Traditionelles Wissen
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Traditionelles Wissen
Als traditionelles Wissen (bisweilen auch als „indigenes Wissen“ bezeichnet) wird im Zuge der Fortentwicklung des internationalen Systems zum Schutz des geistigen Eigentums solches Wissen bezeichnet, das in lokalen Gemeinschaften entstanden ist und von diesen Gruppen beziehungsweise bestimmten ethnischen Experten (zumeist mündlich) bewahrt und weitergegeben wird.
Eine genaue Definition wurde noch nicht vereinbart und ist derzeit Gegenstand eines Arbeitsausschusses der WIPO. Beim aktuellen Stand der Verhandlungen liegt der Entwurf eines vertragsähnlichen Textes vor, in dem sowohl die Definition des traditionellen Wissens als auch die daraus folgenden rechtlichen Positionen geregelt werden sollen[1].
Definitionsfindung
Rosafarbene Catharanthe, traditionelle Pflanzenmedizin und potentielles Krebsmittel
Marcos Terena, indigener Vertreter des „Instituts für traditionelles geistiges Eigentum“ in Brasilien beklagt das Fehlen eines ethischen Codes zum Schutz vor Biopiraterie: „Wir Indigenen haben keine Möglichkeit, unser traditionelles Wissen patentieren zu lassen.“[2]
Trotz der noch ausstehenden (juristischen) Definition lassen sich folgende Charakteristika von traditionellem Wissen bestimmen:
Wissen über die Heilwirkung von Pflanzen (Botanische und medizinische Kenntnisse), Wissen über Nahrungspflanzen, Eigenschaften der Böden, umweltschonende bzw. effiziente Anbaustrategien und biologische Schädlingsbekämpfung
Die Ursprünge der Wissensinhalte liegen in ferner Vergangenheit und können nicht mehr zurückverfolgt werden
Ein Großteil des Wissens entsteht durch Beobachtung und Erfahrung und wird nicht hinterfragt oder analytisch verstanden
Ein kleinerer Teil ist die Folge planvoller, traditioneller „Wissenschaft“
Das Wissen unterliegt aufgrund der sich verändernden Umweltbedingungen einer ständigen Anpassung und Weiterentwicklung („traditionell“ darf demnach nicht als „unveränderbar“ verstanden werden)
In der Regel mündliche Überlieferung der Wissensinhalte
Insbesondere nicht-industrialisierte, naturnah lebende Kulturen sind Träger traditionellen Wissens. In viel geringerem Maße auch Bevölkerungsteile der Industriegesellschaft (z. B. Schweizer Almbauern, Friesische Fischer)
Gefährdung des Wissens durch destruktiven Kulturwandel: insbesondere Zerstörung der traditionellen Sozialstrukturen, Ersatz traditioneller Heiler und Verlust der indigenen Sprachen.
Das österreichische Lebensministerium beschreibt das Traditionelle Wissen vereinfacht, wie folgt:[3]
Wissen das, in einem traditionellen Zusammenhang geschaffen, bewahrt und an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wird,
verbunden mit einer lokalen Gemeinschaft, die sich mit der traditionellen Kultur identifiziert und
von der Gemeinschaft als Traditionelles Wissen gesehen wird.
Hintergründe
Nach den Ethnologen Roy Rappaport und Gerardo Reichel-Dolmatoff beruht traditionelles Wissen auf magischen Erkenntnismodellen, die nicht wertneutral, detailliert und logisch beschreiben wie die moderne Wissenschaft, sondern die als Mythen verpackt, zielgerichtet das Verhalten der Menschen beeinflussen, um eine möglichst effiziente Anpassung an die Umwelt zu erreichen und die Stabilität der Gesellschaft zu bewahren.[4][5] (→ siehe auch Kalte und heiße Kulturen oder Optionen)
Reichel-Dolmatoff schreibt zum Beispiel über das Wissen der Tucano–Indianer: „Solche Phänomene wie Parasitismus, Symbiose, Kommensalismus und andere Beziehungen zwischen Arten sind von ihnen gut beobachtet worden und werden als mögliche Methoden der Anpassung herausgestellt.“[5]
Während Kenntnisse über „Hausmittel“, Nutzpflanzen und Anbaumethoden in der Regel allen Mitgliedern lokaler Gemeinschaften bekannt sind, verfügt nur ein begrenzter Personenkreis von Spezialisten (z. B. Schamanen, Heiler, Hebammen) über weitergehendes medizinisches Wissen.
Traditionelles Wissen ist eng verbunden mit Jahrtausende alten Wirtschaftsformen.
Moderner Nutzen
Für die globale Marktwirtschaft ist traditionelles Wissen eine wichtige Quelle für Innovationen (z. B. in der pharmazeutischen Industrie). Seit Beginn der 1990er Jahre gibt es Bestrebungen zum Schutz solchen Wissens, um die (indigenen) Urheber am Profit aus eventuellen Gewinnen zu beteiligen, die auf solches Wissen zurückgehen. Bislang fehlen jedoch noch bindende gesetzliche Grundlagen, so dass die Industrie in aller Regel hohe Gewinne erzielt, während der Nutzen für die ursprünglichen Träger ausbleibt.
Österreich hat das Wissen über Traditionelle Lebensmittel als erstes Land weltweit registriert.[3]
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Eine genaue Definition wurde noch nicht vereinbart und ist derzeit Gegenstand eines Arbeitsausschusses der WIPO. Beim aktuellen Stand der Verhandlungen liegt der Entwurf eines vertragsähnlichen Textes vor, in dem sowohl die Definition des traditionellen Wissens als auch die daraus folgenden rechtlichen Positionen geregelt werden sollen[1].
Definitionsfindung
Rosafarbene Catharanthe, traditionelle Pflanzenmedizin und potentielles Krebsmittel
Marcos Terena, indigener Vertreter des „Instituts für traditionelles geistiges Eigentum“ in Brasilien beklagt das Fehlen eines ethischen Codes zum Schutz vor Biopiraterie: „Wir Indigenen haben keine Möglichkeit, unser traditionelles Wissen patentieren zu lassen.“[2]
Trotz der noch ausstehenden (juristischen) Definition lassen sich folgende Charakteristika von traditionellem Wissen bestimmen:
Wissen über die Heilwirkung von Pflanzen (Botanische und medizinische Kenntnisse), Wissen über Nahrungspflanzen, Eigenschaften der Böden, umweltschonende bzw. effiziente Anbaustrategien und biologische Schädlingsbekämpfung
Die Ursprünge der Wissensinhalte liegen in ferner Vergangenheit und können nicht mehr zurückverfolgt werden
Ein Großteil des Wissens entsteht durch Beobachtung und Erfahrung und wird nicht hinterfragt oder analytisch verstanden
Ein kleinerer Teil ist die Folge planvoller, traditioneller „Wissenschaft“
Das Wissen unterliegt aufgrund der sich verändernden Umweltbedingungen einer ständigen Anpassung und Weiterentwicklung („traditionell“ darf demnach nicht als „unveränderbar“ verstanden werden)
In der Regel mündliche Überlieferung der Wissensinhalte
Insbesondere nicht-industrialisierte, naturnah lebende Kulturen sind Träger traditionellen Wissens. In viel geringerem Maße auch Bevölkerungsteile der Industriegesellschaft (z. B. Schweizer Almbauern, Friesische Fischer)
Gefährdung des Wissens durch destruktiven Kulturwandel: insbesondere Zerstörung der traditionellen Sozialstrukturen, Ersatz traditioneller Heiler und Verlust der indigenen Sprachen.
Das österreichische Lebensministerium beschreibt das Traditionelle Wissen vereinfacht, wie folgt:[3]
Wissen das, in einem traditionellen Zusammenhang geschaffen, bewahrt und an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wird,
verbunden mit einer lokalen Gemeinschaft, die sich mit der traditionellen Kultur identifiziert und
von der Gemeinschaft als Traditionelles Wissen gesehen wird.
Hintergründe
Nach den Ethnologen Roy Rappaport und Gerardo Reichel-Dolmatoff beruht traditionelles Wissen auf magischen Erkenntnismodellen, die nicht wertneutral, detailliert und logisch beschreiben wie die moderne Wissenschaft, sondern die als Mythen verpackt, zielgerichtet das Verhalten der Menschen beeinflussen, um eine möglichst effiziente Anpassung an die Umwelt zu erreichen und die Stabilität der Gesellschaft zu bewahren.[4][5] (→ siehe auch Kalte und heiße Kulturen oder Optionen)
Reichel-Dolmatoff schreibt zum Beispiel über das Wissen der Tucano–Indianer: „Solche Phänomene wie Parasitismus, Symbiose, Kommensalismus und andere Beziehungen zwischen Arten sind von ihnen gut beobachtet worden und werden als mögliche Methoden der Anpassung herausgestellt.“[5]
Während Kenntnisse über „Hausmittel“, Nutzpflanzen und Anbaumethoden in der Regel allen Mitgliedern lokaler Gemeinschaften bekannt sind, verfügt nur ein begrenzter Personenkreis von Spezialisten (z. B. Schamanen, Heiler, Hebammen) über weitergehendes medizinisches Wissen.
Traditionelles Wissen ist eng verbunden mit Jahrtausende alten Wirtschaftsformen.
Moderner Nutzen
Für die globale Marktwirtschaft ist traditionelles Wissen eine wichtige Quelle für Innovationen (z. B. in der pharmazeutischen Industrie). Seit Beginn der 1990er Jahre gibt es Bestrebungen zum Schutz solchen Wissens, um die (indigenen) Urheber am Profit aus eventuellen Gewinnen zu beteiligen, die auf solches Wissen zurückgehen. Bislang fehlen jedoch noch bindende gesetzliche Grundlagen, so dass die Industrie in aller Regel hohe Gewinne erzielt, während der Nutzen für die ursprünglichen Träger ausbleibt.
Österreich hat das Wissen über Traditionelle Lebensmittel als erstes Land weltweit registriert.[3]
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