Braunschweig-aktuell
Würden Sie gerne auf diese Nachricht reagieren? Erstellen Sie einen Account in wenigen Klicks oder loggen Sie sich ein, um fortzufahren.
Suchen
 
 

Ergebnisse in:
 


Rechercher Fortgeschrittene Suche

Neueste Themen
» *Santiano*
Jakob Böhme Icon_minitimeHeute um 4:25 am von Andy

» END OF GREEN
Jakob Böhme Icon_minitimeHeute um 4:21 am von Andy

»  zozyblue
Jakob Böhme Icon_minitimeHeute um 4:18 am von Andy

»  MAGNUM
Jakob Böhme Icon_minitimeHeute um 4:14 am von Andy

» Natasha Bedingfield
Jakob Böhme Icon_minitimeHeute um 4:12 am von Andy

» ... TRAKTOR ...
Jakob Böhme Icon_minitimeHeute um 4:10 am von Andy

» = Azillis =
Jakob Böhme Icon_minitimeHeute um 4:07 am von Andy

» Alice Cooper
Jakob Böhme Icon_minitimeHeute um 4:04 am von Andy

» Art of Trance
Jakob Böhme Icon_minitimeHeute um 4:02 am von Andy

Navigation
 Portal
 Index
 Mitglieder
 Profil
 FAQ
 Suchen
Partner
free forum
November 2024
MoDiMiDoFrSaSo
    123
45678910
11121314151617
18192021222324
252627282930 

Kalender Kalender


Jakob Böhme

Nach unten

Jakob Böhme Empty Jakob Böhme

Beitrag  Andy Do Aug 06, 2015 9:19 pm

Jakob Böhme (* 1575 in Alt-Seidenberg bei Görlitz; † 17. November 1624 in Görlitz) war ein deutscher Mystiker, Philosoph und christlicher Theosoph. Hegel nannte ihn den „ersten deutschen Philosophen“.

Jakob Böhme 559px-Jacob-B%C3%B6hme

Leben

Jakob Böhme wurde als viertes Kind einer besitzenden Bauernfamilie geboren. Der Vater Jakob war Kirchdiener und Gerichtsschöffe. Auf Grund seiner schwächlichen Konstitution wurde der Knabe zu einem Schuhmacher in die Lehre gegeben. Nach seinen Wanderjahren ließ sich Jakob Böhme 1599 in seiner Heimatstadt Görlitz als Schuhmacher nieder, er erwarb das Bürgerrecht und kaufte eine Schuhbank am Untermarkt. Noch im selben Jahr heiratete er Katharina Kuntzschmann und kaufte ein Wohnhaus auf dem Töpferberg. Seine Frau gebar ihm zwischen 1600 und 1606 vier Söhne. In dieser Zeit hatte er mindestens drei mystische Erfahrungen. Er schwieg aber lange Zeit und bedachte das, was er erlebt hatte. 1612 schrieb er ohne akademische Vorkenntnisse Aurora – eine erstaunliche Arbeit für einen einfachen Schuhmacher, der nie studiert hatte. Daher sind seine Texte nicht immer leicht verständlich, doch voller lebendiger Tiefe. Man findet alle Keime seines späteren Denkens bereits in diesem Werk. Böhme selbst gab ihm den Namen Morgenrot (der Titel Aurora, unter dem es später bekannt wurde, ist die lateinische Übersetzung dieses Namens).

Böhme hatte nicht die Absicht, diese Arbeit zu veröffentlichen, und gab sie nur seinen Freunden zu lesen. Doch man kopierte ohne sein Wissen die Handschrift und verbreitete sie. Der damalige Hauptpastor der Görlitzer Peter- und Paulskirche, Gregor Richter, dessen Gemeinde Böhme damals angehörte, bekam eine Kopie zu Gesicht. Richter hielt das Werk für unchristlich und bezichtigte Böhme der Häresie. Daraufhin wurde Böhme inhaftiert und mit einem Schreibverbot belegt. Nach einigen Jahren des Schweigens ließ er sich 1618 durch Freunde überreden, erneut und jetzt mit der Selbstsicherheit eines Berufenen zu schreiben. Inzwischen hatte er sich mit dem Werk des Paracelsus und mit der Philosophie des Neuplatonismus vertraut gemacht, und sein schriftstellerisches Talent hatte sich fruchtbar entwickelt. Sein zweites Werk Die Beschreibung der drei Prinzipien göttlichen Wesens (De tribus principiis) erschien 1619. Zusammen mit seiner Frau begann er, einen Garnhandel zu betreiben.

Nach der Publikation von Weg zu Christo (1624) und einiger anderer Schriften wurde auch Böhmes Erzfeind Richter erneut aktiv und bereitete eine neuerliche Anklage vor. Trotz Richters Tod am 24. August sah sich Böhme zusehends Anfeindungen der aufgehetzten Gemeinde ausgesetzt. Böhme setzte sich mit seinen Kritikern in den Theosophischen Sendbriefen auseinander, welche in seiner wachsenden Anhängerschaft auf großes Interesse stießen. Noch auf seinem eigenen Sterbebett musste sich Böhme jedoch im selben Jahr einem Glaubensverhör stellen. Richters Nachfolger verweigerte dem „Ketzer“ ein christliches Begräbnis. Die verhetzte Einwohnerschaft besudelte seine Grabstätte auf dem Görlitzer Nikolaikirchhof.
Zeitgenössisches Umfeld

Die Philosophie von Böhme zeichnet sich durch einen idealistischen Pantheismus aus, der stark mit materialistischen Elementen besetzt ist. Seine Weltanschauung entspricht den frühbürgerlichen Auffassungen. Böhme wurde von den Wirren der Zeit geprägt, so von den Nachwirkungen der Reformation und dem Bauernkrieg, der Erstarrung des Protestantismus und der Gegenreformation, die seit den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts an Boden gewann, und dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Im engeren Sinn war es der in Riten und Dogmen verharrende Protestantismus, der weite Bereiche des geistigen und praktischen Lebens in Deutschland bestimmte, gegen welchen sich Böhmes Lehre richtete.

Jakob Böhme 387px-Jacob_Boehme_Haus
Das Jakob-Böhme-Haus in der ul. Daszyńskiego (Prager Straße) 12 in Zgorzelec (Görlitz), hier lebte Jakob Böhme von 1590 bis 1610

Jakob Böhme 800px-Grabmal_B%C3%B6hme
Grab Jakob Böhmes

Sie war Ausdruck der kleinbürgerlichen Opposition, der sich auch Teile des niederlausitz-schlesischen Adels anschlossen. Die wesentlichen geistigen Quellen, auf die sich diese Richtung stützte, waren der von Nikolaus von Kues inaugurierte Pantheismus, die von diesem beeinflusste naturphilosophische Lehre des Paracelsus und die am Neuplatonismus und der Kabbala orientierte Mystik des Agrippa von Nettesheim. Als Hauptvertreter dieser Strömung gelten Sebastian Franck, Valentin Weigel und Böhme, dessen Lehre ihren Höhe- und Schlusspunkt darstellt.

Böhme und seine Anhänger waren mit dem offiziellen Luthertum unzufrieden und stark an der Lehre Kaspar Schwenckfelds (1489–1561) orientiert. Schwenckfeld wollte – ein Ansinnen, das in der oppositionellen Mystik häufig anzutreffen war und dem urchristliche Ideale zugrunde lagen – ein Christentum ohne Kirche als besondere hierarchisch aufgebaute Organisationsform, weil dadurch die Nähe des Menschen zur göttlichen Vorstellung von seiner Stellung innerhalb der Hierarchie abhängig sei. Vielmehr trat er für eine unmittelbare Beziehung jedes Menschen zur göttlichen Botschaft ein.

Sind auch die äußeren Faktoren von Böhmes Leben bekannt, so kann dies nicht von seinem geistigen Entwicklungsgang und seinen Beziehungen zu den zeitgenössischen theoretischen Hauptströmungen behauptet werden, da hierüber jegliche Angaben fehlen. Er zitierte außer der Bibel weder fremde Werke, noch gibt er Autoren an. Jedoch kann indirekt aus seinen Schriften auf seine unmittelbaren Quellen geschlossen werden. Demzufolge kannte er die naturphilosophische, astrologische, alchemistische und religiös-mystische Literatur seiner Zeit. Er selbst gab an, „vieler hoher Meister Schriften gelesen“ zu haben, ohne dabei die geistige Befriedung gefunden zu haben, nach der er strebte.
Denken
Die Natur als Lehrmeister

In seiner Schrift „Aurora oder Morgenröte im Aufgang“ erklärt Böhme, sein wahrer Lehrmeister sei „die ganze Natura“: „Es ist ja Böses und Gutes in der Natur. Weil denn alle Dinge von Gott kommen, so muss ja das Böse auch von Gott kommen [..] Die bittere Qualität ist auch in Gott, aber […] als eine ewigwährende Kraft, ein triumphierender Freudenquell“, der den Himmel, die Sterne, die Elemente und die Kreaturen beweglich macht.

Von der ganzen Natur und ihrer „instehenden Geburt“ habe er seine ganze Philosophie, Astrologie und Theologie studiert und nicht von Menschen und durch Menschen. Trotzdem ist der Einfluss „vieler hoher Meister“ unverkennbar, insbesondere der von Paracelsus, Valentin Weigel und Kaspar von Schwenckfeld. Vor allem die von der göttlichen Vorstellung zum Menschen hinführende Erkenntnislehre Weigels – Lernen sei, sich selbst erkennen; der Mensch lerne die Welt, er selbst sei die Welt; obwohl alle übernatürliche Erkenntnis aus der göttlichen Vorstellung komme, so komme sie doch nicht ohne den Menschen, sondern in, mit, aus und durch den Menschen – bildet den theoretischen Hintergrund des Böhmeschen Schaffens.

Die wertvollen Gedanken Böhmes liegen in seinen Schriften nicht immer auf den ersten Blick offen, sondern sind mit seinen mystischen, phantastischen, zum Teil mit alchemistischen Spekulationen durchsetzten Auffassungen verflochten. Böhme, der niemals eine Universität besuchte und sich sein gesamtes Wissen selbst erarbeiten musste, verfügte nicht über eine exakte, mit abstrakten Begriffen operierende Wissenschaftssprache. Bei allen Nachteilen, die hieraus erwachsen, traten in seiner ausdrucksstarken und lebensnahen Bildersprache die volkstümlichen Züge hervor, die ihn in ungewöhnlich scharfen, von ihm selbst ausgesprochenen Gegensatz zur geltenden Schul- und Büchergelehrsamkeit brachten. Dies hing auch damit zusammen, dass sein persönliches Ziel nicht nur philosophisch-theoretisch, sondern ebenso prophetisch-praktisch war.
Kernpunkte seines Denkens

Böhmes Gedanken kreisen

um die pantheistische Gleichsetzung von Natur und Gott,
um die Ableitung sowohl der Prinzipien des Guten sowie des Bösen in der Natur „als eine ewigwährende Kraft“, welche „die Kreaturen beweglich“ macht (Aurora), aus Gott,
um den Gedanken, dass der Widerspruch als ein notwendiges Moment in allen Erscheinungen der Wirklichkeit vorhanden sei, freilich ohne Verwendung des Begriffs selbst, und damit um die Dialektik der Qualitäten des „zornigen“ und des liebenden Gottes bei der Erschaffung der Welt,
um die Bedeutung des weiblichen Prinzips (Sophia), des Geists Gottes, der dem Geist der Natur letztlich überlegen ist, für wirkliche Erkenntnis und
um die Freiheitsfähigkeit des Menschen, die aus dem inneren Bezug zum Urgrund erwächst und ihm in Auseinandersetzung mit den Verführungen Luzifers die Erkenntnis der wahren Freiheit in und mit Gott ermöglicht.

Pantheismus

Die aus dem Wesen Gottes sich in der Natur und ihren Kreaturen offenbarenden Prinzipien des Lichts und der Dunkelheit sind im Leben allgegenwärtig. Deshalb sind, wie in „Der Weg in Christo“ formuliert, „Himmel und Hölle […] überall gegenwärtig. Es ist nur eine Einwendung des Willens entweder in Gottes Liebe oder in Zorn“.

Damit findet man bei Böhme, wenn auch nicht als Resultat direkter Anknüpfung, das gleiche pantheistische Motiv wieder, welches bei der Betrachtung der Geschichte des Materie-Form-Problems (siehe Hylemorphismus), mit den Zentralgestalten Ibn Rushd und Giordano Bruno, erwuchs und durch die allmähliche Hereinnahme der „göttlichen“ Wirklichkeit in die Vorstellung des Materiellen gekennzeichnet war, bis schließlich bei Bruno die Materie überhaupt erst die Form aus sich heraussetzt.

Jakob Böhme 502px-B%C3%B6hme_Philosophische_Kugel
Böhmes Philosophische Kugel oder „Phasen“ einer Kosmogonie (1682).

Die Kluft, die Böhme hiermit zur offiziellen Gotteslehre des Christentums öffnete, war trotz aller Beteuerungen der Rechtgläubigkeit nicht zu überbrücken und musste notwendigerweise zu Anfeindungen führen. Böhme empfand mit aller Härte den in der traditionellen scholastischen Kosmologie enthaltenen Widerspruch zwischen der reinen Geistigkeit der göttlichen Vorstellung und der „stofflichen“, „erdhaften“ Wirklichkeit, die diese geschaffen haben sollte. In keiner Schrift findet er eine Antwort auf die ihn quälende Frage, welche Materie oder Kraft wohl Gras, Kraut, Bäume, Erde und Steine hervorgebracht habe. Damit wurde von Böhme das Problem der Schöpfung wieder aufgeworfen und somit, aus seiner Sicht, die Frage nach dem Verhältnis von Geistigem und Materiellem neu gestellt.
Gott und Luzifer

Bei Beachtung seiner gesellschaftlichen Lebensumstände sowie des Standes der damaligen einzelwissenschaftlichen Forschung wird es verständlich, dass seine Antworten mystischen Charakter tragen; zugleich weisen sie wertvolle dialektische Momente auf. Er griff auf die Vorstellung von Luzifer zurück, dessen Erhebung den Zorn, die „Grimmigkeit“ in Gott erweckt habe. Deshalb finde der Mensch im Grunde der Natur nicht „göttliche“ Ruhe, sondern ein „Wüten und Reißen, Brennen und Stechen und ein ganz widerwillig Wesen“, nichts „denn eitel Grimmigkeit“ (in: 1, Band 2, 185, 171, 91). Diese „Grimmigkeit“ ist nicht einseitig moralisch aufzufassen, sondern im Zusammenhang mit seiner Qualitätslehre zu sehen. Böhme stellte den Grimm als böse Qualität der guten Qualität gegenüber. Beide seien die Zusammenballung je dreier spezieller Qualitäten oder „Quellgeister“, deren gegensätzliche Verhaltensweisen das Geschehen in der Welt bestimmen. Böhme fasst Gott nicht als reinen Geist auf, vielmehr bedarf dieser einer „ewigen Natur“, um überhaupt erst lebendiger Geist werden zu können. Die ganze Natur stehe in großem Sehnen, immer willens, die göttliche Kraft zu gebären. Sie sei der Leib Gottes und habe alle Kraft wie die ganze Gebärung in sich. Für Böhme ist die „Grimmigkeit“ („Drei Prinzipien göttlichen Wesens“) die Voraussetzung für Leben und „Beweglichkeit“: „[A]uch wäre weder Farbe noch Tugend, sondern es wäre Alles ein Nichts“. Die Dualität ist also Motor der Schöpfung. In den Theosophischen Sendbriefen heißt es: „Der Himmel ist in der Hölle, und die Hölle ist im Himmel“. Die Schattenseite dieser Dynamik ist, wie Böhme in „Vom Dreifachen Leben des Menschen“ ausführt, ein „Streit im Menschen und um den Menschen“: „Es sind zwei Suchten in der Seele, eine suchet immer das irdische Wesen, eine ist Gottes Sucht und suchet Himmelreich“. Während die Natur „ein Feuer“ bleibt, ist die „Freiheit ein Licht“ und das Ziel eines „ander[en] Sehnen[s] und Begehren[s] nach einem anderen Wesen und Leben, welches nicht tierisch und vergänglich ist“. In seiner Schrift „Vom Beten“ betont Böhme, dass der Mensch in seiner Wahl des Reiches ein freien Willen hat: „Der Mensch tue, was er will“ Böhme gibt auf die alte Frage, woher und wie das Böse in die Schöpfung gekommen ist, eine andere Antwort als die kirchlichen Dogmatiker, die von einer prinzipiellen Trennung der geistigen und weltlichen Bereiche ausgehen: Das Böse ist eine potentielle Begleiterscheinung der aus Gott hervorgehenden Naturkraft, die allerdings erst durch die Entscheidung des Menschen realisiert wird. Böhme schreibt programmatisch: [...], so man aber will von Gott reden, was Gott sei: so muß man fleißig erwägen die Kräfte in der Natur, dazu die ganze Schöpfung, Himmel und Erde, sowohl Sterne und Elemente, und die Kreaturen, ... (in: 1, Band 2, 21)[1].

Böhme erläutert in „Aurora“, im Zusammenhang mit der Qualität des „zornigen Gottes“ stehe „die Hölle, dazu die ewige Feindschaft und Mordgrube, und eine solche Kreatur [sei] der Teufel geworden“, der in „Die drei Prinzipien göttlichen Wesens“ als ehemaliger „heiliger Engel“ dargestellt wird, der im „arme[n] Mensch[en]“ durch sein „infizierendes Gift […] das Zornfeuer“ aufflammen lasse und „das holdselige Licht in dem animalischen Geist“ lösche. Wie ein Mörder wollte nun Luzifer „alles unter seine Gewalt […] bringen“, aber das „Zornfeuer Gottes in der Natur“ reiche „nicht bis auf den innersten Kern des Herzens, welcher der Sohn Gottes ist, viel weniger in die verborgene Heiligkeit des Geistes“, die von Liebe durchdrungen ist. Da Luzifer nicht in der Liebe geblieben [sei] und sie auslöschte, reiche seine Herrschaft nicht tiefer („Aurora oder die Morgenröte im Anfang“). Der Streit zwischen beiden, Licht- und Angstwelt, „währet, solange das irdische Leben währet“ („Von der Menschwerdung Christi“)
Der Begriff der Qualität bei Böhme

Böhme unterscheidet in seiner Gottes- und Schöpfungsvorstellung drei Phasen: Im ersten, und wieder in der dritten, Abschnitt ruhen alle Kräfte als reine Ideen, bewegungslos und ungetrennt in Harmonie der Ewigkeit: In der Schrift „Der Weg zu Christo“ (Zum Beschluss) beschreibt Böhme Gott als „in sich selber naturlos, sowohl affekt- und kreaturlos“, ohne Neigung, weder zum Guten noch zum Bösen. Er [sei] ein „Ungrund“, das „Nichts und das Alles“, weder „Licht noch Finsternis, weder Liebe noch Zorn, sondern das Ewige Eine“. Entsprechend formuliert er in „Aurora oder die Morgenröte im Anfang“: „Alle Kräfte in dem Vater sind in einander wie Eine Kraft, und alle Kräfte bestehen in dem Vater in einem unerforschlichen Lichte und Klarheit.“ Von dieser Einheit aus erklärt sich Böhme die Entwicklung zur Dualität mit Hilfe der Qualitäten in einem an die Stufen der Dialektik erinnernden Dreischritt.

Die Fassung des Begriffs „Qualität“ durch Böhme zeigte dessen beträchtliches dialektisches Denkvermögen. Sie bedeutete für ihn Beweglichkeit, nämlich „qualen und treiben eines Dinges“. „Qualen“ als treibende Bewegung war für ihn eine Grundeigenschaft des Seins. In seiner Schrift De tribus principiis setzte er dann nur noch den Grimm unter Überwindung des Begriffpaares „Gut und Böse“ als Ausgangspunkt für die Bewegung in der Wirklichkeit. Klar findet man den Gedanken vom Vorhandensein des Widerspruchs in den Dingen herausgearbeitet: Alles

„stößet, quetschet und feindet (sich) und also ein Widerwille in der Kreatur ist, und also ein jeglicher Körper mit ihm selbst unseins ist“ (in: 1, Band 3, Vorrede, Abschnitt 13).

Der Gegensatz zwischen einzelnen Qualitäten ist die Voraussetzung der Erschaffung der Welt: Die „ganze Gottheit hat in ihrer innerlichsten, anfänglichsten Geburt im Kern gar eine erschreckliche Schärfe, indem die herbe Qualität [zweites Principio] gar ein finsteres und kaltes Zusammenziehen ist, gleich dem Winter […] und die bittere Qualität [erstes Principio] ist ein reißend und schneidend bitterer Quell; denn sie zerteilet und zertreibet die harte und herbe Qualität und macht die Beweglichkeit. Und zwischen diesen zwei Qualitäten wird die Hitze [= drittes Principio] geboren von ihrem harten, grimmigen Reiben, Reißen und Toben, die steiget auf als eine grimmige Anzündung. Solches Aufsteigen wird in der herben Qualität befestigt, dass ein Körper wird“. Wenn in diesem Körper keine weitere Qualität wäre, welche die Grimmigkeit löschen könnte, wäre darin eine stete Feindschaft.

Die untrennbare Verbindung des Widerspruchsprinzips, das in der Natur wirkt, mit seinem Pantheismus hat Böhme selbst unübertroffen so formuliert:

„Denn wenn keine Natur wäre, so wäre auch keine Herrlichkeit und Macht, viel weniger Majestät, auch kein Geist; sondern eine Stille ohne Wesen, ein ewig nichts ohne Glanz und Schein“ (in: 1, Band 4, Kapitel XIV, Abschnitt 37).

Sophia als weibliche Seite des Geistes

Alle Werke Böhmes durchzieht das Bemühen, das von ihm als zu einseitig und äußerlich empfundene rationalistische Denken durch die Erkenntniskräfte von Herz, Leib und Seele zu ergänzen. Diese begreift er als weibliche Seite der göttlichen Weisheit:

„Ein jeder Geist ist rohe, und kennet sich nicht: nun begehret ein jeder Geist Leib, beides zu einer Speise und Wonne … Die Jungfrau der Weisheit umgab den Seelen-Geist erstlich mit himmlischer Wesenheit, mit himmlischem Göttlichem Fleische, und der heilige Geist gab die himmlische Tinctur.“ (Jacob Boheme: Vierzig Fragen von der Seelen. Frage 4, Abs. 1 und 6).
„Das ist meine Jungfrau, die ich in Adam hatte verloren, da ein irdisch Weib aus ihr ward. Jetzt habe ich meine liebe Jungfrau aus meinem Leibe wiedergefunden. Nun will ich die nimmermehr von mir lassen. Der Leib ist der Seelen Spiegel und Wohnhaus, und ist auch eine Ursache, dass die pure Seele den Geist verändert, als nach der Lust des Leibes oder des Geistes dieser Welt.“ (Jacob Boehme: Vierzig Fragen von der Seelen. Frage 7, Abs. 14).


In „Die drei Prinzipien göttlichen Wesens“ tritt Sophia als perlengeschmückte Jungfrau auf. Böhme erklärt in Dialogform, nach dem Vorbild des „Hohenliedes“, die Spannung im Menschen zwischen dem „Jüngling“ als dem „Geist, den er aus der Natur von der Welt ererbet hatte“, und der „züchtige[n] Jungfrau“, dem „Geist, so ihm aus Gott eingeblasen“. Der Jüngling begehrte sie als seine Braut, sie aber antwortete: „Du bist ja mein Bräutigam und mein Gesell, aber du hast nicht meinen Schmuck […] mein Gemüt ist immer beständig; du aber hast ein unbeständiges Gemüt, und deine Kraft ist zerbrechlich. Wohne in meinen Vorhöfen; aber meine Perle gebe ich dir nicht; denn du bist finster und sie ist leicht und schön“. In ihrer irdischen Vermählung verlor „die edle Sophia […] ihr Perllein“ ("Der Weg zu Christo“) und wurde zum ebenfalls vom Geist dieser Welt beherrschten Weib. Aber die Jungfrau, der immer seine Sehnsucht galt, hat dem Menschen „zugesagt, [ihn] nicht zu verlassen in keiner Not: sie will [ihm] zu Hülfe kommen in der Jungfrau Sohne, […] er wird [ihn] wohl wieder ins Paradeis bringen“.
Der Gedanke der Freiheit bei Böhme

Die Idee der Freiheit, welche für die klassische deutsche Philosophie maßgebend wurde, findet bei Böhme erstmals ihre Begründung. Da der Mensch als leibliches, seelisches und geistiges Wesen selbst Teil des Ewigen, Göttlichen oder Ungrundes ist, kann er auch in sich selbst einen Bezug dazu herstellen. Da der Ungrund oder das Göttliche unbedingter, ewig freier Wille und Ursprung aller Dinge ist, wird auch der Mensch umso freier, je mehr er dies in sich entdeckt. So kann er nur persönlich oder gesellschaftlich Bedingtes in und um sich relativieren und lieber den Sinn des Ganzen, und so auch sich selbst als ganzes und freies Wesen begehren:

„Erstlich ist die ewige Freiheit, die hat den Willen, und ist selber der Wille. Nun hat ein jeder Wille eine Sucht etwas zu tun oder zu begehren, und in demselben schauet er sich selbst: er siehet in sich in die Ewigkeit, was er selber ist; er machet ihm selber den Spiegel seines gleichen, dann er besiehet sich, was er ist: so findet er nun nichts mehr als sich selber, und begehret sich selber.“ (in: Vierzig Fragen von der Seelen. Frage 1, Abs. 13, Die erste Gestalt).

In seiner Schrift „Vom Beten“ schreibt Böhme, „der Mensch [habe] freien Willen, er [möge] sich auf Erden in einem Werke erlustigen, worinnen er [wolle]. Es [stehe] alles in Gottes Wunder, der Mensch [tue], was er[wolle]". In „De signatura rerum“ erklärt er die Zusammenhänge der freien Entscheidung mit der Naturerkenntnis. Denn ohne sie „könnte ein Mensch den anderen nicht verstehen“: „Drum ist in der Signatur der größte Verstand, darinnen sich der Mensch nicht allein lernet selber kennen, sondern er mag auch darinnen das Wesen aller Wesen lernen erkennen […]. Die ganze äußere Welt ist eine Bezeichnung der inneren geistlichen Welt […]. Das Wesen aller Wesen ist eine ringende Kraft, denn das Reich Gottes stehet in der Kraft, also auch die äußere Welt“. Darum solle sich ein jeder verstehen lernen, „wie ein Leben verderbe, wie aus Gutem ein Böses werde und aus Bösem ein Gutes, wenn sich der Wille umwendet“, und kennen lernen, „was für Eigenschaften in ihm regieren. Der Mensch [müsse] allhie im Streite wider sich selbst sein, [wolle] er ein himmlischer Bürger werden“ Er solle den vier verführerischen „Element[en] der finstern Welt“ (Hoffart, Geiz, Neid, Zorn) widerstehen und bedenken, „dass Gott selber in ihm sein Vorsatz sei, dass er ihn wolle erretten und ihn in sein Reich einführen“. („Von sechs theosophischen Punkten“). Er müsse „wieder neu geboren werden, [wolle er] wieder das Reich Gottes schauen“ („Von der Menschwerdung Christi“). Dieses Reich in seiner Dreiheit Vater, Sohn und Heiliger Geist sei „von der ewigen Freiheit und [bleibe] ewig die Freiheit“ („Vom Beten“).
Nachwirkung

1682 wurden die theosophischen Schriften Böhmes erstmals gemeinsam herausgegeben.

Böhmes Nachwirkungen zeigten sich in Deutschland und besonders in den Niederlanden und England, wo die Anhänger seiner Ideen als „Behmenists“ bezeichnet wurden, ebenso in Schweden, Finnland (Lars Ulstadius, Peter Schaefer, Jakob Eriksson, Erik Eriksson, Jaakko Kärmäki und Jaakko Wallenberg) und Russland. Bei den Quäkern fand er enthusiastische Anhänger, die seine Gedanken bis nach Amerika trugen. Über Friedrich Christoph Oetinger gewann Böhme Einfluss auf den Pietismus in Südwestdeutschland und über diesen auf Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Durch Schelling wiederum ist Böhmes Gedankenwelt Georg Wilhelm Friedrich Hegel nahegebracht worden. Und schon Hegel erkannte in Böhmes Spekulationen trotz deren „barbarischer“ Sprache die in ihnen enthaltenen dialektischen Ansätze. Er nannte ihn den „ersten deutschen Philosophen“. Selbst Newtons Gravitationslehre wurde mit Böhmes „Dialektik“ in Zusammenhang gebracht. Böhme beeinflusste auch die frühromantischen Dichter und Philosophen, besonders Novalis, dessen pantheistisch gefärbte Natursymbolik deutlich von Böhme inspiriert ist. Der romantische Maler Philipp Otto Runge lernte Böhmes Werke über Novalis kennen und ließ sich etwa für seinen Tageszeiten-Zyklus von ihm inspirieren.

Der französische Philosoph und Mystiker Louis Claude de Saint-Martin entdeckte Böhme für Frankreich. Er war so begeistert von Böhme, dass er fast fünfzigjährig Deutsch lernte, um dessen Schriften im Original lesen zu können. Er führte damit auch in Deutschland für den dort inzwischen in Vergessenheit geratenen Meister eine Böhme-Renaissance herbei.

Die Tiefenphänomenologie, die von José Sánchez de Murillo begründet wurde, beruft sich wesentlich auf Jakob Böhme.

Der Bildhauer Johannes Pfuhl schuf das Bronzestandbild des Gelehrten, das 1898 im Stadtpark von Görlitz enthüllt wurde.

Die Evangelische Kirche in Deutschland erinnert mit einem Gedenktag im Evangelischen Namenkalender am 17. November an Jakob Böhme.[2]

Werke (Auswahl)

Jakob Böhme Boehme-Werk
Titelblatt der ersten Werkausgabe


1612: Aurora (Die Morgenröte im Aufgang)
1619: De tribus principiis (Beschreibung der drei Prinzipien göttlichen Wesens)
1620: De triplici vita hominis (Von dem Dreyfachen Leben des Menschen)
1620: Psychologica vera (Vierzig Fragen von der Seelen)
1620: De incarnatione verbi (Von der Menschwerdung Jesu Christi)
1620: Sex puncta theosophica (Von sechs Theosophischen Puncten)
1620: Sex puncta mystica (Kurze Erklärung Sechs Mystischer Puncte)
1620: Mysterium pansophicum (Gründlicher Bericht von dem Irdischen und Himmlischen Mysterio)
1620: Informatorium novissimorum (Unterricht von den letzten Zeiten an P. Kaym)
1621: Christosophia (der Weg zu Christo)
1621: Libri apologetici (Schutz-Schriften wider Balthasar Tilken)
1621: Antistifelius (Bedenken über Esaiä Stiefels Büchlein)
1622: Ingleich Vom Irrtum der Secten Esaiä und Zechiel Meths
1622: De signatura rerum (Von der Geburt und der Bezeichnung aller Wesen)
1623: Mysterium Magnum (Erklärung über das erste Buch Mosis)
1623: De electione gratiae (Von der Gnaden-Wahl)
1623: De testamentis Christi (Von Christi Testamenten)
1624: Quaestiones theosophicae (Betrachtung Göttlicher Offenbarung)
1624: Tabulae principorium (Tafeln von den Dreyen Pricipien Göttlicher Offenbarung)
1624: Apologia contra Gregorium Richter (Schutz-Rede wider Richter)
1624: Libellus apologeticus (Schriftliche Verantwortung an E.E. Rath zu Görlitz)
1624: Clavis (Schlüssel, das ist Eine Erklärung der vornehmsten Puncten und Wörter, welche in diesen Schriften gebraucht werden)
1618–1624: Epistolae theosophicae (Theosophische Send-Briefe)
1682: (1) Werkausgaben

Moderne Werkausgaben

Jacob Böhme: Sämtliche Schriften. 11 Bände, Faksimile der Ausgabe von 1730, hrsg. von Will-Erich Peuckert. Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 1955–1989, ISBN 978-3-7728-0061-0
Jacob Böhme: Die Urschriften. 2 Bände, im Auftrag der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen hrsg. von Werner Buddecke. Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 1963–1966, ISBN 978-3-7728-0073-3


Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Andy
Andy
Admin

Anzahl der Beiträge : 36197
Anmeldedatum : 03.04.11

Nach oben Nach unten

Nach oben

- Ähnliche Themen

 
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten