Das Gleichberechtigungsgesetz
Seite 1 von 1
Das Gleichberechtigungsgesetz
Das Gleichberechtigungsgesetz sollte den Auftrag des Grundgesetzes nach Art. 3 Abs. 2, „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, im einfachgesetzlichen Bundesrecht konkret umsetzen.
Auftrag des Grundgesetzes
Viele auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes geltenden Gesetze widersprachen der nun verfassungsrechtlich verankerten Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Mit Art. 117 GG des am 23. Mai 1949 verkündeten Grundgesetzes war daher dem Bundesgesetzgeber die Auflage gemacht worden, durch eine grundsätzliche Reform ein überlebtes, traditionelles Familienrecht aus dem 19. Jahrhundert in ein neues Familienverständnis zu überführen. Die entsprechenden Bestimmungen sollten bis zum 31. März 1953 an das Gleichberechtigungsgebot angepasst werden.
Die Bundesregierung ließ diese Frist jedoch verstreichen, ohne etwas am Eherecht und am Recht der elterlichen Sorge, die immer noch nahezu ausschließlich dem Ehemann zustand, geändert zu haben. Neben anderen konservativen Kreisen hatten auch die Kirchen in Stellungnahmen davor gewarnt, die „natürliche Eheordnung“ durch eine Gleichberechtigung zu stören.
Erster Gesetzentwurf
Erst am 23. Oktober 1952 hatte die Bundesregierung unter Konrad Adenauer einen Gesetzentwurf vorgelegt (Bundestagsdrucksache 1/3802). Dieser Entwurf enthielt eine Reihe offenbar weiterhin verfassungswidriger Bestimmungen. Beispielsweise war dem Mann nach wie vor ein Alleinentscheidungsrecht innerhalb der Ehe zugebilligt worden (Gehorsamsparagraph: § 1354 BGB-Entwurf). Da die parlamentarische Behandlung des Gesetzentwurfes schleppend verlief – Anträge der SPD-Fraktion auf Beschleunigung wurden abgelehnt –, konnte der Termin 31. März 1953 nicht eingehalten werden. Ein von der Regierungskoalition unternommener Versuch, die Frist zur Rechtsanpassung durch Verfassungsänderung um 2 Jahre herauszuschieben, scheiterte am Widerspruch von SPD und KPD.
Gesetzloser Zustand
Somit trat zum 1. April 1953 ein „gesetzloser“ Zustand ein, was die Gleichberechtigung von Mann und Frau innerhalb der Ehe und in Bezug auf die elterliche Gewalt betraf. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, welches der Fristsetzung des Artikels 117 GG die verfassungsrechtliche Bedeutung absprechen wollte, legte die Frage dem Bundesverfassungsgericht vor, welches daraufhin in seinem Urteil vom 18. Dezember 1953 allerdings eindeutig feststellte, dass „seit dem Ablauf der in Art. 117 gesetzten Frist ... Mann und Frau auch im Bereich von Ehe und Familie gleichberechtigt (seien)“ (BVerfGE 3, 225)[1].
Artikel 3 Absatz 2 GG sei eine „echte“, unmittelbare Rechte und Pflichten begründende Rechtsnorm; es sei Aufgabe der Gerichte, mit ihren Mitteln das Rechtsvakuum zu füllen. In der Urteilsbegründung allerdings wurde das Differenzierungsverbot eingeschränkt. Etliche mit dem Gleichberechtigungsgebot in Konflikt stehende Bestimmungen waren somit als nichtig zu betrachten, was aber im Einzelfall von den Gerichten festgestellt werden musste, so z. B. der Verlust der elterlichen Gewalt der verwitweten Frau, wenn sie wieder heiratete (in § 1697 BGB a. F.), da dies für den wiederverheirateten Witwer nicht galt.
Erneuter Gesetzgebungsvorstoß
Der Gesetzesentwurf von 1952 wurde von der Bundesregierung ohne inhaltliche Änderungen erneut in den Bundestag eingebracht (im früheren Entwurf sollte lediglich auch das Ehegesetz 1946 wieder in das BGB eingegliedert werden) und führte nach heftigen Auseinandersetzungen zum Gleichberechtigungsgesetz vom 18. Juni 1957 (BGBl. I S. 609), welches am 1. Juli 1958 in Kraft trat.
Zentrale Punkte des Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das am 1. Juli 1958 in Kraft trat:
Das Letztentscheidungsrecht des Ehemanns in allen Eheangelegenheiten wird ersatzlos gestrichen.
Die Versorgungspflicht des Ehemannes für die Familie bleibt bestehen.
Die Zugewinngemeinschaft wird der gesetzliche Güterstand. Frauen dürfen ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen selbst verwalten. Bis dahin durften nur die Männer über das Vermögen der Frau verfügen.
Das Recht des Ehemanns, ein Dienstverhältnis seiner Frau fristlos zu kündigen, wird aufgehoben (aber erst seit 1977 darf die Frau ohne Einverständnis ihres Mannes erwerbstätig sein, und erst seit 1977 gilt das Partnerschaftsprinzip, nach dem es keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung in der Ehe mehr gibt).
Die Frau hat das Recht, nach ihrer Heirat ihren Geburtsnamen als Namenszusatz zu führen (seit 1977 können die Eheleute entweder den Namen des Mannes oder der Frau als gemeinsamen Ehenamen führen; und seit 1994 können beide Eheleute ihren alten Familiennamen beibehalten).
Die väterlichen Vorrechte bei der Kindererziehung werden eingeschränkt, aber erst 1979 vollständig beseitigt.
Umstritten waren vor allem das männliche Entscheidungsrecht in allen ehelichen Angelegenheiten (welches dann keinen Eingang in das Gesetz fand) sowie der väterliche Stichentscheid bei Uneinigkeit zwischen Vater und Mutter in Fragen der elterlichen Gewalt (§ 1628 BGB a. F.) und der Alleinvertretungsanspruch bei der gesetzlichen Vertretung des Kindes (§ 1629 Abs. 1 BGB a. F.). Hiergegen brachte der Deutsche Juristinnenbund eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht auf den Weg. Im Juli 1959[2] wurde die Passage über den Stichentscheid für verfassungswidrig und nichtig erklärt
Weitere Rechtsprechung
Wiederum wurde es Aufgabe des Bundesverfassungsgerichtes, den Gesetzgeber auf die Verfassung hinzuweisen. Durch Urteil vom 29. Juli 1959 (BVerfGE 10, 59 = BGBl. I. S. 633 = FamRZ 1959, 416 = NJW 1959, 1483)[3] stellte das Bundesverfassungsgericht die Nichtigkeit von § 1628 BGB und § 1629 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes fest.
Quelle - literatur & Einzelnachweise
Auftrag des Grundgesetzes
Viele auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes geltenden Gesetze widersprachen der nun verfassungsrechtlich verankerten Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Mit Art. 117 GG des am 23. Mai 1949 verkündeten Grundgesetzes war daher dem Bundesgesetzgeber die Auflage gemacht worden, durch eine grundsätzliche Reform ein überlebtes, traditionelles Familienrecht aus dem 19. Jahrhundert in ein neues Familienverständnis zu überführen. Die entsprechenden Bestimmungen sollten bis zum 31. März 1953 an das Gleichberechtigungsgebot angepasst werden.
Die Bundesregierung ließ diese Frist jedoch verstreichen, ohne etwas am Eherecht und am Recht der elterlichen Sorge, die immer noch nahezu ausschließlich dem Ehemann zustand, geändert zu haben. Neben anderen konservativen Kreisen hatten auch die Kirchen in Stellungnahmen davor gewarnt, die „natürliche Eheordnung“ durch eine Gleichberechtigung zu stören.
Erster Gesetzentwurf
Erst am 23. Oktober 1952 hatte die Bundesregierung unter Konrad Adenauer einen Gesetzentwurf vorgelegt (Bundestagsdrucksache 1/3802). Dieser Entwurf enthielt eine Reihe offenbar weiterhin verfassungswidriger Bestimmungen. Beispielsweise war dem Mann nach wie vor ein Alleinentscheidungsrecht innerhalb der Ehe zugebilligt worden (Gehorsamsparagraph: § 1354 BGB-Entwurf). Da die parlamentarische Behandlung des Gesetzentwurfes schleppend verlief – Anträge der SPD-Fraktion auf Beschleunigung wurden abgelehnt –, konnte der Termin 31. März 1953 nicht eingehalten werden. Ein von der Regierungskoalition unternommener Versuch, die Frist zur Rechtsanpassung durch Verfassungsänderung um 2 Jahre herauszuschieben, scheiterte am Widerspruch von SPD und KPD.
Gesetzloser Zustand
Somit trat zum 1. April 1953 ein „gesetzloser“ Zustand ein, was die Gleichberechtigung von Mann und Frau innerhalb der Ehe und in Bezug auf die elterliche Gewalt betraf. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, welches der Fristsetzung des Artikels 117 GG die verfassungsrechtliche Bedeutung absprechen wollte, legte die Frage dem Bundesverfassungsgericht vor, welches daraufhin in seinem Urteil vom 18. Dezember 1953 allerdings eindeutig feststellte, dass „seit dem Ablauf der in Art. 117 gesetzten Frist ... Mann und Frau auch im Bereich von Ehe und Familie gleichberechtigt (seien)“ (BVerfGE 3, 225)[1].
Artikel 3 Absatz 2 GG sei eine „echte“, unmittelbare Rechte und Pflichten begründende Rechtsnorm; es sei Aufgabe der Gerichte, mit ihren Mitteln das Rechtsvakuum zu füllen. In der Urteilsbegründung allerdings wurde das Differenzierungsverbot eingeschränkt. Etliche mit dem Gleichberechtigungsgebot in Konflikt stehende Bestimmungen waren somit als nichtig zu betrachten, was aber im Einzelfall von den Gerichten festgestellt werden musste, so z. B. der Verlust der elterlichen Gewalt der verwitweten Frau, wenn sie wieder heiratete (in § 1697 BGB a. F.), da dies für den wiederverheirateten Witwer nicht galt.
Erneuter Gesetzgebungsvorstoß
Der Gesetzesentwurf von 1952 wurde von der Bundesregierung ohne inhaltliche Änderungen erneut in den Bundestag eingebracht (im früheren Entwurf sollte lediglich auch das Ehegesetz 1946 wieder in das BGB eingegliedert werden) und führte nach heftigen Auseinandersetzungen zum Gleichberechtigungsgesetz vom 18. Juni 1957 (BGBl. I S. 609), welches am 1. Juli 1958 in Kraft trat.
Zentrale Punkte des Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das am 1. Juli 1958 in Kraft trat:
Das Letztentscheidungsrecht des Ehemanns in allen Eheangelegenheiten wird ersatzlos gestrichen.
Die Versorgungspflicht des Ehemannes für die Familie bleibt bestehen.
Die Zugewinngemeinschaft wird der gesetzliche Güterstand. Frauen dürfen ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen selbst verwalten. Bis dahin durften nur die Männer über das Vermögen der Frau verfügen.
Das Recht des Ehemanns, ein Dienstverhältnis seiner Frau fristlos zu kündigen, wird aufgehoben (aber erst seit 1977 darf die Frau ohne Einverständnis ihres Mannes erwerbstätig sein, und erst seit 1977 gilt das Partnerschaftsprinzip, nach dem es keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung in der Ehe mehr gibt).
Die Frau hat das Recht, nach ihrer Heirat ihren Geburtsnamen als Namenszusatz zu führen (seit 1977 können die Eheleute entweder den Namen des Mannes oder der Frau als gemeinsamen Ehenamen führen; und seit 1994 können beide Eheleute ihren alten Familiennamen beibehalten).
Die väterlichen Vorrechte bei der Kindererziehung werden eingeschränkt, aber erst 1979 vollständig beseitigt.
Umstritten waren vor allem das männliche Entscheidungsrecht in allen ehelichen Angelegenheiten (welches dann keinen Eingang in das Gesetz fand) sowie der väterliche Stichentscheid bei Uneinigkeit zwischen Vater und Mutter in Fragen der elterlichen Gewalt (§ 1628 BGB a. F.) und der Alleinvertretungsanspruch bei der gesetzlichen Vertretung des Kindes (§ 1629 Abs. 1 BGB a. F.). Hiergegen brachte der Deutsche Juristinnenbund eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht auf den Weg. Im Juli 1959[2] wurde die Passage über den Stichentscheid für verfassungswidrig und nichtig erklärt
Weitere Rechtsprechung
Wiederum wurde es Aufgabe des Bundesverfassungsgerichtes, den Gesetzgeber auf die Verfassung hinzuweisen. Durch Urteil vom 29. Juli 1959 (BVerfGE 10, 59 = BGBl. I. S. 633 = FamRZ 1959, 416 = NJW 1959, 1483)[3] stellte das Bundesverfassungsgericht die Nichtigkeit von § 1628 BGB und § 1629 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes fest.
Quelle - literatur & Einzelnachweise
Andy- Admin
- Anzahl der Beiträge : 36197
Anmeldedatum : 03.04.11
Seite 1 von 1
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten
Heute um 4:25 am von Andy
» END OF GREEN
Heute um 4:21 am von Andy
» zozyblue
Heute um 4:18 am von Andy
» MAGNUM
Heute um 4:14 am von Andy
» Natasha Bedingfield
Heute um 4:12 am von Andy
» ... TRAKTOR ...
Heute um 4:10 am von Andy
» = Azillis =
Heute um 4:07 am von Andy
» Alice Cooper
Heute um 4:04 am von Andy
» Art of Trance
Heute um 4:02 am von Andy