Der Kugel-Erlass
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Der Kugel-Erlass
Der Kugel-Erlass vom März 1944 war ein Geheimbefehl mit der Weisung, aus deutschen Kriegsgefangenenlagern entwichene Offiziere sowie ranghöhere Unteroffiziere nach ihrer Ergreifung vom Sicherheitsdienst (SD) in das KZ Mauthausen zu überführen und sie dort „im Rahmen der Aktion Kugel“ erschießen zu lassen.
Eine Ausnahmeregelung galt für wiederergriffene Offiziere der britischen und amerikanischen Streitkräfte: Hierfür war vorher von Fall zu Fall eine Entscheidung beim „OKW / Chef Kriegsgef.“ einzuholen. Dieser Befehl verstieß gegen die „Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen“ von 1929, der bei Flucht von Kriegsgefangenen lediglich disziplinarische Strafen vorsah.[1]
Quellenüberlieferung
Das als „Kugel-Erlass“ im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher von der Anklage angesprochene Dokument, das auf den 2. März 1944 datiert wird, wurde nicht im Original aufgefunden. Vielmehr handelt es sich um ein als Geheime Reichssache gekennzeichnetes Fernschreiben vom 4. März 1944, mit dem Heinrich Müller als Leiter der Gestapo diesen Befehl an ausgewählte Staatspolizeileitstellen und Inspekteure des SD weitergab.[2]
An der Authentizität des Erlasses können keine Zweifel bestehen, da Ernst Kaltenbrunner seine Kenntnis davon einräumte[3] und weitere Dokumente sich darauf beziehen.[4]
Als konkreten Anlass für den Befehl wird die Flucht von 140 niederländischen Offizieren vermutet, die während eines Transports aus dem Stalag 371 (Stanislau) zu fliehen versuchten. Nachweisbar wurden neun von ihnen in Mauthausen ermordet.[5]
Inhalt
Das Fernschreiben vom 4. März 1944 nennt als Betreff „Maßnahmen gegen wiederergriffene flüchtige kriegsgefangene Offiziere und nichtarbeitende Unteroffiziere – mit Ausnahme britischer und amerikanischer Kriegsgefangener“. Mit dem Ausdruck „nichtarbeitende Unteroffiziere“ wird eine Gruppe höherrangiger Unteroffiziere umschrieben, die nach den Bestimmungen der Genfer Übereinkunft in der Kriegsgefangenschaft von einer Arbeitsleistung freizustellen und damit den Offizieren gleichgestellt waren.[6]
Das Schreiben beginnt mit den Worten „Das OKW. [sic] hat folgendes angeordnet“ und führt unter Erstens auf, dass jeder wiederergriffene Offizier oder „nichtarbeitende Unteroffizier“ mit Ausnahme britischer und amerikanischer Kriegsgefangener dem „Chef der Sipo u. d. SD“ mit dem Kennwort „Stufe III“ zu übergeben sei. Zweitens dürfe diese Überstellung „unter keinen Umständen offiziell bekannt werden“. An die Wehrmachtauskunftstelle seien diese Kriegsgefangenen als „geflohen und nicht wiederergriffen“ zu melden, bei Anfragen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz solle dieselbe Auskunft gegeben werden. Im dritten Punkt wird für britische und amerikanische Staatsangehörige davon abweichend eine Sonderregelung getroffen: Diese seien zunächst außerhalb des Kriegsgefangenenlagers und ggf. in Polizeigewahrsam „außer Sicht von Kriegsgefangenen“ festzusetzen. Umgehend solle dann „von Fall zu Fall“ über ihre etwaige Übergabe an den SD beim „OKW/Chef Kriegsgef.“ entschieden werden.
Unter der Überschrift „Hierzu befehle ich Folgendes“ werden dann Ausführungsbestimmungen angefügt. Die Überstellten sollten „nach dem bisher üblichen Verfahren“ in das KL Mauthausen überführt werden. Beim Transport seien die Gefangenen zu fesseln, dies aber vor unbeteiligten Zuschauern zu verbergen. Dem Lagerkommandanten in Mauthausen sei mitzuteilen, dass „die Überstellung im Rahmen der Aktion ‚Kugel’ erfolgt.“ Das OKW sei gebeten worden, die Kriegsgefangenenlager anzuweisen, im Interesse der Tarnung die Wiederergriffenen nicht selbst unmittelbar nach Mauthausen zu schicken, sondern der zuständigen Staatspolizeistelle zu übergeben.
Umsetzung des Befehls
In erster Linie wurden Angehörige der Roten Armee Opfer dieses Erlasses. Eine als „geheim“ gekennzeichnete Anweisung des Wehrkreiskommandos in Soest vom 27. Juli 1944 bezieht sich auf die Überstellung von Kriegsgefangenen an die Geheime Staatspolizei und zählt zudem auf, dass sowjetische Offiziere und Mannschaften wegen Straftaten, wegen Arbeitsverweigerung oder wegen ihrer politischen Einstellung aus der Kriegsgefangenschaft zu entlassen und der Gestapo zu überstellen seien.[7] Auch polnische Kriegsgefangene, die der Sabotage überführt worden seien, sollten auf Ersuchen dem Einsatzkommando überstellt werden. In allen diesen Fällen sei eine Meldung an das OKW nicht erforderlich.
Bei Kriegsgefangenen aller anderen Nationen, namentlich auch bei belgischen und französischen Kriegsgefangenen und italienischen Militärinternierten, sei die Zustimmung des OKW oder des zuständigen des Wehrkreiskommandos erforderlich.
Exekutionen in Mauthausen
Bereits 1943 waren Häftlinge aller Art vom Sicherheitsdienst nach Mauthausen „unter Stichwort Kugel“ eingeliefert und dort exekutiert worden.[8]
Im Nürnberger Hauptprozess lag eine eidesstattliche Versicherung von Zeugen vor, die über die Ermordung der nach Mauthausen transportieren Kriegsgefangenen berichteten:
„In Mauthausen gab es mehrere Arten der Gefangenenbehandlungen, unter ihnen die 'Aktion K oder Kugel'. Nach Ankunft der Transporte wurden die Gefangenen, die mit 'K' bezeichnet waren, nicht registriert, erhielten keine Nummer, und ihre Namen blieben allen, mit Ausnahme der Beamten der politischen Abteilung, unbekannt. Die K-Gefangenen wurden direkt in das Gefängnis gebracht, entkleidet und in die 'Duschräume' geschickt. Diese Duschräume in den Kellern des Gefängnisses neben dem Krematorium waren für Exekutionen bestimmt.[9]“
Nach anderen Angaben sollen die „K“-Häftlinge, die in Mauthausen erschossen werden sollten, in einer gesonderten Baracke untergebracht worden sein. Man misshandelte sie zu Tode oder ließ sie einfach verhungern.[10]
Es sind keine Unterlagen erhalten geblieben, aus denen sich die Anzahl der aufgrund des „Kugel-Erlasses“ getöteten Kriegsgefangenen einwandfrei ermitteln lässt. Die im Prozessverlauf von einem Zeugen gemachte Zahlenangabe von 1.300 ist in sich selbst unschlüssig[11] und wurde dort angezweifelt.[12] Nach anderen Angaben verloren durch die Aktion K in Mauthausen 5.040 Personen ihr Leben, von denen mit 4.300 rund 85 % sowjetische Kriegsgefangene waren.[13]
Verantwortlichkeiten
Die UdSSR war der Haager Landkriegsordnung von 1907, nicht aber dem Genfer Kriegsgefangenenabkommen von 1929 beigetreten.[14] Dennoch waren auch die Exekutionen der sowjetischen Kriegsgefangenen zweifellos illegal. Durch den bereits beschriebenen Umstand, dass hauptsächlich Angehörige der Roten Armee dem „Kugel-Erlass“ zum Opfer fielen, hatte er eine ergänzende Wirkung zum Kommissarbefehl vom 6. Juni 1941.[15]
Hermann Göring bestritt vor Gericht entschieden, vom Kugel-Erlass gewusst zu haben. Ernst Kaltenbrunner stellte dar, er habe erst zufällig davon erfahren und nachgefragt:
„Wiederum einige Tage später erschien Müller bei mir im Auftrag Himmlers und gab mir Einsicht in einen Erlass, der aber nicht von Hitler, sondern von Himmler stammte, und in welchem Himmler erklärte, er gäbe mir einen mündlichen Führerbefehl weiter. Ich habe auf das hin Himmler geantwortet, dass ich in diesem Führererlass natürlich feststellen müsse, dass die primitivsten Prinzipien der Genfer Konvention gebrochen seien, wenn schon zu einer Zeit, die lange vor meiner Tätigkeit und nach Setzung späterer Rechtsbrüche geschehen sei. Ich bäte ihn, dagegen beim Führer vorstellig zu werden und habe diesem Schreiben den Entwurf eines Schreibens Himmlers an Hitler beigelegt, in welchem Himmler den Führer bittet: a) diesen Erlass aufzuheben, b) auf jeden Fall die nachgeordneten Dienststellen von dieser seelischen Belastung zu entlasten. […] Der Erfolg war positiv. Es ist zwar nicht der »Kugel-Erlass« aufgehoben worden und nicht eine Reihe anderer, ebenso bedrückender Befehle, es ist aber insofern positiv gewesen, als mir im Februar 1945 zum ersten Male überhaupt von Hitler die Fühlungnahme mit dem Internationalen Roten Kreuz gestattet wurde, die bis dorthin strengstens verboten gewesen.[16]“
Wilhelm Keitel sagte im Kreuzverhör: „Ich habe bestimmt diesen Befehl nicht unterschrieben, nicht gesehen, darüber besteht kein Zweifel.“[17] Er könne es nicht aufklären, nur Vermutungen äußern, wie es zu diesem Befehl und den Worten „Das OKW hat folgendes angeordnet“ beim Reichssicherheitsamt [sic] gekommen sei. Er erwähnte in seiner Aussage verschiedene Möglichkeiten und schloss sich Kaltenbrunners Deutung an, dass Adolf Hitler ohne Rücksprache mit ihm, dem Angeklagten Keitel, und ohne sein Wissen einen mündlichen Befehl an Heinrich Himmler gegeben habe.
Nach Deutung von Christian Kretschmer sprechen alle Indizien dafür, dass der Befehl aus dem Kreis Hitler-Himmler-Müller kam; es bleibt ungeklärt, wieweit Hans von Graevenitz als Chef des Kriegsgefangenenwesens an der Ausarbeitung beteilt war. Einen schriftlichen Befehl seitens des OKW, der explizit von der Ermordung der an die Gestapo ausgeliefertet Offiziere sprach, hält Kretschmer für unwahrscheinlich. Allerdings kann die Übergabe an die Gestapo den Gedanken an eine Exekution nahelegen.[18]
Siehe auch
Kommandobefehl
Fliegermorde
Stalag Luft III
Nacht-und-Nebel-Erlass
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Eine Ausnahmeregelung galt für wiederergriffene Offiziere der britischen und amerikanischen Streitkräfte: Hierfür war vorher von Fall zu Fall eine Entscheidung beim „OKW / Chef Kriegsgef.“ einzuholen. Dieser Befehl verstieß gegen die „Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen“ von 1929, der bei Flucht von Kriegsgefangenen lediglich disziplinarische Strafen vorsah.[1]
Quellenüberlieferung
Das als „Kugel-Erlass“ im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher von der Anklage angesprochene Dokument, das auf den 2. März 1944 datiert wird, wurde nicht im Original aufgefunden. Vielmehr handelt es sich um ein als Geheime Reichssache gekennzeichnetes Fernschreiben vom 4. März 1944, mit dem Heinrich Müller als Leiter der Gestapo diesen Befehl an ausgewählte Staatspolizeileitstellen und Inspekteure des SD weitergab.[2]
An der Authentizität des Erlasses können keine Zweifel bestehen, da Ernst Kaltenbrunner seine Kenntnis davon einräumte[3] und weitere Dokumente sich darauf beziehen.[4]
Als konkreten Anlass für den Befehl wird die Flucht von 140 niederländischen Offizieren vermutet, die während eines Transports aus dem Stalag 371 (Stanislau) zu fliehen versuchten. Nachweisbar wurden neun von ihnen in Mauthausen ermordet.[5]
Inhalt
Das Fernschreiben vom 4. März 1944 nennt als Betreff „Maßnahmen gegen wiederergriffene flüchtige kriegsgefangene Offiziere und nichtarbeitende Unteroffiziere – mit Ausnahme britischer und amerikanischer Kriegsgefangener“. Mit dem Ausdruck „nichtarbeitende Unteroffiziere“ wird eine Gruppe höherrangiger Unteroffiziere umschrieben, die nach den Bestimmungen der Genfer Übereinkunft in der Kriegsgefangenschaft von einer Arbeitsleistung freizustellen und damit den Offizieren gleichgestellt waren.[6]
Das Schreiben beginnt mit den Worten „Das OKW. [sic] hat folgendes angeordnet“ und führt unter Erstens auf, dass jeder wiederergriffene Offizier oder „nichtarbeitende Unteroffizier“ mit Ausnahme britischer und amerikanischer Kriegsgefangener dem „Chef der Sipo u. d. SD“ mit dem Kennwort „Stufe III“ zu übergeben sei. Zweitens dürfe diese Überstellung „unter keinen Umständen offiziell bekannt werden“. An die Wehrmachtauskunftstelle seien diese Kriegsgefangenen als „geflohen und nicht wiederergriffen“ zu melden, bei Anfragen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz solle dieselbe Auskunft gegeben werden. Im dritten Punkt wird für britische und amerikanische Staatsangehörige davon abweichend eine Sonderregelung getroffen: Diese seien zunächst außerhalb des Kriegsgefangenenlagers und ggf. in Polizeigewahrsam „außer Sicht von Kriegsgefangenen“ festzusetzen. Umgehend solle dann „von Fall zu Fall“ über ihre etwaige Übergabe an den SD beim „OKW/Chef Kriegsgef.“ entschieden werden.
Unter der Überschrift „Hierzu befehle ich Folgendes“ werden dann Ausführungsbestimmungen angefügt. Die Überstellten sollten „nach dem bisher üblichen Verfahren“ in das KL Mauthausen überführt werden. Beim Transport seien die Gefangenen zu fesseln, dies aber vor unbeteiligten Zuschauern zu verbergen. Dem Lagerkommandanten in Mauthausen sei mitzuteilen, dass „die Überstellung im Rahmen der Aktion ‚Kugel’ erfolgt.“ Das OKW sei gebeten worden, die Kriegsgefangenenlager anzuweisen, im Interesse der Tarnung die Wiederergriffenen nicht selbst unmittelbar nach Mauthausen zu schicken, sondern der zuständigen Staatspolizeistelle zu übergeben.
Umsetzung des Befehls
In erster Linie wurden Angehörige der Roten Armee Opfer dieses Erlasses. Eine als „geheim“ gekennzeichnete Anweisung des Wehrkreiskommandos in Soest vom 27. Juli 1944 bezieht sich auf die Überstellung von Kriegsgefangenen an die Geheime Staatspolizei und zählt zudem auf, dass sowjetische Offiziere und Mannschaften wegen Straftaten, wegen Arbeitsverweigerung oder wegen ihrer politischen Einstellung aus der Kriegsgefangenschaft zu entlassen und der Gestapo zu überstellen seien.[7] Auch polnische Kriegsgefangene, die der Sabotage überführt worden seien, sollten auf Ersuchen dem Einsatzkommando überstellt werden. In allen diesen Fällen sei eine Meldung an das OKW nicht erforderlich.
Bei Kriegsgefangenen aller anderen Nationen, namentlich auch bei belgischen und französischen Kriegsgefangenen und italienischen Militärinternierten, sei die Zustimmung des OKW oder des zuständigen des Wehrkreiskommandos erforderlich.
Exekutionen in Mauthausen
Bereits 1943 waren Häftlinge aller Art vom Sicherheitsdienst nach Mauthausen „unter Stichwort Kugel“ eingeliefert und dort exekutiert worden.[8]
Im Nürnberger Hauptprozess lag eine eidesstattliche Versicherung von Zeugen vor, die über die Ermordung der nach Mauthausen transportieren Kriegsgefangenen berichteten:
„In Mauthausen gab es mehrere Arten der Gefangenenbehandlungen, unter ihnen die 'Aktion K oder Kugel'. Nach Ankunft der Transporte wurden die Gefangenen, die mit 'K' bezeichnet waren, nicht registriert, erhielten keine Nummer, und ihre Namen blieben allen, mit Ausnahme der Beamten der politischen Abteilung, unbekannt. Die K-Gefangenen wurden direkt in das Gefängnis gebracht, entkleidet und in die 'Duschräume' geschickt. Diese Duschräume in den Kellern des Gefängnisses neben dem Krematorium waren für Exekutionen bestimmt.[9]“
Nach anderen Angaben sollen die „K“-Häftlinge, die in Mauthausen erschossen werden sollten, in einer gesonderten Baracke untergebracht worden sein. Man misshandelte sie zu Tode oder ließ sie einfach verhungern.[10]
Es sind keine Unterlagen erhalten geblieben, aus denen sich die Anzahl der aufgrund des „Kugel-Erlasses“ getöteten Kriegsgefangenen einwandfrei ermitteln lässt. Die im Prozessverlauf von einem Zeugen gemachte Zahlenangabe von 1.300 ist in sich selbst unschlüssig[11] und wurde dort angezweifelt.[12] Nach anderen Angaben verloren durch die Aktion K in Mauthausen 5.040 Personen ihr Leben, von denen mit 4.300 rund 85 % sowjetische Kriegsgefangene waren.[13]
Verantwortlichkeiten
Die UdSSR war der Haager Landkriegsordnung von 1907, nicht aber dem Genfer Kriegsgefangenenabkommen von 1929 beigetreten.[14] Dennoch waren auch die Exekutionen der sowjetischen Kriegsgefangenen zweifellos illegal. Durch den bereits beschriebenen Umstand, dass hauptsächlich Angehörige der Roten Armee dem „Kugel-Erlass“ zum Opfer fielen, hatte er eine ergänzende Wirkung zum Kommissarbefehl vom 6. Juni 1941.[15]
Hermann Göring bestritt vor Gericht entschieden, vom Kugel-Erlass gewusst zu haben. Ernst Kaltenbrunner stellte dar, er habe erst zufällig davon erfahren und nachgefragt:
„Wiederum einige Tage später erschien Müller bei mir im Auftrag Himmlers und gab mir Einsicht in einen Erlass, der aber nicht von Hitler, sondern von Himmler stammte, und in welchem Himmler erklärte, er gäbe mir einen mündlichen Führerbefehl weiter. Ich habe auf das hin Himmler geantwortet, dass ich in diesem Führererlass natürlich feststellen müsse, dass die primitivsten Prinzipien der Genfer Konvention gebrochen seien, wenn schon zu einer Zeit, die lange vor meiner Tätigkeit und nach Setzung späterer Rechtsbrüche geschehen sei. Ich bäte ihn, dagegen beim Führer vorstellig zu werden und habe diesem Schreiben den Entwurf eines Schreibens Himmlers an Hitler beigelegt, in welchem Himmler den Führer bittet: a) diesen Erlass aufzuheben, b) auf jeden Fall die nachgeordneten Dienststellen von dieser seelischen Belastung zu entlasten. […] Der Erfolg war positiv. Es ist zwar nicht der »Kugel-Erlass« aufgehoben worden und nicht eine Reihe anderer, ebenso bedrückender Befehle, es ist aber insofern positiv gewesen, als mir im Februar 1945 zum ersten Male überhaupt von Hitler die Fühlungnahme mit dem Internationalen Roten Kreuz gestattet wurde, die bis dorthin strengstens verboten gewesen.[16]“
Wilhelm Keitel sagte im Kreuzverhör: „Ich habe bestimmt diesen Befehl nicht unterschrieben, nicht gesehen, darüber besteht kein Zweifel.“[17] Er könne es nicht aufklären, nur Vermutungen äußern, wie es zu diesem Befehl und den Worten „Das OKW hat folgendes angeordnet“ beim Reichssicherheitsamt [sic] gekommen sei. Er erwähnte in seiner Aussage verschiedene Möglichkeiten und schloss sich Kaltenbrunners Deutung an, dass Adolf Hitler ohne Rücksprache mit ihm, dem Angeklagten Keitel, und ohne sein Wissen einen mündlichen Befehl an Heinrich Himmler gegeben habe.
Nach Deutung von Christian Kretschmer sprechen alle Indizien dafür, dass der Befehl aus dem Kreis Hitler-Himmler-Müller kam; es bleibt ungeklärt, wieweit Hans von Graevenitz als Chef des Kriegsgefangenenwesens an der Ausarbeitung beteilt war. Einen schriftlichen Befehl seitens des OKW, der explizit von der Ermordung der an die Gestapo ausgeliefertet Offiziere sprach, hält Kretschmer für unwahrscheinlich. Allerdings kann die Übergabe an die Gestapo den Gedanken an eine Exekution nahelegen.[18]
Siehe auch
Kommandobefehl
Fliegermorde
Stalag Luft III
Nacht-und-Nebel-Erlass
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
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