Die biblische Exegese
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Die biblische Exegese
Die biblische Exegese ist die Auslegung von Texten des Alten und Neuen Testaments in der christlichen Theologie und für die Glaubenspraxis. Sie bemüht sich, für die fachlich gebildeten, aber auch die laienhaften Leser die Aussagen und Inhalte, die historischen und textlichen Zusammenhänge der biblischen Texte zugänglich zu machen. Manche Bibelausleger haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Texte im Zusammenhang der ganzen Bibel zu verstehen und zu deuten (kanonische Exegese).[1]
Disputierende Mönche
Spitzweg zeigt mit diesem Bild, dass es unter Mönchen sehr menschlich zugeht, und zeigt zwei streitende Einsiedler in einer höhlenartigen Schlucht. Der eine Mönch pocht auf eine Textstelle, während ihm der andere den Vogel zeigt. Außerdem liegt noch ein Knüppel bereit.
Schon innerhalb der ersten Generation des Christentums finden sich Beispiele dafür, dass manche neutestamentliche Texte nicht leicht zu verstehen waren. So bescheinigt der 2. Petrusbrief den Briefen des Paulus, dass in ihnen „manche Dinge schwer zu verstehen“ seien.[2]
Die biblische Exegese ist von der Biblischen Hermeneutik zu unterscheiden. Exegese ist die praktische Auslegung eines (biblischen) Textes, Hermeneutik beleuchtet und klärt die Voraussetzungen und die Ziele einer Auslegung.
Die biblische Exegese hat in ihrer wissenschaftlichen Form wechselseitig die Bemühungen von Philologie, Rechtswissenschaft und der sich entwickelnden Literaturwissenschaft unterstützt und von diesen profitiert. Insofern ist sie an der Entwicklung einer allgemeinen exegetischen Methodologie beteiligt gewesen.
Allgemeine Fragestellungen
Der Zugang zur Bibel
Die Bibel Christians III. von Dänemark, Kopenhagen, 1550 – die erste dänische Übersetzung – in 3.000-facher Auflage
Nach Auffassung der meisten Christen ist die Bibel weder ein in jedem Buchstaben unfehlbares, wörtlich zu befolgendes Buch, noch ist sie eine Sammlung alter oder überholter Geschichten oder lediglich geschichtlich von Interesse. Viele biblische Erzählungen, seien sie auch noch so alt, enthalten – neben vielerlei Inhalten symbolischer Bedeutung – historisch zuverlässige Information, die zum Teil archäologisch belegt werden kann. Auch enthalten sie Lebenserfahrungen und „-weisheiten“ vieler Generationen, Erfahrungen von Liebe und Leid, Tod und „Schicksal“, Erfahrungen, die schließlich den Glauben an Gott bewirkt haben und aus diesem Glauben heraus auch gedeutet worden sind. Als Hilfsangebot zur Verarbeitung von Erfahrungen aller Art, als Deutungs- und/oder Sinnangebot an jeden einzelnen Menschen wird die Bibel von vielen für wichtig gehalten.
Streit über die Methoden
Angesichts der großen Vielfalt der Methoden, die seit den 1970er Jahren ihren Eingang in die Exegese gefunden haben, stellt sich die Frage, wie diese miteinander zusammenhängen. Bauen alle diese Methoden in irgendeiner Weise aufeinander auf? Sind sie von ihren Voraussetzungen her miteinander vereinbar? Sind alle Methoden der Bibelauslegung gleich sinnvoll und legitim? Bei jedem Text? Darf es auch eine spezifisch theologische Interpretation der Bibel geben? Diese Fragen tauchen seit einigen Jahren in der exegetischen Fachdiskussion zunehmend auf, sind jedoch noch nicht befriedigend beantwortet.
Grenzen der biblischen Exegese
Grundsätzlich kann keine Auslegungsmethode mit Sicherheit für die Richtigkeit ihrer Ergebnisse garantieren. Historische Fakten können mit keiner Methode bewiesen, sondern höchstens gut belegt und plausibel gemacht werden. Die Euphorie, die sich sowohl in den evangelischen Kirchen wie auch in der katholischen Kirche angesichts des neu erworbenen Instrumentariums der historisch-kritischen Methode gebildet hatte, ist abgeklungen.
„Eisegese“
→ Hauptartikel: Eisegese
Bei der Eisegese handelt es sich um den gegenläufigen Vorgang des text- bzw. sachgerechten Auslegens. Der Begriff wird oft polemisch verwendet in dem Sinn, dass der Ausleger etwas in den Text hineininterpretiert, was dort nicht zu finden sei. Dabei wird eine vorher vorhandene oder vorgegebene Meinung, z. B. aufgrund anderer Bibelstellen, in den Text hineingelegt. Dies dient oft zum „Beweis“ bestimmter Ansichten oder Lieblingsideen. Gleichwohl entstehen Eisegesen oft nicht absichtlich, sondern aus Mangel an kritischer Distanz, historischem Hintergrundwissen oder aufgrund der Vieldeutigkeit sprachlicher Ausdrücke.
Geschichte der Biblischen Exegese
Die jüdische Exegese als Vorbild der christlichen Exegese
Die jüdische Bibelauslegung ist von einem zweiteiligen Offenbarungsbegriff geprägt: Der schriftlichen Tora (d.h. der jüdischen Bibel) wird eine mündliche Tora gegenübergestellt. Diese mündliche Tora beinhaltet die schriftgelehrte Diskussion, die vor allem in Mischna und Talmud (paradoxerweise) in schriftlicher Form vorliegt, und sich bis heute in rabbinischen Diskussionen fortsetzt. Dennoch kann gesagt werden, dass auch diese mündliche Tora dem Mose am Sinai gegeben wurde. Wichtig an diesem Konzept ist, dass es einander widersprechende Positionen integrieren kann.[3]
Die jüdische Bibelauslegung, die man in Ansätzen schon in innerbiblischen Bezügen finden kann, liegt in ersten Zeugnissen aus den Jahrhunderten um die Zeitenwende vor. Ein Teil davon (Philo von Alexandrien, Josephus und in gewisser Weise auch das Neue Testament) gehört in den Kontext hellenistischer Kultur. Hier ist die Auslegung biblischer Texte sehr stark von Allegorisierungen geprägt, die die starke Menschenähnlichkeit Gottes in den Bibeltexten als uneigentliche Rede zu deuten versuchen.
Die klassische (d.h. im Judentum tradierte) Bibelauslegung ist zwar hebräisch bzw. aramäisch überliefert, aber auch hellenistisch geprägt. Sie zeigt bereits Vorläufer in den Schriften von Qumran. Die an den wöchentlichen Tora-Lesungen ausgerichtete Kommentar- bzw. Predigtliteratur heißt Midrasch. Der Begriff kann aber auch zur Bezeichnung einzelner Textpassagen in anderen Literaturwerken (wie den Talmudim) benutzt werden. Ein zweiter wichtiger Bereich sind die aramäischen Bibelübersetzungen (Targumim), die z.T. stark paraphrasierend vorgehen und dabei auch midraschartige Elemente in den Text einflechten.
Methodisch ist diese rabbinische Exegese durch den Gegensatz zweier Grundauffassungen geprägt, die mit zwei Gelehrten verbunden werden: Während Rabbi Jischmael darauf besteht, dass „die Tora in der Sprache der Menschen rede“, sieht Rabbi Akiba die Notwendigkeit, einen darüber hinausgehenden Sinn an bestimmten sprachlichen Elementen des Bibeltextes festzumachen, der als göttlicher Text mit jeder kleinen Einzelheit eine bestimmte Aussage verbinden müsste. So schien es als ein wichtiges dogmatisches Erfordernis nachzuweisen, dass in der Tora von der Auferstehung der Toten gesprochen werde, was eine Lektüre auf der Ebene des einfachen Textes nicht wirklich hergibt.
Seit dem 10. Jahrhundert n.Chr. kommt eine neue Form rabbinischer Kommentare auf, die einen stark rational und philologisch orientierten Ansatz hatten, die phantasievollen Midraschim allerdings auch rezipierten und zusammenfassten. Diese Kommentare (u.a. Raschi, Kimchi, Ibn Esra) wurden zusammen mit den Targumim (s.o.) in großen Tora- oder Bibelausgaben (Miqra'ot Gedolot, bzw. „Rabbinerbibeln“) parallel zum Bibeltext abgedruckt und sind in der Neuzeit z.T. auch sehr stark von christlichen Auslegern rezipiert worden.[4]
Urchristentum bis Mittelalter – der vierfache Schriftsinn
Entsprechend der klassischen philologischen Schule in Alexandria stellte Origenes (ca. 185–254) für die Bibel die Theorie vom „mehrfachen Schriftsinn“ auf. Demzufolge reichte nicht die rein literarisch-philologische Analyse des Textes. Dem einfachen Gläubigen genügte dieser geschichtliche Sinn, jedoch sollte die Exegese für Geübtere auch den seelischen Sinn erheben und für Vollkommene der geistig-geistliche Sinn festgestellt werden.
Dieser Dreischritt somatische – psychische – pneumatische Exegese wurde dann durch Johannes Cassianus im 5. Jahrhundert zur Theorie vom vierfachen Schriftsinn ausgebaut, die für das gesamte Mittelalter prägend war. Ähnlich wie in der jüdischen Tradition der Bibelauslegung (siehe PaRDeS) tritt zur historisch-literalen Exegese nun ein Dreischritt, der sich am Schema Glaube-Liebe-Hoffnung orientiert.
Literalsinn (wörtliche, geschichtliche Auslegung)
Allegorischer Sinn (Interpretation „im Glauben“) = dogmatisch
Tropologischer Sinn (Interpretation „in Liebe“) = moralisch
Anagogischer Sinn (Interpretation „in Hoffnung“) = endzeitlich
Damit stand die Frage einer mehrdeutigen Schrift im Raum. Da aber nach eindeutigen Auslegungen gefragt wurde, setzten hier Reformbemühungen ein.
Der Skeireins ist eine gotische Auslegung zum Johannesevangelium der Wulfilabibel. Eine weitere Auslegung ist der „Skarapsus“ aus dem 8. Jahrhundert, ein Text, der dem hl. Pirminius zugeschrieben wird. Der Heliand ist ein frühmittelalterliches altsächsisches Großepos und wichtiges Glied im historischen Kontext der Entstehung der deutschen Sprache und Literatur.Dort wird in stabreimenden Langzeilen das Leben Jesu Christi in der Form einer Evangelienharmonie nacherzählt.
Reformation und Konzil von Trient
Die Reformatoren lehnen im Einklang mit dem in der Renaissance neu entdeckten historischen Bewusstsein den vierfachen Schriftsinn ab. Sie wollen historisch (und auch theologisch) „zu den Quellen“ (ad fontes). Sie fragen allein nach dem Wort- oder Literalsinn (sola scriptura). Vielfach kam es im protestantischen Raum zur Vorstellung einer „Verbalinspiration“, d. h. die Bibel sei Wort für Wort vom Heiligen Geist inspiriert und somit im wortwörtlichen Sinne unfehlbar. Damit stellte sich dann aber die Frage, ob das ausreicht. Die reformatorische Hermeneutik beantwortete das mit der theologischen These vom „Wort Gottes“, das alleinige Autorität hat und für sich spricht. Damit spitzte sich die Frage nach dem Verstehen zu und die neuzeitliche Hermeneutik entwickelte sich – zunächst als typisch protestantische Ergänzung der Exegese.
Eine entsprechende Verdeutlichung der katholischen Position erfolgte auf dem Konzil von Trient (1545–1563), als die mehrdeutige Schrift unter die Autorität des kirchlichen Lehramts gestellt wurde: Ohne das (bischöfliche bzw. päpstliche) Lehramt bleibt die Bibel zweideutig. Durch die enge Anlehnung der Bibel an die kirchliche Tradition bildete sich zunächst keine spezifisch katholische Hermeneutik heraus.
Aufklärung vs. Repristinationstheologie
Die Exegese seit der Aufklärung reagierte insbesondere auf die altprotestantische (lutherische) Orthodoxie des 16. und 17. Jahrhunderts, die den Literalsinn mit „Gottes Wort“ gleichsetzte und somit den Bibeltext erneut mit einem bis ins Äußerste verfeinerten Regelwerk umgab. Die sich als wissenschaftlich verstehende Exegese der Aufklärung propagierte dagegen die Trennung von Literalsinn der Bibel und „Wort Gottes“ in der Bibel. Damit konnte der Bibeltext mit nun sich schnell entwickelnden philologischen und historischen Methoden untersucht werden, wogegen die Dogmatik (insbesondere die Schriftlehre) und die Biblische Hermeneutik sich um das Verstehen der analysierten Texte kümmern sollte.
Der konservative Protest gegen die Bibelauslegung der Aufklärung firmierte im 19. Jahrhundert unter dem Stichwort Repristinationstheologie: Es war der Versuch, den früheren, voraufklärerischen Umgang mit der Bibel wiederherzustellen. Die Repristinationstheologie konnte sich allerdings nicht durchsetzen.
Wenn auch eine absolut objektive Exegese nicht möglich ist, so sind doch ihre Ergebnisse heute zwischen katholischen und evangelischen (und mit Einschränkung auch orthodoxen) Theologen im akademischen Bereich weithin ähnlich. Die Verwertung der Ergebnisse einer exegetischen Standardanalyse jedoch kann sehr unterschiedlich sein.
Entwicklung der historisch-kritischen Methode
Die historisch-kritische Methode wurde ab dem 18. Jahrhundert als wissenschaftlicher Methodenapparat zur Untersuchung biblischer Texte entwickelt, vor allem von evangelischen Theologen.
20. Jahrhundert
Im 20. Jahrhundert wurden eine ganze Reihe neuer exegetischer Methoden entwickelt, die jeweils einer konkreten Zugangsweise zur Bibel bzw. gesellschaftspolitischen Sichtweise gerecht werden wollen (z. B. Feministische Exegese, Befreiungstheologische Exegese) oder Forschungsergebnissen aus anderen Fachbereichen Rechnung tragen (tiefenpsychologische Exegese, narrative Exegese).
Methoden
Die historisch-kritische Methode
→ Hauptartikel: historisch-kritische Methode
Die verbreitetste Methode der biblischen Exegese ist die „historisch-kritische Methode“. Sie hat zum Ziel, einen biblischen Text in seinem damaligen historischen Kontext auszulegen, wobei die Rekonstruktion der vermuteten Vorgeschichte des Textes eine besondere Rolle spielt.
Während die klassische historisch-kritische Methode im 18. bis zum 20. Jahrhundert von deutschen evangelischen Theologen entwickelt wurde und dort weiter eine besondere Stellung einnimmt, wurden neuere Methoden nahezu alle aus dem englischen oder französischen Sprachraum übernommen (ausgenommen Rezeptionsästhetik und Tiefenpsychologie).
Kontextuelle Exegese
Zur kontextuellen Exegese gehören verschiedene exegetische Modelle, die die Bibel und die religiöse Tradition jeweils für eine bestimmte – meist gesellschaftlich diskriminierte oder politisch unterdrückte – Zielgruppe erschließen wollen. Es gibt kontextuelle Exegese unter anderem für und von Frauen, Afroamerikaner und Homosexuelle. Begründet wird eine kontextuelle Exegese damit, dass eine kontextfreie Exegese ohnehin nicht möglich wäre; aus ihrer Sicht ist jede – auch sich selbst als wertfrei definierende – Exegese kontextuell. In jeder Exegese würden sich im Ergebnis die Machtverhältnisse der Gesellschaft widerspiegeln. Die kontextuelle Exegese will dieses Problem dadurch korrigieren, dass sie bewusst Partei für die Unterdrückten ergreift. Die kontextuelle Exegese fragt dabei nicht nur nach den gesellschaftlichen Machtverhältnissen der Gegenwart, sondern auch nach denen zur Zeit der Entstehung der Bibel und der Tradition.
Diejenigen, die von der bisherigen patriarchalischen Exegese unterdrückt worden sind (Frauen, Arme, Bewohner der nichtwestlichen Welt, Juden, Angehörige nichtmonotheistischer Religionen, Homosexuelle, theologische Laien, Kinder, die Schöpfung bzw. ökologische Bewegung), sollen nun auch zu Wort kommen können und ihre Sicht auf die Bibel und ihre Interpretation mitteilen. Dieses Anliegen wird mehr oder weniger kämpferisch formuliert, daher auch die alternative Bezeichnung „engagierte Exegesen“.
Siehe auch: The Context Group
Feministische Exegese
Gemeinsam ist den einzelnen Richtungen der feministischen Bibelauslegung das Interesse, die Rolle und das Leben von Frauen in der Bibel zu erforschen und stärker im allgemeinen Bewusstsein zu verankern. Zudem hinterfragt sie kritisch das Männer- und Frauenbild der Bibel, deren Texte wohl alle von Männern verfasst worden sind. Schließlich will sie biblische Inhalte für Frauen in der heutigen Zeit nachvollziehbar machen.
Bedeutende feministische Exegetinnen sind Marlene Crüsemann, Irmtraud Fischer, Claudia Janssen, Barbara Mörtl, Letty Russell, Luise Schottroff, Silvia Schroer, Helen Schüngel-Straumann, Elisabeth Schüssler-Fiorenza, Dorothee Sölle, Marie-Theres Wacker, Ulrike Bail.
Befreiungstheologische Exegese
→ Hauptartikel: Befreiungstheologische Exegese
Bedeutende befreiungstheologische Exegeten sind Clodovis Boff, Ernesto Cardenal, J. Severino Croatto, Carlos Mesters, Jorge Pixley, Pablo Richard, Ivoni Richter Reimer, Luise Schottroff, Elisabeth Schüssler-Fiorenza, Milton Schwantes, Elsa Tamez.
An dieser Stelle brechen wir mal ab,wer weiterlesen möchte,hier der Link:
https://de.wikipedia.org/wiki/Biblische_Exegese
Disputierende Mönche
Spitzweg zeigt mit diesem Bild, dass es unter Mönchen sehr menschlich zugeht, und zeigt zwei streitende Einsiedler in einer höhlenartigen Schlucht. Der eine Mönch pocht auf eine Textstelle, während ihm der andere den Vogel zeigt. Außerdem liegt noch ein Knüppel bereit.
Schon innerhalb der ersten Generation des Christentums finden sich Beispiele dafür, dass manche neutestamentliche Texte nicht leicht zu verstehen waren. So bescheinigt der 2. Petrusbrief den Briefen des Paulus, dass in ihnen „manche Dinge schwer zu verstehen“ seien.[2]
Die biblische Exegese ist von der Biblischen Hermeneutik zu unterscheiden. Exegese ist die praktische Auslegung eines (biblischen) Textes, Hermeneutik beleuchtet und klärt die Voraussetzungen und die Ziele einer Auslegung.
Die biblische Exegese hat in ihrer wissenschaftlichen Form wechselseitig die Bemühungen von Philologie, Rechtswissenschaft und der sich entwickelnden Literaturwissenschaft unterstützt und von diesen profitiert. Insofern ist sie an der Entwicklung einer allgemeinen exegetischen Methodologie beteiligt gewesen.
Allgemeine Fragestellungen
Der Zugang zur Bibel
Die Bibel Christians III. von Dänemark, Kopenhagen, 1550 – die erste dänische Übersetzung – in 3.000-facher Auflage
Nach Auffassung der meisten Christen ist die Bibel weder ein in jedem Buchstaben unfehlbares, wörtlich zu befolgendes Buch, noch ist sie eine Sammlung alter oder überholter Geschichten oder lediglich geschichtlich von Interesse. Viele biblische Erzählungen, seien sie auch noch so alt, enthalten – neben vielerlei Inhalten symbolischer Bedeutung – historisch zuverlässige Information, die zum Teil archäologisch belegt werden kann. Auch enthalten sie Lebenserfahrungen und „-weisheiten“ vieler Generationen, Erfahrungen von Liebe und Leid, Tod und „Schicksal“, Erfahrungen, die schließlich den Glauben an Gott bewirkt haben und aus diesem Glauben heraus auch gedeutet worden sind. Als Hilfsangebot zur Verarbeitung von Erfahrungen aller Art, als Deutungs- und/oder Sinnangebot an jeden einzelnen Menschen wird die Bibel von vielen für wichtig gehalten.
Streit über die Methoden
Angesichts der großen Vielfalt der Methoden, die seit den 1970er Jahren ihren Eingang in die Exegese gefunden haben, stellt sich die Frage, wie diese miteinander zusammenhängen. Bauen alle diese Methoden in irgendeiner Weise aufeinander auf? Sind sie von ihren Voraussetzungen her miteinander vereinbar? Sind alle Methoden der Bibelauslegung gleich sinnvoll und legitim? Bei jedem Text? Darf es auch eine spezifisch theologische Interpretation der Bibel geben? Diese Fragen tauchen seit einigen Jahren in der exegetischen Fachdiskussion zunehmend auf, sind jedoch noch nicht befriedigend beantwortet.
Grenzen der biblischen Exegese
Grundsätzlich kann keine Auslegungsmethode mit Sicherheit für die Richtigkeit ihrer Ergebnisse garantieren. Historische Fakten können mit keiner Methode bewiesen, sondern höchstens gut belegt und plausibel gemacht werden. Die Euphorie, die sich sowohl in den evangelischen Kirchen wie auch in der katholischen Kirche angesichts des neu erworbenen Instrumentariums der historisch-kritischen Methode gebildet hatte, ist abgeklungen.
„Eisegese“
→ Hauptartikel: Eisegese
Bei der Eisegese handelt es sich um den gegenläufigen Vorgang des text- bzw. sachgerechten Auslegens. Der Begriff wird oft polemisch verwendet in dem Sinn, dass der Ausleger etwas in den Text hineininterpretiert, was dort nicht zu finden sei. Dabei wird eine vorher vorhandene oder vorgegebene Meinung, z. B. aufgrund anderer Bibelstellen, in den Text hineingelegt. Dies dient oft zum „Beweis“ bestimmter Ansichten oder Lieblingsideen. Gleichwohl entstehen Eisegesen oft nicht absichtlich, sondern aus Mangel an kritischer Distanz, historischem Hintergrundwissen oder aufgrund der Vieldeutigkeit sprachlicher Ausdrücke.
Geschichte der Biblischen Exegese
Die jüdische Exegese als Vorbild der christlichen Exegese
Die jüdische Bibelauslegung ist von einem zweiteiligen Offenbarungsbegriff geprägt: Der schriftlichen Tora (d.h. der jüdischen Bibel) wird eine mündliche Tora gegenübergestellt. Diese mündliche Tora beinhaltet die schriftgelehrte Diskussion, die vor allem in Mischna und Talmud (paradoxerweise) in schriftlicher Form vorliegt, und sich bis heute in rabbinischen Diskussionen fortsetzt. Dennoch kann gesagt werden, dass auch diese mündliche Tora dem Mose am Sinai gegeben wurde. Wichtig an diesem Konzept ist, dass es einander widersprechende Positionen integrieren kann.[3]
Die jüdische Bibelauslegung, die man in Ansätzen schon in innerbiblischen Bezügen finden kann, liegt in ersten Zeugnissen aus den Jahrhunderten um die Zeitenwende vor. Ein Teil davon (Philo von Alexandrien, Josephus und in gewisser Weise auch das Neue Testament) gehört in den Kontext hellenistischer Kultur. Hier ist die Auslegung biblischer Texte sehr stark von Allegorisierungen geprägt, die die starke Menschenähnlichkeit Gottes in den Bibeltexten als uneigentliche Rede zu deuten versuchen.
Die klassische (d.h. im Judentum tradierte) Bibelauslegung ist zwar hebräisch bzw. aramäisch überliefert, aber auch hellenistisch geprägt. Sie zeigt bereits Vorläufer in den Schriften von Qumran. Die an den wöchentlichen Tora-Lesungen ausgerichtete Kommentar- bzw. Predigtliteratur heißt Midrasch. Der Begriff kann aber auch zur Bezeichnung einzelner Textpassagen in anderen Literaturwerken (wie den Talmudim) benutzt werden. Ein zweiter wichtiger Bereich sind die aramäischen Bibelübersetzungen (Targumim), die z.T. stark paraphrasierend vorgehen und dabei auch midraschartige Elemente in den Text einflechten.
Methodisch ist diese rabbinische Exegese durch den Gegensatz zweier Grundauffassungen geprägt, die mit zwei Gelehrten verbunden werden: Während Rabbi Jischmael darauf besteht, dass „die Tora in der Sprache der Menschen rede“, sieht Rabbi Akiba die Notwendigkeit, einen darüber hinausgehenden Sinn an bestimmten sprachlichen Elementen des Bibeltextes festzumachen, der als göttlicher Text mit jeder kleinen Einzelheit eine bestimmte Aussage verbinden müsste. So schien es als ein wichtiges dogmatisches Erfordernis nachzuweisen, dass in der Tora von der Auferstehung der Toten gesprochen werde, was eine Lektüre auf der Ebene des einfachen Textes nicht wirklich hergibt.
Seit dem 10. Jahrhundert n.Chr. kommt eine neue Form rabbinischer Kommentare auf, die einen stark rational und philologisch orientierten Ansatz hatten, die phantasievollen Midraschim allerdings auch rezipierten und zusammenfassten. Diese Kommentare (u.a. Raschi, Kimchi, Ibn Esra) wurden zusammen mit den Targumim (s.o.) in großen Tora- oder Bibelausgaben (Miqra'ot Gedolot, bzw. „Rabbinerbibeln“) parallel zum Bibeltext abgedruckt und sind in der Neuzeit z.T. auch sehr stark von christlichen Auslegern rezipiert worden.[4]
Urchristentum bis Mittelalter – der vierfache Schriftsinn
Entsprechend der klassischen philologischen Schule in Alexandria stellte Origenes (ca. 185–254) für die Bibel die Theorie vom „mehrfachen Schriftsinn“ auf. Demzufolge reichte nicht die rein literarisch-philologische Analyse des Textes. Dem einfachen Gläubigen genügte dieser geschichtliche Sinn, jedoch sollte die Exegese für Geübtere auch den seelischen Sinn erheben und für Vollkommene der geistig-geistliche Sinn festgestellt werden.
Dieser Dreischritt somatische – psychische – pneumatische Exegese wurde dann durch Johannes Cassianus im 5. Jahrhundert zur Theorie vom vierfachen Schriftsinn ausgebaut, die für das gesamte Mittelalter prägend war. Ähnlich wie in der jüdischen Tradition der Bibelauslegung (siehe PaRDeS) tritt zur historisch-literalen Exegese nun ein Dreischritt, der sich am Schema Glaube-Liebe-Hoffnung orientiert.
Literalsinn (wörtliche, geschichtliche Auslegung)
Allegorischer Sinn (Interpretation „im Glauben“) = dogmatisch
Tropologischer Sinn (Interpretation „in Liebe“) = moralisch
Anagogischer Sinn (Interpretation „in Hoffnung“) = endzeitlich
Damit stand die Frage einer mehrdeutigen Schrift im Raum. Da aber nach eindeutigen Auslegungen gefragt wurde, setzten hier Reformbemühungen ein.
Der Skeireins ist eine gotische Auslegung zum Johannesevangelium der Wulfilabibel. Eine weitere Auslegung ist der „Skarapsus“ aus dem 8. Jahrhundert, ein Text, der dem hl. Pirminius zugeschrieben wird. Der Heliand ist ein frühmittelalterliches altsächsisches Großepos und wichtiges Glied im historischen Kontext der Entstehung der deutschen Sprache und Literatur.Dort wird in stabreimenden Langzeilen das Leben Jesu Christi in der Form einer Evangelienharmonie nacherzählt.
Reformation und Konzil von Trient
Die Reformatoren lehnen im Einklang mit dem in der Renaissance neu entdeckten historischen Bewusstsein den vierfachen Schriftsinn ab. Sie wollen historisch (und auch theologisch) „zu den Quellen“ (ad fontes). Sie fragen allein nach dem Wort- oder Literalsinn (sola scriptura). Vielfach kam es im protestantischen Raum zur Vorstellung einer „Verbalinspiration“, d. h. die Bibel sei Wort für Wort vom Heiligen Geist inspiriert und somit im wortwörtlichen Sinne unfehlbar. Damit stellte sich dann aber die Frage, ob das ausreicht. Die reformatorische Hermeneutik beantwortete das mit der theologischen These vom „Wort Gottes“, das alleinige Autorität hat und für sich spricht. Damit spitzte sich die Frage nach dem Verstehen zu und die neuzeitliche Hermeneutik entwickelte sich – zunächst als typisch protestantische Ergänzung der Exegese.
Eine entsprechende Verdeutlichung der katholischen Position erfolgte auf dem Konzil von Trient (1545–1563), als die mehrdeutige Schrift unter die Autorität des kirchlichen Lehramts gestellt wurde: Ohne das (bischöfliche bzw. päpstliche) Lehramt bleibt die Bibel zweideutig. Durch die enge Anlehnung der Bibel an die kirchliche Tradition bildete sich zunächst keine spezifisch katholische Hermeneutik heraus.
Aufklärung vs. Repristinationstheologie
Die Exegese seit der Aufklärung reagierte insbesondere auf die altprotestantische (lutherische) Orthodoxie des 16. und 17. Jahrhunderts, die den Literalsinn mit „Gottes Wort“ gleichsetzte und somit den Bibeltext erneut mit einem bis ins Äußerste verfeinerten Regelwerk umgab. Die sich als wissenschaftlich verstehende Exegese der Aufklärung propagierte dagegen die Trennung von Literalsinn der Bibel und „Wort Gottes“ in der Bibel. Damit konnte der Bibeltext mit nun sich schnell entwickelnden philologischen und historischen Methoden untersucht werden, wogegen die Dogmatik (insbesondere die Schriftlehre) und die Biblische Hermeneutik sich um das Verstehen der analysierten Texte kümmern sollte.
Der konservative Protest gegen die Bibelauslegung der Aufklärung firmierte im 19. Jahrhundert unter dem Stichwort Repristinationstheologie: Es war der Versuch, den früheren, voraufklärerischen Umgang mit der Bibel wiederherzustellen. Die Repristinationstheologie konnte sich allerdings nicht durchsetzen.
Wenn auch eine absolut objektive Exegese nicht möglich ist, so sind doch ihre Ergebnisse heute zwischen katholischen und evangelischen (und mit Einschränkung auch orthodoxen) Theologen im akademischen Bereich weithin ähnlich. Die Verwertung der Ergebnisse einer exegetischen Standardanalyse jedoch kann sehr unterschiedlich sein.
Entwicklung der historisch-kritischen Methode
Die historisch-kritische Methode wurde ab dem 18. Jahrhundert als wissenschaftlicher Methodenapparat zur Untersuchung biblischer Texte entwickelt, vor allem von evangelischen Theologen.
20. Jahrhundert
Im 20. Jahrhundert wurden eine ganze Reihe neuer exegetischer Methoden entwickelt, die jeweils einer konkreten Zugangsweise zur Bibel bzw. gesellschaftspolitischen Sichtweise gerecht werden wollen (z. B. Feministische Exegese, Befreiungstheologische Exegese) oder Forschungsergebnissen aus anderen Fachbereichen Rechnung tragen (tiefenpsychologische Exegese, narrative Exegese).
Methoden
Die historisch-kritische Methode
→ Hauptartikel: historisch-kritische Methode
Die verbreitetste Methode der biblischen Exegese ist die „historisch-kritische Methode“. Sie hat zum Ziel, einen biblischen Text in seinem damaligen historischen Kontext auszulegen, wobei die Rekonstruktion der vermuteten Vorgeschichte des Textes eine besondere Rolle spielt.
Während die klassische historisch-kritische Methode im 18. bis zum 20. Jahrhundert von deutschen evangelischen Theologen entwickelt wurde und dort weiter eine besondere Stellung einnimmt, wurden neuere Methoden nahezu alle aus dem englischen oder französischen Sprachraum übernommen (ausgenommen Rezeptionsästhetik und Tiefenpsychologie).
Kontextuelle Exegese
Zur kontextuellen Exegese gehören verschiedene exegetische Modelle, die die Bibel und die religiöse Tradition jeweils für eine bestimmte – meist gesellschaftlich diskriminierte oder politisch unterdrückte – Zielgruppe erschließen wollen. Es gibt kontextuelle Exegese unter anderem für und von Frauen, Afroamerikaner und Homosexuelle. Begründet wird eine kontextuelle Exegese damit, dass eine kontextfreie Exegese ohnehin nicht möglich wäre; aus ihrer Sicht ist jede – auch sich selbst als wertfrei definierende – Exegese kontextuell. In jeder Exegese würden sich im Ergebnis die Machtverhältnisse der Gesellschaft widerspiegeln. Die kontextuelle Exegese will dieses Problem dadurch korrigieren, dass sie bewusst Partei für die Unterdrückten ergreift. Die kontextuelle Exegese fragt dabei nicht nur nach den gesellschaftlichen Machtverhältnissen der Gegenwart, sondern auch nach denen zur Zeit der Entstehung der Bibel und der Tradition.
Diejenigen, die von der bisherigen patriarchalischen Exegese unterdrückt worden sind (Frauen, Arme, Bewohner der nichtwestlichen Welt, Juden, Angehörige nichtmonotheistischer Religionen, Homosexuelle, theologische Laien, Kinder, die Schöpfung bzw. ökologische Bewegung), sollen nun auch zu Wort kommen können und ihre Sicht auf die Bibel und ihre Interpretation mitteilen. Dieses Anliegen wird mehr oder weniger kämpferisch formuliert, daher auch die alternative Bezeichnung „engagierte Exegesen“.
Siehe auch: The Context Group
Feministische Exegese
Gemeinsam ist den einzelnen Richtungen der feministischen Bibelauslegung das Interesse, die Rolle und das Leben von Frauen in der Bibel zu erforschen und stärker im allgemeinen Bewusstsein zu verankern. Zudem hinterfragt sie kritisch das Männer- und Frauenbild der Bibel, deren Texte wohl alle von Männern verfasst worden sind. Schließlich will sie biblische Inhalte für Frauen in der heutigen Zeit nachvollziehbar machen.
Bedeutende feministische Exegetinnen sind Marlene Crüsemann, Irmtraud Fischer, Claudia Janssen, Barbara Mörtl, Letty Russell, Luise Schottroff, Silvia Schroer, Helen Schüngel-Straumann, Elisabeth Schüssler-Fiorenza, Dorothee Sölle, Marie-Theres Wacker, Ulrike Bail.
Befreiungstheologische Exegese
→ Hauptartikel: Befreiungstheologische Exegese
Bedeutende befreiungstheologische Exegeten sind Clodovis Boff, Ernesto Cardenal, J. Severino Croatto, Carlos Mesters, Jorge Pixley, Pablo Richard, Ivoni Richter Reimer, Luise Schottroff, Elisabeth Schüssler-Fiorenza, Milton Schwantes, Elsa Tamez.
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https://de.wikipedia.org/wiki/Biblische_Exegese
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