Erich von Falkenhayn
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Erich von Falkenhayn
Erich Georg Anton von Falkenhayn (* 11. September 1861 in Burg Belchau; † 8. April 1922 in Schloss Lindstedt bei Potsdam) war ein preußischer General der Infanterie, osmanischer Marschall und im Ersten Weltkrieg preußischer Kriegsminister sowie Chef des Großen Generalstabs.
Leben
Herkunft
Erich war der Sohn von Fedor Tassilo von Falkenhayn (* 6. Februar 1814 in Nakel; † 20. Januar 1896 in Tarnowitz), Gutsherr auf Belchau und Schwirsen und dessen Ehefrau Franziska, geborene Freiin von Rosenberg (* 26. Juni 1826 in Klötzen; † 14. August 1888 in Graudenz).
Militärkarriere
Mit elf Jahren kam Falkenhayn 1872 in die Kadettenanstalt Culm, anschließend wechselte er für drei Jahre in die Preußische Hauptkadettenanstalt Lichterfelde. Am 17. April 1880 trat er mit 18 Jahren als Sekondeleutnant dem Oldenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 91 bei. Ab 1. Oktober 1887 besuchte er drei Jahre lang die Preußische Kriegsakademie in Berlin. Ab 21. Juli 1890 kehrte er zu seinem Regiment nach Oldenburg zurück und wurde am 21. September 1889 zum Premierleutnant ernannt. Am 22. März 1891 trat er in den Großen Generalstab in Berlin ein. Zunächst war er in der Topographischen Sektion, dann in der Eisenbahn-Abteilung tätig, am 25. März 1893 wurde er zum Hauptmann befördert. Am 2. Januar 1894 folgte seine Verwendung im Generalstab des IX. Armee-Korps in Altona. Am 9. Dezember 1895 wurde er Kompaniechef im Infanterie-Regiment „von Borcke“ (4. Pommersches) Nr. 21 in Thorn.
Nach neunmonatigem Dienst ließ sich Falkenhayn am 25. Juni 1896 aus „finanziellen und Karrieregründen“ beurlauben und ging als Militärberater nach China.[1] Als Militärinstrukteur baute er in Wu Chang eine Militärschule nach preußischem Muster auf, ohne aber die Unterstützung der chinesischen Militärbehörden zu finden. 1898 wechselte er ins deutsche Pachtgebiet nach Kiautschou und wurde als Major mit Patent vom 25. März 1899 à la suite als Militärattaché wieder in der Preußischen Armee angestellt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er ab 24. Februar 1900 für kurze Zeit erneut im Großen Generalstab in Berlin verwendet und wechselte am 29. März nach Karlsruhe, um für fünf Monate die Position des Chef des Stabes des dortigen XIV. Armee-Korps zu übernehmen.
Am 7. September 1900 wurde er dem Generalstab des Kommandos des Ostasiatischen Expeditionskorps zugeteilt, das an der Niederschlagung des Boxeraufstandes beteiligt war.[2] Nach einem längeren Aufenthalt in der Mandschurei und in Korea kehrte Falkenhayn wieder in die Heimat zurück.
Am 18. Oktober 1903 wurde er zum Bataillonskommandeur des Braunschweigischen Infanterie-Regiments Nr. 92 in Braunschweig ernannt, am 15. September 1905 wurde er Oberstleutnant. Am 10. April 1906 wurde er abermals im Großen Generalstab verwendet. Ein Jahr später, am 22. März 1907 wurde er Chef des Generalstabes des XVI. Armee-Korps in Metz, am 18. Mai 1908 wurde er zum Oberst befördert. Am 27. Januar 1911 zum Kommandeur des 4. Garde-Regiments zu Fuß in Berlin ernannt, wurde er bereits am 20. Februar 1912 auf Grund unvorhergesehener personeller Engpässe, Chef des Generalstabs beim IV. Armee-Korps in Magdeburg. In dieser Position erreichte er am 22. April 1912 den Rang eines Generalmajor. Falkenhayn war dabei gleichzeitig auch maßgeblich an der Organisation der Kaisermanöver beteiligt.
Kriegsminister Preußens
Am 8. Juli 1913 wurde Falkenhayn überraschend zum preußischen Kriegsminister ernannt. In dieser Position oblag ihm die Umsetzung der im Frühjahr beschlossenen Heeresvorlage 1913, die eine deutliche Aufrüstung Deutschlands vorsah. Ins stärkere Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangte er erstmals durch seine Auftritte vor dem Reichstag im Zusammenhang mit der Zabern-Affäre um den Jahreswechsel 1913/14, wobei er das fragwürdige Verhalten der Militärbehörden in Elsaß-Lothringen vorbehaltlos verteidigte und die Armee gegen Kritik aus der Zivilgesellschaft in Schutz nahm. In der Julikrise des Jahres 1914 gehörte Falkenhayn zu den Schlüsselfiguren um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Wie die meisten Militärs rechnete er damals nicht mit einem europäischen Krieg und hielt die Zeit dafür beim Attentat von Sarajevo wohl auch zunächst nicht für günstig. Trotzdem gehörte er dann aber sehr bald zu denjenigen, die Kaiser Wilhelm II. zur Kriegserklärung drängten.
Erich von Falkenhayn (1915)
Chef des Generalstabes
Im ersten Kriegsjahr löste Falkenhayn nach der Ersten Marneschlacht am 14. September 1914 Helmuth Johannes Ludwig von Moltke als Chef des Generalstabs ab. Nach dem Scheitern des Schlieffenplans versuchte er zuerst Frankreich und England durch den Wettlauf zum Meer (via Nordfrankreich und Belgien zur Nordsee) auszumanövrieren. Das Vorhaben gelang aber nicht und endete nach der Schlacht um Ypern im vollständigen Stellungskrieg an der Westfront. Falkenhayn hatte frühzeitig erkannt, dass ein militärischer Totalsieg nach der Marneschlacht nicht mehr zu erreichen war. Er drängte in einem am 18. November 1914 vorgelegten Memorandum die politische Führung, den Krieg auf dem Verhandlungswege zu beenden, fand aber kein Gehör. Bereits am 20. Januar 1915 wurde Falkenhayn von Adolf Wild von Hohenborn als Kriegsminister abgelöst. Am Tag seiner Ablöse erfolgte seine Beförderung zum General der Infanterie, am 16. Februar 1915 erhielt er für seine bisherigen Leistungen den Orden Pour le Merite. Falkenhayn widmete sich jetzt als Chef der Heeresleitung vollständig der militärischen Organisation der Kriegsführung.
Auffällig an Falkenhayns Position als Minister und Chef des Generalstabs ist, dass seine Machtbasis weniger im Generalstab selbst lag (Falkenhayn hatte Jahre im Ausland, jenseits der sozialen Kontakte und Diskussionen im Stab verbracht) als in seiner Beziehung zum Kaiser selbst, der ihn in gewissem Rahmen schätzte, vor allem aber die Alternative zu ihm, Erich Ludendorff, aus persönlicher Antipathie heraus verabscheute und Hindenburgs Popularität in der Öffentlichkeit fürchtete.[3]
Unterschiedliche strategische Konzeptionen an der Ostfront
Trotz der Erfolge in der Schlacht bei Tannenberg hielt es Falkenhayn für unmöglich, Russland vollständig zu besiegen und gleichzeitig im Westen stark genug zu sein, um dort eine erfolgreiche Defensive gegen die immer stärker werdende Entente aufrecht zu halten. Dies brachte ihn in Konflikt mit Hindenburg und Ludendorff, die das große, aber mangelhaft geführte russische Heer von Norden und Süden umfassen und einkesseln wollten. Viele hohe Offiziere aus dem Umfeld von OberOst, etwa Ludendorffs rechte Hand Max Hoffmann, nannten Falkenhayn ab der Zeit, als dieser die Umklammerungsstrategie im Osten ablehnte, schlichtweg nur noch „den Verbrecher“.[4] Die Ablehnung Falkenhayns resultierte zum einen daraus, dass er fürchtete, beim Erfolg eines solchen Vorgehens von dem Konkurrenten als Generalstabschef abgelöst zu werden, zum anderen hielt er aber weder die Russen für bereits geschlagen, noch wollte er weiter in die Tiefe des russischen Raumes gezogen werden oder den diplomatischen Spielraum des Reiches gegenüber Russland durch Eroberungen verengen.[5]
Falkenhayns Haltung gegenüber seinem Verbündeten Conrad von Hötzendorf, dem Chef der österreichisch-ungarischen Armee war ebenfalls negativ. Im März 1915 hatte er Angriffsabsichten im Westen, die Lage in Galizien war aber nach der Karpatenschlacht ungefestigt. Conrad bat um deutsche Hilfe um seinerseits einen Angriff bei Gorlice führen zu können, Falkenhayn fand diesen Plan erfolgversprechend, verzichtete auf seine eigenen Pläne und gab acht Divisionen für die Ostfront frei. Obwohl der Kriegseintritt Italiens drohte, beteiligte er sich Anfang Mai 1915 energisch an der Durchbruchschlacht in Galizien, wollte aber nach größeren Erfolgen keine Weiterführung des Vormarsches sehen. Das verbündete Österreich brüskierte er zudem, als er die Abtretung des Trentinos an Italien verlangte, um die Bildung einer neuen Front zu verhindern. Im Oktober 1915 gab Falkenhayn Mittel frei um Österreichs Gegner Serbien niederzuringen. Diese Operationen gelangen ebenfalls nur bedingt, nachdem die deutschen Kräfte der Mittelmächte auf Falkenhayns Befehl ihren Vormarsch an der griechischen Grenze einstellen mussten. Falkenhayn befürchtete eine Bindung von Kräften in der Peripherie, die dann für andere Zwecke an der Westfront nicht mehr verlegbar gewesen wären.[6] Im Mai 1916 verweigerte er dann Conrads Ansuchen um deutsche Truppenhilfe für die österreichische Offensive in Südtirol vollständig, u.a. auch deswegen, weil Italien offiziell mit Deutschland noch gar nicht im Kriegszustand war und er wenig Interesse hatte, daran etwas zu ändern.
Ermattungsstrategie, Verdun und Rücktritt
→ Hauptartikel: Schlacht um Verdun
Falkenhayn entwickelte für 1915 eine „Ermattungsstrategie“, die begrenzte Offensiven im Osten und eine Defensive im Westen vorsah. Im Westen wollte er Anfang 1916 vor Verdun in einem überraschenden Vorstoß die Höhenzüge besetzen und mittels massierter Artillerie die Festung beschießen. Die Franzosen hätten so Verdun, die stärkste ihrer Festungen vor der deutschen Grenze, entweder aufgeben müssen – was sie seiner Meinung nach nie tun würden – oder aber sie wären in Verdun „verblutet“. Schon Zeitgenossen sprachen von der „Blutpumpe“ oder „Knochenmühle“ von Verdun.[7] Falkenhayn ging dabei nicht davon aus, auf diese Weise gegen die Entente einen Sieg herbeiführen zu können. Vielmehr erwog er, dass die Verluste auf französischer Seite schwerer zu tragen seien als auf deutscher. Diese Strategie scheiterte unter anderem daran, dass die Franzosen ihre Truppen gemäß Pétains Noria-Prinzip rascher ablösten, während die Einsatzphasen der deutschen Verbände länger waren – was demoralisierend wirkte. Der Abwehrsieg der Franzosen vor Verdun kostete diese zwar enorm hohe Verluste, die Verluste der deutschen Armee waren jedoch - ganz anders als von Falkenhayn erwartet, der vorherige französische Verlustquoten an der Westfront überoptimistisch fortgeschrieben hatte,[8] fast ebenso hoch und damit letztlich sinnlos, da sie am Kräfteverhältnis nichts änderten. Angesichts der materiellen und personellen Überlegenheit der Alliierten, die sich im Kriegsverlauf immer deutlicher abzeichnete, war Falkenhayns Ermattungsstrategie in Verdun zu keinem Zeitpunkt realistisch.[9] Nach den starken alliierten Angriffen an der Somme waren weitere Angriffe bei Verdun nicht mehr vertretbar und der Misserfolg an der Westfront offensichtlich. Auch innenpolitisch war die Schlacht ein einziges „Desaster“, da sie auch den Kronprinz Wilhelm von Preußen, der offiziell in Verdun die 5. Armee führte, in der Öffentlichkeit mit den kaum erträglichen Verlusten in Verbindung brachte.[10]
Die schweren Verluste in der Sommeschlacht im Westen, der Zusammenbruch der österreichischen Front während der gleichzeitigen Brussilow-Offensive im Osten und die für diesen Zeitpunkt, insbesondere von Falkenhayn, nicht erwartete Kriegserklärung Rumäniens brachte die deutsche Heeresleitung in Handlungszwang.[11] Moriz von Lyncker überzeugte schließlich den erzürnten Kaiser, Hindenburg zu einem Immediatsvortrag zu bitten. Dabei hatte nur der Oberbefehlshaber des Heeres das Immediatrecht. Falkenhayn fasste die Intrige richtig auf und bat um den Rücktritt als Chef des Generalstabs, den der Kaiser am 29. August 1916 trotz seines Widerwillens gegenüber dem Feldherrenduo Hindenburg/Ludendorff, das Falkenhayn nachfolgte, auch gewährte.
Rumänien, Palästina und Russland
Erich von Falkenhayn, Kronprinz Boris, Hans von Seeckt, Gerhard Tappen, Oberst Gantschew, General Nikola Schekow, unbekannt, August von Mackensen in Paraćin am 6. November 1915 (von rechts nach links)
Als Ausgleich erhielt Falkenhayn am 6. September 1916 den Oberbefehl über die 9. Armee gegen Rumänien. Er erzwang den Einmarsch in Siebenbürgen, besiegte bei Hermannstadt und Kronstadt zwei rumänische Armeen und erzwang den Austritt aus dem Gebirge in die Walachei. Die Eroberung von Bukarest am 6. Dezember 1916 gelang ihm im Zusammenwirken mit der Donauarmee unter August von Mackensen.
Mitte Juli 1917 übernahm Falkenhayn auf Bitten der osmanischen Heeresleitung unter Enver Pascha die Führung der Heeresgruppe F, deren Kräfte im Irak und bei Aleppo neu gebildet wurden. Nach langen Auseinandersetzungen mit der türkischen Führung wurde er am 7. September 1917 schließlich als osmanischer Feldmarschall zum Oberbefehlshaber zweier türkischer Feldarmeen in Palästina eingesetzt. Zwar konnte er die Eroberung Palästinas durch die Briten unter General Edmund Allenby im Dezember 1917 nicht verhindern, wohl aber davor die von der türkischen Regierung unter dem Statthalter Cemal Pascha geplante Zwangsumsiedlung der Juden aus Palästina, die nach dem Muster des Völkermordes an den Armeniern ablaufen sollte.
Ab 4. März 1918 wurde Falkenhayn Oberbefehlshaber der 10. Armee im Westen Russlands, die Funktion in der er auch das Kriegsende erlebte. Am 25. Februar 1919 schied er, bedingt durch ein Nierenleiden, aus der Armee aus und zog sich ins Privatleben zurück. Sein Grab auf dem Bornstedter Friedhof nahe dem Potsdamer Schloss Sanssouci ist bis heute erhalten.
Grab von Falkenhayn
Auszeichnungen
Falkenhayn wurde während des Weltkrieges unter anderem mit dem Schwarzen Adlerorden und dem Orden Pour le Mérite mit Eichenlaub ausgezeichnet. Am 26. Juni 1915 wurde er mit dem Großkreuz des Militär-Max-Joseph-Ordens beliehen.[12] 1917 wurde er zum Chef des Deutschordens-Infanterie-Regiments Nr. 152 ernannt. Außerdem wurde er von der Universität Berlin zum Doktor der Philosophie ehrenhalber ernannt.[13]
Familiäres
Aus seiner am 3. Februar 1886 in Oldenburg geschlossenen Ehe mit Ida Selkmann (* 7. Juni 1866) entstammen die Kinder:
Fritz Georg Adalbert von Falkenhayn (* 27. September 1890 in Oldenburg), ein Freund des Fliegers Manfred Freiherr von Richthofen.
Erika Karola Olga von Falkenhayn (* 25. September 1904 in Braunschweig † 1974 ), vermählte sich 1926 mit dem späteren Widerstandskämpfer Generalmajor Henning von Tresckow (1901–1944).
Erich von Falkenhayn (1861–1922) hatte zudem sechs Geschwister:
Anton Georg von Falkenhayn (* 8. September 1849, † 10. Dezember 1910), Rittmeister
Olga Franziska Helene von Falkenhayn (* 4. März 1851 † 14. Dezember 1919), heiratet 1873 Generalmajor Moritz von Bock (1828–1897) und wird Mutter des späteren Generalfeldmarschall Fedor von Bock (1880–1945).
Georg Ferdinand von Falkenhayn (* 17. April 1852 † 25. November 1887)
Eugen Georg Nikolaus von Falkenhayn (* 4. September 1853, † 3. Januar 1934), General der Kavallerie
Arthur Sebastian Georg von Falkenhayn (* 7. Dezember 1857, † 10. September 1929), Geheimer Oberregierungsrat und Erzieher des Kronprinzen Wilhelm
Kurt Georg Anton von Falkenhayn (* 15. April 1863)
Strategische Konzeption und Historische Bewertung
Falkenhayn erfüllt in klassischer Weise das Stereotyp vom preußischen General. Seine unbestreitbare politische und militärische Kompetenz – Winston Churchill hielt ihn für den weitaus fähigsten deutschen General im Ersten Weltkrieg – ging mit geringschätziger Verachtung für Demokratie und Parlamentarismus einher, wie sie im militärischen Umfeld Kaiser Wilhelms II. üblich war. Falkenhayns Auftreten war streng und autoritär, von seinen Soldaten und Untergebenen forderte er absolute Hingabe, ja Opferbereitschaft. Aus ethisch humanistischer Sicht wie auch im Sinne eines völkerrechtlich sanktionierten „moralischen“ Kriegsbegriffs lassen sich viele seiner strategischen Entscheidungen nicht rechtfertigen. In den Materialschlachten vor Verdun kalkulierte Falkenhayn bewusst mit dem Verlust hunderttausender Leben. Taktische Erwägungen spielten dabei keine Rolle, was zählte waren die gegnerischen Verluste. Wahrscheinlich hatte der Generalstabschef die berüchtigte „Blutpumpe“ Verdun von Anfang an als Kernstück seiner Abnutzungsstrategie geplant, die in ihrem Ausmaß zum damaligen Zeitpunkt beispiellos war. Gleichzeitig galt Falkenhayn jedoch als ein loyaler, ehrlicher Freund und Vorgesetzter. Bleibende Verdienste und Ansehen auch unter seinen Kritikern hat er sich durch sein Verhalten im Judenpogromkonflikt 1917 erworben: „Ein unmenschlicher Exzess gegen die Juden in Palästina wurde allein durch Falkenhayns Verhalten verhindert, was vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts einen besonderen – und Falkenhayn auszeichnenden – Stellenwert erhält.“[14]
Als Konzeptionist einer „Ermattungsstrategie“, der er nach dem Scheitern in der Marne-Schlacht und der Schlacht von Ypern wurde, glaubte er - anders als sein strategischer Konkurrent Erich Ludendorff - nicht mehr, dass Deutschland den Krieg durch vernichtende Siege über seine Gegner gewinnen könne, sondern hoffte, den Krieg durch ein Ermüden und politisches Auseinanderbrechen der gegnerischen Koalition beenden zu können: „Wenn wir den Krieg nicht verlieren, haben wir ihn gewonnen.“[15] Dabei bevorzugte er wiederum ein Vorgehen im Westen,[16] obgleich er im Osten durch den von ihm geförderten August von Mackensen die größeren Erfolge verzeichnete. Dort suchte er jedoch einen Separatfrieden mit Rußland, für den er größere Eroberungen als kontraproduktiv ansah.[17]
Schriften (Auswahl)
Die Oberste Heeresleitung, 1914-1916. In ihren wichtigsten Entschließungen. 1919, Reprint Kessinger Publishing 2010 (Digitalisat).
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Leben
Herkunft
Erich war der Sohn von Fedor Tassilo von Falkenhayn (* 6. Februar 1814 in Nakel; † 20. Januar 1896 in Tarnowitz), Gutsherr auf Belchau und Schwirsen und dessen Ehefrau Franziska, geborene Freiin von Rosenberg (* 26. Juni 1826 in Klötzen; † 14. August 1888 in Graudenz).
Militärkarriere
Mit elf Jahren kam Falkenhayn 1872 in die Kadettenanstalt Culm, anschließend wechselte er für drei Jahre in die Preußische Hauptkadettenanstalt Lichterfelde. Am 17. April 1880 trat er mit 18 Jahren als Sekondeleutnant dem Oldenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 91 bei. Ab 1. Oktober 1887 besuchte er drei Jahre lang die Preußische Kriegsakademie in Berlin. Ab 21. Juli 1890 kehrte er zu seinem Regiment nach Oldenburg zurück und wurde am 21. September 1889 zum Premierleutnant ernannt. Am 22. März 1891 trat er in den Großen Generalstab in Berlin ein. Zunächst war er in der Topographischen Sektion, dann in der Eisenbahn-Abteilung tätig, am 25. März 1893 wurde er zum Hauptmann befördert. Am 2. Januar 1894 folgte seine Verwendung im Generalstab des IX. Armee-Korps in Altona. Am 9. Dezember 1895 wurde er Kompaniechef im Infanterie-Regiment „von Borcke“ (4. Pommersches) Nr. 21 in Thorn.
Nach neunmonatigem Dienst ließ sich Falkenhayn am 25. Juni 1896 aus „finanziellen und Karrieregründen“ beurlauben und ging als Militärberater nach China.[1] Als Militärinstrukteur baute er in Wu Chang eine Militärschule nach preußischem Muster auf, ohne aber die Unterstützung der chinesischen Militärbehörden zu finden. 1898 wechselte er ins deutsche Pachtgebiet nach Kiautschou und wurde als Major mit Patent vom 25. März 1899 à la suite als Militärattaché wieder in der Preußischen Armee angestellt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er ab 24. Februar 1900 für kurze Zeit erneut im Großen Generalstab in Berlin verwendet und wechselte am 29. März nach Karlsruhe, um für fünf Monate die Position des Chef des Stabes des dortigen XIV. Armee-Korps zu übernehmen.
Am 7. September 1900 wurde er dem Generalstab des Kommandos des Ostasiatischen Expeditionskorps zugeteilt, das an der Niederschlagung des Boxeraufstandes beteiligt war.[2] Nach einem längeren Aufenthalt in der Mandschurei und in Korea kehrte Falkenhayn wieder in die Heimat zurück.
Am 18. Oktober 1903 wurde er zum Bataillonskommandeur des Braunschweigischen Infanterie-Regiments Nr. 92 in Braunschweig ernannt, am 15. September 1905 wurde er Oberstleutnant. Am 10. April 1906 wurde er abermals im Großen Generalstab verwendet. Ein Jahr später, am 22. März 1907 wurde er Chef des Generalstabes des XVI. Armee-Korps in Metz, am 18. Mai 1908 wurde er zum Oberst befördert. Am 27. Januar 1911 zum Kommandeur des 4. Garde-Regiments zu Fuß in Berlin ernannt, wurde er bereits am 20. Februar 1912 auf Grund unvorhergesehener personeller Engpässe, Chef des Generalstabs beim IV. Armee-Korps in Magdeburg. In dieser Position erreichte er am 22. April 1912 den Rang eines Generalmajor. Falkenhayn war dabei gleichzeitig auch maßgeblich an der Organisation der Kaisermanöver beteiligt.
Kriegsminister Preußens
Am 8. Juli 1913 wurde Falkenhayn überraschend zum preußischen Kriegsminister ernannt. In dieser Position oblag ihm die Umsetzung der im Frühjahr beschlossenen Heeresvorlage 1913, die eine deutliche Aufrüstung Deutschlands vorsah. Ins stärkere Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangte er erstmals durch seine Auftritte vor dem Reichstag im Zusammenhang mit der Zabern-Affäre um den Jahreswechsel 1913/14, wobei er das fragwürdige Verhalten der Militärbehörden in Elsaß-Lothringen vorbehaltlos verteidigte und die Armee gegen Kritik aus der Zivilgesellschaft in Schutz nahm. In der Julikrise des Jahres 1914 gehörte Falkenhayn zu den Schlüsselfiguren um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Wie die meisten Militärs rechnete er damals nicht mit einem europäischen Krieg und hielt die Zeit dafür beim Attentat von Sarajevo wohl auch zunächst nicht für günstig. Trotzdem gehörte er dann aber sehr bald zu denjenigen, die Kaiser Wilhelm II. zur Kriegserklärung drängten.
Erich von Falkenhayn (1915)
Chef des Generalstabes
Im ersten Kriegsjahr löste Falkenhayn nach der Ersten Marneschlacht am 14. September 1914 Helmuth Johannes Ludwig von Moltke als Chef des Generalstabs ab. Nach dem Scheitern des Schlieffenplans versuchte er zuerst Frankreich und England durch den Wettlauf zum Meer (via Nordfrankreich und Belgien zur Nordsee) auszumanövrieren. Das Vorhaben gelang aber nicht und endete nach der Schlacht um Ypern im vollständigen Stellungskrieg an der Westfront. Falkenhayn hatte frühzeitig erkannt, dass ein militärischer Totalsieg nach der Marneschlacht nicht mehr zu erreichen war. Er drängte in einem am 18. November 1914 vorgelegten Memorandum die politische Führung, den Krieg auf dem Verhandlungswege zu beenden, fand aber kein Gehör. Bereits am 20. Januar 1915 wurde Falkenhayn von Adolf Wild von Hohenborn als Kriegsminister abgelöst. Am Tag seiner Ablöse erfolgte seine Beförderung zum General der Infanterie, am 16. Februar 1915 erhielt er für seine bisherigen Leistungen den Orden Pour le Merite. Falkenhayn widmete sich jetzt als Chef der Heeresleitung vollständig der militärischen Organisation der Kriegsführung.
Auffällig an Falkenhayns Position als Minister und Chef des Generalstabs ist, dass seine Machtbasis weniger im Generalstab selbst lag (Falkenhayn hatte Jahre im Ausland, jenseits der sozialen Kontakte und Diskussionen im Stab verbracht) als in seiner Beziehung zum Kaiser selbst, der ihn in gewissem Rahmen schätzte, vor allem aber die Alternative zu ihm, Erich Ludendorff, aus persönlicher Antipathie heraus verabscheute und Hindenburgs Popularität in der Öffentlichkeit fürchtete.[3]
Unterschiedliche strategische Konzeptionen an der Ostfront
Trotz der Erfolge in der Schlacht bei Tannenberg hielt es Falkenhayn für unmöglich, Russland vollständig zu besiegen und gleichzeitig im Westen stark genug zu sein, um dort eine erfolgreiche Defensive gegen die immer stärker werdende Entente aufrecht zu halten. Dies brachte ihn in Konflikt mit Hindenburg und Ludendorff, die das große, aber mangelhaft geführte russische Heer von Norden und Süden umfassen und einkesseln wollten. Viele hohe Offiziere aus dem Umfeld von OberOst, etwa Ludendorffs rechte Hand Max Hoffmann, nannten Falkenhayn ab der Zeit, als dieser die Umklammerungsstrategie im Osten ablehnte, schlichtweg nur noch „den Verbrecher“.[4] Die Ablehnung Falkenhayns resultierte zum einen daraus, dass er fürchtete, beim Erfolg eines solchen Vorgehens von dem Konkurrenten als Generalstabschef abgelöst zu werden, zum anderen hielt er aber weder die Russen für bereits geschlagen, noch wollte er weiter in die Tiefe des russischen Raumes gezogen werden oder den diplomatischen Spielraum des Reiches gegenüber Russland durch Eroberungen verengen.[5]
Falkenhayns Haltung gegenüber seinem Verbündeten Conrad von Hötzendorf, dem Chef der österreichisch-ungarischen Armee war ebenfalls negativ. Im März 1915 hatte er Angriffsabsichten im Westen, die Lage in Galizien war aber nach der Karpatenschlacht ungefestigt. Conrad bat um deutsche Hilfe um seinerseits einen Angriff bei Gorlice führen zu können, Falkenhayn fand diesen Plan erfolgversprechend, verzichtete auf seine eigenen Pläne und gab acht Divisionen für die Ostfront frei. Obwohl der Kriegseintritt Italiens drohte, beteiligte er sich Anfang Mai 1915 energisch an der Durchbruchschlacht in Galizien, wollte aber nach größeren Erfolgen keine Weiterführung des Vormarsches sehen. Das verbündete Österreich brüskierte er zudem, als er die Abtretung des Trentinos an Italien verlangte, um die Bildung einer neuen Front zu verhindern. Im Oktober 1915 gab Falkenhayn Mittel frei um Österreichs Gegner Serbien niederzuringen. Diese Operationen gelangen ebenfalls nur bedingt, nachdem die deutschen Kräfte der Mittelmächte auf Falkenhayns Befehl ihren Vormarsch an der griechischen Grenze einstellen mussten. Falkenhayn befürchtete eine Bindung von Kräften in der Peripherie, die dann für andere Zwecke an der Westfront nicht mehr verlegbar gewesen wären.[6] Im Mai 1916 verweigerte er dann Conrads Ansuchen um deutsche Truppenhilfe für die österreichische Offensive in Südtirol vollständig, u.a. auch deswegen, weil Italien offiziell mit Deutschland noch gar nicht im Kriegszustand war und er wenig Interesse hatte, daran etwas zu ändern.
Ermattungsstrategie, Verdun und Rücktritt
→ Hauptartikel: Schlacht um Verdun
Falkenhayn entwickelte für 1915 eine „Ermattungsstrategie“, die begrenzte Offensiven im Osten und eine Defensive im Westen vorsah. Im Westen wollte er Anfang 1916 vor Verdun in einem überraschenden Vorstoß die Höhenzüge besetzen und mittels massierter Artillerie die Festung beschießen. Die Franzosen hätten so Verdun, die stärkste ihrer Festungen vor der deutschen Grenze, entweder aufgeben müssen – was sie seiner Meinung nach nie tun würden – oder aber sie wären in Verdun „verblutet“. Schon Zeitgenossen sprachen von der „Blutpumpe“ oder „Knochenmühle“ von Verdun.[7] Falkenhayn ging dabei nicht davon aus, auf diese Weise gegen die Entente einen Sieg herbeiführen zu können. Vielmehr erwog er, dass die Verluste auf französischer Seite schwerer zu tragen seien als auf deutscher. Diese Strategie scheiterte unter anderem daran, dass die Franzosen ihre Truppen gemäß Pétains Noria-Prinzip rascher ablösten, während die Einsatzphasen der deutschen Verbände länger waren – was demoralisierend wirkte. Der Abwehrsieg der Franzosen vor Verdun kostete diese zwar enorm hohe Verluste, die Verluste der deutschen Armee waren jedoch - ganz anders als von Falkenhayn erwartet, der vorherige französische Verlustquoten an der Westfront überoptimistisch fortgeschrieben hatte,[8] fast ebenso hoch und damit letztlich sinnlos, da sie am Kräfteverhältnis nichts änderten. Angesichts der materiellen und personellen Überlegenheit der Alliierten, die sich im Kriegsverlauf immer deutlicher abzeichnete, war Falkenhayns Ermattungsstrategie in Verdun zu keinem Zeitpunkt realistisch.[9] Nach den starken alliierten Angriffen an der Somme waren weitere Angriffe bei Verdun nicht mehr vertretbar und der Misserfolg an der Westfront offensichtlich. Auch innenpolitisch war die Schlacht ein einziges „Desaster“, da sie auch den Kronprinz Wilhelm von Preußen, der offiziell in Verdun die 5. Armee führte, in der Öffentlichkeit mit den kaum erträglichen Verlusten in Verbindung brachte.[10]
Die schweren Verluste in der Sommeschlacht im Westen, der Zusammenbruch der österreichischen Front während der gleichzeitigen Brussilow-Offensive im Osten und die für diesen Zeitpunkt, insbesondere von Falkenhayn, nicht erwartete Kriegserklärung Rumäniens brachte die deutsche Heeresleitung in Handlungszwang.[11] Moriz von Lyncker überzeugte schließlich den erzürnten Kaiser, Hindenburg zu einem Immediatsvortrag zu bitten. Dabei hatte nur der Oberbefehlshaber des Heeres das Immediatrecht. Falkenhayn fasste die Intrige richtig auf und bat um den Rücktritt als Chef des Generalstabs, den der Kaiser am 29. August 1916 trotz seines Widerwillens gegenüber dem Feldherrenduo Hindenburg/Ludendorff, das Falkenhayn nachfolgte, auch gewährte.
Rumänien, Palästina und Russland
Erich von Falkenhayn, Kronprinz Boris, Hans von Seeckt, Gerhard Tappen, Oberst Gantschew, General Nikola Schekow, unbekannt, August von Mackensen in Paraćin am 6. November 1915 (von rechts nach links)
Als Ausgleich erhielt Falkenhayn am 6. September 1916 den Oberbefehl über die 9. Armee gegen Rumänien. Er erzwang den Einmarsch in Siebenbürgen, besiegte bei Hermannstadt und Kronstadt zwei rumänische Armeen und erzwang den Austritt aus dem Gebirge in die Walachei. Die Eroberung von Bukarest am 6. Dezember 1916 gelang ihm im Zusammenwirken mit der Donauarmee unter August von Mackensen.
Mitte Juli 1917 übernahm Falkenhayn auf Bitten der osmanischen Heeresleitung unter Enver Pascha die Führung der Heeresgruppe F, deren Kräfte im Irak und bei Aleppo neu gebildet wurden. Nach langen Auseinandersetzungen mit der türkischen Führung wurde er am 7. September 1917 schließlich als osmanischer Feldmarschall zum Oberbefehlshaber zweier türkischer Feldarmeen in Palästina eingesetzt. Zwar konnte er die Eroberung Palästinas durch die Briten unter General Edmund Allenby im Dezember 1917 nicht verhindern, wohl aber davor die von der türkischen Regierung unter dem Statthalter Cemal Pascha geplante Zwangsumsiedlung der Juden aus Palästina, die nach dem Muster des Völkermordes an den Armeniern ablaufen sollte.
Ab 4. März 1918 wurde Falkenhayn Oberbefehlshaber der 10. Armee im Westen Russlands, die Funktion in der er auch das Kriegsende erlebte. Am 25. Februar 1919 schied er, bedingt durch ein Nierenleiden, aus der Armee aus und zog sich ins Privatleben zurück. Sein Grab auf dem Bornstedter Friedhof nahe dem Potsdamer Schloss Sanssouci ist bis heute erhalten.
Grab von Falkenhayn
Auszeichnungen
Falkenhayn wurde während des Weltkrieges unter anderem mit dem Schwarzen Adlerorden und dem Orden Pour le Mérite mit Eichenlaub ausgezeichnet. Am 26. Juni 1915 wurde er mit dem Großkreuz des Militär-Max-Joseph-Ordens beliehen.[12] 1917 wurde er zum Chef des Deutschordens-Infanterie-Regiments Nr. 152 ernannt. Außerdem wurde er von der Universität Berlin zum Doktor der Philosophie ehrenhalber ernannt.[13]
Familiäres
Aus seiner am 3. Februar 1886 in Oldenburg geschlossenen Ehe mit Ida Selkmann (* 7. Juni 1866) entstammen die Kinder:
Fritz Georg Adalbert von Falkenhayn (* 27. September 1890 in Oldenburg), ein Freund des Fliegers Manfred Freiherr von Richthofen.
Erika Karola Olga von Falkenhayn (* 25. September 1904 in Braunschweig † 1974 ), vermählte sich 1926 mit dem späteren Widerstandskämpfer Generalmajor Henning von Tresckow (1901–1944).
Erich von Falkenhayn (1861–1922) hatte zudem sechs Geschwister:
Anton Georg von Falkenhayn (* 8. September 1849, † 10. Dezember 1910), Rittmeister
Olga Franziska Helene von Falkenhayn (* 4. März 1851 † 14. Dezember 1919), heiratet 1873 Generalmajor Moritz von Bock (1828–1897) und wird Mutter des späteren Generalfeldmarschall Fedor von Bock (1880–1945).
Georg Ferdinand von Falkenhayn (* 17. April 1852 † 25. November 1887)
Eugen Georg Nikolaus von Falkenhayn (* 4. September 1853, † 3. Januar 1934), General der Kavallerie
Arthur Sebastian Georg von Falkenhayn (* 7. Dezember 1857, † 10. September 1929), Geheimer Oberregierungsrat und Erzieher des Kronprinzen Wilhelm
Kurt Georg Anton von Falkenhayn (* 15. April 1863)
Strategische Konzeption und Historische Bewertung
Falkenhayn erfüllt in klassischer Weise das Stereotyp vom preußischen General. Seine unbestreitbare politische und militärische Kompetenz – Winston Churchill hielt ihn für den weitaus fähigsten deutschen General im Ersten Weltkrieg – ging mit geringschätziger Verachtung für Demokratie und Parlamentarismus einher, wie sie im militärischen Umfeld Kaiser Wilhelms II. üblich war. Falkenhayns Auftreten war streng und autoritär, von seinen Soldaten und Untergebenen forderte er absolute Hingabe, ja Opferbereitschaft. Aus ethisch humanistischer Sicht wie auch im Sinne eines völkerrechtlich sanktionierten „moralischen“ Kriegsbegriffs lassen sich viele seiner strategischen Entscheidungen nicht rechtfertigen. In den Materialschlachten vor Verdun kalkulierte Falkenhayn bewusst mit dem Verlust hunderttausender Leben. Taktische Erwägungen spielten dabei keine Rolle, was zählte waren die gegnerischen Verluste. Wahrscheinlich hatte der Generalstabschef die berüchtigte „Blutpumpe“ Verdun von Anfang an als Kernstück seiner Abnutzungsstrategie geplant, die in ihrem Ausmaß zum damaligen Zeitpunkt beispiellos war. Gleichzeitig galt Falkenhayn jedoch als ein loyaler, ehrlicher Freund und Vorgesetzter. Bleibende Verdienste und Ansehen auch unter seinen Kritikern hat er sich durch sein Verhalten im Judenpogromkonflikt 1917 erworben: „Ein unmenschlicher Exzess gegen die Juden in Palästina wurde allein durch Falkenhayns Verhalten verhindert, was vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts einen besonderen – und Falkenhayn auszeichnenden – Stellenwert erhält.“[14]
Als Konzeptionist einer „Ermattungsstrategie“, der er nach dem Scheitern in der Marne-Schlacht und der Schlacht von Ypern wurde, glaubte er - anders als sein strategischer Konkurrent Erich Ludendorff - nicht mehr, dass Deutschland den Krieg durch vernichtende Siege über seine Gegner gewinnen könne, sondern hoffte, den Krieg durch ein Ermüden und politisches Auseinanderbrechen der gegnerischen Koalition beenden zu können: „Wenn wir den Krieg nicht verlieren, haben wir ihn gewonnen.“[15] Dabei bevorzugte er wiederum ein Vorgehen im Westen,[16] obgleich er im Osten durch den von ihm geförderten August von Mackensen die größeren Erfolge verzeichnete. Dort suchte er jedoch einen Separatfrieden mit Rußland, für den er größere Eroberungen als kontraproduktiv ansah.[17]
Schriften (Auswahl)
Die Oberste Heeresleitung, 1914-1916. In ihren wichtigsten Entschließungen. 1919, Reprint Kessinger Publishing 2010 (Digitalisat).
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