Der Franquismus
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Der Franquismus
Als Franquismus (span. franquismo [fɾaŋˈkismo], dt. auch Franco-Regime und Franco-Diktatur, andere Schreibweise: Frankismus[1]) wird das System und die ideologische Untermauerung der Diktatur Francisco Francos in Spanien von 1936/39 bis zu den ersten freien Wahlen 1977 bezeichnet.
Historische Flagge? Spanische Flagge zur Zeit des Franco-Regimes in der Version von 1945 bis 1977
Die Herrschaftsform bzw. das System des Franquismus gilt als ausgesprochen personalistisch, das heißt: Sie war in größerem Maße durch die Person des Diktators als durch eine bestimmte Ideologie geprägt. Der als wenig charismatisch geltende Franco verstand es, sich seine fast unumschränkte Macht bis zu seinem Tod im Jahr 1975 zu erhalten. In Spanien gab es während seines Regimes keine kodifizierte Verfassung, sondern nur eine geringe Anzahl von ihm erlassener Grundgesetze mit Verfassungsrang. Franco hielt unter anderem dadurch die Zügel in der Hand, dass er alle wichtigen politischen Ämter, bis hin zur Provinzebene, auf der Basis persönlicher Vertrauensverhältnisse besetzte. Zudem hielt er diejenigen Institutionen, denen er Machtbefugnisse übertragen hatte oder die er nicht ignorieren konnte – unter anderem die Staatspartei Movimiento Nacional, die katholische Kirche und das Militär – dadurch unter Kontrolle, dass er sie fortwährend gegeneinander ausspielte.
Seine Legitimation leitete der Franquismus aus der Sicht seiner Eliten im Wesentlichen aus dem militärischen Sieg im Spanischen Bürgerkrieg ab, der nicht nur als Sieg der eigenen Weltanschauung, sondern darüber hinaus als Verteidigung der spanischen und europäischen Zivilisation und Kultur verstanden wurde. Da der Katholizismus als integrierender Bestandteil der spanischen Kultur betrachtet wurde, kam es zu einer engen Zusammenarbeit von Kirche und Staat im Rahmen des sogenannten nacional-catolicismo („Nationalkatholizismus“).
Der Franco-Staat war während der 39 Jahre seiner Existenz in wirtschaftlicher und außenpolitischer, in geringerem Maße auch in innenpolitischer Hinsicht, bedeutenden Entwicklungen unterworfen. Daher lässt sich die Zeit der Herrschaft des Diktators in mehrere Phasen einteilen. Die anfängliche Despotie, in der massive Vergeltung an den im Bürgerkrieg unterlegenen Bevölkerungsgruppen geübt wurde, wies gewisse Merkmale zeitgenössischer faschistischer Systeme auf und zeigte planwirtschaftliche Züge. Zum Schluss war die Herrschaftsform eher autoritär-konservativ geprägt, und Spanien erlebte nach langer innerer Stagnation ein „Wirtschaftswunder“. Es gelang der Aufstieg vom Niveau eines Entwicklungslandes unter die zehn größten Industrienationen der Erde. Dem ökonomischen Fortschritt stand allerdings keine nennenswerte politische Öffnung im Inneren gegenüber.
Entstehung des franquistischen Systems
Francos Weg zur Macht
→ Hauptartikel: Spanischer Bürgerkrieg
Francisco Francos Herrschaft nahm 1936 mit dem Spanischen Bürgerkrieg in den von der nationalspanischen Koalition beherrschten Teilen Spaniens ihren Anfang. Ausgangspunkt war ein Putsch gegen die wenige Monate zuvor gewählte Regierung der Zweiten Republik, die aus einem Volksfront-Bündnis hervorgegangen war. In der Interimshauptstadt Burgos entstand bereits in der ersten Woche des Bürgerkriegs eine provisorische Junta, die umgehend alle Gewerkschaften und Parteien sowie die Autonomierechte der Regionen aufhob und Streiks verbot.[2]
Dem bereits seit seiner Rolle bei der Niederschlagung des asturischen Bergarbeiteraufstandes von 1934 bei der spanischen Rechten angesehenen Franco gelang es, durch den propagandawirksamen Entsatz Toledos und die besondere Unterstützung Hitlers, der in Franco den fähigsten der putschenden Generäle sah, in dieser Junta eine Führungsrolle zu übernehmen. Am 1. Oktober 1936, später im franquistischen Jahreslauf als „Tag des Caudillo“ festlich begangen, wurde Franco im Thronsaal des Palasts von Burgos von dieser Junta und den Vertretern der befreundeten faschistischen Mächte NS-Deutschland, Italien und Portugal zum Generalísimo aller Streitkräfte ernannt. Gleichfalls am 1. Oktober 1936 wurde die Junta Técnica del Estado zum Zweck der Einrichtung eines provisorischen Staatswesens begründet. Von da an galt Franco als unumschränkter Herrscher der nationalspanischen Bürgerkriegspartei. Die möglichen Rivalen Sanjurjo und Mola kamen während des Bürgerkriegs (am 20. Juli 1936 bzw. am 3. Juni 1937) durch Flugzeugabstürze ums Leben.
Nicht alle Beteiligten an der frente nacional, der Nationalen Front, kämpften – anders als es oft vereinfachend dargestellt wird – im Zeichen und für Ziele des Faschismus. Das Bündnis beruhte vielmehr auf einem recht allgemeinen kleinsten gemeinsamen Nenner: dem von einem rigiden Antikommunismus herrührenden Wunsch nach einem anderen Spanien sowie der Abneigung gegen die Demokratie im Allgemeinen und gegen die herrschende Volksfrontregierung (Frente Popular) im Besonderen. Die Angreifer im Spanischen Bürgerkrieg bestanden aus einer Koalition verschiedenartiger radikaler, aber auch gemäßigt rechter Parteien, Bewegungen und Sympathisanten. Diese umfasste sowohl die Großgrundbesitzer, die rechtsrepublikanisch-katholische Partei CEDA, die akademisch-katholische Laienbewegung Acción Católica als auch Monarchisten und Carlisten bis hin zu der „einzige[n] Gruppe, die man mit einigem Recht für faschistisch halten durfte, die Falange Española“[3] – wobei freilich die Grenzen zum Faschismus bei einigen Organisationen wie insbesondere der Jugendorganisation der CEDA, der Juventudes de Acción Popular (JAP), fließend waren.[4]
Vorrangig wurden, nach Auffassung vieler Historiker, im Spanischen Bürgerkrieg alte Konflikte der mindestens seit der Zeit der napoleonischen Kriege unversöhnlich entzweiten Gesellschaft (Konzept der dos Españas, der „zwei Spanien“) gewaltsam ausgetragen, die oft nur oberflächlich mit den politischen, ideologischen und sozialen Streitfragen des damaligen Europas verbunden waren.[5]
„Über viele Jahre hin [wurde Spanien] durch politische Mißgriffe und durch die Verschleppung alter sozialer und politischer Übel in einen hoffnungslosen Zustand des Chaos und der Anarchie manövriert […]“
– Hans-Christian Kirsch (Hrsg.): Der Spanische Bürgerkrieg in Augenzeugenberichten[6]
Die Putschisten hatten, wie bereits beim vereitelten Putschversuch Sanjurjos von 1932, ohne vorherige klare politische Zielvorstellungen gehandelt. Die beteiligten Generäle erwarteten nämlich, binnen weniger Tage die Herrschaft über das Land erringen zu können, ohne hierbei auf Bundesgenossen wie die Falange angewiesen zu sein (die Carlisten nahmen hingegen an der Verschwörung teil). Abgesehen von einigen Schlagworten und Vorstellungen darüber, was abgeschafft werden sollte, existierte während mehrerer Monate kein weitergehendes Konzept für die angestrebte politische Nachkriegsordnung, auf das sich alle Mitglieder der Nationalen Front hätten einigen können.
Im Detail waren die politischen Ziele der Koalitionsteilnehmer vielfach fast völlig unvereinbar. Franco sah die Gefahr des Scheiterns und strebte danach, die auf nationalspanischer Seite am Bürgerkrieg teilnehmenden Kräfte möglichst umgehend unter seiner Führung zu vereinen und die Deutungshoheit über Sinn und Zweck des Kampfes gegen die Republik zu erlangen.
Der Griff nach der Falange
Ayerbe: Graffiti aus der Zeit des Bürgerkriegs
Mit der Rolle des Anführers der Junta konnte sich Francisco Franco auf Dauer nicht zufriedengeben. Er wollte nach seinem ausdrücklichen Bekunden die Fehler des früheren spanischen Diktators Miguel Primo de Rivera vermeiden, dessen Diktatur zwischen 1923 und 1930 nie über eine „persönliche Militärdiktatur lateinamerikanischen Stils“[7] hinausgekommen war, weil seine Herrschaft jeder politischen Inspiration, Doktrin oder Struktur entbehrt hatte. Zur Vereinigung der spanischen Rechten unter seiner Führung bedurfte es jedoch eines geeigneten Sammelbeckens. Er fand es in der „Falange Española de las JONS“, die aufgrund ihres Führerprinzips (caudillaje) dafür besonders geeignet schien.
1934, noch zu Zeiten der Zweiten Republik, hatte sich die 1933 gegründete Falange Española mit den ihr weltanschaulich nahestehenden Juntas de Ofensiva Nacional Sindicalista (JONS), zu deutsch „Vereinigungen der Nationalsyndikalistischen Offensive“ zur „Falange Española de las JONS“ zusammengeschlossen. Die neue Organisation propagierte in einem aus 27 Punkten bestehenden Parteiprogramm aus dem Jahr 1934 unter anderem die Abschaffung der Demokratie und einen „nationalen Syndikalismus“. Unter Letzterem verstand sie die Erfassung der Bevölkerung in ständischen Organisationen. Hierbei beschränkte sich der Falangismus jedoch im Wesentlichen auf die Zwangsmitgliedschaft aller Arbeitsfähigen in so genannten Syndikaten. Ferner enthielt das Programm Forderungen nach Verstaatlichung des Bankenwesens und einer radikalen Agrarreform.
Der Anführer der Falange, José Antonio Primo de Rivera, Sohn Miguel Primo de Riveras, glorifizierte ähnlich wie Mussolini das Soldatentum. Der 1935 aus der Falange wieder ausgeschlossene Ramiro Ledesma, vormals Anführer der JONS, war ein offener Bewunderer der faschistischen Squadren, die Italien in den Jahren um den „Marsch auf Rom“ (Herbst 1922) mit Terror überzogen hatten. Der Einfluss dieser Partei mit ihren etwa acht- bis zehntausend Mitgliedern war während der gesamten Zweiten Republik zu vernachlässigen. In den letzten Wahlen von 1936 hatte sie nicht ein einziges Mandat erhalten.[3] Sie gehörte auch nicht zu den Urhebern des pronunciamiento im Juli 1936. Obwohl die Falange von den Putschplänen wusste, war sie nicht daran beteiligt.
Gedenkkreuz für Primo de Rivera jun. an der Kathedrale von Cuenca
Am 20. November 1936 wurde der bereits seit März dieses Jahres inhaftierte José Antonio Primo de Rivera durch die spanische Republik nach einem Gerichtsverfahren hingerichtet und die Partei damit führerlos. Franco (dem Beevor nachsagt, dass er einen Befreiungsversuch persönlich unterbunden habe, um keinen charismatischen Rivalen im eigenen Lager zu haben)[8] bemächtigte sich an Stelle des vorläufigen Führers der Falange, Manuel Hedilla, handstreichartig der geschwächten und zerstrittenen falangistischen Bewegung und wurde deren Caudillo (span. ‚Anführer‘). Er hatte der Falange vorher weder angehört noch politisch nahegestanden. Dieser Erhebung Francos zum Caudillo wohnt etwas Zufälliges inne. Hätte sich eine andere Bewegung mit vergleichbarer Verfassung und ähnlicher Eignung für die Herrschaft über einen autoritären Staat angeboten, hätte Franco sich wohl ebenso gut dieser anderen Bewegung bedient. Ironischerweise hatte Primo de Rivera junior aus der Zelle heraus seine Anhänger ermahnt:
„‚Passt auf die Rechte auf … Die Falange ist keine konservative Kraft.‘ Sie sollten sich nicht als Außenseiter an einer Bewegung beteiligen, ‚die nicht zur Errichtung des national-syndikalistischen Staats führen wird.‘ Offensichtlich wusste er, dass ein solcher Versuch bevorstand […] Nur wenige Tage vor Ausbruch des nationalistischen Aufstands, am 12. Juli, schrieb er an einen Freund: ‚Eines der schrecklichsten Dinge würde die nationalrepublikanische Diktatur sein. Ein anderer falscher Versuch, den ich befürchte, ist […] die Herrschaft eines falschen, konservativen Faschismus ohne revolutionären Mut und junges Blut.‘ […] Was er befürchtete, war genau das, was eintrat.“
– Francis L. Carsten: Der Aufstieg des Faschismus in Europa, S. 237
Franco zeigte bald darauf, dass er sich der Falange hauptsächlich zum Zweck der Machtergreifung und als Klammer für die Parteien und Bewegungen der frente nacional bemächtigt hatte. Ernst Nolte geht so weit zu sagen, dass „der spanische Faschismus […] den konservativen Mächten nicht mehr bloß verbündet, sondern versklavt war“.[9] Mit den Zielsetzungen der Falange identifizierte Franco sich wenig, obwohl er gewisse Punkte und Forderungen des Parteiprogramms umsetzte. Das falangistische Programm von nunmehr sechsundzwanzig Punkten wurde in den Rang einer Staatsdoktrin erhoben, während Franco dieses Programm nur als Ausgangspunkt bezeichnete, das nach den Anforderungen der Zeit abzuwandeln sei. Darum nahm er die falangistischen Vorstellungen auf und ließ sie wieder fallen, wann immer das opportun erschien.
„General Franco hatte nicht die geringste Absicht, die revolutionären Losungen und Forderungen der Falange zu übernehmen, mit denen er keinerlei Sympathie hatte. Er war ein Konservativer der alten Schule und der Aufstand der Generale ein Putsch, und nicht die soziale und nationale Revolution, von der die Falange geträumt hatte. […] Da er [Primo de Rivera jun.] die Kreise des Regimes nicht mehr stören konnte, wurde er zum offiziellen Märtyrer und Schutzheiligen der Diktatur Francos, einer Diktatur, deren erklärter Gegner er sicherlich geworden wäre, falls sein Leben länger gedauert hätte.“
– Francis L. Carsten: Der Aufstieg des Faschismus in Europa, S. 237 f.
Die Gründung der franquistischen Staatspartei
Erkennungsmarke der Falange Española de las JONS während des Bürgerkriegs
Der 19. April 1937 ist die eigentliche Geburtsstunde des franquistischen Staates. An diesem Tag wurde die revolutionär-antimonarchistische Falange mit der monarchistisch-absolutistischen und daher im Spektrum der rechten Bewegungen genau entgegengesetzten carlistischen Comunión Tradicionalista zur Einheitspartei Falange Española Tradicionalista y de las JONS zusammengeschlossen. Diese eigenartige Vereinigung einer revolutionären mit einer reaktionären Bewegung[10] kam auf das Betreiben von Francos Schwager Ramón Serrano Súñer zustande, der selbst weder der Falange noch den Carlisten, sondern der CEDA angehörte. Serrano hatte Franco die Vereinigung vorgeschlagen, da seiner Ansicht nach keine der an der nationalspanischen Koalition beteiligten Fraktionen den „Anforderungen des Tages“ entsprach. Er selbst wurde auf Wunsch Francos der erste Generalsekretär der neuen Partei und befasste sich damit, die verschiedenen Teile der neuen Bewegung zu koordinieren. Dies gelang ihm aber nicht vollständig, da nicht alle Falangisten sich dem neuen Kurs anschließen wollten. Ansonsten ließen die vorher selbständigen Organisationen die Vereinigung geschehen, da Franco ihnen für die Zeit nach Abschluss des Bürgerkriegs die Beteiligung an der Macht in Aussicht stellte.
„Die olympische Verachtung, die Franco für die Spanier, für Freund und Feind empfand, äußerte sich von Anfang an in der Auffassung von dem Staat, zu dessen Oberhaupt er sich ausrief. […] Unterstützt von einem unübersichtlichen Konglomerat von Faschisten, die sich „Falangisten“ nannten (d. h. Republikaner und Syndikalisten), „Traditionalisten“, also religiös verwurzelten Karlisten, „Juntas de ofensiva nacional sindicalista“, also Nazis mit Knoblauchsuppe, knetete er diese seelenruhig wie einen Brotteig zusammen zur „Falange Española Tradicionalista y de las JONS“. Konnte man sich eine größere Beleidigung dieser drei Gruppen mit ihren grundverschiedenen Ideologien denken? Aber sie hörten ihn unbewegt, dann begeistert an, weil es ihnen dabei um nicht wenig politische Macht ging, zum ausschließlichen und monopolistischen Gebrauch.“
– Salvador de Madariaga: Spanien, S. 450
Durch diesen Zusammenschluss der beiden sehr ungleichen Partner hatte Franco das franquistische System in seinen Grundzügen angelegt: aus einer lockeren Koalition war eine Bewegung unter Francos alleiniger Führung geworden. Bald darauf wurden auch die legitimistischen Monarchisten der Bewegung angeschlossen, andere Organisationen wie die CEDA waren zu diesem Zeitpunkt schon aufgelöst.
Die neue Organisation „F.E.T. y de las JONS“, genannt „Movimiento Nacional“ legte in vieler Hinsicht Ideologie und Zielsetzungen der „alten“ Falange ab: konservative und monarchistische Zielsetzungen traten in den Vordergrund, von einer Bodenreform war keine Rede mehr. Andererseits wurden zentrale falangistische Programmpunkte wie der Syndikalismus beibehalten. Die F.E.T. y de las JONS stellte, bedingt durch ihre Heterogenität, einen Kompromiss dar, der allen etwas bot: den spanischen Antimonarchisten ebenso wie den Königstreuen, der alten Rechten ebenso wie den faschistischen, teilweise sozialrevolutionär orientierten Falangisten.
So wurden nach und nach alle politischen Kräfte der nationalspanischen Kriegspartei unter Francos Führung zusammengefasst, während umgekehrt das politische Spektrum auf Seiten der Republik – das noch heterogener als die nationale Seite war[11] – immer uneiniger wurde und (wie in Barcelona im Frühjahr 1937) sogar Bürgerkriege innerhalb des Bürgerkriegs austrug. „Während die Linke in fast jeder wichtigen Frage gespalten ist, findet die Rechte sich immer fester zusammen“.[12] Neben den italienischen Waffenlieferungen war dieses geschlossene Vorgehen der Grund für den Sieg der nationalspanischen Sache über die Republik im Frühjahr 1939. Der Franquismus herrschte nunmehr in ganz Spanien.
Die Phasen des franquistischen Regimes
Franco stellte am 1. April 1939 das Ende des Bürgerkriegs fest.[13] Der Text lautet auf Deutsch wie folgt: „Am heutigen Tage wurde die rote Streitmacht gefangengesetzt und entwaffnet, und die nationalen Truppen haben ihre militärischen Endziele erreicht. Der Krieg ist beendet.
Die Franco-Diktatur begann nach dem militärischen Erfolg mit einer etwa fünfjährigen Phase gewaltsamer Säuberungen, gefolgt von einem eher ideologisch geprägten Zeitabschnitt, in dem versucht wurde, Ansätze einer Planwirtschaft durchzusetzen. Ab etwa Ende der 1950er Jahre bis zu Francos Tod folgte eine lange Zeit der politischen und gesellschaftlichen Lethargie, der jedoch eine beachtliche wirtschaftliche Belebung gegenüberstand.[14]
Der Umstand, dass sich der Franquismus nach den vorangegangenen Phasen politischer Instabilität fast vierzig Jahre lang halten konnte, wird nicht zuletzt darauf zurückgeführt, dass sich Franco nach dem Sieg im Bürgerkrieg in einer Position sah, die ihm praktisch absolute Macht einräumte und ihm erlaubte, sein Herrschaftssystem nach seinem Gutdünken zu gestalten.
Die „Blaue Periode“
Verkörpert im so genannten „Estado Nuevo“, zeigte sich der Franquismus in den Jahren des Spanischen Bürgerkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit als grausame Despotie in einem verwüsteten, bankrotten und wirtschaftlich am Boden liegenden Land. Nach der Parteifarbe der Falange wurden die Säuberungsaktionen auch als „blauer Terror“ bezeichnet. Vom Beginn des Bürgerkriegs an dominierten in den nationalspanisch beherrschten Landesteilen Repression, Folter und Rache am politischen Gegner. Die spanische Gesellschaft teilte sich in Sieger und Besiegte, und „[die] Besiegten, die in den Augen Francos das absolut Böse verkörpert hatten, sollten zahlen und büßen“.[15] Schon am 13. Februar 1939 wurde ein Dekret über das „Verfahren mit politischen Missetätern“ in Kraft gesetzt, das Aktivitäten, die von Franco als umstürzlerische Tätigkeit angesehen wurden, bis zurück in das Jahr 1934 rückwirkend unter Strafe stellte.[16]
Hinter den Verbrechen des „nationalen“ Lagers steht, wie etwa der Historiker Carlos Collado Seidel schreibt, eine „tendenziell genozidale Intention“, die Spanien durch die „physische Vernichtung alles als unspanisch wahrgenommenen Lebens“ reinigen wollte.[17] Francos Presseattaché gab zu Protokoll, für das Ziel, das Krebsgeschwür des Marxismus in einer blutigen Operation aus dem spanischen Volkskörper zu entfernen, dürfe ein Drittel der männlichen Bevölkerung Spaniens eliminiert werden.[18] In dieser Vernichtungsabsicht besteht nach Ansicht mancher Historiker ein grundlegender qualitativer Unterschied zu den im Bürgerkrieg begangenen (und auch quantitativ geringeren)[19] Repressionen der republikanischen Seite.[20][21]
Die Zahl der politisch motivierten Hinrichtungen ging in die Hunderttausende. Bernecker gibt die Zahl derer, die im franquistischen Spanien zwischen 1936 und 1944 durch politischen Mord und Justizverbrechen ums Leben kamen, mit bis zu 400.000 Menschen an. Neuere Schätzungen (u. a. von Michael Richards) gehen von 150.000 bis 200.000 Opfern aus. Die Exekutierten wurden in der Regel anonym in Massengräbern beigesetzt, um sie dort dem Vergessen zu überantworten; in Galicien soll darum sogar die Ausstellung von Totenscheinen verweigert worden sein.
Mindestens rund 35.000 ermordete Anhänger der Republik, die außerhalb der Dörfer und Städte verscharrt worden waren, sollen bis heute in zumeist ungekennzeichneten Massengräbern liegen. Diese Schätzung wurde nach jüngsten Forschungsergebnissen aber um ein Vielfaches nach oben korrigiert.[22] Allein für Andalusien wird neuerdings die Zahl der „verschwundenen“ Republikaner mit 70.000 angegeben.[23] Die Personenerfassung seitens der Hinterbliebenenverbände, der erste Versuch einer gründlichen Zählung, ergab eine vorläufige Zahl von 143.353 (Stand Mitte 2008).[24]
In der Literatur wird die Zahl der politischen Häftlinge nach dem Bürgerkrieg zumeist auf ca 1,5 Millionen geschätzt. Sie und ihre Angehörigen wurden beispielsweise bei der Zuteilung von Lebensmittelmarken systematisch benachteiligt, hatten ständige Demütigungen hinzunehmen und lebten auch nach Entlassung aus der Haft stets in Angst vor einer erneuten Inhaftierung. Die Kinder von Republikanern wurden vielfach von ihren Familien getrennt und der Obhut der katholischen Kirche übergeben. Die aktuelle Forschung spricht von 30.000 solcher Fälle von politisch motivierter Kindesentziehung.[25] Mit nationalsozialistischer Unterstützung wurden medizinische Studien an in Konzentrationslagern inhaftierten politischen Häftlingen vorgenommen, die im Zusammenhang mit ihren marxistischen Anschauungen deren angebliche geistige und rassenbiologische Minderwertigkeit belegen sollten.[26]
Nach seiner Konsolidierung ging das Regime allmählich zu weniger offen gewaltsamen Repressionsmaßnahmen über. Doch die letzten Konzentrationslager Francos,[27] von denen es über ganz Spanien verteilt rund 190 gegeben hat und in die bald eine halbe Million Parteigänger der spanischen Republik, und während des Zweiten Weltkriegs auch einige zehntausend Flüchtlinge aus ganz Europa interniert wurden,[28] wurden erst 1962 geschlossen. Hinzu kamen Strafbataillone (Batallones de Trabajadores, kurz: BB.TT.), deren Angehörige etwa im Straßen- und Bahnbau, in der Stahlindustrie, als Minenarbeiter oder zur Arbeit an gewissen Prestigebauten des Regimes wie etwa dem Valle de los Caídos eingesetzt wurden. Allein im Gebiet der westlichen Pyrenäen (Navarra) wurden 15.000 politische Häftlinge als „Sklavenarbeiter“[29] aus ganz Spanien zur Zwangsarbeit im Straßenbau verpflichtet.
Rund 500.000 Menschen, darunter allein 150.000 Basken, flüchteten ab 1939 hauptsächlich nach Frankreich, wo sie in verschiedene Internierungslager interniert wurden. Einige der Flüchtlinge konnten aber auch nach Mexiko emigrieren, wohin sich auch die republikanische Exilregierung wandte. Hierbei handelte es sich um die größte Exilantenbewegung der spanischen Geschichte. Führende Politiker der Republik wurden jedoch von Vichy-Frankreich oder durch die Gestapo an Spanien ausgeliefert und dort – wie im Falle von Lluís Companys – hingerichtet. In der Forschung ist von 13.000 „Rotspaniern“ die Rede, die nach der Besetzung Frankreichs durch Hitlers Truppen aufgegriffen wurden und den Weg in deutsche Konzentrationslager nahmen, wo mindestens 10.000 von ihnen ums Leben gekommen sein sollen – 7.000 davon allein im KZ Mauthausen. Bekannt ist in diesem Zusammenhang der Interbrigadistenblock im KZ Dachau. Etwa die Hälfte aller Exilanten ist demnach aufgrund einer Anzahl von Straferlassen – wie Ende 1939 einer Teilamnestie für kleinere Vergehen der „Marxisten“ – in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wieder heimgekehrt. Eine Generalamnestie wurde jedoch niemals ausgesprochen, und so kehrten sehr viele Spanier erst nach Francos Tod aus dem Exil zurück.
1946 hatte die UNO einen diplomatischen Boykott gegen Spanien verhängt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war das Franco-Regime außenpolitisch und wirtschaftlich fast vollständig isoliert. Dies führte zu großen Problemen bei der Versorgung der Bevölkerung. Erst 1953 konnte Franco vor dem Hintergrund des Kalten Krieges mit den USA ein Truppenstationierungsabkommen abschließen. Wenig später wurde ein Konkordat mit dem Vatikan geschlossen. 1955 trat das Land schließlich der UNO bei.
Der Spätfranquismus
Der außenpolitischen Offensive zur Absicherung des Franquismus folgten keine politischen Freiheiten. Erst unter dem Druck eines bevorstehenden wirtschaftlichen Kollapses und nach wachsenden Protesten der Bevölkerung erfolgte, nach einem fast vollständigen Austausch der Regierungsmannschaft durch ein Technokratenregime, eine wirtschaftspolitische Liberalisierung, die von konservativen Eliten wie etwa Angehörigen des Opus Dei getragen wurde.
Die Phase des Regimes, die mit diesem wirtschaftlichen Umschwung anhob, wird als tardofranquismo („Spätfranquismus“) bezeichnet. Mit der allerdings erst spät einsetzenden wirtschaftlichen Gesundung Spaniens und dem daraus folgenden zunehmendem Wohlstand breiterer Schichten der spanischen Bevölkerung konsolidierte Franco seine Herrschaft noch einmal. Dieser wirtschaftspolitische Paradigmenwechsel, der innenpolitisch mit dem relativen Machtverlust des Militärs und des Movimiento einherging, wurde dadurch ermöglicht, dass Franco auf Grundlage der außenpolitischen Erfolge auch die innere Lage stabilisieren konnte.
Franco-Statue in Santander
Der Franquismus endete in einem Staat, der zwar eine autoritäre Diktatur geblieben war, andererseits aber seine Bürger im Alltag weitgehend unbehelligt ließ – wenngleich in den letzten Jahren des Franquismus die Repression wegen der Aktivitäten der ETA und weiterer oppositioneller Gruppen wieder zunahm. Franco vertrat bis zu seinem Tod antimodernistische staatspolitische Vorstellungen. Er gestand der Bevölkerung kaum demokratische Rechte und keine Koalitionsfreiheit außerhalb der vom System kontrollierten Syndikate zu und behielt sich als Diktator vor, jederzeit nach seinem Ermessen sämtliche Instrumente politischer und gesellschaftspolitischer Unterdrückung gegen jede Art von Opposition einzusetzen. Die staatlichen Institutionen von der Staatspartei Movimiento Nacional bis zu den ständischen Organisationen der Sindicatos verticales blieben bis zuletzt Instrumente der persönlichen Machtausübung des Caudillo. Der franquistische Staat übertrug der Polizei (einschließlich der Guardia Civil) und den Sicherheitsdiensten erhebliche Macht. Die internen Sicherheitskräfte waren in vieler Hinsicht besser ausgerüstet und organisiert als die spanische Armee. Besonders die Guardia Civil bekämpfte jahrzehntelang mit erheblicher Brutalität alle Versuche, unabhängige, partikularistische oder oppositionelle Parteien und Gewerkschaften zu bilden oder entsprechende persönliche Meinungen zu äußern.
Der franquistische Staat wurde nach dem Tod des Diktators 1975 binnen weniger Jahre im Rahmen einer Transition (spanisch Transición) beispielhaft friedlich – mit der Ausnahme des Putschversuchs in den Cortes am 23. Februar 1981 – in eine parlamentarische Monarchie umgewandelt.
Das System des Franquismus
Spanisches Wappen zur Zeit des Franquismus
Francos System bestand in der Hauptsache – wie Hugh Thomas und Bernecker übereinstimmend feststellen – aus einem Kompromiss zwischen Militär, Movimiento Nacional und katholischer Kirche. Seine Fähigkeit bestand darin, dass er fortwährend alle diese innenpolitischen Gruppierungen, die ihn stützten bzw. die er nicht ignorieren konnte, gegeneinander ausspielte. Daneben gab es, wie Bernecker ausführt, mit den Latifundisten und der Großfinanz weitere Gruppierungen, die zahlenmäßig weniger bedeutend waren, aber deren Einfluss in Spanien unübersehbar war. Außerdem sind in dem Zusammenhang die Acción Católica und nicht zuletzt das erst in späteren Jahren einflussreiche Opus Dei zu nennen. Im Zusammenhang mit dem Aufbau des franquistischen Staats dürfen ferner die Zwangskorporationen, die „Sindicatos verticales“, nicht vergessen werden.
Mit den einzelnen Phasen des Regimes wechselten auch die Stützen des Staates, ihre Bedeutung für das System oder der Grad ihrer Loyalität zu Franco – der Diktator selbst war die einzige echte Konstante des Systems. Auf lange Sicht verloren nicht nur die Anhänger der Spanischen Republik, sondern auch viele Gruppen, die Franco im Bürgerkrieg an die Macht gebracht hatten, an Einfluss zugunsten des Despotismus eines Einzelnen und seiner Vasallen.
„Die Ziele, für die man gekämpft hatte, waren 1939 … mehr oder minder tot. Aus leidenschaftlichen ideellen Konflikten war zum Schluss nur noch ein opportunistisches Tauziehen um die Weiterexistenz der Kämpfenden geworden. Liberalismus und Freimaurerei waren ausgetrieben, aber die Kirche war von der Falange praktisch entmachtet. Die sozialen Ziele der Falange jedoch waren fast ebenso verblichen wie die der Kommunisten, Anarchisten und Sozialdemokraten. Carlisten und legitime Monarchisten konnten ihren Standpunkt nicht durchsetzen. Auf dieser Schädelstätte der Ideologien thronte triumphierend ein kühler, farbloser, grauer Mann, der den Spanischen Bürgerkrieg überlebt hatte wie Octavian den römischen. Cäsar und Pompeius, Brutus und Antonius, Cato und Cicero – alle diese Genies ermangelten des geringeren Talents, die Dinge überleben zu können. Francisco Franco war der Octavian Spaniens.“
– Hugh Thomas: Der Spanische Bürgerkrieg, S. 465.
So hier unterbrechen wir, wer weiterlesen möchte, hier der Link:
http://de.wikipedia.org/wiki/Franquismus
Historische Flagge? Spanische Flagge zur Zeit des Franco-Regimes in der Version von 1945 bis 1977
Die Herrschaftsform bzw. das System des Franquismus gilt als ausgesprochen personalistisch, das heißt: Sie war in größerem Maße durch die Person des Diktators als durch eine bestimmte Ideologie geprägt. Der als wenig charismatisch geltende Franco verstand es, sich seine fast unumschränkte Macht bis zu seinem Tod im Jahr 1975 zu erhalten. In Spanien gab es während seines Regimes keine kodifizierte Verfassung, sondern nur eine geringe Anzahl von ihm erlassener Grundgesetze mit Verfassungsrang. Franco hielt unter anderem dadurch die Zügel in der Hand, dass er alle wichtigen politischen Ämter, bis hin zur Provinzebene, auf der Basis persönlicher Vertrauensverhältnisse besetzte. Zudem hielt er diejenigen Institutionen, denen er Machtbefugnisse übertragen hatte oder die er nicht ignorieren konnte – unter anderem die Staatspartei Movimiento Nacional, die katholische Kirche und das Militär – dadurch unter Kontrolle, dass er sie fortwährend gegeneinander ausspielte.
Seine Legitimation leitete der Franquismus aus der Sicht seiner Eliten im Wesentlichen aus dem militärischen Sieg im Spanischen Bürgerkrieg ab, der nicht nur als Sieg der eigenen Weltanschauung, sondern darüber hinaus als Verteidigung der spanischen und europäischen Zivilisation und Kultur verstanden wurde. Da der Katholizismus als integrierender Bestandteil der spanischen Kultur betrachtet wurde, kam es zu einer engen Zusammenarbeit von Kirche und Staat im Rahmen des sogenannten nacional-catolicismo („Nationalkatholizismus“).
Der Franco-Staat war während der 39 Jahre seiner Existenz in wirtschaftlicher und außenpolitischer, in geringerem Maße auch in innenpolitischer Hinsicht, bedeutenden Entwicklungen unterworfen. Daher lässt sich die Zeit der Herrschaft des Diktators in mehrere Phasen einteilen. Die anfängliche Despotie, in der massive Vergeltung an den im Bürgerkrieg unterlegenen Bevölkerungsgruppen geübt wurde, wies gewisse Merkmale zeitgenössischer faschistischer Systeme auf und zeigte planwirtschaftliche Züge. Zum Schluss war die Herrschaftsform eher autoritär-konservativ geprägt, und Spanien erlebte nach langer innerer Stagnation ein „Wirtschaftswunder“. Es gelang der Aufstieg vom Niveau eines Entwicklungslandes unter die zehn größten Industrienationen der Erde. Dem ökonomischen Fortschritt stand allerdings keine nennenswerte politische Öffnung im Inneren gegenüber.
Entstehung des franquistischen Systems
Francos Weg zur Macht
→ Hauptartikel: Spanischer Bürgerkrieg
Francisco Francos Herrschaft nahm 1936 mit dem Spanischen Bürgerkrieg in den von der nationalspanischen Koalition beherrschten Teilen Spaniens ihren Anfang. Ausgangspunkt war ein Putsch gegen die wenige Monate zuvor gewählte Regierung der Zweiten Republik, die aus einem Volksfront-Bündnis hervorgegangen war. In der Interimshauptstadt Burgos entstand bereits in der ersten Woche des Bürgerkriegs eine provisorische Junta, die umgehend alle Gewerkschaften und Parteien sowie die Autonomierechte der Regionen aufhob und Streiks verbot.[2]
Dem bereits seit seiner Rolle bei der Niederschlagung des asturischen Bergarbeiteraufstandes von 1934 bei der spanischen Rechten angesehenen Franco gelang es, durch den propagandawirksamen Entsatz Toledos und die besondere Unterstützung Hitlers, der in Franco den fähigsten der putschenden Generäle sah, in dieser Junta eine Führungsrolle zu übernehmen. Am 1. Oktober 1936, später im franquistischen Jahreslauf als „Tag des Caudillo“ festlich begangen, wurde Franco im Thronsaal des Palasts von Burgos von dieser Junta und den Vertretern der befreundeten faschistischen Mächte NS-Deutschland, Italien und Portugal zum Generalísimo aller Streitkräfte ernannt. Gleichfalls am 1. Oktober 1936 wurde die Junta Técnica del Estado zum Zweck der Einrichtung eines provisorischen Staatswesens begründet. Von da an galt Franco als unumschränkter Herrscher der nationalspanischen Bürgerkriegspartei. Die möglichen Rivalen Sanjurjo und Mola kamen während des Bürgerkriegs (am 20. Juli 1936 bzw. am 3. Juni 1937) durch Flugzeugabstürze ums Leben.
Nicht alle Beteiligten an der frente nacional, der Nationalen Front, kämpften – anders als es oft vereinfachend dargestellt wird – im Zeichen und für Ziele des Faschismus. Das Bündnis beruhte vielmehr auf einem recht allgemeinen kleinsten gemeinsamen Nenner: dem von einem rigiden Antikommunismus herrührenden Wunsch nach einem anderen Spanien sowie der Abneigung gegen die Demokratie im Allgemeinen und gegen die herrschende Volksfrontregierung (Frente Popular) im Besonderen. Die Angreifer im Spanischen Bürgerkrieg bestanden aus einer Koalition verschiedenartiger radikaler, aber auch gemäßigt rechter Parteien, Bewegungen und Sympathisanten. Diese umfasste sowohl die Großgrundbesitzer, die rechtsrepublikanisch-katholische Partei CEDA, die akademisch-katholische Laienbewegung Acción Católica als auch Monarchisten und Carlisten bis hin zu der „einzige[n] Gruppe, die man mit einigem Recht für faschistisch halten durfte, die Falange Española“[3] – wobei freilich die Grenzen zum Faschismus bei einigen Organisationen wie insbesondere der Jugendorganisation der CEDA, der Juventudes de Acción Popular (JAP), fließend waren.[4]
Vorrangig wurden, nach Auffassung vieler Historiker, im Spanischen Bürgerkrieg alte Konflikte der mindestens seit der Zeit der napoleonischen Kriege unversöhnlich entzweiten Gesellschaft (Konzept der dos Españas, der „zwei Spanien“) gewaltsam ausgetragen, die oft nur oberflächlich mit den politischen, ideologischen und sozialen Streitfragen des damaligen Europas verbunden waren.[5]
„Über viele Jahre hin [wurde Spanien] durch politische Mißgriffe und durch die Verschleppung alter sozialer und politischer Übel in einen hoffnungslosen Zustand des Chaos und der Anarchie manövriert […]“
– Hans-Christian Kirsch (Hrsg.): Der Spanische Bürgerkrieg in Augenzeugenberichten[6]
Die Putschisten hatten, wie bereits beim vereitelten Putschversuch Sanjurjos von 1932, ohne vorherige klare politische Zielvorstellungen gehandelt. Die beteiligten Generäle erwarteten nämlich, binnen weniger Tage die Herrschaft über das Land erringen zu können, ohne hierbei auf Bundesgenossen wie die Falange angewiesen zu sein (die Carlisten nahmen hingegen an der Verschwörung teil). Abgesehen von einigen Schlagworten und Vorstellungen darüber, was abgeschafft werden sollte, existierte während mehrerer Monate kein weitergehendes Konzept für die angestrebte politische Nachkriegsordnung, auf das sich alle Mitglieder der Nationalen Front hätten einigen können.
Im Detail waren die politischen Ziele der Koalitionsteilnehmer vielfach fast völlig unvereinbar. Franco sah die Gefahr des Scheiterns und strebte danach, die auf nationalspanischer Seite am Bürgerkrieg teilnehmenden Kräfte möglichst umgehend unter seiner Führung zu vereinen und die Deutungshoheit über Sinn und Zweck des Kampfes gegen die Republik zu erlangen.
Der Griff nach der Falange
Ayerbe: Graffiti aus der Zeit des Bürgerkriegs
Mit der Rolle des Anführers der Junta konnte sich Francisco Franco auf Dauer nicht zufriedengeben. Er wollte nach seinem ausdrücklichen Bekunden die Fehler des früheren spanischen Diktators Miguel Primo de Rivera vermeiden, dessen Diktatur zwischen 1923 und 1930 nie über eine „persönliche Militärdiktatur lateinamerikanischen Stils“[7] hinausgekommen war, weil seine Herrschaft jeder politischen Inspiration, Doktrin oder Struktur entbehrt hatte. Zur Vereinigung der spanischen Rechten unter seiner Führung bedurfte es jedoch eines geeigneten Sammelbeckens. Er fand es in der „Falange Española de las JONS“, die aufgrund ihres Führerprinzips (caudillaje) dafür besonders geeignet schien.
1934, noch zu Zeiten der Zweiten Republik, hatte sich die 1933 gegründete Falange Española mit den ihr weltanschaulich nahestehenden Juntas de Ofensiva Nacional Sindicalista (JONS), zu deutsch „Vereinigungen der Nationalsyndikalistischen Offensive“ zur „Falange Española de las JONS“ zusammengeschlossen. Die neue Organisation propagierte in einem aus 27 Punkten bestehenden Parteiprogramm aus dem Jahr 1934 unter anderem die Abschaffung der Demokratie und einen „nationalen Syndikalismus“. Unter Letzterem verstand sie die Erfassung der Bevölkerung in ständischen Organisationen. Hierbei beschränkte sich der Falangismus jedoch im Wesentlichen auf die Zwangsmitgliedschaft aller Arbeitsfähigen in so genannten Syndikaten. Ferner enthielt das Programm Forderungen nach Verstaatlichung des Bankenwesens und einer radikalen Agrarreform.
Der Anführer der Falange, José Antonio Primo de Rivera, Sohn Miguel Primo de Riveras, glorifizierte ähnlich wie Mussolini das Soldatentum. Der 1935 aus der Falange wieder ausgeschlossene Ramiro Ledesma, vormals Anführer der JONS, war ein offener Bewunderer der faschistischen Squadren, die Italien in den Jahren um den „Marsch auf Rom“ (Herbst 1922) mit Terror überzogen hatten. Der Einfluss dieser Partei mit ihren etwa acht- bis zehntausend Mitgliedern war während der gesamten Zweiten Republik zu vernachlässigen. In den letzten Wahlen von 1936 hatte sie nicht ein einziges Mandat erhalten.[3] Sie gehörte auch nicht zu den Urhebern des pronunciamiento im Juli 1936. Obwohl die Falange von den Putschplänen wusste, war sie nicht daran beteiligt.
Gedenkkreuz für Primo de Rivera jun. an der Kathedrale von Cuenca
Am 20. November 1936 wurde der bereits seit März dieses Jahres inhaftierte José Antonio Primo de Rivera durch die spanische Republik nach einem Gerichtsverfahren hingerichtet und die Partei damit führerlos. Franco (dem Beevor nachsagt, dass er einen Befreiungsversuch persönlich unterbunden habe, um keinen charismatischen Rivalen im eigenen Lager zu haben)[8] bemächtigte sich an Stelle des vorläufigen Führers der Falange, Manuel Hedilla, handstreichartig der geschwächten und zerstrittenen falangistischen Bewegung und wurde deren Caudillo (span. ‚Anführer‘). Er hatte der Falange vorher weder angehört noch politisch nahegestanden. Dieser Erhebung Francos zum Caudillo wohnt etwas Zufälliges inne. Hätte sich eine andere Bewegung mit vergleichbarer Verfassung und ähnlicher Eignung für die Herrschaft über einen autoritären Staat angeboten, hätte Franco sich wohl ebenso gut dieser anderen Bewegung bedient. Ironischerweise hatte Primo de Rivera junior aus der Zelle heraus seine Anhänger ermahnt:
„‚Passt auf die Rechte auf … Die Falange ist keine konservative Kraft.‘ Sie sollten sich nicht als Außenseiter an einer Bewegung beteiligen, ‚die nicht zur Errichtung des national-syndikalistischen Staats führen wird.‘ Offensichtlich wusste er, dass ein solcher Versuch bevorstand […] Nur wenige Tage vor Ausbruch des nationalistischen Aufstands, am 12. Juli, schrieb er an einen Freund: ‚Eines der schrecklichsten Dinge würde die nationalrepublikanische Diktatur sein. Ein anderer falscher Versuch, den ich befürchte, ist […] die Herrschaft eines falschen, konservativen Faschismus ohne revolutionären Mut und junges Blut.‘ […] Was er befürchtete, war genau das, was eintrat.“
– Francis L. Carsten: Der Aufstieg des Faschismus in Europa, S. 237
Franco zeigte bald darauf, dass er sich der Falange hauptsächlich zum Zweck der Machtergreifung und als Klammer für die Parteien und Bewegungen der frente nacional bemächtigt hatte. Ernst Nolte geht so weit zu sagen, dass „der spanische Faschismus […] den konservativen Mächten nicht mehr bloß verbündet, sondern versklavt war“.[9] Mit den Zielsetzungen der Falange identifizierte Franco sich wenig, obwohl er gewisse Punkte und Forderungen des Parteiprogramms umsetzte. Das falangistische Programm von nunmehr sechsundzwanzig Punkten wurde in den Rang einer Staatsdoktrin erhoben, während Franco dieses Programm nur als Ausgangspunkt bezeichnete, das nach den Anforderungen der Zeit abzuwandeln sei. Darum nahm er die falangistischen Vorstellungen auf und ließ sie wieder fallen, wann immer das opportun erschien.
„General Franco hatte nicht die geringste Absicht, die revolutionären Losungen und Forderungen der Falange zu übernehmen, mit denen er keinerlei Sympathie hatte. Er war ein Konservativer der alten Schule und der Aufstand der Generale ein Putsch, und nicht die soziale und nationale Revolution, von der die Falange geträumt hatte. […] Da er [Primo de Rivera jun.] die Kreise des Regimes nicht mehr stören konnte, wurde er zum offiziellen Märtyrer und Schutzheiligen der Diktatur Francos, einer Diktatur, deren erklärter Gegner er sicherlich geworden wäre, falls sein Leben länger gedauert hätte.“
– Francis L. Carsten: Der Aufstieg des Faschismus in Europa, S. 237 f.
Die Gründung der franquistischen Staatspartei
Erkennungsmarke der Falange Española de las JONS während des Bürgerkriegs
Der 19. April 1937 ist die eigentliche Geburtsstunde des franquistischen Staates. An diesem Tag wurde die revolutionär-antimonarchistische Falange mit der monarchistisch-absolutistischen und daher im Spektrum der rechten Bewegungen genau entgegengesetzten carlistischen Comunión Tradicionalista zur Einheitspartei Falange Española Tradicionalista y de las JONS zusammengeschlossen. Diese eigenartige Vereinigung einer revolutionären mit einer reaktionären Bewegung[10] kam auf das Betreiben von Francos Schwager Ramón Serrano Súñer zustande, der selbst weder der Falange noch den Carlisten, sondern der CEDA angehörte. Serrano hatte Franco die Vereinigung vorgeschlagen, da seiner Ansicht nach keine der an der nationalspanischen Koalition beteiligten Fraktionen den „Anforderungen des Tages“ entsprach. Er selbst wurde auf Wunsch Francos der erste Generalsekretär der neuen Partei und befasste sich damit, die verschiedenen Teile der neuen Bewegung zu koordinieren. Dies gelang ihm aber nicht vollständig, da nicht alle Falangisten sich dem neuen Kurs anschließen wollten. Ansonsten ließen die vorher selbständigen Organisationen die Vereinigung geschehen, da Franco ihnen für die Zeit nach Abschluss des Bürgerkriegs die Beteiligung an der Macht in Aussicht stellte.
„Die olympische Verachtung, die Franco für die Spanier, für Freund und Feind empfand, äußerte sich von Anfang an in der Auffassung von dem Staat, zu dessen Oberhaupt er sich ausrief. […] Unterstützt von einem unübersichtlichen Konglomerat von Faschisten, die sich „Falangisten“ nannten (d. h. Republikaner und Syndikalisten), „Traditionalisten“, also religiös verwurzelten Karlisten, „Juntas de ofensiva nacional sindicalista“, also Nazis mit Knoblauchsuppe, knetete er diese seelenruhig wie einen Brotteig zusammen zur „Falange Española Tradicionalista y de las JONS“. Konnte man sich eine größere Beleidigung dieser drei Gruppen mit ihren grundverschiedenen Ideologien denken? Aber sie hörten ihn unbewegt, dann begeistert an, weil es ihnen dabei um nicht wenig politische Macht ging, zum ausschließlichen und monopolistischen Gebrauch.“
– Salvador de Madariaga: Spanien, S. 450
Durch diesen Zusammenschluss der beiden sehr ungleichen Partner hatte Franco das franquistische System in seinen Grundzügen angelegt: aus einer lockeren Koalition war eine Bewegung unter Francos alleiniger Führung geworden. Bald darauf wurden auch die legitimistischen Monarchisten der Bewegung angeschlossen, andere Organisationen wie die CEDA waren zu diesem Zeitpunkt schon aufgelöst.
Die neue Organisation „F.E.T. y de las JONS“, genannt „Movimiento Nacional“ legte in vieler Hinsicht Ideologie und Zielsetzungen der „alten“ Falange ab: konservative und monarchistische Zielsetzungen traten in den Vordergrund, von einer Bodenreform war keine Rede mehr. Andererseits wurden zentrale falangistische Programmpunkte wie der Syndikalismus beibehalten. Die F.E.T. y de las JONS stellte, bedingt durch ihre Heterogenität, einen Kompromiss dar, der allen etwas bot: den spanischen Antimonarchisten ebenso wie den Königstreuen, der alten Rechten ebenso wie den faschistischen, teilweise sozialrevolutionär orientierten Falangisten.
So wurden nach und nach alle politischen Kräfte der nationalspanischen Kriegspartei unter Francos Führung zusammengefasst, während umgekehrt das politische Spektrum auf Seiten der Republik – das noch heterogener als die nationale Seite war[11] – immer uneiniger wurde und (wie in Barcelona im Frühjahr 1937) sogar Bürgerkriege innerhalb des Bürgerkriegs austrug. „Während die Linke in fast jeder wichtigen Frage gespalten ist, findet die Rechte sich immer fester zusammen“.[12] Neben den italienischen Waffenlieferungen war dieses geschlossene Vorgehen der Grund für den Sieg der nationalspanischen Sache über die Republik im Frühjahr 1939. Der Franquismus herrschte nunmehr in ganz Spanien.
Die Phasen des franquistischen Regimes
Franco stellte am 1. April 1939 das Ende des Bürgerkriegs fest.[13] Der Text lautet auf Deutsch wie folgt: „Am heutigen Tage wurde die rote Streitmacht gefangengesetzt und entwaffnet, und die nationalen Truppen haben ihre militärischen Endziele erreicht. Der Krieg ist beendet.
Die Franco-Diktatur begann nach dem militärischen Erfolg mit einer etwa fünfjährigen Phase gewaltsamer Säuberungen, gefolgt von einem eher ideologisch geprägten Zeitabschnitt, in dem versucht wurde, Ansätze einer Planwirtschaft durchzusetzen. Ab etwa Ende der 1950er Jahre bis zu Francos Tod folgte eine lange Zeit der politischen und gesellschaftlichen Lethargie, der jedoch eine beachtliche wirtschaftliche Belebung gegenüberstand.[14]
Der Umstand, dass sich der Franquismus nach den vorangegangenen Phasen politischer Instabilität fast vierzig Jahre lang halten konnte, wird nicht zuletzt darauf zurückgeführt, dass sich Franco nach dem Sieg im Bürgerkrieg in einer Position sah, die ihm praktisch absolute Macht einräumte und ihm erlaubte, sein Herrschaftssystem nach seinem Gutdünken zu gestalten.
Die „Blaue Periode“
Verkörpert im so genannten „Estado Nuevo“, zeigte sich der Franquismus in den Jahren des Spanischen Bürgerkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit als grausame Despotie in einem verwüsteten, bankrotten und wirtschaftlich am Boden liegenden Land. Nach der Parteifarbe der Falange wurden die Säuberungsaktionen auch als „blauer Terror“ bezeichnet. Vom Beginn des Bürgerkriegs an dominierten in den nationalspanisch beherrschten Landesteilen Repression, Folter und Rache am politischen Gegner. Die spanische Gesellschaft teilte sich in Sieger und Besiegte, und „[die] Besiegten, die in den Augen Francos das absolut Böse verkörpert hatten, sollten zahlen und büßen“.[15] Schon am 13. Februar 1939 wurde ein Dekret über das „Verfahren mit politischen Missetätern“ in Kraft gesetzt, das Aktivitäten, die von Franco als umstürzlerische Tätigkeit angesehen wurden, bis zurück in das Jahr 1934 rückwirkend unter Strafe stellte.[16]
Hinter den Verbrechen des „nationalen“ Lagers steht, wie etwa der Historiker Carlos Collado Seidel schreibt, eine „tendenziell genozidale Intention“, die Spanien durch die „physische Vernichtung alles als unspanisch wahrgenommenen Lebens“ reinigen wollte.[17] Francos Presseattaché gab zu Protokoll, für das Ziel, das Krebsgeschwür des Marxismus in einer blutigen Operation aus dem spanischen Volkskörper zu entfernen, dürfe ein Drittel der männlichen Bevölkerung Spaniens eliminiert werden.[18] In dieser Vernichtungsabsicht besteht nach Ansicht mancher Historiker ein grundlegender qualitativer Unterschied zu den im Bürgerkrieg begangenen (und auch quantitativ geringeren)[19] Repressionen der republikanischen Seite.[20][21]
Die Zahl der politisch motivierten Hinrichtungen ging in die Hunderttausende. Bernecker gibt die Zahl derer, die im franquistischen Spanien zwischen 1936 und 1944 durch politischen Mord und Justizverbrechen ums Leben kamen, mit bis zu 400.000 Menschen an. Neuere Schätzungen (u. a. von Michael Richards) gehen von 150.000 bis 200.000 Opfern aus. Die Exekutierten wurden in der Regel anonym in Massengräbern beigesetzt, um sie dort dem Vergessen zu überantworten; in Galicien soll darum sogar die Ausstellung von Totenscheinen verweigert worden sein.
Mindestens rund 35.000 ermordete Anhänger der Republik, die außerhalb der Dörfer und Städte verscharrt worden waren, sollen bis heute in zumeist ungekennzeichneten Massengräbern liegen. Diese Schätzung wurde nach jüngsten Forschungsergebnissen aber um ein Vielfaches nach oben korrigiert.[22] Allein für Andalusien wird neuerdings die Zahl der „verschwundenen“ Republikaner mit 70.000 angegeben.[23] Die Personenerfassung seitens der Hinterbliebenenverbände, der erste Versuch einer gründlichen Zählung, ergab eine vorläufige Zahl von 143.353 (Stand Mitte 2008).[24]
In der Literatur wird die Zahl der politischen Häftlinge nach dem Bürgerkrieg zumeist auf ca 1,5 Millionen geschätzt. Sie und ihre Angehörigen wurden beispielsweise bei der Zuteilung von Lebensmittelmarken systematisch benachteiligt, hatten ständige Demütigungen hinzunehmen und lebten auch nach Entlassung aus der Haft stets in Angst vor einer erneuten Inhaftierung. Die Kinder von Republikanern wurden vielfach von ihren Familien getrennt und der Obhut der katholischen Kirche übergeben. Die aktuelle Forschung spricht von 30.000 solcher Fälle von politisch motivierter Kindesentziehung.[25] Mit nationalsozialistischer Unterstützung wurden medizinische Studien an in Konzentrationslagern inhaftierten politischen Häftlingen vorgenommen, die im Zusammenhang mit ihren marxistischen Anschauungen deren angebliche geistige und rassenbiologische Minderwertigkeit belegen sollten.[26]
Nach seiner Konsolidierung ging das Regime allmählich zu weniger offen gewaltsamen Repressionsmaßnahmen über. Doch die letzten Konzentrationslager Francos,[27] von denen es über ganz Spanien verteilt rund 190 gegeben hat und in die bald eine halbe Million Parteigänger der spanischen Republik, und während des Zweiten Weltkriegs auch einige zehntausend Flüchtlinge aus ganz Europa interniert wurden,[28] wurden erst 1962 geschlossen. Hinzu kamen Strafbataillone (Batallones de Trabajadores, kurz: BB.TT.), deren Angehörige etwa im Straßen- und Bahnbau, in der Stahlindustrie, als Minenarbeiter oder zur Arbeit an gewissen Prestigebauten des Regimes wie etwa dem Valle de los Caídos eingesetzt wurden. Allein im Gebiet der westlichen Pyrenäen (Navarra) wurden 15.000 politische Häftlinge als „Sklavenarbeiter“[29] aus ganz Spanien zur Zwangsarbeit im Straßenbau verpflichtet.
Rund 500.000 Menschen, darunter allein 150.000 Basken, flüchteten ab 1939 hauptsächlich nach Frankreich, wo sie in verschiedene Internierungslager interniert wurden. Einige der Flüchtlinge konnten aber auch nach Mexiko emigrieren, wohin sich auch die republikanische Exilregierung wandte. Hierbei handelte es sich um die größte Exilantenbewegung der spanischen Geschichte. Führende Politiker der Republik wurden jedoch von Vichy-Frankreich oder durch die Gestapo an Spanien ausgeliefert und dort – wie im Falle von Lluís Companys – hingerichtet. In der Forschung ist von 13.000 „Rotspaniern“ die Rede, die nach der Besetzung Frankreichs durch Hitlers Truppen aufgegriffen wurden und den Weg in deutsche Konzentrationslager nahmen, wo mindestens 10.000 von ihnen ums Leben gekommen sein sollen – 7.000 davon allein im KZ Mauthausen. Bekannt ist in diesem Zusammenhang der Interbrigadistenblock im KZ Dachau. Etwa die Hälfte aller Exilanten ist demnach aufgrund einer Anzahl von Straferlassen – wie Ende 1939 einer Teilamnestie für kleinere Vergehen der „Marxisten“ – in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wieder heimgekehrt. Eine Generalamnestie wurde jedoch niemals ausgesprochen, und so kehrten sehr viele Spanier erst nach Francos Tod aus dem Exil zurück.
1946 hatte die UNO einen diplomatischen Boykott gegen Spanien verhängt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war das Franco-Regime außenpolitisch und wirtschaftlich fast vollständig isoliert. Dies führte zu großen Problemen bei der Versorgung der Bevölkerung. Erst 1953 konnte Franco vor dem Hintergrund des Kalten Krieges mit den USA ein Truppenstationierungsabkommen abschließen. Wenig später wurde ein Konkordat mit dem Vatikan geschlossen. 1955 trat das Land schließlich der UNO bei.
Der Spätfranquismus
Der außenpolitischen Offensive zur Absicherung des Franquismus folgten keine politischen Freiheiten. Erst unter dem Druck eines bevorstehenden wirtschaftlichen Kollapses und nach wachsenden Protesten der Bevölkerung erfolgte, nach einem fast vollständigen Austausch der Regierungsmannschaft durch ein Technokratenregime, eine wirtschaftspolitische Liberalisierung, die von konservativen Eliten wie etwa Angehörigen des Opus Dei getragen wurde.
Die Phase des Regimes, die mit diesem wirtschaftlichen Umschwung anhob, wird als tardofranquismo („Spätfranquismus“) bezeichnet. Mit der allerdings erst spät einsetzenden wirtschaftlichen Gesundung Spaniens und dem daraus folgenden zunehmendem Wohlstand breiterer Schichten der spanischen Bevölkerung konsolidierte Franco seine Herrschaft noch einmal. Dieser wirtschaftspolitische Paradigmenwechsel, der innenpolitisch mit dem relativen Machtverlust des Militärs und des Movimiento einherging, wurde dadurch ermöglicht, dass Franco auf Grundlage der außenpolitischen Erfolge auch die innere Lage stabilisieren konnte.
Franco-Statue in Santander
Der Franquismus endete in einem Staat, der zwar eine autoritäre Diktatur geblieben war, andererseits aber seine Bürger im Alltag weitgehend unbehelligt ließ – wenngleich in den letzten Jahren des Franquismus die Repression wegen der Aktivitäten der ETA und weiterer oppositioneller Gruppen wieder zunahm. Franco vertrat bis zu seinem Tod antimodernistische staatspolitische Vorstellungen. Er gestand der Bevölkerung kaum demokratische Rechte und keine Koalitionsfreiheit außerhalb der vom System kontrollierten Syndikate zu und behielt sich als Diktator vor, jederzeit nach seinem Ermessen sämtliche Instrumente politischer und gesellschaftspolitischer Unterdrückung gegen jede Art von Opposition einzusetzen. Die staatlichen Institutionen von der Staatspartei Movimiento Nacional bis zu den ständischen Organisationen der Sindicatos verticales blieben bis zuletzt Instrumente der persönlichen Machtausübung des Caudillo. Der franquistische Staat übertrug der Polizei (einschließlich der Guardia Civil) und den Sicherheitsdiensten erhebliche Macht. Die internen Sicherheitskräfte waren in vieler Hinsicht besser ausgerüstet und organisiert als die spanische Armee. Besonders die Guardia Civil bekämpfte jahrzehntelang mit erheblicher Brutalität alle Versuche, unabhängige, partikularistische oder oppositionelle Parteien und Gewerkschaften zu bilden oder entsprechende persönliche Meinungen zu äußern.
Der franquistische Staat wurde nach dem Tod des Diktators 1975 binnen weniger Jahre im Rahmen einer Transition (spanisch Transición) beispielhaft friedlich – mit der Ausnahme des Putschversuchs in den Cortes am 23. Februar 1981 – in eine parlamentarische Monarchie umgewandelt.
Das System des Franquismus
Spanisches Wappen zur Zeit des Franquismus
Francos System bestand in der Hauptsache – wie Hugh Thomas und Bernecker übereinstimmend feststellen – aus einem Kompromiss zwischen Militär, Movimiento Nacional und katholischer Kirche. Seine Fähigkeit bestand darin, dass er fortwährend alle diese innenpolitischen Gruppierungen, die ihn stützten bzw. die er nicht ignorieren konnte, gegeneinander ausspielte. Daneben gab es, wie Bernecker ausführt, mit den Latifundisten und der Großfinanz weitere Gruppierungen, die zahlenmäßig weniger bedeutend waren, aber deren Einfluss in Spanien unübersehbar war. Außerdem sind in dem Zusammenhang die Acción Católica und nicht zuletzt das erst in späteren Jahren einflussreiche Opus Dei zu nennen. Im Zusammenhang mit dem Aufbau des franquistischen Staats dürfen ferner die Zwangskorporationen, die „Sindicatos verticales“, nicht vergessen werden.
Mit den einzelnen Phasen des Regimes wechselten auch die Stützen des Staates, ihre Bedeutung für das System oder der Grad ihrer Loyalität zu Franco – der Diktator selbst war die einzige echte Konstante des Systems. Auf lange Sicht verloren nicht nur die Anhänger der Spanischen Republik, sondern auch viele Gruppen, die Franco im Bürgerkrieg an die Macht gebracht hatten, an Einfluss zugunsten des Despotismus eines Einzelnen und seiner Vasallen.
„Die Ziele, für die man gekämpft hatte, waren 1939 … mehr oder minder tot. Aus leidenschaftlichen ideellen Konflikten war zum Schluss nur noch ein opportunistisches Tauziehen um die Weiterexistenz der Kämpfenden geworden. Liberalismus und Freimaurerei waren ausgetrieben, aber die Kirche war von der Falange praktisch entmachtet. Die sozialen Ziele der Falange jedoch waren fast ebenso verblichen wie die der Kommunisten, Anarchisten und Sozialdemokraten. Carlisten und legitime Monarchisten konnten ihren Standpunkt nicht durchsetzen. Auf dieser Schädelstätte der Ideologien thronte triumphierend ein kühler, farbloser, grauer Mann, der den Spanischen Bürgerkrieg überlebt hatte wie Octavian den römischen. Cäsar und Pompeius, Brutus und Antonius, Cato und Cicero – alle diese Genies ermangelten des geringeren Talents, die Dinge überleben zu können. Francisco Franco war der Octavian Spaniens.“
– Hugh Thomas: Der Spanische Bürgerkrieg, S. 465.
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