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    ** Die Häresie **

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    Beitrag  Andy Di Mai 12, 2015 10:54 pm

    Häresie (von altgriechisch αἵρεσις, haíresis, Wahl, Anschauung, Schule, Ketzerei),[1] auch Heterodoxie (von ἑτεροδοξία, heterodoxia, abweichende, verschiedene Meinung)[1] ist eine Bezeichnung für eine Aussage oder Lehre, die im Widerspruch z. B. zu der Lehre einer Doktrin, Ideologie, den Glaubensgrundsätzen einer Kirche bzw. Religion oder einer anderen vorherrschenden („dominanten“) Auffassung steht und beansprucht, selbst die bzw. eine Wahrheit richtiger oder besser als andere Lehren, Meinungen, Weltanschauungen oder Philosophien zum Ausdruck zu bringen (siehe auch „Absolutismus“ oder Hegemonie); Gegenbegriffe sind Orthodoxie (Rechtgläubigkeit) oder auch „Homodoxie“ (Dogma von der Gleichartigkeit).

    Eine Lehre oder Lebensform kann prinzipiell nur relativ zu einer anderen – „orthodox“ beurteilten – als häretisch bezeichnet werden.[2]

    Der Begriff Häresie wird sowohl im Kontext der katholischen Kirche gebraucht als auch in orthodoxen, protestantischen bzw. evangelischen Kirchen, im Judentum, Islam sowie einigen anderen Religionen (siehe unten).

    Begriffsabgrenzung

    Die Begriffe Ketzerei und Ketzer (nach der mittelalterlichen Bewegung der Katharer) waren ursprünglich synonym zu Häresie bzw. Häretiker. In der Gegenwartssprache wird Ketzerei oft im Sinn einer beliebigen Abweichung von „einer allgemein als gültig erklärten Meinung oder Verhaltensnorm“ verwendet, die durchaus sympathisch gesehen werden kann, während Häresie und Häretiker auch heute noch auf die spezifische kirchlich-theologische und historische Bedeutung beschränkt sind.[2]

    Häresiologie ist die Lehre von Häresien. In der Häresiologie beschreibt eine Kirche, was sie als Häresie sieht und wie sie sie erkennt. Eine Häresiologie ist immer der subjektive Standpunkt einer Kirche.[2]

    Häresiographie ist eine Abhandlung, die Häresien beschreibt.

    Von der Häresie unterschieden wird das Schisma, wo in einem Konflikt um die kirchliche Ordnung die organisatorische Einheit der Kirche nicht aufrechterhalten wird.[2] Ein Schisma kann mit einer Häresie einhergehen wie beispielsweise beim Donatismus, aber es ist ebenso möglich, dass zwei schismatische Gruppen die gleichen Glaubensinhalte teilen, wie das beispielsweise beim abendländischen Schisma der Fall war.

    Apostasie bezeichnet die völlige Abwendung von einer Religion. Während Häresie nur eine oder mehrere überlieferte Lehren der Religion bestreitet, besteht die Apostasie in der Ablehnung der verlassenen Religion als solche. Der Apostat sieht sich persönlich nicht mehr als Glaubender und hat sich von seiner früheren Religion völlig losgesagt.

    Blasphemie ist eine gotteslästerliche Äußerung.

    Angehörige anderer Religionen werden nicht als Häretiker bzw. Ketzer, sondern als Andersgläubige oder Ungläubige bezeichnet.[2]
    Häresie im Christentum
    Häresien in der Alten Kirche

    Im Urchristentum gab es ebenso wie im Neuen Testament einen Pluralismus von theologischen Sichtweisen. Schon im Neuen Testament wurde unterschieden zwischen Adiaphora (z. B. 1. Korintherbrief: Dürfen Christen Fleisch von Tieren essen, die den heidnischen Göttern geopfert wurden?) und verbindlichen Lehren (z. B. Galaterbrief: Man darf Heidenchristen nicht zur Beschneidung zwingen).

    Zu Lebzeiten der Apostel lag die letzte Autorität über die richtige Lehre bei den Aposteln (zum Beispiel beim Apostelkonzil).

    Die Alte Kirche kannte bis ins 4. Jahrhundert zunächst keine zentrale Autorität, die über solche Fragen der Lehre hätte entscheiden können (auch der Bischof von Rom war zur damaligen Zeit keine Autorität). Es entwickelten sich zuerst drei gleichberechtigte kirchliche Metropolen in Antiochia, Alexandria und Rom. Konstantinopel und in weit geringerem Maße Jerusalem kamen später hinzu. Deren Bischöfe waren in ihrem Umkreis bestimmend.

    Daneben entstanden durch herausragende Personen im Laufe der Zeit auch noch andere theologische Schwerpunktzentren wie zum Beispiel in Nordafrika durch Augustinus und in Kleinasien durch die „drei Kappadokier“ (Basilius von Caesarea, sein jüngerer Bruder Gregor von Nyssa und sein Freund Gregor von Nazianz). Diese Theologen setzten sich mit den in ihrer Umgebung kursierenden abweichenden Lehren auseinander, wobei ihnen außer Argumenten und der Exkommunikation (dem Kirchenausschluss) nicht viele Machtmittel zur Verfügung standen. Eine solche Exkommunikation traf den Häretiker in der damaligen Zeit weit weniger als im europäischen Mittelalter, da das Christentum noch nicht Staatsreligion war. Außerdem war der Häretiker ja davon überzeugt, dass er dem rechten Glauben anhing und sich die Kirche im Irrtum befände.

    Vom 4. bis ins 10. Jahrhundert waren es die ökumenischen Konzilien, die Lehrentscheidungen für die ganze Kirche trafen. Diese Lehrentscheidungen sind bis heute bei den orthodoxen, katholischen und den meisten protestantischen Kirchen anerkannt. Sie wurden ja auch zeitlich weit vor dem morgenländischen Schisma und der protestantischen Bewegung beschlossen. Gewöhnlich ging einer Verurteilung einer Lehre durch ein ökumenisches Konzil eine Zeit der intensiven Auseinandersetzung, Diskussion und Argumentation voraus.

    Die Lehrentscheidungen der ersten Jahrhunderte wurden in der Regel auf der Basis eines Mehrheitskonsenses getroffen. In einigen Fällen, zum Beispiel bei der Auseinandersetzung mit dem Arianismus, lag die politische Macht allerdings auf der nicht-orthodoxen Seite (siehe auch Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz, Ambrosius von Mailand).
    Synkretistische Häresien

    Eines der frühen Probleme des Christentums war, sich in der synkretistischen Kultur des Hellenismus gegenüber synkretistischen Religionen wie Gnostizismus und Manichäismus abzugrenzen, die die christlichen Dogmen ganz oder teilweise mit anderen Religionen oder Eigenkonstruktionen vermischten. Solche Bewegungen waren:

    Gnostizismus
    Markionismus
    Montanismus
    Manichäismus

    Christologische Häresien

    Die orthodoxen, katholischen und protestantischen Kirchen lehren, dass Christus völlig göttlich („wahrer Gott“) und gleichzeitig völlig menschlich sei („wahrer Mensch“) und dass die drei Personen der Trinität gleichrangig und ewig seien. Die Formulierung der trinitarischen Lehre wurde im Verlauf von Jahrhunderten entwickelt, wobei die Definitionen immer wieder verfeinert wurden, um neu aufgekommene Meinungen bezüglich der Natur Jesu Christi, dem Verhältnis zwischen Christus und Gott Vater sowie der Trinität abzuwehren.

    Zu diesen Häresien gehörten:

    Adoptionismus oder dynamischer Monarchianismus erstmals im 2. und 3. Jahrhundert: Jesus sei bei seiner Taufe von Gott adoptiert worden. Jesus sei nicht Gott, sondern ein Mensch, durch und in dem Gott wirke. Wird heute von Christadelphians und Unitariern vertreten.
    Apollinarianismus, von Apollinaris von Laodicea dem Jüngeren um 360 in Syrien: Jesus Christus könne nicht gleichzeitig Gott und Mensch sein, sondern der göttliche Logos sei an die Stelle einer menschlichen Seele getreten. Nur sein Körper sei menschlich geblieben.
    Arianismus, als Lehre erstmals im 3. Jahrhundert: Jesus Christus stehe unter Gott und sei eine geschaffene Kreatur, allerdings vor allen anderen Wesen geschaffen und somit auch nicht Mensch im üblichen Sinne.
    Modalismus, modalistischer Monarchianismus, Patripassianismus, Sabellianismus, erstmals im 2. und 3. Jahrhundert: Gott sei eine einzige Person, die sich während der Geschichte auf verschiedene Art (als Schöpfer, als Jesus Christus, als Heiliger Geist) offenbart habe. Wird heute von manchen Pfingstgemeinden (Oneness Pentecostals) und der Vereinigten Apostolischen Kirche vertreten.
    Monophysitismus, Doketismus 2. Jahrhundert, 5. Jahrhundert: Jesus habe nur eine – göttliche – Persönlichkeit, sei entweder nur scheinbar Mensch oder seine menschliche Natur sei in der göttlichen aufgegangen wie ein Tropfen im Ozean.
    Nestorianismus: 5. Jahrhundert, lehrt, Jesus habe zwei klar unterschiedene Persönlichkeiten als Gott und Mensch, die vor allem den Körper gemeinsam hatten.

    Das nicänische Glaubensbekenntnis ist als Reaktion auf christologische Häresien entstanden.
    Ekklesiologische Häresien

    Donatismus 4. Jahrhundert: Gültigkeit christlicher Sakramente (insbesondere Taufe, Priesterweihe) hingen vom Charakter und Glauben des Priesters ab (das heißt Taufen und Priesterweihen durch während der Verfolgung abgefallene Priester sind ungültig und müssen von einem nicht abgefallenen Priester neu gespendet werden; Abgefallene dürften nach der Verfolgung nicht wieder in die Kirche aufgenommen werden.)
    Pelagianismus: 5. Jahrhundert. Lehnt die Erbsünde ab und lehrt, der Mensch könne von sich aus alle Gebote Gottes einhalten.

    Judenchristliche Häresien

    Gruppierungen, die in irgendeiner Form am jüdischen (Ritual-)Gesetz festhalten wollten:

    Nazoräer, Nazarener
    Ebioniten
    Elkesaiten

    Häresie im Mittelalter

    Im Gegensatz zur Situation der Alten Kirche mit vielen theologischen Zentren, die einen theologischen Konsensus entwickeln mussten, gab es im Mittelalter in West- und Mitteleuropa nur noch eine dominierende geistliche Autorität, die der römisch-katholischen Kirche, die vom Hochmittelalter an auch eine dominierende politische Kraft war. Diese andere Situation der Kirche führte auch zu einer anderen Sicht von Häresie.
    Definition von Häresie in der katholischen Kirche

    Die katholische Kirche differenziert zwischen einzelnen abweichenden Erscheinungsformen des Glaubens und deren Nähe zur ausdrücklichen Häresie.

    Nur ein Glaube, der direkt einem Artikel des Glaubens zuwiderhandelt oder der ausdrücklich festhält, was durch die Kirche zurückgewiesen wird, wird tatsächlich Häresie genannt, wobei zwingende Voraussetzung ist, dass der Häretiker vorher katholischer Christ war. Häresie ist demnach die beharrliche Leugnung oder das beharrliche Zweifeln an einer zu glaubenden Wahrheit, nachdem die Taufe empfangen wurde. Während die Bezeichnung häufig von Laien verwendet wurde, um jeden möglichen falschen Glauben als Heidentum zu denunzieren, kennzeichnet diese Definition nur jenen als Häretiker, der als ursprünglicher Gläubiger der Katholischen Kirche später von dieser rechtgläubigen Kirche zugunsten eines gegensätzlichen Glaubens abwich.

    Einen Glauben, den die Kirche nicht direkt abgewiesen hat, oder der im Gegensatz zu einer weniger wichtigen Kirchenlehre steht, nennt man sententia haeresi proxima, „eine Meinung nahe der Häresie“.

    Ein theologisches Argument oder ein Glaubenssystem, das keine Häresie behauptet, aber zu häretischen Schlussfolgerungen führen könnte, nennt man propositio theologice erronea, eine „irrige theologische Angelegenheit“.

    Wenn eine theologische Position nur Konflikte wohl denkbar macht, aber nicht notwendigerweise dazu führt, sprach man abgemildert von suspecta sententia de haeresi, „vermuteter Abweichung“.
    Vorgehen gegen Häresie
    → Hauptartikel: Inquisition

    Das historisch erste Mittel der Orthodoxie gegen die Häresie war einfache Polemik. Man behauptete, die Irrlehrer selber seien als Personen moralisch verkommen. Im Hintergrund steht die schon aus der Heiden-Polemik bekannte Anschauung, dass falsche Lehre von Gott und falsche Moral ursächlich zusammenhängen. Hierbei wird die Lehre der Gegner nicht dargestellt, um dann widerlegt zu werden. Auf die Dauer war dies Verfahren aber nicht ausreichend zur Eindämmung der Häresie. Die Orthodoxie musste sich auch über die eigene Lehrgrundlage klarer werden und diese positiv den Irrlehren der Häresie gegenüberstellen. Dazu war es auch erforderlich, sich mit den Irrlehren näher vertraut zu machen und diese im Rahmen ihrer Widerlegung auch darzustellen. [3]

    Ein weiteres Mittel im Kampf gegen die Häresie war auch physische Gewalt. Im Jahre 385 wurden bereits spanische Häretiker (Priscillian mit 6 Gefährten) wegen Häresie in Trier hingerichtet. Im Mittelalter war Häresie nicht nur ein Problem der Kirche, sondern ebenso der weltlichen Macht, die eine Abweichung vom rechten Glauben einer staatsfeindlichen Haltung gleichsetzte und zwar deshalb, weil Häretiker oft die Leistung von Eiden verweigerten, die jedoch ein zentraler Bestandteil des mittelalterlichen Vertragswesens waren. Es kam vor, dass weltliche Fürsten von der Kirche forderten, Häretiker zur Ordnung zu rufen.

    Im 11. und 12. Jahrhundert befahlen Päpste, Häresie mit Gefangenschaft und Einzug des Eigentums zu bestrafen und drohten den Fürsten, die Häretiker nicht bestraften, mit Exkommunikation. In der Häresie von Orléans kam es im Jahr 1022 zur ersten bekannten Verbrennung des christlichen Mittelalters.

    Exkommunikation galt im Mittelalter als schwerste Bestrafung und wurde auch so empfunden, da sie die einzelne Person vom Leib Christi, seiner Kirche, trenne und somit die Erlösung verhindere. Die Exkommunikation oder die Androhung der Exkommunikation genügten oft, Häretiker zum Abgehen von ihren Überzeugungen zu bewegen.

    Nach Auseinandersetzungen mit Häresien wie den Katharern (Albigensern) oder den Waldensern wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Inquisition gegründet. Die Inquisition war von Anfang an eine Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat gegen Häretiker.

    So klagte König Philipp IV. von Frankreich (Philipp der Schöne) den Templerorden wegen Ketzerei und Homosexualität an. Da er hoch verschuldet war, unter anderem auch bei den Templern, wollte er sich die legendären Reichtümer des Ordens aneignen. Am 13. Oktober 1307, einem Freitag, wurden alle Templer in Frankreich verhaftet. Am 22. März 1312 hob Papst Klemens V. auf dem Konzil von Vienne unter dem Druck von König Philipp den Orden auf. Am 18. März 1314 wurde der letzte Großmeister des Templerordens, Jacques de Molay, zusammen mit Geoffroy de Charnay in Paris auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

    Im 16. Jahrhundert wurden die Häresien durch Alfonso de Castro systematisch geordnet und in einer alphabetischen Enzyklopädie zusammengefasst.

    Die katholische Kirche und die Reformation

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    „Triumph der Ecclesia über die Häresie.“ St. Jakobus (Feusisberg).
    Allegorie der Katholischen Kirche auf der Wolke. Im Fadenkreuz die Aufklärer Voltaire und Rousseau sowie die clownesk dargestellten Reformatoren Zwingli, Luther und Calvin.

    Die Reformation wurde von der katholischen Kirche zuerst auch als Häresie angesehen und in katholischen Gegenden entsprechend verfolgt.

    Einige der Lehren des Protestantismus, die die katholische Kirche als häretisch einstuft, sind der Glaube, dass

    die Bibel einzige Quelle und Richtschnur des Glaubens sei (sola scriptura) – und nicht wie im katholischen Verständnis Schrift und Tradition
    der Glaube alleine zum Heil führen könne (sola fide) und dabei nicht auch noch Werke hinzukommen müssten
    das allgemeine Priestertum der Glaubenden das Weihepriestertum nicht nur ergänze, sondern überflüssig mache
    in der Eucharistiefeier keine Transsubstantiation geschehe und
    der römische Messkanon Häresien enthalte.

    Mit der Weiterentwicklung der katholischen Lehre (1. Vaticanum) kann man die Leugnung der päpstlichen und konziliaren Unfehlbarkeit anfügen.

    Sobald die Protestanten grundsätzlich die römisch-katholische Kirche in Frage stellten, galten sie auch als Schismatiker.

    Eine Reaktion auf die Reformation war die Einrichtung der Kongregation für die Glaubenslehre (Sanctum Officium), die bis heute in der katholischen Kirche die letzte Instanz für Glaubensfragen ist.
    Häretische Gruppen in der Neuzeit

    In der Neuzeit wurde die Lehre von häretischen Gruppen offiziell vom Papst als Häresie verurteilt, es kam jedoch nicht mehr zu weltlichen Bestrafungen von Häresie.

    Neuzeitliche Bewegungen innerhalb der katholischen Kirche, die als Häresie verurteilt wurden:

    Jansenismus, 17. Jahrhundert, lehrt absolute Prädestination (ähnlich wie Johannes Calvin, aber innerhalb der katholischen Kirche).
    Gallikanismus: Der Papst unterstehe dem Konzil, sei nicht unfehlbar und habe keine Macht über weltliche Fürsten.
    Sozinianismus und Psilanthropie: Unitarische Bewegung im 17. Jahrhundert, besonders in Polen.

    Evangelische Kirchen und Häresie

    Auch der Protestantismus glaubte bereits in der Reformationszeit die Notwendigkeit zu sehen, sich gegen radikale Bewegungen abzugrenzen, wobei die Bezeichnung Häresie im protestantischen Kontext kaum gebräuchlich ist. Zu weltlichen Strafen wegen Häresie kam es im evangelischen Raum nur im 16. und 17. Jahrhundert.

    Dabei wurde in protestantischen Gegenden das Bündnis von Staat und Kirche gegen Häresien weitergeführt, wobei die abweichende Lehre manchmal auch eher das war, was der Staat als gefährlich ansah.

    Lehren der katholischen Kirche, die bereits in der Reformation als Häresie gegen das biblische Christentum gesehen wurden, sind die Heiligenverehrung und die Lehre von der Transsubstantiation. Später kam auch die Marienverehrung dazu, die von den Reformatoren selbst nicht verurteilt wurde.

    Verfolgt und verurteilt wurden bereits während der Reformationszeit Vertreter der radikalen Reformation, zum Beispiel Thomas Müntzer, die Täufer (abwertend auch Wiedertäufer) oder der Antitrinitarier Michael Servetus. Das Augsburger Bekenntnis von 1530 verdammt die Lehren der Täufer.

    Im 18. Jahrhundert kam es zu gegenseitigen Lehrverurteilungen von Calvinisten und Methodisten, insbesondere wegen der unterschiedlichen Auffassung von Prädestination. Dies blieb jedoch im Rahmen von theologischen Disputen ohne weltliche Konsequenzen und, da die Kontrahenten meist unterschiedlichen Kirchen angehörten, auch ohne Kirchenstrafen. Allein in den Niederlanden wurden die an die Willensfreiheit glaubenden Remonstranten aus der calvinistischen Reformierten Kirche ausgeschlossen.

    Im 20. Jahrhundert hat der Gnadauer Verband und die deutsche Evangelische Allianz in der Berliner Erklärung von 1909 die Pfingstbewegung als Bewegung von unten (das heißt vom Teufel) verurteilt, was mittlerweile jedoch nur noch von manchen pietistischen Kreisen so gesehen wird. Auch da handelt es sich um eine theologische Stellungnahme ohne weltliche oder kirchliche Strafen.

    Im Jahre 1934 erklärte die Barmer Theologische Erklärung, verfasst vom evangelisch-reformierten Theologen Karl Barth, die damalige protestantische Mehrheit der Deutschen Christen, das Führerprinzip und den nationalsozialistischen Weltanschauungsstaat zur „falschen Lehre“ (= Häresie). Diese „Verwerfung“ wurde zum Bekenntnis der Bekennenden Kirche, die sich damit als die wahre evangelische Kirche verstand. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat die Barmer Erklärung nach 1945 in ihre Bekenntnisschriften aufgenommen. Einige ihrer Landeskirchen ordinieren ihre Pastoren ausdrücklich darauf.

    1974 erklärte der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) den Rassismus für unvereinbar mit dem christlichen Glauben. Dies richtete sich in erster Linie gegen rassistische Theologien, wie sie etwa unter weißen reformierten Buren Südafrikas vertreten wurden. Auch damit wurde faktisch eine „Häresie“ verurteilt und ausgegrenzt.

    Ein Versuch von Christen in der Traditionslinie Karl Barths, auch die Massenvernichtungsmittel als „bekenntniswidrig“ (häretisch) zu verwerfen, wurde 1958 von der Mehrheit der evangelischen Synodalen abgelehnt.
    Häresien im Judentum

    Das orthodoxe Judentum stuft als häretisch ein, was von den traditionellen – biblisch-talmudischen – jüdischen Überlieferungen abweicht. Zwei schon in der Antike beziehungsweise Spätantike bekannte heterodox-häretische Gruppen bilden die nationale Sondergruppe der Samaritaner und die antitalmudischen Karäer. Im 17. Jahrhundert haben die messianisch inspirierten Anhänger des Schabbtai Zvi, die Sabbatianer, als jüdische Häretiker von sich reden gemacht.

    Das heutige ultraorthodoxe Judentum ist der Ansicht, dass überhaupt alle Juden, die sein spezifisches Verständnis von Maimonides’ 13 Grundregeln des jüdischen Glaubens zurückweisen, Häretiker sind. Ultraorthodoxe Juden und die meisten modernen orthodoxen Juden betrachten jüdische Reformbestrebungen (Reformjudentum, Rekonstruktionismus, teilweise sogar schon das konservative Judentum) als häretische Bewegungen.

    Allerdings bedeutet eine Verurteilung als Häretiker im Judentum nicht, dass die Verurteilten aus Sicht der Verurteilenden keine Juden mehr wären. Die Zugehörigkeit von individuellen Juden zur jüdischen Schicksalsgemeinschaft bleibt bestehen, doch die Legitimität von nicht-orthodoxen jüdischen Gemeinden wird in Frage gestellt. Konvertiten, die zu einer als häretisch angesehenen Richtung des Judentums übertreten, werden allerdings von den Orthodoxen auch nach ihrer Konversion als nichtjüdisch betrachtet.

    Sekten und theologische Schulen im Islam

    Die zwei größten islamischen Konfessionen, die der Sunniten (offizielles Bekenntnis der meisten arabischen Länder und Hauptströmung in der Türkei) und die der Schiiten (Staatsreligion im Iran seit 1501), sahen einander lange Zeit als häretisch an. In den 1930er Jahren haben sich beide zu gegenseitiger Anerkennung durchgerungen. Der Parsismus gilt in der Sunna als häretisch, in der Schia aber ist er anerkannt. Auch andere theologische Schulen bzw. Sekten haben sich in der Vergangenheit, teils auch in der Gegenwart, wechselseitig als häretisch betrachtet, umstritten in der Anerkennung waren etwa Mushabiha/Mucassima (heutige Wahabiten), Aleviten, Assassinen, Babis und Bahai, Drusen, Hurufi, Karmaten, Chawaridsch, Mu'tazila, Kadariyya, Murdschia. Die Ahmadiyya ist seit 1974 in Pakistan rechtlich verboten, wird ausgeschlossen und organisatorisch verfolgt. Auch nicht mit theologischen Schulbildungen zusammenhängende Ausrichtungen und Gruppierungen, etwa des Sufismus (siehe auch Derwisch, Bektaschi), sind oft erhöhtem Misstrauen ausgesetzt gewesen. Einige zuvor umstrittene Gruppen werden heute zum Beispiel auch von islamischen Gerichten und religiösen Institutionen respektiert.
    Häresien im Buddhismus

    Im in Japan begründeten Nichiren-Buddhismus betrachten einige Schulen einander sowie andere buddhistischen Schulen, die nicht auf dem Lotos-Sutra aufbauen (insbesondere Amida- und Zen-Buddhismus, sowie Shingon-shū und Risshū) bzw. dieses anders als sie interpretieren (also auch andere Nichiren-Schulen), als häretisch und verhalten sich daher gegenüber diesen oft mit den Methoden des Shakubuku (折伏; wörtlich „brechen und unterwerfen“, eine aggressiv-argumentative Verurteilung der häretischen Lehren mit dem Ziel der Bekehrung) und des Fuju-fuse (不受不施; wörtlich „kein Geben, kein Nehmen“, d. h. es findet keinerlei Transfer von Leistungen oder Gütern statt. Bei der Fuju-fuse handelt es sich um eine Schule innerhalb des Nichiren-Buddhismus).
    Weitere Religionen, Gruppen und Themen

    „Häresie“ ist ein grundlegendes Thema praktisch aller Weltreligionen, aus strukturellen Gründen aber besonders der monotheistischen, vor allem jedoch von fundamentalistischen Gruppierungen („Sekten“), die quasi per se ständig „Häretiker“ (wenn nicht gar „Dämonen“) definieren und bekämpfen.

    Die Scientology-Organisation z. B. verwendet die Bezeichnung squirreling (engl. squirrel: Eichhörnchen, Hamster) für nicht autorisierte Änderungen ihrer Lehre oder Methoden, bezeichnet Häretiker als Verbrecher und verfolgt sie, insbesondere unter der Anklage wegen angeblicher Copyright-Verletzungen. Mitglieder der sogenannten Freien Zone werden von der Scientology-Organisation als Häretiker angesehen und mit allen Mitteln bekämpft.

    Auch rein säkulare Ideologien der Moderne sind oft als Erben alter monotheistischer Einzigkeits- und Einheitsansprüche zu erkennen:

    Besonders oft hervorgehoben oder vermutet wird diese Parallele für den Marxismus-Leninismus: In der Form des Stalinismus und auch des Maoismus hat die Verfolgung und Verurteilung von Abweichlern (von der offiziellen Parteidoktrin), die man als Opportunisten, Revisionisten, Reaktionäre, Trotzkisten oder Renegaten brandmarkte
    für viele nationale, oft antikoloniale Erweckungsbewegungen weltweit.

    Siehe auch

    Heterogenität
    Hexenverfolgung, Minderheit, Apostasie
    Liste der christlichen Häresien, Liste christlicher Konfessionen
    Messianische Bewegungen


    Quelle - Literatur & Einzelnachweise
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