christuswort in Joh. 18,36 (mein Reich ist nicht von dieser Welt) erinnernden Worte kehrt den ursprünglichen Höllensturz in das Gegenteil, man denkt eher, der Zwerg wolle den Berner mit diesen Worten in den Himmel führen als in die Hölle.
Abweichende Thesen zu den historischen Ursprüngen
Im Mittelalter wurden die Sagen um Dietrich von Bern vielfach als historische Begebenheiten aufgefasst. Bereits damals fielen die geschichtlichen Unmöglichkeiten auf, etwa dass Attila und Theoderich der Große nach antiken Quellen (die Gotengeschichte des Jordanes) keine Zeitgenossen waren. Frutolf von Michelsberg weist um 1100 etwa darauf hin, dass neben Erzählungen und Liedern auch Chroniken existierten, die von einer Flucht Dietrichs zu Attila sprechen und erkennt die geschichtliche Unmöglichkeit. Als Lösung des Widerspruches bietet er an, dass die Sage oder Jordanes irre oder ein anderer Theoderich und Ermanarich gemeint sein könnten. Der anonyme Verfasser der Kaiserchronik hält die Sage für unwahr und fordert „das Buch“ bringen zu lassen, das die Korrektheit der Sage belegen möchte. Der Umstand, dass er eine mögliche Lösung anbietet und die Flucht auf einen Großvater Didriks überträgt, deutet allerdings auch bei ihm darauf hin, dass der Sage damals ein gewisser Wahrheitsgehalt zugeschrieben wurde.[4]
Auch später wurde die Identität Theoderichs des Großen mit Dietrich von Bern bezweifelt. Laurenz Lerch, Professor für Geschichte und Altertumskunde an der Universität Bonn, schrieb im Jahr 1842: „Es scheint zwei Sagen gegeben zu haben, eine vom rex Theodoricus in Italien, die andere vom deutschen Dietrich von Bern, die im Laufe der Jahrhunderte, namentlich zu der Zeit als die Blicke der deutschen Kaiser nach Italien gerichtet waren, zu einer einzigen zusammenwuchsen und so in ewigem Doppelschalten das Auge des Forschers necken.“[5] Diesen Schluss zog Lerch nach engem Gedankenaustausch mit Karl Simrock, dem Übersetzer des Nibelungenliedes ins Neuhochdeutsche. Simrock selbst äußert etwas später die gleiche Vermutung, dass es zwei Dietriche gab, einen fränkisch/rheinischen und einen gotischen. Er kam ebenfalls zu dem Schluss, dass zwei Dietriche für die Heldensage zu viel waren und so unter dem zunehmenden Übergewicht der hochdeutschen Sprache der fränkische Dietrich im gotischen aufging.[6]
Ein größeres Publikum erreichte die Vermutung, dass Dietrich von Bern nicht auf Theoderich den Großen zurückgeht, durch Heinz Ritter-Schaumburg, der eine eigene Interpretation der Thidrekssaga entwickelte. Demnach soll es sich bei Dietrich um einen Kleinkönig gehandelt haben, der sein überschaubares Reich zwischen den ripuarischen und den salfränkischen Franken hatte. Seine Hauptstadt soll Bonn gewesen sein, das in früherer Zeit auch als Bern bezeichnet wurde. Unter dem Rom in der Sage wäre dieser Theorie zufolge Trier an der Mosel zu verstehen, das in spätrömischer Zeit wohl als Roma Secunda bekannt war. Der Schlüssel zur Sagengeographie ist nach Ritter die durch ihn als Duna der Sage identifizierte Dhünn, an deren einstiger Mündung in den Rhein die Nibelungen den Strom überquert haben sollen, als sie nach Soest zogen. Ritter interpretiert die Dietrichsage nicht als literarische Schöpfung, sondern als historisches Dokument, wenn er das in der Thidrekssaga ausgebreitete Netz geographischer Orte als Orte annimmt, in denen diese ganzen Geschehnisse sich auch in der Realität zugetragen haben.
Ritters Meinung folgt die fachwissenschaftliche Lehrmeinung jedoch nicht. In der Forschung hält man aus mehreren Gründen an der Gleichsetzung Theoderichs des Großen mit Dietrich von Bern fest. Es gilt etwa im Gegensatz zu Ritters Auffassung als wahrscheinlicher, dass die in Altnorwegisch verfasste Thidrekssaga sich im niederdeutschen Raum abspielt, weil die Geographie dieses Gebiets den Norwegern und hansischen Kaufleuten, die den Norwegern die Dietrichsage vermittelten, viel vertrauter war als das südwestdeutsche Gebiet, aus der diese Sage ursprünglich stammte.[7]
Im Gegensatz zu den Fachwissenschaftlern, folgten mehrere Schriftsteller beziehungsweise Privatgelehrte wie Ernst F. Jung, Walter Böckmann und Reinhard Schmoeckel Heinz Ritter in vielen seiner Vermutungen, die in der Forschung aber keine Rolle spielen.
Motive des Sagenkreises
Als Motive finden sich:
das Motiv des besonders gefährlichen Schwertes, das der noch junge Held erst für sich gewinnen muss - Dietrich erhält Nagelring, weil er verspricht, gegen Hilde und Grim zu kämpfen (Thidrekssaga), er erhält Eckesachs erst nach schwerem Kampf (Eckenlied). Wittich erhält als besonderes Schwert Mimung von seinem Vater Wieland.
der Hof mit den starken Kampfgefährten, einer Art Tafelrunde, über den die Sage mit anderen Sagen verknüpft wird, so etwa mit der von Dietleib und der von Wildeber. Besonders deutlich ist diese Parallele allerdings im schon in der Exilzeit Dietrichs spielenden Wunderer, bei dem Etzel ausdrücklich mit Artus verglichen wird.
das Motiv des verfolgten Mädchens, der Frauenjagd (im Wunderer und in der Virginal), das durch Dietrich (in der Virginal mit Hilfe Hildebrands) befreit wird.
das Motiv des Reihenkampfs, besonders im Epos Rosengarten zu Worms, aber auch im Virginal und als Episodenhandlung auch im Eckenlied.
das Motiv der Herausforderung: im Laurin, der Zwerg wird herausgefordert; aber auch in der Geschichte von Heime und Wittich, die beide Dietrich zum Kampfe herausfordern, bevor sie sich ihm anschließen. Im Eckenlied zieht Ecke aus, um Dietrich zum Kampfe herauszufordern.
das Befreiungsschema, z. B. im Laurin, der Dietleibs Schwester gefangen hält
das Motiv des Kampfes als getarnter Held, der ohne die üblichen Kennzeichen – mit verdecktem Schild oder in der Rüstung eines anderen – ausreitet (Alpharts Tod).
die Fluchtfabel aus Dietrichs Flucht. Das dazugehörige Motiv der geglückten Heimkehr ist nicht als Teil der historischen Dietrichepik übermittelt, aber in der Thidrekssaga, doch der (allerdings misslingende) Versuch der Rückkehr ist in Dietrichs Flucht wie Rabenschlacht geschildert.
das Treueverhältnis zwischen Herr und Gefolgschaft wie Dietrichs Flucht geschildert. Dies wird besonders durch einen Exkurs Heinrich des Voglers (der vermutlich nur diesen Exkurs, nicht das gesamte Epos verfasst hat) betont, der darauf hinweist, dass das Verhältnis zwischen Herr und Gefolgschaft auf gegenseitigem Respekt beruht. Dafür wird Dietrich von Bern als leuchtendes Beispiel gezeigt, aber auch Etzel, der seinem Gefolgsmann Dietrich den Tod seiner am Rande der Rabenschlacht gefallenen Söhne verzeiht.
der Figur des böses Ratgebers in der Gestalt von Emanarichs Berater/Kanzler/Marschall Sibich, der, nachdem sein Herr seiner Frau Gewalt antut, vom treuen Sibich zum ungetreuen Sibich wird.
das Motiv des neidischen Verwandten, der seinen Verwandten die in früheren Erbverträgen zugesicherten Besitztümer und Länder streitig machen will.
Überlieferungsgeschichte
Die Überlieferungsgeschichte der Dietrichsage reicht vom frühen Mittelalter (ca. 840) bis in die frühe Neuzeit (ca. 1535). Die Lebenskraft der Sage mag mit der Aura historischer Verbindlichkeit zusammenhängen, den diese Sage umgibt, sie scheint im gewissen Sinne wahrer zu sein als andere Sagen, beispielsweise Kudrun. Selbst unter manchen katholischen Würdenträgern war die Sage beliebt. So beklagt sich der Domschulmeister Meinhard in einem Brief an einen Domherrn im Gefolge des Bamberger Bischofs Gunther (1057–1065), dass Gunther nie an die Kirchenväter Augustinus oder Gregor denke, sondern immer nur an Attila und Theoderich/Dietrich (Amalangus).
Das erste schriftliche Zeugnis für das Vorhandsein von etwas, das man als Dietrichsage bezeichnen könnte, ist das althochdeutsche Hildebrandslied aus dem 4. Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts. Obwohl dieses Heldenlied nur eine Episode schildert, lässt sich erkennen, dass sich die – nicht unmittelbar auf Theoderichs historisches Leben zurückzuführende – Fabel von Dietrichs Vertreibung aus seinem angestammten Reich und einem Leben im Exil am Königshof der Hunnen bereits herausgebildet hat.
Ebenfalls aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts stammt der Runenstein von Rök im schwedischen Ostergotland. Es ist dort von Theoderich als dem Helden der Märinge die Rede.
Im Exeter Book aus der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts findet sich in Deors Klage auch ein Dietrich, der dreißig Winter lang die Märingaburg besessen habe.
Ebenfalls aus England stammt das in einem Handschrift-Fragment aus der Zeit um 1000 erhaltene Gedicht von ‚Waldere‘, einer altenglischen Fassung der Sage von Walther und Hildegund. Hier wird erzählt, dass Theodric Widia (Wittich) ein Schwert übergeben wollte, weil Widia, Sohn Wielands, ihn aus der Gewalt von Riesen befreit hatte. Dass Dietrich in Gewalt von Riesen war, ist sonst erst in den mittelhochdeutschen Epen des 13. Jahrhunderts (Sigenot, Virginal) erzählt. Dass der Waldere-Text eine solche Episode erwähnt, zeigt, dass auch die Überlieferung der Abenteuer Dietrichs auf frühe Quellen zurückgeht und nicht erst im 13. Jahrhundert entstand.
Ebenfalls um 1000 entstanden als Teil der lateinischen Geschichtsschreibung die Quedlinburger Annalen. Es findet sich dort der Bericht über einen Theoderich, der jener Thideric de Berne sei, von dem die Illiteraten einst gesungen hätten (de quo cantabant rustici olim).
Um 1100 stellt der Mönch Frutolf von Michelsberg in seiner Weltchronik fest, dass die Erzählung von Dietrichs Flucht, wie sie sich in volkssprachigem Erzählen und Gesang von Liedern und gewissen Chroniken finde, im Widerspruch zur Geschichte der Goten nach Jordanes stehe, der Ermanarich, Attila und Theoderich nacheinander, und nicht als Zeitgenossen einordnen würde. Er bietet mehrere Erklärungsmöglichkeiten an, z. B. dass ein anderer Theoderich oder Ermanarich gemeint sei.
In der 1140/1150 entstandenen Kaiserchronik, dem ältesten Geschichtswerk deutscher Sprache, nennt der anonyme Verfasser die Dietrichsage eine Lüge, sie sei nicht schriftlich belegt. Wahr sei, dass Dietrich und Etzel sich nie gesehen hätten, wer etwas anderes behaupte, solle das Buch bringen (anscheinend gemeint: ein schriftlicher Beleg für die Behauptung der Dietrichsage, Etzel hätte gleichzeitig mit Dietrich gelebt). Trotzdem wird versucht, für die Erzählung der Sage eine Erklärung zu finden: der Großvater Dietrichs/Theoderichs hätte auch Dietrich geheißen und wäre als Fürst von Meran von Etzel vertrieben worden. Dietrichs Vater Dietmar hätte Meran nach Etzels Tod wieder für sich gewonnen.
Die Sage selbst scheint sich gemäß diesen Dokumenten der christlichen lateinischen Historiographie bis zu diesem Zeitpunkt vor allem durch mündliche Überlieferung erhalten und entwickelt zu haben. Nach 1200 nimmt die Anzahl schriftlicher Zeugnisse zu.
Um 1200 wird das Nibelungenlied zu Pergament gebracht, in der Dietrich eine nicht unwichtige Rolle spielt. In der etwas später entstandenen Nibelungenklage wird in einer Nacherzählung berichtet, wie Dietrich mit Hildebrand und Herrat den beim Nibelungenkampf zerstörten Etzelhof verlässt.
In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts beginnt die Überlieferung zahlreicher mittelhochdeutscher Versepen mit Dietrich als Hauptperson (Dietrichepik). Aus der Zeit bald nach 1230, spätestens gegen 1250, stammt die Handschrift der Carmina Burana, die eine Strophe des Eckenlieds überliefert. Gemäß der Tradition der Heldendichtung ist der Verfasser oder Bearbeiter bis auf zwei Ausnahmen nicht genannt.
Diese Epen wurden von Berufsrezitatoren auf Jahrmärkten und in Wirtshäusern vorgetragen. Bezeugt wird das durch eine Strophe des Marners, eines Fahrenden der Zeit um 1250, der die Wünsche seines Publikums aufzählt, die mehrheitlich dem Bereich der Dietrichsage entstammen. Trotz zunehmender Verschriftlichung darf der Anteil mündlicher Überlieferung also nicht unterschätzt werden. Doch die Besitzer der reich ausgestatteten Handschriften entstammten der Oberschicht, was die Beliebtheit der Dietrichsage beim Adel zeigt. Dafür sprechen auch die um 1400 in Schloss Runkelstein bei Bozen und Schloss Lichtenberg im Vinschgau entstandenen Wandgemälde mit Themen aus dem Bereich des Dietrichstoffes.
Ebenfalls im 13. Jahrhundert entstand in Skandinavien die umfangreiche Thidrekssaga, welche die Lebensbeschreibung Dietrichs (Thidreks) kunstvoll mit der Geschichte anderer Gestalten der germanischen Heldensage (Attila, Wieland, Sigurd/Siegfried, Nibelungen, Walther und Hildegund) verknüpft und somit eigentlich einen ersten Zyklus deutscher Heldensagen bietet. Ebenfalls aus Skandinavien stammt das kurze, zur Lieder-Edda gehörende Lied von Gudruns Gottesurteil, in dem sich Gudrun (Kriemhild der Nibelungensage) von dem Vorwurf reinigt, mit Dietrich geschlafen zu haben. Ein weiteres skandinavisches Lied ist ‚Hildibrands Sterbelied‘, in welchem der im Zweikampf von seinem Halbbruder Asmund unerkannte und tödlich verwundete Hildibrand darüber klagt, dass er unwillentlich seinen eigenen Sohn erschlagen hat.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts setzt mit einer fragmentarisch erhaltenen rheinfränkischen Handschrift die Tradition der Heldenbücher ein. Sie schließt mit einem letzten Druck aus Frankfurt am Main 1590. In einer Handschrift und allen Drucken ist die sogenannte Heldenbuch-Prosa beigefügt, die in Form einer Chronologie alle Helden in einer Art Heilsgeschichte miteinander verbindet.
Am Ende des Mittelalters gibt es noch zwei neue Texte aus dem Bereich der Dietrichsage. Zum einen das Jüngere Hildebrandlied mit einem frühesten Handschriftfragment von 1459, vollständig im Dresdner Heldenbuch von 1472. Dieses Lied lässt den Kampf zwischen Vater und Sohn (wie auch in der Thidrekssaga) versöhnlich ausgehen. Der zweite Text ist das niederdeutsche Lied von Ermenrichs Tod, überliefert in einer Flugschrift von 1535/1545.
Nach Beginn der Neuzeit entwickelt sich der Stoff der Dietrichsage nicht mehr weiter. Vor allem die Heldenbücher werden aber als philologisches Hilfsmittel benutzt, z. B. durch Martin Opitz (1639) und Melchior Goldast (1604) für die Ausgabe mittelhochdeutscher Texte. Der Versuch Karl Simrocks, mit dem 1843–1849 erschienen Amelungenlied die Dietrichsage ähnlich populär zu machen wie das Nibelungenlied, misslang. Die literarische Qualität insbesondere der Heldenbuch-Überlieferung war im Vergleich dazu zu gering. Im Gegensatz zum Nibelungenlied wurde die Dietrichsage aber weniger von der nationalsozialistischen Propaganda eingesetzt, zumal er ja auch nicht von Richard Wagner zur Hauptperson einer Oper gemacht worden war.
Heute beginnt man, sich von klassischen Bewertungsschemen zu befreien und beispielsweise die spezielle Qualität der Erzählstruktur der Thidrekssaga zu würdigen. Auch die drastischen Sprache in Teilen der Dietrichepik wird heute mehr aus ihrer Zeit heraus verstanden. Neue kritische Ausgaben von Werken der Dietrichepik sind erschienen und werden noch erarbeitet und es werden Arbeiten über verschiedene Aspekte der Dietrichsage publiziert. Mit Heldenlärm von Wilhelm Bartsch ist auch eine Nacherzählung in moderner Sprache erschienen, die den Stoff in ganz anderer, eher ironischer Weise erzählt.
Siehe auch
König Laurins Rosengarten, Wittich, Alphart, Dietleib, Wildeber
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