Kenotaph oder das ‚leeres Grab‘
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Kenotaph oder das ‚leeres Grab‘
Ein Kenotaph (auch Zenotaph; altgr. κενοτάφιον kenotáphion ‚leeres Grab‘; aus κενός kenós ‚leer‘ und τάφος táphos ‚Grab‘),[1] auch Scheingrab genannt, ist ein Ehrenzeichen für einen oder mehrere Tote. Im Gegensatz zum Grab dient es ausschließlich der Erinnerung und enthält keine sterblichen Überreste. Mehrere Kenotaphe können in der Art einer Nekropole zusammengefasst sein. Aus gartenkünstlerischen Überlegungen angelegte Scheingräber werden als Scheinfriedhof bezeichnet. In der christlichen Kunst weit verbreitet sind Heilige Gräber, Nachbildungen des Grabes Christi.
Bada Bagh, Kenotaphe in der Nähe von Jaisalmer, Rajasthan, Indien
Geschichte
Relief vom Kenotaph des Dexileos (etwa 390 v. Chr.; Kerameikos-Museum)
Die ersten so bezeichneten Kenotaphe waren einfache Grabmale zum Andenken an Tote, deren Gebeine nicht aufgefunden werden konnten; der römische Glaube gebot, die Manen durch diese Fiktion zu besänftigen. Bei der Weihe eines solchen Mals wurde der Verstorbene dreimal mit Namen gerufen und eingeladen, in dem leeren Grab seine Wohnung zu nehmen. Dasselbe geschah auch, wenn ein geehrter Toter fern von der Heimat begraben lag. In einem solchen Fall errichteten ihm die Angehörigen oder Mitbürger der Vaterstadt ein bisweilen sehr prachtvolles Ehrenmal. Kenotaph nannte man auch die Grabstätte, welche man für sich und die Seinigen bei Lebzeiten erbauen und einrichten ließ.
Eine Sonderform des Kenotaphs ist das antike Heroon, ein häufig dem sagenhaften Gründer einer Stadt gewidmetes Heiligtum, das als Grabmal des Heros betrachtet wurde.
Auch Kenotaphe als reine Ehrenmale und Memorialbauten waren in der Antike verbreitet. Bekannte Beispiele sind:
das Kenotaph des Dexileos im Kerameikos in Athen
das Kenotaph des Teiresias in Theben
das Kenotaph des Gaius Caesar in Limyra
das Kenotaph des Drusus in Mainz
Bekannte Kenotaphe
Kenotaph für Isaac Newton
Kenotaph für Isaac Newton (Entwurf)
Ein für die Architekturgeschichte bedeutsames Kenotaph für Isaac Newton wurde 1784 von dem französischen Architekten Étienne-Louis Boullée entworfen. Die 150 m hohe Kugel symbolisiert die Sphäre des Universums, im Inneren wird durch Perforation der Kugeloberfläche der Sternenhimmel dargestellt. Dieser Entwurf gilt als Höhepunkt der utopischen Revolutionsarchitektur, wurde aber nicht realisiert.
Londoner Kenotaph
Kenotaph in Whitehall, London
Ein berühmtes Kenotaph (The Cenotaph) befindet sich in London im Stadtteil Westminster, dem Regierungsviertel, auf der Straßenmitte von Whitehall nahe der Kreuzung mit Downing Street (Amtssitz des Premierministers). Errichtet wurde es 1919 bis 1920 durch Sir Edwin Lutyens.
Es handelt sich um ein Denkmal aus Portland-Stein ohne Verzierungen. Auf beiden Seiten befindet sich ein eingemeißelter Siegeskranz mit den Worten The Glorious Dead („Den ruhmreichen Toten“). Der Ort wird durch die Flaggen des Vereinigten Königreiches, der Royal Navy, der British Army, der Royal Air Force und der Handelsflotte geschmückt. Der Monarch, der Premierminister, die Hochkommissare sowie Veteranen ehren jährlich an dem Sonntag, der dem 11. November am nächsten liegt, mit einer Kranzniederlegung um 11 Uhr die Gefallenen der Kriege.
Kenotaph von Hiroshima
Der Kenotaph im Friedenspark von Hiroshima.
Zum Gedenken an die Opfer des Atombombenabwurfs auf Hiroshima wurde dort im Friedenspark – zwischen dem Friedensmuseum und der Atombombenkuppel gelegen – ein Kenotaph errichtet. Der Sockel unter dem gewölbeartigen Konstrukt trägt die Inschrift „Let all the souls here rest in peace; For we shall not repeat the evil“[2] („Lasst alle Seelen hier in Frieden ruhen; denn wir wollen das Böse nicht wiederholen“). Darin befindet sich eine Liste aller (bekannten) Atombombenopfer. Sie wird bis heute im Rahmen einer Zeremonie mit den Namen von Personen fortgeführt, die an den Spätfolgen der Verstrahlung gestorben sind. Am 6. August 2014 befanden sich darin 106 Bände mit gesamthaft 292'325 Einträgen.[2]
„Kenotaphe“ in der Ur- und Frühgeschichte
Der Begriff wurde in der Ur- und Frühgeschichte auf grabartige Befunde ohne Skelettreste und Leichenbrand übertragen, die als leere Gräber eingeordnet wurden. Als „grabartig“ galten insbesondere Gruben oder Schächte mit Gegenständen innerhalb von Friedhöfen oder Gräberfeldern. Solche Befunde werden mittlerweile oft als Depotfunde eingestuft.[3]
In einigen britischen Langbetten fand sich trotz bester Voraussetzungen für dessen Erhaltung keinerlei Skelettmaterial, wie in den Anlagen South Street und Beckhampton in Wiltshire.
Im Gräberfeld von Warna wurden Deponierungen von Beigaben ohne Skelette als Kenotaphe gedeutet.[4]
Auch die Elb-Havelgermanen der römischen Kaiserzeit und die Angelsachsen (Sutton Hoo, 625 n. Chr.) kannten Scheingräber; die Wikinger setzten diese Tradition fort.
Eine Besonderheit sind irisch Leachtanna cuimhne genannte Kenotaphe, die nur auf der Aran-Insel Inishmore vorkommen und aus dem 17.–18. Jahrhundert stammen.[5]
Siehe auch
Kriegerdenkmal, Grabmal des unbekannten Soldaten
Triumphbogen (Paris), Neue Wache
Epitaph
Eigelstein
Les Antiques von Glanum bei Saint-Rémy-de-Provence
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Bada Bagh, Kenotaphe in der Nähe von Jaisalmer, Rajasthan, Indien
Geschichte
Relief vom Kenotaph des Dexileos (etwa 390 v. Chr.; Kerameikos-Museum)
Die ersten so bezeichneten Kenotaphe waren einfache Grabmale zum Andenken an Tote, deren Gebeine nicht aufgefunden werden konnten; der römische Glaube gebot, die Manen durch diese Fiktion zu besänftigen. Bei der Weihe eines solchen Mals wurde der Verstorbene dreimal mit Namen gerufen und eingeladen, in dem leeren Grab seine Wohnung zu nehmen. Dasselbe geschah auch, wenn ein geehrter Toter fern von der Heimat begraben lag. In einem solchen Fall errichteten ihm die Angehörigen oder Mitbürger der Vaterstadt ein bisweilen sehr prachtvolles Ehrenmal. Kenotaph nannte man auch die Grabstätte, welche man für sich und die Seinigen bei Lebzeiten erbauen und einrichten ließ.
Eine Sonderform des Kenotaphs ist das antike Heroon, ein häufig dem sagenhaften Gründer einer Stadt gewidmetes Heiligtum, das als Grabmal des Heros betrachtet wurde.
Auch Kenotaphe als reine Ehrenmale und Memorialbauten waren in der Antike verbreitet. Bekannte Beispiele sind:
das Kenotaph des Dexileos im Kerameikos in Athen
das Kenotaph des Teiresias in Theben
das Kenotaph des Gaius Caesar in Limyra
das Kenotaph des Drusus in Mainz
Bekannte Kenotaphe
Kenotaph für Isaac Newton
Kenotaph für Isaac Newton (Entwurf)
Ein für die Architekturgeschichte bedeutsames Kenotaph für Isaac Newton wurde 1784 von dem französischen Architekten Étienne-Louis Boullée entworfen. Die 150 m hohe Kugel symbolisiert die Sphäre des Universums, im Inneren wird durch Perforation der Kugeloberfläche der Sternenhimmel dargestellt. Dieser Entwurf gilt als Höhepunkt der utopischen Revolutionsarchitektur, wurde aber nicht realisiert.
Londoner Kenotaph
Kenotaph in Whitehall, London
Ein berühmtes Kenotaph (The Cenotaph) befindet sich in London im Stadtteil Westminster, dem Regierungsviertel, auf der Straßenmitte von Whitehall nahe der Kreuzung mit Downing Street (Amtssitz des Premierministers). Errichtet wurde es 1919 bis 1920 durch Sir Edwin Lutyens.
Es handelt sich um ein Denkmal aus Portland-Stein ohne Verzierungen. Auf beiden Seiten befindet sich ein eingemeißelter Siegeskranz mit den Worten The Glorious Dead („Den ruhmreichen Toten“). Der Ort wird durch die Flaggen des Vereinigten Königreiches, der Royal Navy, der British Army, der Royal Air Force und der Handelsflotte geschmückt. Der Monarch, der Premierminister, die Hochkommissare sowie Veteranen ehren jährlich an dem Sonntag, der dem 11. November am nächsten liegt, mit einer Kranzniederlegung um 11 Uhr die Gefallenen der Kriege.
Kenotaph von Hiroshima
Der Kenotaph im Friedenspark von Hiroshima.
Zum Gedenken an die Opfer des Atombombenabwurfs auf Hiroshima wurde dort im Friedenspark – zwischen dem Friedensmuseum und der Atombombenkuppel gelegen – ein Kenotaph errichtet. Der Sockel unter dem gewölbeartigen Konstrukt trägt die Inschrift „Let all the souls here rest in peace; For we shall not repeat the evil“[2] („Lasst alle Seelen hier in Frieden ruhen; denn wir wollen das Böse nicht wiederholen“). Darin befindet sich eine Liste aller (bekannten) Atombombenopfer. Sie wird bis heute im Rahmen einer Zeremonie mit den Namen von Personen fortgeführt, die an den Spätfolgen der Verstrahlung gestorben sind. Am 6. August 2014 befanden sich darin 106 Bände mit gesamthaft 292'325 Einträgen.[2]
„Kenotaphe“ in der Ur- und Frühgeschichte
Der Begriff wurde in der Ur- und Frühgeschichte auf grabartige Befunde ohne Skelettreste und Leichenbrand übertragen, die als leere Gräber eingeordnet wurden. Als „grabartig“ galten insbesondere Gruben oder Schächte mit Gegenständen innerhalb von Friedhöfen oder Gräberfeldern. Solche Befunde werden mittlerweile oft als Depotfunde eingestuft.[3]
In einigen britischen Langbetten fand sich trotz bester Voraussetzungen für dessen Erhaltung keinerlei Skelettmaterial, wie in den Anlagen South Street und Beckhampton in Wiltshire.
Im Gräberfeld von Warna wurden Deponierungen von Beigaben ohne Skelette als Kenotaphe gedeutet.[4]
Auch die Elb-Havelgermanen der römischen Kaiserzeit und die Angelsachsen (Sutton Hoo, 625 n. Chr.) kannten Scheingräber; die Wikinger setzten diese Tradition fort.
Eine Besonderheit sind irisch Leachtanna cuimhne genannte Kenotaphe, die nur auf der Aran-Insel Inishmore vorkommen und aus dem 17.–18. Jahrhundert stammen.[5]
Siehe auch
Kriegerdenkmal, Grabmal des unbekannten Soldaten
Triumphbogen (Paris), Neue Wache
Epitaph
Eigelstein
Les Antiques von Glanum bei Saint-Rémy-de-Provence
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